TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/9 L521 2149052-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2019
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Entscheidungsdatum

09.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L521 2149052/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2017, Zl. 1078633908-150885803, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.10.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 19.07.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Polizeianhaltezentrums Salzburg am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei XXXX geboren, habe zuletzt in Kirkuk gelebt und dort von 1980 bis 1991 die Grundschule besucht. Er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, Moslem, im Irak zuletzt als Polizist tätig gewesen und ledig. Seine Eltern und neun Geschwister seien in Kirkuk wohnhaft.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak Anfang Juli 2015 legal von Kirkuk ausgehend per Flugzeug nach Istanbul verlassen zu haben. In der Folge sei er schlepperunterstützt auf dem Landweg teilweise in Fahrzeugen und teilweise im Fußweg über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, von Beruf Polizist im Rang eines Hauptmanns zu sein. Am 15.05.2013 hätte er einen Anschlag überlebt und jetzt - vor etwa fünf Monaten - sei er vom Islamischen Staat bedroht worden. Man habe ihn zur Kündigung und zum Verlassen des Landes aufgefordert. Er habe dies nicht so ernst genommen und vor etwa eineinhalb Monaten hätten sie eine Handgranate an sein Fahrzeug geworfen, wobei er unverletzt geblieben sei. Er habe einen Anruf erhalten, dass man das nächste Mal treffen und dass man sein Haus zerstören werde. Bei einer Rückkehr fürchte er seinen Tod.

2. Konsultationen mit Ungarn gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, blieben ergebnislos.

3. Am 08.02.2016 legte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen irakischen Personalausweis, einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis und einen irakischen Polizeidienstausweis im Original vor.

4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 14.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers sowie einer Vertrauensperson des Beschwerdeführers in der Sprache Kurdisch Sorani niederschriftlich einvernommen.

Zur Person und den Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen. Er sei XXXX in Kirkuk geboren, Angehöriger des islamischen Glaubens und ledig sowie kinderlos. Er habe vor der Ausreise mit seiner Familie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Er habe von 1980 bis 1991 in Kirkuk die Grund- und Mittelschule besucht. In der Folge sei er als Polizist, konkret als Leibwächter für einen Polizeigeneral namens XXXX tätig gewesen. Seine Eltern, fünf Brüder und vier Schwestern seien noch in einer Ortschaft in der Nähe von Kirkuk wohnhaft. Er stehe mit seiner Familie etwa einmal pro Monat über eine Schwester in telefonischem Kontakt. Die Familie bestreite ihren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit eines Bruders als Lehrer und eines anderen Bruders, der freiberuflich tätig sei. Zudem beziehe sein Vater eine Pension.

Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatstaates befragt, gab der Beschwerdeführer an, Leibwächter von General XXXX gewesen zu sein. Am 15.01.2013 habe sich in seinem Dienstbereich ein Bombenattentat mit 500 Kilogramm C4-Plastiksprengstoff ereignet. An diesem Tag seien 60 Menschen - allesamt Polizisten oder Mitarbeiter der Polizei - zu Tode gekommen. Er selbst hätte Glück gehabt, da er sich zum Explosionszeitpunkt in einem Nebengebäude befunden habe. Fünf Monate später sei er telefonisch und per Brief bedroht worden. Er müsse seine Arbeit aufgeben oder ansonsten sterben. Eineinhalb Monate nach dieser Drohung sei während einer Patrouillenfahrt eine Granate an das Fahrzeug geworfen worden. Fünf Personen seien schwer und er leicht verletzt worden. Danach sei er erneut angerufen worden und habe man ihm mitgeteilt "dieses Mal bist du lebendig herausgekommen. Nächstes Mal wird das nicht mehr passieren. Wir wissen wo du wohnst und auch deine Familie wird betroffen sein". Die Sicherheitslage in Kirkuk sei nicht gut. Vor zwei Monaten habe es einen Angriff in jenem Stadtteil gegeben, wo er seinen Dienst versehen habe.

Nachgefragt zu Details gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er nicht wisse, wer die Granate geworfen oder wer ihn telefonisch bedroht habe. Die Granate sei aber mit Sicherheit von einem Anhänger des Islamischen Staates geworfen worden. An das genaue Datum der telefonischen Bedrohung würde er sich nicht erinnern, es sei jedoch zwei Monate vor seiner Einreise in Europa gewesen. Die Handgranate sei am 15.01.2013 nach ihm geworfen worden. Er sei sich aber nicht ganz sicher. Er sei nach diesem Vorfall noch über zwei Jahre im Irak verblieben. Er sei nicht wegen dieses Vorfalles, sondern wegen der Drohungen nach Europa. Drohbriefe erhalte man täglich. Diese seien nicht so wichtig. Er hätte erst die telefonische Drohung ernst genommen. Man habe ihm dargelegt, dass man wisse, wo seine Schwester studiere und sie diese entführen könnten. Der Anrufer habe seine Telefonnummer über bei der Polizei tätige Sympathisanten des Islamischen Staates erhalten. Er habe seinen Chef von diesem Vorfall benachrichtigt. Dieser habe ihm gesagt, er habe seinen eigenen Bruder nicht beschützen können. Er - sein Chef - könne nicht jede einzelne Person schützen. Die Polizei habe nichts unternommen, um ihn zu schützen. Er habe drei- bis vierzehn Jahre bei der Polizei gearbeitet und den Polizeidienst nicht aufgeben können. Des Weiteren gebe es in Kirkuk auch ethnische Probleme. Wenn man dort nicht gewollt werde, werde man verfolgt.

