Entscheidungsdatum
15.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L524 2210798-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2018, Zl. 1089362503/151463192, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 30.09.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er vor, dass er Araber und schiitischer Moslem sei. Er stamme aus XXXX in Basra. Er habe den Irak am 22.09.2015 legal mit dem Flugzeug in die Türkei verlassen und sei von dort aus schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich gereist. Den Entschluss, den Irak zu verlassen, habe er ca. ein Jahr vor der Ausreise gefasst. Seinen Reisepass habe er ins Meer geworfen. Im Irak lebe noch seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester. In Österreich habe er keine Familienangehörigen.
Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an (Schreibfehler im Original):
"Die schiitischen Milizen wollten mich rekrutieren. Ich wollte das aber nicht und hatte daher Schwierigkeiten in meiner Firma. Ich wurde bedroht, und sie wollten mich töten, weil ich nicht mitmachen wollte."
Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.
2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 25.07.2018 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er sei ledig und kinderlos. Zuletzt habe er in der Stadt Basra im Bezirk XXXX gemeinsam mit seiner Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester gelebt. Sein Vater sei bereits verstorben. Seine Mutter und seine Geschwister hätten 2016 den Irak verlassen. Zuletzt seien sie in der Türkei gewesen. Wo sie jetzt seien, wisse er nicht. Er habe keinen Kontakt zu ihnen. Im Irak habe der Beschwerdeführer sechs Jahre die Grundschule besucht. Er sei zuletzt als Beamter bei der Regierung im Ölministerium beruflich tätig gewesen, habe von 2009 bis 2015 bei einer Raffinerie in Basra gearbeitet und dabei 1.700,- USD verdient. Damit habe er seine Ausreise, die 4.000 Dollar gekostet habe, finanziert. Im Jahr 2005 sei er in Syrien gewesen und im Jahr 2010 in der Türkei, beide Male als Tourist.
Der Beschwerdeführer habe im Dezember 2014 den Entschluss gefasst den Irak zu verlassen, weil er in diesem Monat entführt worden sei. Den Irak habe er dann im Februar 2015 verlassen. Er sei legal in die Türkei gereist, wo er zunächst fünf Monate verbracht habe. Danach sei er nach Österreich gekommen.
Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an (Schreibfehler im Original):
"F: Können Sie nochmals schildern, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre jetzige Ausreise waren? Was ist in Ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann.
A: Ich bin Beamter und ich arbeitet bei einer Öl Firma. Die Regierung wollte mich bei Versteigerungen von verschiedenen Angeboten als Spitzel einsetzen. Ich arbeite bei einer staatlichen Firma. Ich wurde dann entführt. Die Firma bei der ich gearbeitet habe, wollte andere Angebote von anderen Firmen unterbieten und so das Geschäft an sich reißen, sodass die anderen Firmen die Angeboten eingebracht haben, leer ausgingen. Ich wurde von Milizmitgliedern 2 Tage festgehalten, weil die Entführer ein Gegengeschäft mit mir vereinbaren wollten, dass ich diese informiere, wenn es eine Ausschreibung gibt, damit diese dann die Ausschreibung gewinnen. Um freizukommen habe ich so getan, als ob ich mit dieser Sache eigenwilligt habe. Nach meiner Freilassung war ich dann 3 Tage zu Hause. Dann habe ich meine Verletzung am Knie behandelt und ich bin anschließend in die Türkei gereist.
Das sind meine Fluchtgründe, weitere habe ich nicht.
F: Wann wurden Sie entführt?
A: Im November 2014.
F: Wie lange waren Sie nach dieser Entführung noch im Irak?
A: Nach meiner Entführung war ich noch für 6 oder 7 Tage im Irak.
F: Also sind Sie im Jahr 2014 ausgereist?
A: Ja, ich bin im Jahr 2014 ausgereist.
F: Wie wurden Sie entführt?
A: Ich hatte ein Dienstauto. Man hat eine Scheinkontrolle inszeniert. Durch das Kennzeichen sind die staatlichen Autos bekannt. Ich wurde angehalten und es wurde mein Berufsausweis verlangt. Ich wurde dann mitgenommen und entführt und dann haben sie mit mir diese Vereinbarung getroffen.
F: Was ist während der Gefangenschaft passiert?
A: Ich wurde geschlagen. Ich wurde misshandelt.
F: Können Sie näher ausführen, was genau während der Gefangenschaft passiert ist?
A: Es waren 4 Männer und mir wurde mit einem Holzstück auf dem Kopf geschlagen. Ein Mann hat mich mit dem Kolben einer Waffe auf dem Kopf auch geschlagen, worauf ich das Bewusstsein verloren habe.
F: Was haben Sie getan, als Sie freigelassen wurden?
A: Ich war blutverschmiert durch die Verletzungen am Kopf. Mein Knie war in Leidenschaft gezogen worden. Man hat mich einfach auf die Straße geworfen und die Leute sind nicht stehengeblieben um mir zu helfen, bis auf einem der mich nach Hause gebracht hat.
F: Was haben Sie dann getan, als Sie nach Hause gekommen sind?
A: Ich habe starke Schmerzen gehabt und habe auch geblutet. Ich habe dann einen Urlaub beantragt. Ich habe mich behandeln lassen und habe starke Schmerzen gehabt. Es wurde auch eine Magnetresonanz durchgeführt. Die Ärzte haben gesagt, dass ich mich operieren lassen muss. Ich musste mich am Knie und am Rücken operieren lassen. Die Behandlung dauerte ca. 1 Monat. Ich habe dann den Irak verlassen, weil ich unter Druck gesetzt wurde. Dazukommt, dass meine Geschwister noch zu klein waren.
