TE Bvwg Beschluss 2019/1/14 L506 2006838-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34 Abs4
AVG §37
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L506 2006838-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX1985, StA. Armenien alias staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, Zl. XXXX, Regionaldirektion Oberösterreich, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend BF), eine Staatsangehörige Armeniens alias Staatenlos, Angehörige der Volksgruppe der Armenier, stellte nach illegaler Einreise zusammen mit ihrer Familie am 08.01.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 09.01.2014 gab die BF als Grund für ihre Ausreise an, dass sie im Jahr 1992 wegen des Krieges in XXXX nach Russland geflohen sei. Dort wäre das Leben zuletzt wegen der dort herrschenden Fremdenfeindlichkeit unerträglich gewesen. Der Arbeitgeber ihres Mannes sei nicht mehr in der Lage gewesen, sie zu beschützen und habe zum Verlassen des Landes geraten.

3. Am 19.03.2014 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA). Die BF gab an, dass sie verheiratet sei und drei Kinder habe. Zu ihrer Staatsangehörigkeit führte die BF aus, sie sei Staatsbürgerin von Armenien und gehöre der Volksgruppe der Armenier an. Ihr Großvater väterlicherseits sei aserbaidschanischer Abstammung. Sie lebe schon seit über 20 Jahren in der Russischen Föderation und vermute daher, dass sie die armenische Staatsbürgerschaft nicht mehr besitze. Zum Fluchtgrund befragt gab die BF an, sie habe keine eigenen Fluchtgründe und stütze sich auf die Probleme ihres Mannes.

4. Mit Bescheid vom 21.03.2014 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das BFA führte zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die armenische Staatsangehörigkeit aufgrund der Angaben der BF als erwiesen angenommen werde und von einer Staatenlosigkeit der BF nicht auszugehen sei. Eine Verfolgung in Armenien sei von der BF nicht vorgebracht worden.

5. Mit Schriftsatz vom 03.04.2014 erhoben die BF und ihr Ehemann Einwendungen gegen die am 19.03.2014 erfolgten Niederschriften und machte darin fehlerhafte Protokollierungen geltend, welche ihnen erst mit Akteneinsicht am 27.03.2014 zur Kenntnis gelangt seien. In einem brachte die BF Korrekturen zu den fehlerhaften Protokollierungen vor. Die BF sei auch teilweise von der Dolmetscherin in Abwesenheit der Einvernahmeleiterin befragt worden, es habe keine Rückübersetzung gegeben und es sei ihr keine Kopie der Niederschrift ausgefolgt worden.

6. Mit Schriftsatz vom 03.04.2014 erhob die BF durch ihren Vertreter innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde gegen oa. Bescheid. Der Bescheid werde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, falscher und unvollständiger Sachverhaltsfeststellung, falscher und nicht nachvollziehbarer Beweiswürdigung, Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Würdigung bekämpft. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die BF von der Staatenlosigkeit ihrer Familie ausgehe, die BF selbst gehöre der Volksgruppe der Aserbaidschaner an, ihr Mann hingegen der Volksgruppe der Armenier. Eine asylrelevante Verfolgung sei daher in Bezug auf den Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes, also der Russischen Föderation, zu prüfen. Die rassistisch motivierte Gewalt habe sich auch nicht nur gegen ihren Mann gerichtet, sondern gegen die gesamte Familie und es sei ihr Sohn bei einem Angriff auf ihr Haus verletzt worden.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.04.2014, Zl:

XXXX, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2014, Zl:

XXXX, wurde in Erledigung der Beschwerde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend wurde auf den fehlenden Vorhalt und die mangelnde Stellungnahmemöglichkeit zu den entsprechenden Passagen der Staatsbürgerschaftsgesetze der Republik Armenien und der Russischen Föderation verwiesen. Zudem habe sich die belangte Behörde nicht im Detail mit den Fluchtgründen der BF und ihrer Rückkehr- und Lebenssituation in Armenien auseinandergesetzt.