Befragt, was bei ihm diese ethnischen Probleme seien, erwiderte der Beschwerdeführer: "[P]ersönlich weiß ich nicht was für ein Problem die mit mir hatten. Es wurden aber viele Polizisten getötet. Der General wurde sogar vergiftet, er muss jetzt zur Dialyse."

In der Folge wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu den Möglichkeiten einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Autonomen Region Kurdistan gestellt.

Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer vor, er sei vom Polizeidienst desertiert und es erwarte ihn eine Strafe wegen Desertion in der Höhe von fünf Jahren. Er sei in Kurdistan bei einer nicht mehr existierenden Partei gewesen. Er habe aber aus diesem Grunde keine Probleme gehabt.

Zuletzt brachte der Beschwerdeführer vor, dass er vom Islamischen Staat nicht nur wegen seines Berufes, sondern auch wegen seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit bedroht worden sei.

Abschließend wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak ausgefolgt und eine Stellungnahme binnen zwei Wochen hiezu freigestellt.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer - jeweils im Original - ein Deutschzertifikat-Niveau A1 vom 06.12.2016, eine Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit vom 31.05.2016 und drei Fotografien, die den Beschwerdeführer und andere Personen - teilweise - in Uniform zeigen, in Vorlage.

5. Am 20.12.2016 langte eine ausführliche schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den ausgefolgten länderkundlichen Feststellungen zum Irak ein. Der Beschwerdeführer trat den übermittelten Länderfeststelllungen nicht entgegen. Stattdessen zitierte der Beschwerdeführer auszugsweise aus den länderkundlichen Feststellungen zum Irak bezüglich der Sicherheitslage. Des Weiteren zitierte der Beschwerdeführer auszugsweise aus einem aus dem Internet abrufbaren Bericht zur Lage der Flüchtlinge im Irak. Demnach seien aus der irakischen Provinz Anbar geschätzte 180.000 Menschen aus der Stadt Hit geflohen. Diese neue Fluchtbewegung sei die Folge des Vormarsches des Islamischen Staates und verbündeter bewaffneter Gruppen. Der Exodus aus Hit wäre die vierte große Fluchtbewegung innerhalb eines Jahres. Zudem seien im Nordirak syrische Kurden aus dem vom Islamischen Staat belagerten Kobane über die türkisch-irakische Grenze gekommen und würden Zuflucht in der Provinz Dohuk suchen. Im Irak befänden sich derzeit 214.000 syrische Flüchtlinge, die meisten von ihnen in der Region Kurdistan.

6. Am 31.01.2017 brachte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Original eine Deutschkursbestätigung-Niveau A1/2 vom 16.01.2017 in Vorlage.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe der Einvernahme des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person aus, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung seitens des irakischen Staates erlitten. Des Weiteren habe nicht festgestellt werden können, dass eine Verfolgung durch die quasi-staatliche Organisation Islamischer Staat oder andere Private stattgefunden habe. Es liege im gegenständlichen Fall keine Gefährdungslage in Bezug auf den Irak vor. Dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr in den Irak möglich und zumutbar. Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde im Wesentlichen, das Vorbringen erscheine insgesamt nicht plausibel und habe sich der Beschwerdeführer im Gefolge der Einvernahmen in zahlreiche Widersprüche zum Ausreisevorbringen verwickelt. Was die Tätigkeit als Polizist betreffe, so wäre es dem Beschwerdeführer durchaus möglich gewesen, den Polizeidienst etwa durch Kündigung zu verlassen. Er habe nicht nachvollziehbar darlegen können, weshalb er dies nicht getan habe. Eine Desertion vom Polizeidienst sei jedenfalls nicht notwendig, zumal zwischen der angeblichen telefonischen Drohung im Mai 2015 und der Ausreise im Juli 2015 noch etwa zwei Monate gelegen seien, in denen es dem Beschwerdeführer zeitlich möglich gewesen wäre, eine Kündigung einzubringen. Er habe den Irak nicht fluchtartig verlassen, was zeige, dass er sich in keiner derart prekären Bedrohungslage befunden habe, wie er es versucht habe darzustellen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da er im Irak über genügend Anknüpfungspunkte verfüge und keine reale Gefahr einer Verletzung in elementaren Rechte sowie keine Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts drohe. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen.

8. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Absatz 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

9. Gegen den dem Beschwerdeführer am 17.02.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege einer gewillkürten Vertretung fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten Folge zu geben oder den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und die Rückkehrentscheidung samt der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung ersatzlos zu beheben sowie einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §§ 57 und 55 AsylG zu erteilen. Abschließend wird jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

Unter auszugsweiser Zitierung mehrerer Länderberichte (etwa ACCORD-Anfragebeantwortung: Lage von Binnenflüchtlingen, insbesondere in der Region Kurdistan vom 17.11.2016, Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: Verfolgung von Polizisten durch den Islamischen Staat vom 02.04.2015, Bericht von Zeit-Online vom 22.10.2016 und United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR)-Position zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016) wird in der Folge ausgeführt, dass der Islamische Staat unter anderem in der Provinz Kirkuk Personen, die sich ihrer Ideologie widersetzen würden, darunter auch Mitglieder sowie ehemalige Mitglieder der Sicherheitsdienste, entführe und töte. Zudem werden die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Autonomen Region Kurdistan dargelegt.

Was die Beweiswürdigung betrifft, so wird zunächst angemerkt, dass der Beschwerdeführer nach Ansicht seiner rechtsfreundlichen Vertretung unter einer psychiatrischen/ psychischen Beeinträchtigung leide, was sich auf sein Aussageverhalten negativ auswirke. Die rechtsfreundliche Vertretung bemühe sich um die Beibringung einer ärztlichen Bestätigung. Was die Widersprüche zum Dienstrang des Beschwerdeführers betrifft, so sei dieser dem vorgelegten Dienstausweis zu entnehmen. Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme vor der belangten Behörde erklärt, dass der Dolmetscher bei der Erstbefragung nicht Kurdisch Sorani gesprochen habe und die Verständigung nicht gut gewesen wäre. Sollten diesbezüglich Zweifel bestehen, wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Dolmetscher befragen, ob er Kurdisch Sorani perfekt übersetzen und dolmetschen könne. Das Bombenattentat habe sich nach Aussage des Beschwerdeführers am 16.01.2013 ereignet. Diesbezüglich hätte er ein Video. Dieses Datum wäre korrekt. Zu den Diskrepanzen bezüglich der Verletzungen durch die Handgranate wird festgehalten, dass die wesentliche Aussage des Beschwerdeführers gelautet habe, dass er im Vergleich zu den anderen Insassen des Fahrzeuges großes Glück gehabt habe und er nicht schwer verletzt geworden sei. Insoweit dem Beschwerdeführer bezüglich der telefonischen Bedrohung ein Widerspruch vorgehalten werde, da er behauptet habe, nur eine telefonische Bedrohung wäre (im Vergleich zu Drohbriefen) ernst zu nehmen, er jedoch schon früher telefonisch bedroht worden, jedoch nicht geflüchtet wäre, so sei dem zu entgegnen, dass kein Widerspruch vorliege, weil die Aussage des Beschwerdeführers aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Die wesentliche Aussage sei, dass telefonisch mit der Entführung seiner Schwester gedroht worden und er geflüchtet sei, um eine Entführung seiner Schwester zu vermeiden.

Des Weiteren wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch die Verfolgungssituation traumatisiert sei. Er sei noch nicht in der Lage, detailreich und in einem chronologischen Zusammenhang seine Fluchtgründe zu beschreiben. Seine Polizeitätigkeit sei durch Vorlage des Dienstausweises bewiesen. Sofern es zu widersprüchlichen Angaben bei den Einvernahmen gekommen sei, würden diese auf seiner psychischen Erkrankung beruhen.

Er habe begründete Angst vor Willkür und den Übergriffen durch den Islamischen Staat. Diese Angst hätte - auch wenn er den Polizeidienst beendet hätte - weiter bestanden.

Ferner bestehe für den Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative.

Die Ausführungen des Verbindungsbeamten auf Seite 64 des bekämpften Bescheides seien als Einzelfälle nicht relevant. Die Sicherheitssituation in Kirkuk sei äußerst fragil, verschiedenste Gruppen würden um die Vorherrschaft in der Region kämpfen, eine gesicherte Rechtsprechung gebe es nicht. Es herrsche Willkür und Korruption und äußere sich der Verbindungsbeamte nicht zur Möglichkeit der Wiederaufnahme in den Polizeidienst. Die Antworten des Verbindungsbeamten seien in jedem Fall als gravierend und asylrelevant zu beurteilen. Zunächst drohe der Verlust staatlicher Rechte (wie auch der Pension und anderer Rechte) und sodann gelte der Polizist als entlassen.