F: Wie lange waren Sie nach ihrem Krankenhausaufenthalt noch im Irak?
A: Ich wurde im Krankenhaus stationär aufgenommen, weil ich Ohnmächtig war und danach war ich ein Monat zu Hause. Ca. im März 2015 bin ich ausgereist.
F: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?
A: 18 - 20 Tage.
F: Sind sie gleich nach Ihrer Entführung stationär aufgenommen worden?
A: Als ich blutverschmiert nach Hause gebracht wurde, hat mein Bruder mit Hilfe unseres Nachbars mich mit dem Taxi ins Krankenhaus gebracht. Im Krankenhaus war ich dann von meinem Bruder und meiner Mutter begleitet.
F: Gab es nach dieser Entführung nochmals Probleme mit dieser Miliz?
A: Nein.
F: Welche Miliz war das?
A: Das war die Miliz von Al Khazali.
F: Wusste diese Miliz, wo Sie wohnen?
A: Ja, sicher wissen sie das.
F: Wie erklären Sie sich dann, dass Sie nach der Entführung keine Probleme mit dieser Miliz hatten?
A: Sie haben gewusst, dass ich krank bin und nicht arbeiten konnte.
F: Hatte Ihre Familie nach Ihrer Ausreise noch Probleme mit dieser Miliz?
A: Ja.
F: Was waren das für Probleme?
A: Sie sind zu uns nach Hause gekommen und haben nach mir gefragt.
F: Was wollten diese Milizen bei Ihnen zu Hause?
A: Sie kamen immer in der Nacht. Sie wollten mich haben.
F: Warum wollte diese Miliz Sie haben?
A: weil ich angegeben habe, dass ich Ihnen helfen würde, aber das habe ich nicht getan, sondern ich bin einfach ausgereist.
F: Haben Sie sich deswegen an die Polizei gewandt?
A: Ich konnte das nicht tun, weil diese Miliz gezeitigt die Regierung selber ist.
F: Nachdem Sie für die Regierung als Beamter gearbeitet haben, haben Sie also auch für diese Milizen gearbeitet?
A: Ja.
F: Warum wollte diese Miliz dann, dass Sie für diese arbeiten, wenn Sie schon für diese Miliz, welche die Regierung ist, gearbeitet haben?
A: Ich bin Beamter und ich arbeite im Öl Ministerium. Der XXXX dieser " XXXX ist der Bruder meines Vaters und somit ist er mein Onkel. Die Behörden wollten durch meine Entführung, Druck auf meinen Onkel ausüben.
F: Haben Sie für die Regierung gearbeitet?
A: Ja, aber ich habe bei einer Zivilen Firma gearbeitet. Diese Firma ist eine staatliche Firma.
F: Warum sollten dann die Milizen, welche die Regierung sind, Druck auf Ihren Onkel ausüben wollen, wenn dieser XXXX einer staatlichen Firma ist?
A: Die Miliz unterhalten selbst Scheinfirmen und deswegen wollen sie, wenn es irgendwelche Ausschreibungen und Projekte von staatlichen Betrieben gibt, davon Kenntnis erlangen und wollen diese Ausschreibungen und Projekte bekommen.
F: Warum brauchen diese Milizen dann einen Spitzel? Sollten diese nicht wissen, welche staatlichen Firmen Ausschreibungen und Projekte haben, wenn diese doch in der Regierung sind?
A: Sie sind zwar die Regierung, aber welche Firma für ein Projekt von unserer Firma wie viel Geld angeboten hat, das wollten diese Milizen wissen, damit diese das Angebot ganz knapp überbieten können.
F: Für was genau waren Sie bei Ihrem Onkel tätig?
A: Ich war sein Privat Fahrer.
F: Warum haben Sie dann zuvor angegeben, dass Sie von der Regierung als Spitzel arbeiten hätten sollen?
A: Ich war auch im Büro meines Onkels tätig. Ich habe auch die Post gemacht und war sein Fahrer.
F: Für wen genau haben Sie nun gearbeitet?
A: Im Büro des XXXX , welcher mein Onkel ist.
F: warum haben Sie zuvor angegeben, dass Sie nach ihrer Entführung nur mehr 6 oder 7 Tage im Irak verbracht hätten?
A: Ich war dann 18 Tage im Krankenhaus und noch für ein Monat zu Hause.
F: Warum haben Sie Ihr Krankenhaus nicht bereits zu Beginn angegeben, als Sie gefragt wurden, was der längste Zeitraum war, den Sie nicht zu Hause verbracht hätten?
A: Weil wir nicht danach gefragt.
F: Sie wurden konkret gefragt, was der längste Zeitraum war, an dem Sie nicht zu Haus waren, worauf Sie angegeben haben, dass Sie drei Tage bei einem Freund gewesen wären!
A: Das war gezielt darauf, wo ich wo anders übernachtet habe.
F: Wann im November wurden Sie entführt?
A: Ich kann es nicht sage an welchem Tag das war. Wir bekommen unsere Gehälter am 28ten und ca, 3 Tage später war die Entführung.
F: Wie lange waren Sie nach Ihrer Entführung noch im Irak?
A: Ich war 2 Tage in Gefangenschaft, dann war ich 18 Tage im Krankenhaus, dann war ich 1 1/2 Monat zu Hause. Dann habe ich den Irak verlassen. Das war sicher im März 2015.
F: Wenn man davon ausgeht, dass Sie Ende November/Anfang Dezember Entführt wurde, dann für 18 Tage im Krankenhaus gewesen wären, dann noch für 1 1/2 Monate zu Hause gewesen wären, kommt man auf Anfang/Mitte Februar!