9. Am XXXX2015 kam XXXX als viertes Kind der BF in Österreich zur Welt.

10. Mit ergänzendem Vorbringen vom 26.07.2016 übermittelte die BF Dokumente zum Nachweis der Integration der Familie in Österreich.

11. Am 26.04.2018 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem BFA.

Zu ihrer Staatsangehörigkeit führte die BF aus, dass sie staatenlos sei und der Volksgruppe der Aserbaidschaner angehöre. Sie sei als Kind armenisch/aserbaidschanischer Eltern in XXXX geboren und dort bis zu ihrem siebten Lebensjahr aufgewachsen. Sie sei verheiratet und habe vier Kinder, ihr jüngster Sohn sei in Österreich geboren. Sie würde sich gerne taufen lassen, besuche aber noch keinen Taufunterricht.

12. Im Zuge einer abermaligen niederschriftlichen Einvernahme der BF vor dem BFA am 22.05.2018 wurde der BF mitgeteilt, dass ihre Herkunft aufgrund ihrer Angaben nicht eindeutig verifizierbar wäre und deshalb eine Sprachanalyse angeordnet werde.

13. Den Sprachanalyse-Berichten vom 12.06.2018 zufolge liege der sprachliche Hintergrund der BF mit hohem Sicherheitsgrad außerhalb Russlands, mit geringer Wahrscheinlichkeit in Russland und Aserbaidschan, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien und mit mittlerer Wahrscheinlichkeit in Armenien und Aserbaidschan.

14. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme der BF vor dem BFA am 28.06.2018 wurde der BF das Ergebnis der Sprachanalyse zur Kenntnis gebracht. Die BF nahm dazu dahingehend Stellung, dass sie sich nicht daran erinnern könne, welche Sprache sie als Sechsjährige gesprochen habe. Sie könne nicht beweisen, dass sie nicht aus Armenien stamme; sie wisse nicht woher sie komme. Am Fluchtgrund und hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens habe sich seit der letzten Einvernahme nichts geändert. Zum Ländervorhalt verzichte sie auf eine Stellungnahmefrist und gebe gleich an, dass sie daran nicht interessiert sei. Nach Rückübersetzung gab sie an, dass sie aus Aserbaidschan sei.

15. In der Stellungnahme der BF vom 10.07.2018 bemängelte die BF zur Einvernahme am 26.04.2018, dass sie im zweiten Verfahrensgang bislang nicht zum Fluchtvorbringen der Familie befragt worden sei. Weiters machte sie fehlerhafte Protokollierungen im Zusammenhang mit ihrer Staatsbürgerschaft geltend, sie sei nie zu den Fluchtgründen ihrer Kinder befragt worden und es sei ihr kein Ländervorhalt gemacht worden. Bei der Einvernahme am 26.04.2018 sei ihr zu Unrecht die Anwesenheit ihrer Vertrauensperson verweigert worden. Bei der Einvernahme am 22.05.2018 sei kein Dolmetscher anwesend gewesen und bei der Einvernahme am 28.06.2018 sei ein Dolmetscher für die kurdische Sprache beigezogen worden. Weiters nahm die BF zur telefonischen Sprachanalyse dahingehend Stellung, dass weder für sie noch für ihren Mann aus der Sprachanalyse ableitbar sei, dass sie (oder ihr Mann) aus Armenien stammen und die Staatsangehörigkeit dieses Landes besitzen würden.

16. Mit Bescheid vom 27.08.2018 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG werde ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das BFA stellte fest, dass die BF Staatsangehörige von Armenien sei und in Armenien keiner Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt sei.

Hinsichtlich der von der BF behaupteten Staatenlosigkeit wurde auf das Ergebnis der durchgeführten Sprachanalyse verwiesen, wonach der sprachliche Hintergrund der BF in Armenien liege. Eine Verfolgung der BF in Armenien lasse sich aus dem Vorbringen des BF nicht ableiten.