Auch wenn der Beschwerdeführer nicht inhaftiert werden sollte, so habe er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Existenzgrundlage verloren. Als psychisch schwer belasteter Mensch sei es ihm unmöglich, im Alter von etwa 44 Jahren eine neue Existenzgrundlage aufzubauen. Eine solche könne er nur in Kirkuk aufbauen und sei dort bekannt, dass er unehrenhaft aus dem Polizeidienst ausgeschieden sei.

Im Übrigen wird abschließend der Vorname des Beschwerdeführers mit XXXX benannt.

Der Beschwerde sind die zuvor angeführten Länderberichte angeschlossen.

10. Die Beschwerdevorlage langte am 03.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

11. Am 05.10.2017 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und einer Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Sorani durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand aktueller Länderdokumentationsunterlagen und einer Anfragebeantwortung zum Fernbleiben, Desertion und Kündigung von Polizei und Armee vom 14.10.2016 erörtert. Dem Beschwerdeführer wurden ferner die erörterten länderkundlichen Berichte ausgehändigt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Seitens des Beschwerdeführers wurden diverse Medienberichte zur Sicherheitslage im Irak, speziell in der Region Kirkuk, eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 03.06.2016 bezüglich der Folgen einer Desertion von der irakischen Armee und Unterlagen bezüglich der Integration in Österreich (Bestätigung über den Besuch eines Sprachtrainings und Bestätigung über die Verrichtung ehrenamtlicher Tätigkeit) vorgelegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung entschuldigt ferngeblieben und hat die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde mit Schreiben vom 31.08.2017 beantragt.

12. Mit Schriftsatz vom 26.10.2017 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung eine ACCORD-Anfragebeantwortung zur wirtschaftlichen Lage in der Autonomen Region Kurdistan für RückkehrerInnen vom 10.05.2017. Des Weiteren wird beantragt, es möge beim irakischen Innenministerium wie auch bei der Polizei in Kirkuk ermittelt werden, ob dem Beschwerdeführer aufgrund seiner eigenmächtigen Beendigung seines Berufes Strafverfolgung, andere Nachteile oder Übergriffe drohen würden beziehungsweise welche Hindernisse einer erneuten Aufnahme seiner polizeilichen Tätigkeit entgegenstünden, insbesondere ob dies für Personen kurdischer Herkunft möglich sei.

13. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Anbetracht der jüngsten Ereignisse im Gouvernement Kirkuk und mehrerer gleichgelagerter anhängiger Rechtssachen beabsichtige, Ermittlungen im Wege der Staatendokumentation zur derzeitigen Lage im Gouvernement Kirkuk zu veranlassen. Ferner erging in diesem Zusammenhang an den Beschwerdeführer die Einladung, innerhalb einer zweiwöchigen Frist dem Bundesverwaltungsgericht allfällige weitere Rückkehrbefürchtungen mitzuteilen, die aus der Lageveränderung im Gouvernement Kirkuk allenfalls resultieren.

14. Am 13.08.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht die am 12.12.2017 beauftragten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur derzeitigen Lage im Gouvernement Kirkuk ein.

15. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer mit Note vom 17.08.2018 zunächst in seiner Angelegenheit aktuellen länderkundlichen Informationen bezüglich der allgemeinen Situation im Irak und der Autonomen Region Kurdistan zur Stellungnahme.

16. Mit Schreiben vom 30.08.2018 langte die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung beim Bundesverwaltungsgericht ein, wobei zunächst der Antrag vom 26.10.2017 bezüglich der Ermittlungen beim irakischen Innenministerium wie auch bei der Polizei in Kirkuk wiederholt wird. Ansonsten wird den übermittelten Länderfeststelllungen nicht entgegengetreten. Stattdessen zitiert der Beschwerdeführer auszugsweise aus den ihm übermittelten länderkundlichen Feststellungen zur Lage von Rückkehrern aus dem Ausland in die Autonome Region Kurdistan und führt aus, dass er in der Autonomen Region Kurdistan nicht als unterstützungswürdig angesehen werden wird. Er werde kein Geld erhalten und werde ihm sein Umfeld das Verlassen des Polizeidienstes und seinen Aufenthalt im Ausland vorwerfen, weshalb er bei der Suche nach einem anderen Arbeitsplatz benachteiligt werde. Der Beschwerdeführer sei 45 Jahre alt und nicht mehr in der Lage mit anderen Flüchtlingen um einen Arbeitsplatz und um die Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu kämpfen. Seine Existenzgrundlage in Kirkuk habe er verloren.

17. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer mit Note vom 23.11.2018 die in seiner Angelegenheit aktuellen länderkundlichen Informationen bezüglich der allgemeinen Situation im Irak zur Stellungnahme.