A: Ich bleibe dabei, dass ich im März 2015 den Irak verlassen habe."
Der Beschwerdeführer habe in Österreich eine Freundin und betreibe Fitness und besuche einen Deutschkurs. Er sei nicht erwerbstätig und erhalte Leistungen aus der Grundversorgung.
3. Mit Bescheid des BFA vom 08.11.2018, Zl. 1089362503/151463192, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
In der Begründung wurden zunächst die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund in der Erstbefragung sowie die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA wörtlich wiedergegeben. Weiters wurden die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente angeführt.
Das BFA stellte fest, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe, er irakischer Staatsangehöriger, Araber und schiitischer Moslem sei. Weiters sei er ledig und kinderlos. Er habe bis zu seiner Ausreise in Basra gelebt und dort 6 Jahre die Schule besucht. Er habe bei einer staatlichen Ölfirma gearbeitet. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer gesund, stehe nicht in ärztlicher Behandlung und leide an keiner lebensbedrohenden Erkrankung. In Österreich sei er strafrechtlich unbescholten.
Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates stellte das BFA fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Irak bedroht oder verfolgt worden wäre. Sein Vorbringen, vor einer Miliz-Gruppe geflüchtet zu sein sei nicht glaubhaft und er habe in Bezug auf die behaupteten Fluchtgründe und hinsichtlich der Rückkehrsituation keinen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Weiters könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise einer individuellen Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder Dritte ausgesetzt gewesen wäre.
Es sei dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Irak zumutbar und möglich. Er sei im Falle der Rückkehr keiner Gefährdung durch den Staat Irak oder Dritte ausgesetzt. Die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Irak bringe keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich. Weiters verfüge er über soziale Anknüpfungspunkte im Irak und könne Unterstützung von diesen bekommen. Es sei ihm zuzumuten sich mit Hilfe seiner finanziellen Ersparnisse den Lebensunterhalt im Herkunftsstaat zu sichern.
Danach traf das BFA Feststellungen zur Lage im Irak.
Es bestünde keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich. Es bestünden keine besonderen sozialen Kontakte. Er gehe keiner Arbeit nach und beziehe Unterstützung durch die öffentliche Hand. Er habe in Österreich keine Angehörige oder sonstige Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Er besuche einen Deutschkurs und sei nicht in einem Verein tätig. Der Beschwerdeführer habe im Heimatland familiäre Anknüpfungspunkte.
Beweiswürdigend führte das BFA aus (Schreibfehler im Original):
"Ihre Angaben zur Fluchtbegründung wurden zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Dem Asylwerbers steht die Einvernahme als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber gleich bleibende, substantiierte Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und mit den Tatsachen oder allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.
Sie waren keineswegs in der Lage, die Behörde davon zu überzeugen, dass Sie in Ihrem Heimatland einer Gefahr oder Verfolgung ausgesetzt waren/sind.
Sie wurden zu Beginn Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt konkret gefragt, ob Sie bei Ihrer Erstbefragung die Wahrheit angeführt haben, alles richtig protokolliert und rückübersetzt worden wäre und ob Sie all Ihre Fluchtgründe vorbringen hätten können, worauf Sie angaben, dass Sie die Wahrheit angegeben haben, diese Erstbefragung aber nicht rückübersetzt worden wäre und es einige Fehler gegeben hätte. Sie gaben weiters an, dass Sie all Ihre Fluchtgründe vorbringen hätten können, dieser allerdings nicht protokolliert worden wären, was in keinster Weise glaubhaft war, da es sich bei der Erstbefragung um eine Standardprozedur handelt, bei der davon auszugehen ist, dass diese rückübersetzt und richtig protokolliert wird. Sie wurden zu Beginn Ihrer Einvernahme weiters gefragt, ob Sie dennoch den wesentlichen Kern Ihrer Fluchtgründe vorbringen konnten, worauf Sie allerdings lapidar angegeben haben, dass Sie den Hauptgrund angegeben hätten, dieser aber nicht protokolliert worden wäre. Die Behörde kann in Ihrem Fall nur davon ausgehen, dass Sie dies so zu Beginn Ihrer Einvernahme angegeben haben um sich selbst die Möglichkeit einzuräumen, weitere Fluchtgründe bei der Einvernahme vorzubringen, um Ihr Vorbringen zu steigern und Ihre Chancen auf Asyl Gewährung zu erhöhen, was Ihnen in keinster Weise gelungen ist. Hätten Sie bei der Erstbefragung tatsächlich all Ihre Fluchtgründe vorgebracht so muss auch davon ausgegangen werden, dass diese auch protokolliert worden wären, da es nicht glaubhaft ist, dass die einvernehmenden Organe der Polizei wichtige Details, nämlich die Entführung durch die Milizen, einfach nicht protokolliert hätten.
So ergaben sich auch einige massive Divergenzen bezüglich der von Ihnen bei der Erstbefragung getroffenen Angaben und Ihren Angaben bei der Einvernahme vor dem Bundesamt. Sie gaben bei der Erstbefragung konkret an, dass die schiitischen Milizen Sie hätten rekrutieren wollen, wohingegen Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben haben, dass die Milizen lediglich gewollt hätten, dass Sie ihnen Informationen über die Angebote der Projekte der Ölfirma preisgeben hätten sollen.
Sie gaben weiters bei der Erstbefragung an, dass Sie aufgrund dieses Angebotes der Milizen Schwierigkeiten in Ihrer Firma bekommen hätten, wobei Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt keinerlei Schwierigkeiten in der Firma angegeben haben.