Die Verhängung des Einreiseverbotes und dessen Dauer wurde insbesondere mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG und der jahrelangen Täuschung der Behörde hinsichtlich Identität und Herkunft begründet.

17. Mit der am 11.09.2018 erhobenen Beschwerde verwies der Ehemann der BF wiederum - wie in der Stellungahme vom 10.07.2018 - auf fehlerhafte Protokollierungen der niederschriftlichen Einvernahmen, Verweigerung der Teilnahme der Vertrauensperson, Beiziehung eines kurdisch-sprechenden Dolmetschers sowie die Unzulänglichkeit der Sprachanalyse, weshalb die belangte Behörde unrichtige Feststellungen getroffen und falsche Schlussfolgerungen gezogen habe und das gesamte Verfahren mit Rechtswidrigkeit behaftet sei. Eine Beischaffung von Urkunden sei der BF nicht möglich und die BF und ihre Familie seien in Österreich wohl integriert, hätten die deutsche Sprache erlernt und seien sozial eingegliedert. Letztlich sei auch das auf 5 Jahre befristete Einreiseverbot ohne rechtliche Grundlage erlassen worden.

18. Am 11.10.2018 stellte der Rechtsvertreter der Einschreiter im gegenständlichen Verfahren einen Antrag auf Zustellung der Bescheide für die Einschreiter 2.-6.; eine Zustellung zu deren Handen sei bis dato nicht erfolgt.

19. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.10.2018, Zl:

XXXX, wurde in Erledigung der Beschwerde des Ehemannes der BF dessen angefochtener Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall das Verfahren des Ehemannes der BF und die Verfahren seiner Familienangehörigen (Ehefrau und vier Kinder) als Familienverfahren zu führen gewesen wären, ein Bescheid jedoch lediglich gegenüber dem Ehemann der BF erlassen worden sei. Um dem Grundsatz der Wahrung der Familieneinheit gerecht zu werden, sei daher die Entscheidung des Ehemannes der BF zu beheben gewesen und die Beschwerde der BF wurde mit Beschluss vom 22.10.2018, Zl. XXXX, mangels Bescheiderlassung gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG und § 11 Abs. 3 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.

20. Mit Schriftsatz vom 23.10.2018 wiederholte die BF ihre Beschwerde und verband diese in eventu mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in eventu einer Wiederaufnahme des Verfahrens. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF und ihren Kindern die Bescheide nie zugestellt worden seien, wenngleich auf der Empfangsbestätigung durch den Ehemann der BF die Übernahme aller Bescheide bestätigt worden sei.

21. Am 05.11.2018 fand abermals eine niederschriftliche Einvernahme der BF beim BFA statt.

Die BF gab - im Wesentlichen zusammengefasst an - dass sich seit der Entscheidung des Bundesamtes vom 27.08.2018 bis zur gegenständlichen Einvernahme keine wesentliche Änderung zum Ausreisegrund aus dem Heimatland ergeben habe, sie Österreich nicht verlassen möchte, sie in Österreich kein Mitglied in einem Verein sei und sich um ihre Familie kümmere, sie Deutsch auf dem Niveau A2 spreche, sie nicht berufstätig sei und von der Grundversorgung lebe. Mit den österreichischen Gesetzen habe sie keine Probleme und sie verzichte auf eine Stellungnahmefrist zum Ländervorhalt, sie sei daran nicht interessiert.

22. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 09.11.2018 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen die BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 3, 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Das BFA stellte fest, dass die BF Staatsangehörige von Armenien sei und in Armenien keiner Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt sei.

Hinsichtlich der von der BF behaupteten Staatenlosigkeit werde auf das Ergebnis der durchgeführten Sprachanalyse verwiesen, wonach der sprachliche Hintergrund der BF in Armenien liege. Eine Verfolgung der BF in Armenien lasse sich aus ihrem Vorbringen nicht ableiten.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass die Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach den § 57 AsylG nicht vorliegen würden. Es wurde ausgeführt, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden könnten, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht der BF auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde und dass die Abschiebung nach Armenien zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. wurde begründend auf Artikel 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG verwiesen, und dass im Fall der BF die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden war, da der BF keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt worden sei. Begründend wurde insbesondere auf die fehlende Vorlage von Identitätsdokumenten und auf ihre Mittellosigkeit sowie auf eine Anzeige wegen Schwarzarbeit und die Verurteilung wegen diverser Eigentumsdelikte verwiesen.