18. Mit Schreiben vom 28.11.2018 langte die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung beim Bundesverwaltungsgericht ein, wobei zunächst der Antrag vom 26.10.2017 bezüglich der Ermittlungen beim irakischen Innenministerium wie auch bei der Polizei in Kirkuk wiederholt wird. Ansonsten wird den übermittelten Länderfeststelllungen nicht entgegengetreten. Zudem wird unter auszugsweiser Zitierung eines Länderberichtes (Country Report, Northern Iraq, vom November 2018 des dänischen Ministry of Immigration and Integration) in der Folge ausgeführt, dass die Bevölkerung in Kirkuk ethnisch durchmischt sei und sich misstraue. Nach der Befreiung von Kirkuk sei ein Teil der geflüchteten Personen nicht zurückgekehrt. Dies seien Mitglieder und Sympathisanten der Kurdistan Democratic Party (KDP) und Angestellte der kurdischen Sicherheitsorgane - den Asayish - gewesen. Es seien Haftbefehle gegen Personen, die mit dem Vorsitzender der KDP Masud BARZANI in Verbindung standen, erlassen worden. Kurden seien teilweise von den Milizen zur Flucht gezwungen worden. Diese würden die Umgebung von Kirkuk kontrollieren. Es gebe noch Anhänger des Islamischen Staates in Kirkuk und der Islamische Staat werde sogar stärker.

Des Weiteren bestehe für den Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative.

Die Gültigkeit seiner Dokumente sei abgelaufen oder sie würden ihm fehlen. Er könne sich lediglich in Kirkuk, wo er registriert sei, neue Dokumente ausstellen lassen. Ohne gültige Dokumente sei ein Leben für den Beschwerdeführer im Irak nicht möglich.

Bereits am Flughafen werde er kontrolliert. Er müsse damit rechnen, dass ein Haftbefehl gegen ihn wegen seiner politischen Gesinnung, aber auch wegen seiner Desertion aufrecht sei. Selbst wenn ihm dies nicht widerfahre, so müsste er, um im Irak oder in der Autonomen Region Kurdistan eine Existenzgrundlage aufbauen zu können, über gültige Personaldokumente verfügen. Zudem sei es für ihn unmöglich nach Kirkuk zu gelangen. Er müsste viele Checkpoints passieren, sei es vom Islamischen Staat oder den meist schiitischen Milizen. Die gegenwärtigen Machthaber in Kirkuk seien gegenüber der KDP feindselig eingestellt, weshalb er in Kirkuk verhaftet und willkürlich behandelt werde.

Die Angehörigen des Beschwerdeführers könnten dessen Existenz nicht zur Gänze sichern, zumal auch dessen beiden - früher noch einer Arbeit nachgehenden - Brüder aus Kirkuk geflüchtet seien. Sei der Überlebenskampf der vertriebenen Kurden aus Kirkuk bereits kaum zu bewältigen, so gelte dies erst recht für den Beschwerdeführer, der 45 Jahre alt sei und als ehemaliger Polizist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mittels Haftbefehl gesucht werde.

Abschließend wird beantragt, falls die Echtheit des KDP-Ausweises beziehungsweise der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur KDP bezweifelt würden, eine mündliche Beschwerdeverhandlung zum Beweis dafür durchzuführen, dass der Beschwerdeführer - ebenso wie General XXXX - Mitglied der KDP gewesen sei.

Der Stellungnahme sind der zuvor angeführte Länderberichte, eine bereits vorgelegte Fotografie in Kopie (vgl. AS 131) und ein am 30.04.2010 abgelaufener KDP-Mitgliedsausweis angeschlossen.

19. Am 18.12.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht schließlich dem Beschwerdeführer die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2018 zur derzeitigen Lage im Gouvernement Kirkuk zur Stellungnahme. Am 27.12.2018 langte die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der Beschwerdeführer bringt darin vor, dass die herangezogenen Informationen oberflächlich wären und die erfolgte Koordination zwischen Streitkräften der irakischen Zentralregierung und Peschmerga auf Peschmerga der Patriotischen Union Kurdistans beschränkt sei. Für Anhänger der KDP sei die Lage in Kirkuk unsicher und sei der Beschwerdeführer durch Anhänger der Patriotischen Union Kurdistans und des Islamischen Staates bedroht. Der Islamische Staat sei nach wie vor in ländlichen Gebiete und in der Stadt Kirkuk präsent.

20. Im Abschluss-Bericht des Stadtpolizeikommandos Salzburg vom 22.11.2018 wird der nicht geständige Beschwerdeführer beschuldigt, die XXXX in Salzburg im Zeitraum 11.11.2018 bis 14.11.2018 verbal und schriftlich gefährlich bedroht zu haben, indem er Äußerungen wie "Ich will, dass du dich so fertig machst, wie deine Oma" (diese beging Suizid) und "Wenn ich dich mit dem XXXX im Auto sehe, dann

zünde ich es an" bzw. "Shut up and fuck you ... I will be there" und

"Your time is finish tomowrrow" tätigte.