Eine weitere Divergenz ergab sich bezüglich Ihrer Aussage bei der Erstbefragung, wonach Sie bedroht worden wären, weil Sie nicht bei den Milizen hätten mitmachen wollen, wohingegen Sie bei der Einvernahme vor dem Bundesamt konkret angegeben haben, dass Sie zugestimmt hätten, mit den Milizen zusammenzuarbeiten, wonach es nicht nachvollziehbar wäre, warum diese Sie hätten bedrohen und töten wollen.
In diesem Zusammenhang war es auch nicht nachvollziehbar, warum diese Milizen Sie nach der, von Ihnen erst bei der Einvernahme vor dem Bundesamt, angegeben Entführung, einfach auf die Straße geschmissen hätten, obwohl Sie zugestimmt haben, dass Sie mit diesen Milizen zusammenarbeiten würden, womit es wiederum nur als Steigerung angesehen werden kann, dass Sie entführt worden wären. Hätten Sie nach so einer Entführung tatsächlich zugestimmt, mit den Milizen zusammenzuarbeiten, so hätten diese Sie mit Sicherheit nicht einfach so verletzt auf der Straße zurückgelassen, sondern hätten sich dahingehend bemüht, dass Sie so bald wie möglich Informationen liefern können.
Aber auch der Umstand, dass Sie bereits bei der Erstbefragung konkret angegeben haben, dass Sie im Falle einer Rückkehr in den Irak mit keinen staatlichen Sanktionen zu rechnen hätten, obwohl Sie bei der Einvernahme vor dem Bundesamt konkret angegeben haben, dass die Milizen, welche Sie bedroht hätten, alle in der Regierung sitzen, bezeugt, dass Sie im Irak keiner konkreten Bedrohung durch diese Milizen ausgesetzt gewesen wären, da Sie ansonsten bereits bei der Erstbefragung angegeben hätten, dass Sie Angst vor den Sanktionen der Milizen, welche in der Regierung sind, hätten. Da Sie dies allerdings mit keinem einzigen Wort erwähnt haben, kann wiederum nur davon ausgegangen werden, dass Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt nur versucht haben Ihre Fluchtgründe zu steigern und haben somit ein Konstrukt erschaffen, welches Ihre Chancen auf Asyl Gewährung erhöhen soll. Wären Sie nun tatsächlich aufgrund einer konkreten Verfolgung aus dem Irak ausgereist, so hätten Sie auch in der Lage sein müssen, gleichlautende Angaben zu tätigen.
Eine weitere Divergenz ergab Sie aus dem Zeitpunkt, wann Sie den Irak verlassen hätten. So gaben Sie bei Ihrer Erstbefragung konkret an, dass Sie am 22.09.2015 den Irak mit dem Flugzeug verlassen hätten, wohingegen Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben haben, dass Sie im März des Jahres 2015 aus dem Irak ausgereist wären. Sie gaben zwar zu Beginn Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass das Ausreisedatum falsch protokolliert worden wäre, jedoch kann wiederum nur davon ausgegangen werden, dass Sie dies nur so angeführt haben um Ihre Fluchtgeschichte glaubhafter darzulegen und um diese steigern zu können, da Sie einen medizinischen Bericht aus dem Irak vom 08.12.2014 vorgelegt haben, auf dem ersichtlich war, dass Sie eine Behandlung am Knie haben durchführen lassen und somit das Datum Ihrer Entführung vor diesen Behandlungstermin haben stattfinden lassen. Da Sie jedoch, nach Ihren Angaben bei der Erstbefragung, für mehr als 9 Monate nach dieser Behandlung, also bis zum 22.09.2015 im Irak verblieben wären, haben Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben, dass Sie bereits im März 2015 ausgereist wären um die Bedrohung glaubhafter darzustellen dass Sie einer konkreten Bedrohung ausgesetzt gewesen wären, da es noch unglaubwürdiger gewesen wäre, wenn Sie nach der Entführung und der Zustimmung, dass Sie den Milizen Informationen liefern würden, für noch weitere 9 Monate im Irak verblieben wären. Somit kann auch hierbei nur davon ausgegangen werden, dass Sie mit Ihrem Vorbringen bei der Einvernahme vor dem Bundesamt lediglich versucht haben, Ihre Angaben bei der Erstbefragung zu steigern um Ihre Chancen auf Asyl Gewährung zu erhöhen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muss. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist grundsätzlich den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit zuzumessen als späterem Vorbringen. Erfahrungsgemäß machen nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kommen. Als glaubwürdig können Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder gar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen und wenn er maßgebliche Tatsachen erst spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie bloß der Asylerlangung dienen sollen, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen (AsylGH, 7.4.2009, D12 219.513-4/2009/2E; VwGH 06.3.1996, 95/20/0650).
Auch der VwGH hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei gleichbleibenden Verhältnissen im Herkunftsland bei gesteigertem Vorbringen des Asylwerbers die Wertung eines Vorbringens als unglaubwürdig nachvollziehbar sein kann (VwGH 27.4.2006, 2002/20/0170).