Die aufschiebende Wirkung sei abzuerkennen gewesen, weil die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme, Verfolgungsgründe nicht vorgebracht habe und der BF im Herkunftsland keine asylrelevante Gefahr drohe.

23. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 09.11.2018 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt sowie dieser mitgeteilt, dass sie gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum 20.11.2018 in Anspruch zu nehmen.

24. Mit Schriftsatz vom 20.11.2018 erhob die BF durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig vollumfänglich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Verletzung von Verfahrensvorschriften und Aktenwidrigkeit Beschwerde gegen den Bescheid des BFA. Zum Inhalt der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid gleichlautend zu den Bescheiden im Vorverfahren laute und die belangte Behörde zusätzliche Erkundigungsschritte unterlassen habe. Zudem enthalte der angefochtene Bescheid massive Unrichtigkeiten und seien weder die ehrenamtliche Tätigkeit des Ehemannes der BF noch die im Verfahren erhobenen Einwände zu den fehlerhaften Protokollierungen berücksichtigt worden. Auch sei das Einreiseverbot ohne rechtliche Grundlage erlassen worden.

25. Am 27.11.2018 verständigte die rechtsfreundliche Vertretung der BF das BFA von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu den Verfahrensbeteiligten und ersuchte, hinkünftige Zustellungen und Ladungen ausschließlich an die Beschwerdeführer zu verfügen.

26. Am 28.11.2018 langte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt in der hg. Gerichtsabteilung ein.

27. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

28. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in die behördlichen Verwaltungsakten der BF und ihrer Familienmitglieder unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

29. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.12.2018, Zl:

XXXX, wurde der Beschwerde des BF gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 20.11.2018 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 28.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

Zu A)

1. Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

1.1. § 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 2 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 Anm. 11).

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche, detaillierte Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

2. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

2.1. Vorerst ist festzuhalten, dass im Falle der BF hinsichtlich ihres Gatten XXXX alias XXXX, geb. XXXX1985 (hg. Zl: XXXX), und ihrer vier Kinder XXXX alias XXXX, geb. XXXX2004 (hg. Zl: XXXX), XXXX alias XXXX, geb. XXXX2006 (hg. Zl: XXXX), XXXX alias XXXX, geb. XXXX2009 (hg. Zl: XXXX) und XXXX alias XXXX, geb. XXXX2015 (hg. Zl: XXXX), ein Familienverfahren vorliegt.

Gem. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat [...].

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Ermittlungs- und Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

2.2.1. Im gegenständlichen Fall ist die Staatsangehörigkeit der BF unklar geblieben. So wurde zwar anlässlich der ersten Einvernahme vor dem BFA am 19.03.2014 protokolliert, dass die BF als Tochter armenischer Eltern in XXXX geboren und dort bis zu ihrem siebten Lebensjahr aufgewachsen sei, sie aber vermute, dass sie die armenische Staatsbürgerschaft nicht mehr besitze, weil sie schon über 20 Jahre in der Russischen Föderation lebe. Es könnte auch sein, dass sie die aserbaidschanische Abstammung habe, da ihr Großvater väterlicherseits aserbaidschanischer Abstammung sei. In der Beschwerde machte die BF eine fehlerhafte Protokollierung geltend und bestritt unter anderem, die armenische Staatsbürgerschaft überhaupt zu haben. Sie habe bereits in der polizeilichen Erstbefragung angegeben, dass sie Aerbaidschanerin sei (AS 209).