21. Am 18.12.2018 langte eine Verständigung der Staatsanwaltschaft Salzburg beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, wonach wider den Beschwerdeführer aufgrund des vorstehend geschilderten Sachverhaltes Anklage erhoben wurde. Die Verständigung wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 08.01.2019 übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist Staatsangehöriger des Irak. Er wurde am XXXX in Kirkuk geboren und lebte dort zuletzt in der Stadt Kirkuk gemeinsam mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern in einem Haus im Eigentum der Familie. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, bekennt sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung, er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Kurdisch, Arabisch, Türkisch, Farsi und Englisch.

Der Beschwerdeführer besuchte in Kirkuk von 1980 bis 1991 die Grund- und Mittelschule. Im Anschluss war der Beschwerdeführer Angehöriger der Peschmerga und ab dem Jahr 1999 bis zu seiner Ausreise als Polizist beruflich tätig. Nähere Feststellungen zum Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers und zum Zeitpunkt sowie den Umständen des Ausscheidens aus dem Polizeidienst können nicht getroffen werden.

Seine Eltern und zahlreiche Geschwister wohnen weiterhin an einer gemeinsamen Wohnadresse in der Umgebung von Kirkuk. Seine Eltern gehen keiner Beschäftigung nach. Seine Mutter organisiert den Haushalt. Sein Vater befindet sich im Ruhestand und bezieht eine Pension. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie telefonisch in Kontakt.

Anfang Juli 2015 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal von Kirkuk ausgehend über Erbil im Luftweg in die Türkei und reiste in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 19.07.2015 den verfahrensgegenständlichen Asylantrag stellte.

1.2. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Er war einfaches Mitglied der Kurdistan Democratic Party.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere ist der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit psychischer und/oder physischer Gewalt seitens verbliebener Anhänger des Islamischen Staates und/oder schiitischer Milizen oder Anhänger der Patriotischen Union Kurdistans ausgesetzt.

Zudem wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.

Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer unbefugt vom Polizeidienst entfernt hat, ebenso wenig kann festgestellt werden, dass wider den Beschwerdeführer im Irak ein Haftbefehl besteht oder er in anderer Weise von zivilen oder militärischen Behörden oder Gerichten gesucht würde.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit mehrjähriger Schulbildung sowie Berufserfahrung als Polizist.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Der Beschwerdeführer verfügt in seinem Herkunftsstaat über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage und über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte in der Stadt Kirkuk. Dem Beschwerdeführer ist ferner die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu Sicherstellung des eigenen Auskommens möglich und zumutbar.

Der Beschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument im Original (Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis).

1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit Anfang Juli 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Der Beschwerdeführer ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig und alleinstehend.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Im Abschluss-Bericht des Stadtpolizeikommandos Salzburg vom 22.11.2018 wird der nicht geständige Beschwerdeführer beschuldigt, die XXXX in Salzburg im Zeitraum 11.11.2018 bis 14.11.2018 verbal und schriftlich gefährlich bedroht zu haben, indem er Äußerungen wie "Ich will, dass du dich so fertig machst, wie deine Oma" (diese beging Suizid) und "Wenn ich dich mit dem XXXX im Auto sehe, dann

zünde ich es an" bzw. "Shut up and fuck you ... I will be there" und

"Your time is finish tomowrrow" tätigte. Wieder den Beschwerdeführer wurde deshalb im Dezember 2018 von der Staatsanwaltschaft Salzburg Anklage wegen § 107 Abs. 1 StGB erhoben.

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und bewohnt eine Unterkunft für Asylwerber in Salzburg.

Der Beschwerdeführer ist nicht legal erwerbstätig, verrichtete jedoch ehrenamtliche Tätigkeiten im Haus der Natur und in einer evangelischen Volksschule in Salzburg. Zudem fungiert(e) er als Dolmetscher. Eine konkrete Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt hat der Beschwerdeführer nicht in Aussicht.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und pflegt im Übrigen normale soziale Kontakte.

Der Beschwerdeführer besucht(e) mehrere Deutschkurse und hat eine Prüfung auf dem Niveau A1 erfolgreich abgelegt. Er verfügt aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.5. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen, die gekürzt angeführten Quellen wurden dem Beschwerdeführer gegenüber offengelegt:

1. Aktuelle Ereignisse

27.06.2018: Papst Franziskus kreierte Patriarch Mar Louis I Sako, Oberhaupt der Chaldäisch Katholischen Kirche, als Kardinal. Ägypten betonte, dass es sich weiter am Wiederaufbau und an der Stabilisierung des Irak beteiligen wird. Muqtada al-Sadr gab bekannt, dass er alle Operationen seiner Miliz Saraya al-Salam in Basra einstellen lassen wird, nachdem es Zwischenfälle mit den örtlichen Kräften gegeben hatte.