Auch wenn sich auch die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. idS VfGH 27.06.2012, U 98/12), so ist doch zu berücksichtigen, wenn die Partei in beiden Befragungen gänzlich unterschiedliche Verfolgungsmotive angegeben hat, ohne dass dies logisch nachvollziehbar wäre. Ein derart massiver Widerspruch im Kern des Fluchtvorbringens ist bereits für sich allein geeignet, die Glaubwürdigkeit des gesamten Fluchtvorbringens in Zweifel zu ziehen (AsylGH 21.01.2013, C15 430.798-1/2012)
Aber auch bei Ihrer neu vorgebrachten Fluchtgeschichte, beziehungsweise neu vorgebrachtem Datum Ihrer Ausreise aus dem Irak, kam es zu einigen Divergenzen. So wurden Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt konkret gefragt, wo Sie bis zu Ihrer Ausreise aus dem Irak, über längere Zeit aufhältig waren, worauf Sie angaben, dass Sie mit Ausnahme von Besuchen bei einem Freund, immer bei Ihnen zu Hause gewesen wären. Jedoch kam es bezüglich dieser von Ihnen getroffenen Aussage zu einigen Divergenzen, da Sie auch angegeben haben, dass Sie für zwei Tage von den Milizen festgehalten worden wären und auch für 18-20 Tage im Krankenhaus verbracht hätten. Dass Sie hier keine Assoziation herstellten, deutet darauf hin, dass Sie konstruieren, und Sie bei der einleitenden Frage nach Ihrem Aufenthalt, schlichtweg noch keine Verbindung zu den behaupteten Ausreisegründen hergestellt hatten, weshalb Sie die 2 Tage bei den Milizen und Ihrem Aufenthalt im Krankenhaus erst nach konkreter Befragung anführten. Auf Vorhalt, warum Sie zu Beginn Ihrer Einvernahme nicht angegeben haben, dass Sie für 18-20 Tage im Krankenhaus verbracht hätten, gaben Sie lapidar an, dass Sie nicht danach befragt worden wären, obwohl Sie konkret nach Ihren Aufenthaltsorten im Irak gefragt worden wären. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass Sie in Ihrem Verfahren nicht die Wahrheit angegeben habe und Sie zu Beginn, wie weiter oben bereits beschrieben, schlichtweg noch keine Assoziation zu Ihren konstruierten Fluchtgründen hergestellt haben.
In diesem Zusammenhang ergab sich auch ein Widerspruch bezüglich des Zeitpunktes, wann Sie ins Krankenhaus gekommen wären. So gaben Sie bei Ihrer freien Erzählung an, dass Sie nach Ihrer Freilassung drei Tage zu Hause gewesen wäre, wohingegen Sie auf die nochmalige Frage, ob Sie nach der Entführung gleich stationär aufgenommen worden wären, angaben, dass Sie blutverschmiert nach Hause gekommen wären und Ihr Bruder Sie mit Hilfe eines Nachbars ins Krankenhaus gebracht hätten. Auch hierbei waren Sie nicht in der Lage gleichlautenden Angaben zu tätigen, womit wiederum nicht glaubhaft war, dass Sie aufgrund einer asylrelevanten Verfolgung aus dem Irak ausgereist wären.
Sie wurden weiters gefragt, wie lange Sie nach der Entführung noch im Irak verblieben wären, worauf Sie wiederum völlig widersprüchlich angaben, dass Sie noch für 6 oder 7 Tage im Irak gewesen wären. Die war insofern nicht nachvollziehbar, da Sie angegeben haben, dass Sie im November 2014 entführt worden wären und erst im März 2015 ausgereist wären. Aber auch bezüglich Ihrer weiteren zeitlichen Angaben kam es zu einigen Ungereimtheiten. So gaben Sie insgesamt an, dass Sie Ende November für zwei Tage entführt worden wären, für 18 Tage im Krankenhaus verbracht hätten und dann nicht für eineinhalb Monate zu Hause gewesen wären, woraus sich ergibt, dass Sie eigentlich Anfang oder Mitte Februar ausgereist wären und nicht wie von Ihnen angegeben im März. Auch hier waren Sie nicht in der Lage glaubhafte und nachvollziehbare Angaben zu tätigen, womit wiederum nur davon ausgegangen werden kann, dass Sie in Ihrem Verfahren ein Konstrukt vorgebracht haben, welches Ihre Chancen auf Asyl Gewährung erhöhen soll.
Des weiteren war es nicht nachvollziehbar, warum die Milizen, die nach Ihren Angaben die Regierung darstellen, von Ihnen Informationen gewollt hätten, um die Regierung, welche die Milizen sind, zu hintergehen. So gaben Sie konkret an, dass die Firma Ihres Onkels Ausschreibungen erstellt hätte und Sie den Milizen sagen hätten müssen, was das höchste Angebot wäre, damit diese dieses Angebot überbieten könnten. Die Milzen hätten dann zwar den Aufragt Ihres Onkels zugesprochen bekommen hätten, aber nicht dafür bezahlt, was in keinster Weise glaubhaft ist, da Ihr Onkel in einer staatlichen Firma gearbeitet hätte und es in keinster Weise nachvollziehbar ist, dass die Milizen, welche die Regierung darstellt, für diese staatliche Ausschreibung kein Geld gezahlt hätten.
Diesbezüglich gab es allerdings auch einen Widerspruch bezüglich Ihren Aussagen bei der freien Erzählung bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt, wobei Sie angaben, dass Sie bei der Firma gearbeitet hätten, die die Angebote der anderen Firmen unterbietet um so selbst das Geschäft an sich zu reißen, sodass die anderen Firma leer ausgehen würden. Sie konnte dieses Vorbringen in keinster Weise nachvollziehbar wiedergeben, wobei wiederum nicht davon ausgegangen werden kann, dass Sie bei Ihrer Einvernahme ein selbsterlebtes Ereignis geschildert hätten, sondern lediglich ein Konstrukt vorgebracht hätten. Wären Sie nun tatsächlich für so eine Firma tätig gewesen und hätten Sie selbst so einen Vorfall erlebt, so wäre es Ihnen zumindest möglich gewesen gleichlautend zu schildern, ob Ihre Firma diese Ausschreibungen für sich hätte gewinnen wollen, oder diese Ausschreibungen angeboten hätte.
