Entscheidungsdatum
04.02.2019Norm
BFA-VG §9Spruch
L519 2204712-1/15E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 17.12.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Metin AKYÜREK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 06.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2018 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 52 Abs. 4 und Abs. 9, § 46 und 55 FPG
2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge auch bP), ist Staatsangehöriger der Türkei und reiste am XXXX 2013 legal in das österreichische Bundesgebiet ein.
Der bP, einem Seelsorger (Imam) wurde gemäß Antrag vom 19.09.2013 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" der erste Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis XXXX 2014 von der BH XXXX erteilt.
I.2. In der Folge stellte die bP Verlängerungsanträge. Am 16.08.2017 stellte die bP letztmalig einen Verlängerungsantrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels "Sonderfälle unselbstständige Erwerbstätigkeit", dies fristgerecht vor Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres letztmaligen Aufenthaltstitels.
Die bP stellte die Anträge unter Vorlage von Gehaltsbestätigungen, dass die bP aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Diyanet de Belgique und der ATIB Union an einer ATIB Kultusgemeinde in Österreich dient, ua. ausgestellt von einer Person "i.V. Botschaftsrat", einer Reisepasskopie, einer Kopie des österreichischen Aufenthaltstitels, eines Schreibens über die Erstattung der Gesundheitsausgaben der Religionsbeauftragten in Österreich, von Einsatzbestätigungen bzw. Bestätigungen über den seelsorgerischen Auftrag und die Tätigkeit in einer österreichischen Moschee in XXXX , eines Familienregisterauszug, eines Strafregisterauszuges, einer Heiratsurkunde und von weiteren Unterlagen zum Aufenthalt in Österreich und der Tätigkeit in der Türkei.
I.3. Mit Schreiben der Niederlassungsbehörde vom 31.10.2017 wurde die bP aufgefordert, für sich und die (damals noch in Österreich lebende) Ehegattin binnen Frist bis 30.11.2017 Nachweise über die Unterhaltseinkünfte (Kontoauszüge) in Österreich vorzulegen. Im Aktenvermerk vom 27.11.2017 ist festgehalten, dass die bP mit einem Kassier von ATIB XXXX bei der Behörde vorstellig wurde. Es wurde nachgefragt, was passieren würde, wenn die Unterlagen bis Fristende nicht vorgelegt werden können und wurde angegeben, dass die Vorlage momentan nicht möglich sei.
I.4. In der Einvernahme vor der Niederlassungsbehörde am 22.01.2018 hat die bP keine einzige der Fragen beantwortet, sondern jeweils auf darauf verwiesen, dass diese Frage durch ihren Rechtsanwalt schriftlich beantwortet werden würde.
Mit Schreiben vom 14.02.2018 teilte die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung der bP mit, dass sie mit der Vertretung beauftragt wurde. Ersucht wurde um Übermittlung der relevanten Fragen im Verfahren. Daraufhin wurde das Protokoll der Einvernahme durch das BFA übermittelt, welchem nach Angaben des zuständigen Referenten die wesentlichen Fragen zu entnehmen waren. Es wurde eine Stellungnahmefrist bis 10.03.2018 eingeräumt.
I.5. Mit Schreiben der Niederlassungsbehörde vom 11.04.2018 wurde der bP bzw. deren rechtsfreundlicher Vertretung mitgeteilt, dass nicht wie in der Einvernahme im Rahmen des Verlängerungsverfahrens in Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Islamgesetzes am 22.01.2018 vereinbart fristgerecht eine Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters einlangte. Unter einem wurde die bP aufgefordert, binnen 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen, dass eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme aufgrund des Fehlens der Erteilungsvoraussetzungen nunmehr beabsichtigt ist.
I.6. Die Niederlassungsbehörde teilte dem BFA mit Schreiben vom 30.04.2018 mit, dass die bP fristgerecht die Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt hat, nunmehr aber das BFA ersucht werde, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß § 25 NAG zu prüfen und ein aufenthaltsbeendendes Verfahren einzuleiten. Hingewiesen wurde auf den nicht erfüllten Auftrag zur Mängelbehebung bzw. die Nichtvorlage von Kontoauszügen oder Gehaltszettel.
I.7. Mit Schreiben der bP vom 17.05.2018 wurde dem BFA mitgeteilt, dass dem rechtsfreundlichen Vertreter Vollmacht im Verfahren erteilt wurde.