01.07.2018: Die nationale irakische Ölgesellschaft kündigte an, dass sie mit Zustimmung der OPEC eine schwimmende Ölspeicherplattform bauen wird um ihre Kapazität auf sechs Millionen Barrel zu erhöhen.

02.07.2018: Die Sicherheitssituation an der irakisch-syrischen Grenze entspannt sich wegen der Militäroperationen gegen die konzentrierten IS-Zellen in der Region.

02.0.7./04.07.2018: Die Bundespolizei verlegte einige ihrer Truppen in die Provinz Kirkuk um die Sicherheit zu gewährleisten, da sich IS-Kämpfer im Süden formierten. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), die PMUs und die Peshmerga starteten eine gemeinsame Offensive in der Region.

10.07.2018: Gemäß einer Aussage von Premier Abadi habe sich die Sicherheitssituation in Mosul seit dem erklärten Sieg über den IS im Dezember 2017 massiv verbessert.

13.07.2018: Laut den Aussagen von PMU-Patrouillen bleibt die Sicherheitssituation in der Region westlich von Bayji wegen der IS-Zellen angespannt.

16.07./17.07.2018: Der irakische Elektrizitätsminister kündigte an, dass Teheran keine Elektrizität mehr in den Irak exportieren wird. Daraufhin reiste der irakische Minister für Planung nach Jeddah um die Energiekrise mit einer saudischen Delegation zu besprechen.

23.07.2018: Kuwait bot dem Irak mit der Sendung von mobilen Generatoren Hilfe an um seine Energiekrise zu lösen.

14.08.2018: Die Türkei und der Irak einigten sich auf ein Abkommen um einen neuen Grenzübergang nahe dem Grenzübergang Fish-Khabour zu eröffnen. Jordanien unterzeichnete mit dem Irak ein Sicherheitsabkommen um die Straße zwischen Amman und Bagdad und um die Grenze zu öffnen.

16.08./21.08.2018: Durch das Wiederinkrafttreten der Iransanktionen ist der damals amtierende Premierminister Abadi bemüht das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran auszubalancieren. Dank einer intensiven wirtschaftlichen Kooperation reiste eine irakische Delegation nach Washington um Ausnahmen von den Sanktionen zu verhandeln.

19.08.2018: Die irakische Zentralregierung und die kurdische Regionalregierung einigten sich mittels eines Abkommens darauf gemeinsame Checkpoints an der Straße von Erbil nach Kirkuk einzurichten um die Straße öffnen zu können.

20.08.2018: Die Türkei und der Irak unterzeichneten ein Energieabkommen, in dem festgehalten wurde, dass die Türkei dem Irak Elektrizität liefern werde und bei der Entwicklung der lokalen Infrastruktur Unterstützung leisten wird.

20.10.2018/21.10.2018: Die irakischen Streitkräfte setzen ihre Militäroperationen gegen den IS fort. So töteten Sicherheitskräfte am 20.10.18 vier Extremisten in ihrem Versteck in Hit, drei Extremisten in Kirkuk und zwei Extremisten in der Provinz Diyala. Mindestens 23 Menschen wurden bei jüngsten sicherheitsrelevanten Vorfällen getötet. So kamen am 21.10.18 mindestens vier irakische Polizisten bei zwei Bombenexplosionen ums Leben, die von den Kämpfern des IS in den Regionen al-Shoura und Makhmour verübt wurden. Ebenfalls am 21.10.18 wurde eine turkmenische Familie von unbekannten bewaffneten Männern im Distrikt Hawija, rund 55 Kilometer südwestlich von Kirkuk, getötet. Auch in Jalawla, Provinz Diyala, töteten Unbekannte eine Familie.

25.11.2018: Am 25.11.18 verkündete das Gesundheitsministerium, dass bei starken Regenfällen mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen und etwa 180 Personen verletzt worden seien. Laut der UN-Mission im Irak (UNAMI) sind in Salah ad-Din etwa 10.000 und in Ninewa etwa 15.000 Menschen in Folge der Fluten auf Unterstützung angewiesen. Am stärksten betroffen seien der Distrikt Shirqat (Provinz Salah ad-Din) und die Vertriebenenlager Qayyarah und Jedda (Provinz Ninewa). Flutschäden wurden auch in einigen südlichen Provinzen gemeldet. Häuser und Viehbestände seien hier zerstört sowie Brücken und Dörfer überschwemmt worden. UNAMI beteiligt sich an einer Notfallunterstützungsmission.

03.12.2018: Die Demokratische Partei Kurdistans (DPK) nominiert Nechviran Barzani als Präsidentschaftskandidaten für die autonome Region Kurdistan. Sein Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten soll Masrur Barzani (Sohn des langjährigen Präsidenten Massud Barsani) werden.