Nicht nachvollziehbar waren auch Ihre Angaben, wonach Sie, trotz der Bedrohung durch die Milizen, welche die Regierung im Irak darstellen würden, legal mit dem Flugzeug ausreisen hätten können. Hätten die Milizen tatsächlich ein derart großes Interesse an Ihrer Person gehabt, so hätten diese Sie mit Sicherheit überwacht und hätten auf keinen Fall zugelassen, dass Sie den Irak verlassen könnten.
Schlussendlich ist es Ihnen in keinster Weise gelungen, glaubhaft dazulegen, dass Sie aufgrund einer Verfolgung bzw. Furcht vor einer solchen nach Österreich kamen, sondern ist viel mehr davon auszugehen, dass Sie aufgrund des Wunsches nach Emigration und der medizinischen Versorgung, das österreichische Bundesgebiet aufsuchten. Die Gründe für Ihre Ausreise mögen im rein privaten Bereich, nämlich der Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben, eine Verfolgung Ihrer Person konnte jedenfalls aus obengenannten Gründen nicht glaubhaft dargelegt werden."
In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es ergebe sich auch kein Hinweis darauf, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Es sei nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer im Falle der Abschiebung in eine aussichtslose Situation geraten würde. Nach Abwägung aller Interessen ergebe sich, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Auch die Abschiebung sei zulässig.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wird im Wesentlichen das Fluchtvorbringen wiederholt und ausgeführt, dass im Bescheid großteils formelhafte Textbausteine zitiert würden, ohne den Fall des Beschwerdeführers einer ordnungsgemäßen Prüfung zu unterziehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Araber und schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise zusammen mit seinen zwei Brüdern, einer Schwester und seiner Mutter in einem Haus in der Stadt Basra im gleichnamigen Gouvernement. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Im Irak lebt zumindest noch ein Onkel des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer hat im Irak sechs Jahre die Grundschule besucht und hat bei einer staatlichen Raffinerie in Basra gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat dort monatlich ca. 1.700 USD verdient.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 29.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet, führt keine Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer hat eine Freundin. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er wurde im Juli 2016 in Österreich am Knie operiert. Danach wurde der Beschwerdeführer nicht mehr medizinisch behandelt und er legte auch keine aktuellen medizinischen Berichte vor, aus denen sich eine Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers ergeben würde.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht berufstätig. Er war für die Kurse "Alphabetisierung/Basisbildung" und "Alphabetisierung 2" angemeldet; ob er diese Kurse auch besucht hat, kann mangels Bestätigung nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat den Kurs "Alphabetisierung, Integration ab Tag 1" besucht und an den Info-Modulen "Zusammen Leben" und "Gesundheit" der Stadt Wien und am Modul "Polizei & Sicherheit" der Landespolizeidirektion Wien teilgenommen. Die Ablegung einer Deutschprüfung hat er bislang nicht belegt. Der Beschwerdeführer war von 01.06.2017 bis zumindest 02.08.2017 beim Verein XXXX in einem nicht näher feststellbaren Ausmaß ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer ist derzeit in keinem Verein tätig. Der Beschwerdeführer betreibt Fitness.
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er im Irak von Mitgliedern einer schiitischen Miliz entführt wurde, um ihn zur Herausgabe von Informationen über Ausschreibungen seines Dienstgebers zu bewegen oder um Druck auf den Onkel des Beschwerdeführers auszuüben, ist nicht glaubhaft.
Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:
KI vom 18.5.2018: Parlamentswahlen
Am 12.5.2018 wurden im Irak Parlamentswahlen abgehalten. Die Wahlbeteiligung lag bei 44,5 Prozent - die niedrigste Beteiligung seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 (Die Presse 13.5.2018). Als Sieger geht das Wahlbündnis Sa'irun des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs hervor, das nicht mehr vom ersten Platz zu verdrängen ist (Spiegel Online 17.5.2018). Auf zweitem Platz liegt, nach ersten Ergebnissen, das Fatah Bündnis des Milizenführers Hadi al-Ameri, der eng mit den iranischen Revolutionsgarden verbunden ist (Die Presse 13.5.2018). Die Nasr Allianz des amtierenden Ministerpräsidenten Haider al-Abadi kommt im Zwischenergebnis nur auf den dritten Platz (NZZ 15.5.2018).
Obwohl die Wahlkommission die Resultate der Wahl zunächst schon am 14.5.2018 veröffentlichen wollte, liegt bis dato kein offizielles Endergebnis vor (Spiegel Online 17.5.2018). Anschuldigungen von Wahlbetrug in der zwischen Kurden und irakischer Zentralregierung umstrittenen Stadt Kirkuk verzögern die Veröffentlichung der Endergebnisse (The Washington Post 17.5.2018). Laut Wahlkommission belagerten Bewaffnete am Mittwoch, den 16.5.2018, etliche Wahllokale in der Stadt und hielten Mitarbeiter der Wahlkommission in Geiselhaft (Reuters 16.5.2018). Der Gouverneur von Kirkuk sowie der Leiter der Exekutivorgane, Generalmajor Maan al-Saadi, bestritten dies und erklärten, dass die Lage stabil sei und es sich um friedliche und unbewaffnete Proteste um die Wahllokale herum handle (The Washington Post 17.5.2018; Reuters 16.5.2018).