In weiterer Folge wurde der Bescheid des BFA vom 21.03.2014 vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18.06.2014, XXXX, behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen, da sich die belangte Behörde mit der Thematik der Staatsangehörigkeit der BF nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Dem BFA wurde aufgetragen, die Staatsangehörigkeit der BF zu hinterfragen, sich dann im Detail sowohl mit dem aserbaidschanischen als auch dem armenischen und russischen Staatsbürgerschaftsrecht auseinanderzusetzen sowie - im Fall der Feststellung der armenischen Staatsangehörigkeit - sich konkret mit den Fluchtgründen der BF auseinanderzusetzen (S 15 des Beschlusses vom 18.06.2014).

Den Aufträgen des Bundesverwaltungsgerichts kam das BFA nicht in der geforderten Form nach. Zwar wurde der daraufhin erlassene Bescheid vom 27.08.2018 vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22.10.2018 wegen fehlender Zustellung an die BF 2-6 und mit Verweis auf das Vorliegen eines Familienverfahrens behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen, gleichzeitig jedoch auch angemerkt, dass dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2014 nicht bzw. in unzureichender Weise nachgekommen worden sei, zumal die Aufträge des Bundesverwaltungsgerichtes ignoriert worden seien und lediglich ein Sprachanalyse-Bericht, welcher zum Thema der Staatsangehörigkeit bzw. der angeblichen Staatenlosigkeit der BF und ihrer Familie keine Auskunft gäbe, eingeholt worden sei (S 11 des Beschlusses vom 22.10.2018).

Trotz des nochmaligen Hinweises des Bundesverwaltungsgerichtes, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Staatsangehörigkeit der BF auseinandergesetzt habe und - nach Feststellung der Staatsangehörigkeit - die BF zu ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen zu befragen habe, führte die belangte Behörde kein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, sondern erließ den gegenständlichen Bescheid, welcher die wortgleichen Feststellungen und Beweiswürdigungen wie der Bescheid vom 27.08.2018 beinhaltete.

2.2.2. Im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit der BF ist zu beachten, dass sich in den Angaben der BF nicht nur Hinweise auf eine armenische Staatsangehörigkeit finden, zumal die BF diese Aussage bestritt und sie davon ausgehe, aserbaidschanischer Abstammung zu sein und wegen ihres langen Aufenthaltes in der Russischen Föderation staatenlos zu sein. Das BFA verwies im angefochtenen Bescheid zur festgestellten armenischen Staatsangehörigkeit der BF beweiswürdigend auf das Ergebnis der durchgeführten Sprachanalyse.

2.2.2.1. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass, um eine Sprachanalyse durchzuführen, vom Experten oder einem speziell ausgebildeten Interviewer, ein Gespräch mit dem Probanden geführt wird, welches aufgezeichnet wird. So können die für den Experten relevanten Fragen gestellt werden, sowohl was die vom Probanden angegebenen Sprache(n) betrifft; das Gespräch wird außerhalb des Kontexts der Asylbefragung geführt, und es wird auch nicht auf Asylgründe eingegangen; der Experte bzw. der Interviewer unterhält sich mit dem Probanden in allen von ihm angegebenen Sprachen (falls möglich). [...]

Während des Gesprächs und in der darauf folgenden Analyse muss sich der Experte immer auf die Angaben des Probanden und auf sein Profil stützen und dementsprechend seine Sprechweisen und Aussagen bewerten. Gewisse Angaben zum Profil des Probanden werden zu Beginn jedes Interviews genau abgeklärt. Dazu gehören nicht nur Herkunftsregion und gesprochene Sprachen, sondern auch ethnische Zugehörigkeit, Herkunft der Familie, Ausbildung und ausgeübter Beruf. Das bedeutet, dass auch die Themen des Gesprächs dem Bildungsniveau und sozialen Hintergrund des Probanden angepasst und seine Kenntnisse und Sprachkompetenz eben im Hinblick auf seine Biographie evaluiert werden müssen. [...] Der Experte tritt via Telefon in Kommunikation mit dem Probanden und das Gespräch wird aufgezeichnet. Diese Aufnahme stellt die Grundlage für die Analyse dar [...]. (http://www.sprakab.se/Language_analysis.html; http://www.sprakab.se/Q% 26A.html; http://www.sprakab.se/ Language_analysis_services.html ).