04.12.2018: Laut Medienberichten unterbrachen Parlamentsabgeordnete am 04.12.18 eine Parlamentssitzung, die zu einer Regierungsbildung nach der Wahl im Mai 2018 führen sollte. Die Posten u.a. für das Innen- und Verteidigungsministerium bleiben unbesetzt. Dem Stillstand liegt eine Spaltung zwischen den zwei schiitischen Hauptblöcken von Moqtada Sadr und dem Milizenführer Hadi al-Amiri zugrunde.

07.12.2018: Massive Regenfälle haben in weiten Teilen des Landes zu Zerstörungen und Beschädigungen von Infrastruktur sowie Wohnhäusern geführt. Besonders betroffen sind intern Vertriebene in den Provinzen Salah ad-Din und Ninewa (Mosul, Nimrud, Sinjar Gebirge). Lokalen Medien zufolge wurden etwa 80 Familien aus dem Dorf Zanazel (Provinz Ninewa) evakuiert. Das Krisenkoordinierungszentrum des kurdischen Innenministeriums (Joint Crisis Coordination Centre) meldete am 07.12.18, dass im Vertriebenenlager Dibaga 2 in der Provinz Erbil etwa 700 intern Vertriebene auf Notfallhilfe angewiesen seien.

2. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.02.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.02.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 09.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 12.02.2018). Die ethnische und religiöse Zusammensetzung der einzelnen Regionen des Irak ist aus der Grafik im Punkt Minderheiten ersichtlich.

2.1. Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018). Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

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Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al-Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

2.2. Autonome Region Kurdistan

Ein Teil des föderalen Staates Irak ist die Autonome Region Kurdistan, das im Nordosten des Iraks angesiedelt ist. Die Autonome Region Kurdistan hat weitgehende Souveränität. Sie verfügt über eigene exekutive, legislative und judikative Organe und besitzt seit 2009 eine eigene Verfassung. Gemäß Art. 121 der irakischen Verfassung üben kurdische Sicherheitskräfte (insbesondere die militärisch organisierten Peschmerga und die Sicherheitspolizei Asayish) die Sicherheitsverantwortung in den Provinzen Erbil, Sulaimaniyya, Dohuk und Halabdscha aus; diese Kräfte kontrollieren darüber hinaus de facto Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Ninawa. Die Autonome Region Kurdistan betreibt außerdem eine eigenständige Wirtschafts- und Außenpolitik und regelt Fragen der Grenzkontrolle selbst - hierzu gehört auch die von zentralirakischen Behörden unabhängige Vergabe von Visa.

Bis heute ist die Region faktisch zwischen KDP (Kurdistan Democratic Party) und PUK (Patriotic Union of Kurdistan) aufgeteilt - wobei die PUK in den letzten Jahren Einfluss an Goran abgeben musste. Innerhalb der autonomen Kurdenregion gibt es immer wieder Konflikte zwischen den drei großen irakisch-kurdischen Parteien KDP, Goran und PUK. Grund dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft, die im Kurdengebiet vorherrschen. Darüber hinaus sorgte der Streit um die Präsidentschaft Mas?ud Barzanis für Spannungen, dessen (bereits außertourlich verlängerte) Amtszeit schon im August 2015 abgelaufen war. Die Waffenlieferungen des Westens und anderer Verbündeter an die Kurden haben zudem den Effekt, dass die kurdische Politik insgesamt zwar an Bedeutung gewinnt, sich jedoch dadurch die Spannungen zwischen den kurdischen Fraktionen weiter erhöhen. KDP und PUK sind durch ihre jeweiligen Bündnisse mit mächtigen - teilweise gegensätzlichen - Partnern gespalten: Die KDP mit Mas'ud Barzani, dem Präsidenten der KRG (Kurdish Regional Government - die Regionalregierung in der KRI) wird vorrangig vom Westen unterstützt und steht der Türkei nahe, während die PUK vorrangig vom Iran unterstützt wird und der türkischen PKK sowie der irakischen Regierung in Bagdad nahesteht. Beide Parteien haben ihre jeweils eigenen Militäreinheiten (Peschmerga), die im Kampf gegen den IS oftmals in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.

Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25.09.2017 deutlich verschlechtert (AA 12.02.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.09.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).

Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.02.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).

Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.02.2018). Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).

Das Parlament der Autonomen Region Kurdistan hat 110 Abgeordnete; elf davon sind quotierte Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten. Zudem regelt eine Quote, dass dreißig Prozent der Mandate von Frauen wahrgenommen werden müssen. Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß den offiziellen Endergebnissen gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit 186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018).

3. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich verbessert, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv und ist die Sicherheitslage regional unterschiedlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates in allen Fällen sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen. aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten und zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren (AA 12.02.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.02.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es weiterhin zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Die im Folgenden dargestellte Anzahl sicherheitsrelevante

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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