Quellen:
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Neue Züricher Zeitung (15.5.2018): Der Überraschungssieger in der Parlamentswahl öffnet neue Horizonte für den Irak, https://www.nzz.ch/international/irak-ueberraschender-wahlsieg-bei-parlamentswahl-oeffnet-horizonte-ld.1386066, Zugriff 18.5.2018
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Die Presse (13.5.2018): Irak-Wahl: Niedrigste Beteiligung seit Sturz Saddam Husseins,
https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5425941/IrakWahl_Niedrigste-Beteiligung-seit-Sturz-Saddam-Husseins, Zugriff 18.5.2018
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Reuters (16.5.2018): Iraqi election commission says Kirkuk voting stations under siege, staff inside, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-kirkuk/iraqi-election-commission-says-kirkuk-voting-stations-under-siege-staff-inside-idUSKCN1IH1YA, Zugriff 18.5.2018
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Der Spiegel Online (17.5.2018): Die Wandlung des "Mullah Atari", http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-wahl-muqtada-al-sadrs-wandlung-von-hardliner-zum-versoehner-a-1207894.html, Zugriff 18.5.2018
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The Washington Post (17.5.2018): During wait for Iraqi election results, political blocs scramble for influence, https://www.washingtonpost.com/world/during-wait-for-iraqi-election-results-foreign-states-scramble-for-influence/2018/05/17/a1d111d0-59da-11e8-9889-07bcc1327f4b_story.html?noredirect=on&utm_term=.beca16f25693, Zugriff 18.5.2018
KI vom 23.11.2017: Weitere Entwicklungen im Anschluss an das Kurdenreferendum, weitere Rückeroberungen von IS-Gebiet und Update Sicherheitslage mit Fokus auf Bagdad.
Am 29.10.2017 erklärte Mas'ud Barzani seinen Rücktritt als Präsident der kurdischen Region. Er lehnte in einem Brief an das kurdische Parlament eine Verlängerung seines Mandats über den 1.11.17 hinaus ab (IFK 6.11.2017). Barzani bleibt Vorsitzender der KDP (Kurdistan Democratic Party) und somit weiterhin ein wichtiger politischer Akteur. Die weiter andauernde Lähmung des kurdischen Regionalparlamentes versetzt die beiden Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistans) weiterhin in die Lage, politische Entscheidungen ohne die Einbeziehung der Partei Goran oder anderer Parteien zu treffen (CR 14.11.2017).
Nach der Offensive der irakischen Armee und der PMF (Popular Mobilization Forces) in die von den Kurden kontrollierten Gebiete, besteht derzeit ein Waffenstillstand, es herrscht jedoch weiterhin Unsicherheit, nicht nur bezüglich der weiteren Vorgehensweise der irakischen Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Situation Kurdistans betreffend. Unterdessen gibt es neue Beweise dafür, dass im Zuge der Offensive in den vorwiegend kurdischen Gebieten Plünderungen, Brandstiftungen, Häuserzerstörungen und willkürliche Angriffe offenbar insbesondere von Seiten der PMF (auch von Seiten turkmenischer PMF-Milizen) stattfanden. Tausende haben dabei ihre Häuser, ihre Geschäfte und ihre sonstigen Besitztümer verloren. (AI 24.10.2017; Bas 14.11.2017; HRW 20.10.2017).
Laut den Vereinten Nationen (VN) kam es im Zuge der Offensive der irakischen Regierung zur Vertreibung von zehntausenden Menschen aus den sogenannten "umstrittenen Gebieten". 180.000 Menschen sind (mit Stand 18.11.2017) nach wie vor vertrieben, 172.000 sind zurückgekehrt. Die meisten dieser Vertriebenen sind Kurden, aber auch Mitglieder anderer Minderheiten, einschließlich sunnitischer Araber und Turkmenen. Die meisten Vertriebenen lebten in den Städten Kirkuk, Daquq (Provinz Kirkuk), sowie Tuz Khurmatu (Rudaw 18.11.2017). Aus Furcht vor Repressalien kehren sie derzeit nicht in ihre Heimatgebiete zurück (Reuters 9.11.2017).
Am Abend des 12.11.2017 fand in der Grenzregion zwischen Iran und Irak ein Erdbeben der Stärke 7,3 statt. Im Irak war dabei die an der Grenze zum Iran befindliche Stadt Halabja (im Autonomen Kurdengebiet) am stärksten betroffen. Acht Menschen starben im Irak, mehr als 500 wurden verletzt und hunderte Familien wurden obdachlos. Zumindest drei Gesundheitszentren wurden beschädigt. Verglichen mit dem Iran war der Irak deutlich geringer von dem Erdbeben betroffen (UNFPA 19.11.2017).
Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).
Ab dem 3.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 6.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 5.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium [mit Einschränkungen s.u.] (Harrer 24.11.2017).
Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 9.-11.2017). Zu diesen Zahlen gelten die im Länderinformationsblatt Irak in Abschnitt 3.1 erwähnten Einschränkungen und Anmerkungen - kriminelle Gewalt wurde in dieser Statistik nur zum Teil berücksichtigt, Stammesgewalt gar nicht .
Im kürzlich veröffentlichten Global Peace Index (GPI)-Bericht wurde der Irak als das "dritt-unfriedlichste" Land der Welt eingestuft. Laut GPI-Bericht bleibt trotz der Zurückdrängung des IS die Stabilität und Sicherheit der Staaten Syrien und Irak weiterhin bedroht (K24 8.8.2017; vgl. Iraqinews 15.11.2017).