2.2.2.2. Unabhängig davon, ob das vom BFA eingeholte Sprachgutachten den zuvor angeführten Kriterien tatsächlich entsprach, geht das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls davon aus, dass sich die belangte Behörde nicht auf die Sprach- und Herkunftsanalyse alleine verlassen kann bzw. aus dem Ergebnis der Sprach- und Herkunftsanalyse alleine nicht in jedem Fall auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit geschlossen werden kann, wenn auch Sprach- und Herkunftsanalysen nicht jeder Beweiswert abgesprochen werden kann.

Das Bundesverwaltungsgericht geht auch grundsätzlich davon aus, dass es sich bei den Sprach- und Herkunftsanalysen um kein Gutachten im engeren Sinne handelt. Viel mehr geht das ho. Gericht davon aus, dass es sich um ein "sonstiges" Beweismittel handelt, welches aufgrund des hier geltenden Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel seine Berücksichtig finden kann und dem jedenfalls ein gewisser Beweiswert zukommt, welches im Rahmen der freien Beweiswürdigung seine Berücksichtigung findet.

Das Bundesverwaltungsgericht bezweifelt auch nicht, dass eine Sprach- und Herkunftsanalyse eines von mehreren Beweismittel oder Indizien darstellen kann, um eine Verortung der BF festzustellen.

2.2.2.3. Im gegenständlichen Fall begründete das BFA die armenische Staatsangehörigkeit mit dem Ergebnis der Sprachanalyse, dass der sprachliche Hintergrund der BF in Armenien sei und nicht in Aserbaidschan und Armenien bzw. außerhalb Russlands liege (AS 790,791).

Die Sprachanalyse ergab, dass der sprachliche Hintergrund der BF mit "hoher" Wahrscheinlichkeit außerhalb Russlands und mit "geringer" Wahrscheinlichkeit in Russland und Aserbaidschan liege, mit "sehr hoher" Wahrscheinlichkeit in Armenien und mit "mittlerer" Wahrscheinlichkeit in Aserbaidschan und Armenien, wobei der Sprachgebrauch der Person Merkmale des östlichen Armenisch, jedoch keine deutlichen Merkmale des Aserbaidschanischen aufweise (hg. Zl. XXXX, AS 475-490). Dieses Ergebnis zeigt zwar eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für Armenien auf, dies lässt sich aber auch dahingehend mit den Angaben der BF, sie sei das Kind einer armenischen Frau (und eines aserbaidschanischen Vaters), in Einklang bringen. Die Sprachanalyse gibt hingegen keinesfalls eine eindeutige Auskunft zur armenischen Staatsangehörigkeit der BF und wäre daher das BFA auf weitere Ermittlungsergebnisse - wie zuvor bereits in zwei Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts festgehalten - angewiesen gewesen.

Auch der höchstgerichtlichen Judikatur ist zu entnehmen, dass aus der festgestellten Sprachfärbung nicht auf die tatsächliche Staatsangehörigkeit geschlossen werden kann. (vgl. VfGH U12/2013 vom 06.06.2014 ua, wonach trotz "armenischer Sprachfärbung" nicht auf die armenische Staatsangehörigkeit geschlossen werden konnte, zumal diese stets bestritten wurde und Armenien notorischerweise ein Land mit seit langer Zeit hohen Auswanderungszahlen ist und erst seit 1991 (wieder) als souveräner Staat existiert; dazu der VfGH im zitierten Erkenntnis wörtlich: Aus der festgestellten Sprachfärbung kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass die Beschwerdeführer tatsächlich armenische Staatsangehörige sind, zumal sie stets bestritten haben, tatsächlich in Armenien gelebt zu haben, Armenien notorischerweise ein Land mit seit langer Zeit hohen Auswanderungszahlen ist und erst seit 1991 (wieder) als souveräner Staat existiert. Es wurden auch keine Ermittlungen zum Erwerb der armenischen Staatsbürgerschaft durch frühere sowjetische Staatsangehörige armenischer Volksgruppenzugehörigkeit durchgeführt).