Bagdad:
Obwohl der IS Bagdad [kontrollgebietsmäßig] nie erreicht hat, verzeichnete die Hauptstadt laut Angaben der UN jeweils entweder die höchste oder die zweithöchste - nach der Provinz Ninewa - Anzahl an zivilen Todesopfern. Um ein Beispiel zu nennen: UNAMI berichtet, dass im Februar 2017 120 Zivilisten getötet und 300 verletzt wurden. In demselben Monat im Jahr 2016 war Bagdad der am stärksten betroffene Bezirk, UNAMI berichtete von 277 Todesopfern und 838 Verletzten. (Update: Für den Monat Oktober 2017 berichtet UNAMI 177 zivile Opfer (38 Tote, 139 Verletzte). Wichtig ist, anzumerken, dass diese Zahlen ausschließlich verifizierte Opfer inkludieren und als das absolute Minimum gesehen werden müssen [Anm.: Es gelten die in Abschnitt 3.1 des LIB Irak getätigten Aussagen und Anmerkungen]. Zum Beispiel beinhalten sie auch nicht jene Opfer, die in manchen Teilen der Stadt regelmäßig tot aufgefunden und geborgen werden (MRG 10.2017; UNAMI 1.11.2017). Nach wie vor kommt es in Bagdad täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit zivilen Opfern (Wing 9.-11.2017; vgl. IBC 28.2.2017). Laut Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist in Bagdad weiterhin mit schweren Anschlägen insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen zu rechnen (AA 23.11.2017). Für die fragile Sicherheitssituation in der Hauptstadt gibt es zahlreiche Gründe. Abgesehen davon, dass es ein attraktives Ziel für Anschläge ist, beherbergten und beherbergen die Gebiete rund um Bagdad historisch entstandene Terrorzellen, u.a. von Al-Qaeda und dem IS. Dies ist insbesondere in der Nachbarprovinz Anbar im Westen, sowie im Bezirk Jurf al-Sakhar in der Provinz Babil der Fall. Dazu kommen die äußeren Bezirke Bagdads, dem sogenannten "Bagdad-Belt", der aus spärlich besiedelten ländlichen Gegenden besteht, in denen sich bewaffnete Gruppen leicht verstecken können.
Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).
Terrorattacken:
Terrorattacken werden meist mit verschiedenen Arten von IEDs (Improvised Explosive Devices) ausgeführt, inklusive am Körper getragene ('body-born' oder BBIEDs, in Fahrzeugen transportierte ('vehicle-borne' oder S/VBIEDs) und unter Fahrzeugen befestigte Sprengfallen ('under-vehicle-borne' oder UVBTs). Dabei handelt es sich um typische Taktiken des IS. Sie zielen dabei auf große Menschenansammlungen wie z.B. auf Märkten, in Einkaufszentren und Moscheen ab, wo der Kollateralschaden maximiert werden kann. Auch wenn diese Attacken alle Teile der Stadt treffen können, sind [ethno-religiös] gemischte Gebiete besonders gefährdet. Auch werden Kontrollpunkte regelmäßig angegriffen mit dem Ziel Sicherheitskräfte zu schwächen. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens werden an den Kontrollpunkten selten sorgfältige Fahrzeugdurchsuchungen durchgeführt, weshalb das Problem schwer einzudämmen ist (MRG 10.2017).
Es sollte auch erwähnt werden, dass UVBTs besonders häufig verwendet werden, um Individuen zu attackieren. Diese Attentate können durch persönliche oder stammesbezogene Auseinandersetzungen motiviert sein, in spezifischen Fällen sind sie politisch motiviert.
Kidnappings und Entführungen:
Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich (MRG 10.2017).
Obwohl die offiziellen Daten nicht veröffentlicht wurden zeigt eine Aufzeichnung des Innenministeriums, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 in Bagdad zumindest 700 Kidnappings stattgefunden haben (MRG 10.2017).
Allerdings können sich diese in vielen Fällen überschneiden. Es wurde zum Beispiel berichtet, dass schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten einsetzen. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinter stehen. Milizen haben z.B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendentiell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen (MRG 10.2017).
Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren. Anfang 2017 tauchten Berichte auf, dass Sicherheitskräfte eine kriminelle Gruppe zu identifizieren suchten, die auf die Entführung von Kindern in der Gegend um Bagdad al-Jadida spezialisiert war. Im August 2017 veröffentlichte Niqash einen Artikel über eine vor Kurzem vorgefallene Serie an Kidnappings, die gegen Ärzte und medizinisches Personal gerichtet waren. Diese wurden von kriminellen Banden durchgeführt, aber auch von Stämmen, die Wiedergutmachung für Verwandte forderten, die nicht behandelt werden konnten oder die im Spital verstorben waren. Im Mai 2017 wurde eine Gruppe von Studenten und Anti-Korruptions-Aktivisten gekidnappt, angeblich von einer Miliz. Dennoch war einer der meist diskutierten Fällen die Entführung von Afrah Shawqi, einem Journalisten, der nur wenige Tage davor einen Artikel im Al-Sharq al-Awsat über die Straffreiheit von schiitischen Milizen im Irak veröffentlicht hatte. In beiden Fällen wurden die Opfer freigelassen, nachdem großer öffentlicher Druck auf den Premierminister selbst, sowie auf das Innenministerium ausgeübt worden war. Regierungsbeamte und andere politische Führungskräfte wurden ebenso ins Visier genommen wie z.B. bei jenem Fall eines hohen Beamten des Justizministeriums, der im September 2015 gekidnappt wurde, oder jenem Fall eines sunnitischen Stammesführers, dessen Entführung und Ermordung Anlass zu einer Kampagne von Amnesty International wurde (MRG 10.2017).
All diese Fälle haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten. Dennoch werden Milizen in erfolgreichen Fällen - wenn es Sicherheitskräften gelingt, Banden zur Anklage bringen - selten erwähnt. Es ist praktisch unmöglich einzuschätzen, wie oft die von den Sicherheitskräften Verhaftungen Mitglieder von Milizen einschließen, da Fälle von Kidnappings mit Lösegeldforderungen einfach als kriminelle Akte kategorisiert werden. Dies kann nur durch anekdotische Hinweise und durch Zeug