2.2.2.4. Zudem mutet es das erkennende Gericht eigentümlich an, dass die BF zur "Kenntniskontrolle" über ihre Herkunftsregion in XXXX sowie dort ansässige prominente Personen und Politiker sowie Straßen, Speisen, Kultur und Sehenswürdigkeiten befragt wurde, zumal die BF, die über keine Schulbildung verfügt, durchgehend im Verfahren angab, XXXX bereits im Alter von sechs oder sieben Jahren verlassen und seitdem in der Russischen Föderation gelebt zu haben.

2.2.2.5. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt nach wie vor die Ansicht, dass es sich gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren handelt (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535 VwGH 1.12.2014, Ra 2014/20/0013: Auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, ist von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen (Hinweis E vom 30. September 2004, 2001/20/0410, mwN), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.

2.2.2.6. Das BFA wird sich daher im fortgesetzten Verfahren nochmals mit der Staatsangehörigkeit der BF auseinanderzusetzen haben. Allenfalls ist auch eine Anfrage bei den armenischen oder aserischen (Staatsbürgerschafts-)Behörde anzudenken. Sollte auch nach weiteren zumutbaren Ermittlungen die Staatsangehörigkeit der BF nicht feststellbar sein, wird das BFA gemäß § 8 Abs. 6 AsylG vorzugehen haben.

2.2.3. Zudem ist das BFA nach wie vor säumig, die Fluchtgründen der BF - und auch ihrer Familienmitglieder - im Rahmen einer detaillierten Einvernahme zu hinterfragen und sich damit im Rahmen einer Glaubwürdigkeitsprüfung auseinanderzusetzen.

2.2.4. Für den Fall der Feststellung der armenischen Staatsangehörigkeit wird das BFA die dortigen Gegebenheiten bezogen auf die individuelle Situation der BF (Netzwerk im Fall einer Rückkehr, Rückkehr- und Lebenssituation für die BF und ihrer Familie, Gesundheitszustand und allfällige medizinische Behandlungen) zu ermitteln haben. Selbiges gilt für das Ergebnis einer sonstigen Staatsbürgerschaft bzw. einer Staatenlosigkeit.

2.2.5. Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass die BF und ihr Ehemann in ihrer Beschwerdeschrift unter anderem schwere verfahrensrechtliche Mängel rügten (Nichtzulassung einer Vertrauensperson ohne taugliche Prüfung, keine Befragung zu den Fluchtgründen der Kinder, fehlerhafte Protokollierungen, fehlende oder fehlerhafte Rückübersetzungen, Länderfeststellungen seien nicht zur Kenntnis gebracht worden u.dgl.) und wird das BFA darauf einzugehen haben.

2.2.6. Weiters fällt auf, dass das BFA gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf 5 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen hat und die Dauer neben der Mittellosigkeit der BF - gleichlautend wie im Bescheid des Ehemannes der BF - mit einer Anzeige wegen Schwarzarbeit gegen die BF und einer Verurteilung der BF wegen verschiedener Eigentumsdelikte zu einer 12monatigen Haftstrafe (bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren) begründete. Dem Akteninhalt ist aber weder die Anzeige noch die Verurteilung zu entnehmen, auch scheint im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung der BF auf und wird sowohl die Verurteilung als auch die Anzeige wegen Schwarzarbeit von der BF bestritten. Auch dies wird das BFA bei der Verhängung und der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neu zu beurteilen haben.

2.2.7. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes verstößt das Prozedere der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

Im gegenständlichen Fall ist das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde im Ergebnis derart mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen der BF umfassend dargelegt wurde. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten groben Mängeln behaftet.

Da die Staatsangehörigkeit idR den Herkunftsstaat iSd § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG definiert bzw. diese die Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Prüfung einer allfälligen Verfolgung im Herkunftsstaat iSd § 3 Abs. 1 AsylG darstellt, ist die Staatsangehörigkeit oder allenfalls die Staatenlosigkeit des BF aufgrund geeigneter und nachvollziehbarer Quellen festzustellen und weist daher die Vorgehensweise des BFA aufgrund mangelnder diesbezüglicher Ermittlungen gravierende Ermittlungslücken im Sinne der Erkenntnisse des VwGH, Ra 2014/03/0054 vom 30.06.2015 sowie VwGH, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, auf bzw. hat die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt auch lediglich ansatzweise ermittelt (VwGH 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, VwGH 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).

2.3. Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die Staatsangehörigkeit bzw. gegebenenfalls die Staatenlosigkeit der BF festzustellen oder - im Falle der Unmmöglichkeit - gemäß § 8 Abs. 6 AsylG vorzugehen haben. Weiters wird das BFA eine umfassende Einvernahme der BF zu ihren Ausreisegründen sowie eine vollständige Glaubwürdigkeitsprüfung hinsichtlich der behaupteten Ausreisegründe vorzunehmen haben und wird die BF sohin ein weiteres Mal umfassend und konkret zu ihren Fluchtvorbringen - und dem ihrer Kinder - zu befragen sein und werden die Angaben der BF und ihres Gatten gegenüberzustellen sein. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das BFA im Übrigen ebenso hinreichend mit der aktuellen privaten/familiären Situation der BF in Österreich auseinanderzusetzen haben. Letztendlich wird die Rückkehr- und Lebenssituation der BF - bezogen auf die ermittelte Staatszugehörigkeit - darzulegen sein.

2.4. Das BFA wird die genannten Ermittlungsschritte durchzuführen und seiner Entscheidung eine schlüssige, tragfähige Beweiswürdigung zu sämtlichen seitens der BF gemachten Angaben in Zusammenhang mit ihrer Staatszugehörigkeit und ihren Ausreisegründen zugrunde zu legen haben.

Ebenso wird das BFA das in der Beschwerde erstattete Vorbringen des BF, insbesondere zu den geltend gemachten Verfahrensmängel, zu berücksichtigen und ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren zu führen haben.

2.5. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen und auf objektiv nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderfeststellungen verlangt (vgl. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2.6. Das BFA übersah auch, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".

Die Beweiswürdigung des BFA hält in einer Gesamtschau einer Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand und ist nicht geeignet die (Un-)Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF tragfähig zu begründen.

Dass BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die Staatszugehörigkeit der BF zweifelsfrei festzustellen und eine umfassende Glaubwürdigkeitsprüfung hinsichtlich der behaupteten Fluchtgründe vorzunehmen haben und wird die BF ein weiteres Mal ausführlich und konkret zu ihrem Fluchtvorbringen zu befragen und ihr die Ermittlungsergebnisse und insbesondere auch entscheidungsrelevante, aktuelle und auf den festgestellten Sachverhalt abgestimmte Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist zur Kenntnis zu bringen sein. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

2.7. Unter den genannten Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der Staatszugehörigkeit der BF und der Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die BF gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der BF unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Im Zuge des bisherigen Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen teils gänzlich unterlassen und/oder teils bloß ansatzweise ermittelt, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden müssten. In diesem Konnex ist ferner darauf zu verweisen, dass das BVwG auch selbst an seine Rechtsauffassung aus dem ersten Rechtsgang gebunden ist, weshalb eine erneute Kassation vorzunehmen war (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0166 mit Verweis auf VwGH 17.11.2015, Ra 2015/22/0076).

2.8. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des durch das BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und es sich mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird.

2.9. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

3. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den gegebenen Fall anwendbar.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung, Asylverfahren, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Familienangehöriger, Familienverfahren,
Fluchtgründe, Kassation, mangelhaftes Ermittlungsverfahren,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Staatsangehörigkeit,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L506.2006838.3.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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