I.8. Am 23.05.2018 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der bP vor dem BFA. Die bP beantwortete die Frage danach, warum sie nicht schon der Aufforderung der BH nachgekommen ist und Bestätigungen zu Unterhaltsmitteln in Österreich vorgelegt hat, vorerst nicht, und überlegte. Dann führte sie aus, dass sie die geforderten Unterlagen nicht vorlegen könne. Nachgefragt warum nicht gab die bP an, dass sie auf die Frage nicht antworten könne und zuerst mit ATIB sprechen müsse. Sie wolle weder sich selbst noch ATIB Schwierigkeiten bereiten. Nochmals nachgefragt, warum sie mit ATIB sprechen müsse, gab die bP an: "Wenn ich darauf antworte kann das schlecht für ATIB sein wegen dem neuen Islamgesetz".
Die bP wurde aufgefordert, binnen Frist von 3 Wochen Kontoauszüge sowie Gehaltsbestätigungen der letzten 6 Monate vorzulegen. Zudem wurde sie aufgefordert, Unterlagen zum Versicherungsschutz vorzulegen.
In der Folge gab die bP auch an, dass die Zahlungen auf ihrem Konto vom türkischen Konsulat stammen würden, sie aber vorher mit ATIB abklären müsse, ob dies erlaubt ist. Sie bezahle die Steuern in der Türkei, sei dort Angestellter der Diyanet und sei von dieser Organisation entsandt worden. Sie verfüge über einen Reisepass für langjährige türkische Beamte.
Abschließend nach der Zustimmung zu Erhebungen im Herkunftssaat befragt gab die bP an, dass sie weder sich selbst noch Diyanet in Schwierigkeiten bringen wolle und darum Erhebungen in der Türkei eher nicht wolle. Sie sei ja auch Beamter und stehe unter der Weisung von Diyanet. Sie wolle dem Anwalt diese Entscheidung überlassen.
I.9. In der Folge wurde vom Rechtsanwalt eine Stellungnahme erstattet und wurde eine Umsatzliste mit Zahlungseingängen auf das Konto der bP iHv Eur 2105,- pro Monat, überwiesen von "Türkisches Generalkonsulat Administ", vorgelegt.
I.10. Mit Bescheid vom 27.06.2018 wurden der bP die Dolmetscherkosten für die Einvernahme am 23.05.2018 vorgeschrieben. Dagegen wurde Vorstellung erhoben, da die Aufenthaltsbehörde rechtsirrig den Akt an das BFA weitergeleitet habe und nur dadurch die Kosten entstanden wären.
I.11. Gegen die bP wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung der bP in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).
I.12. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist über den rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wird in der Beschwerde vorgebracht, dass die bP als türkischer Staatsbediensteter für den Auslandsdienst durch das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik nach Österreich entsandt worden sei.
Die bP sei in der Absicht eingereist, einer legalen Beschäftigung nachzugehen. Die bP sollte nach Errichtung einer inländischen Stiftung nach dem Privatstiftungsgesetz von dieser Stiftung nach österreichischem arbeits-und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen beschäftigt werden. Der bP werde eine kostenlose Wohnmöglichkeit vom Verein ATIB zur Verfügung gestellt und erhalte die bP das Gehalt iHv 2105 Eur netto vom türkischen Generalkonsulat ausbezahlt.
Es wurde aus einem Schreiben des österreichischen Kultusamtes sowie einem Erlass des BMI jeweils aus dem Jahr 2016 im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Imamen in Österreich zitiert und ausgeführt, dass sich daraus nicht ergäbe, dass die in Österreich tätigen Imame die Beamteneigenschaft aufgeben müssten oder kein Gehalt aus der Türkei beziehen dürften.
Es sei beabsichtigt, die Beschäftigung der "ATIB-Imame" an das IslamG anzupassen. Hierzu sei ein Beschluss gefasst worden, eine Privatstiftung nach dem Privatstiftungsgesetz zu gründen. Seelsorger wie die bP hätten sodann mit dieser Stiftung ein Dienstverhältnis und könnten unter Anwendung österreichischer arbeits-und sozialrechtlicher Vorschriften beschäftigt werden.
Ein allfälliger Verstoß gegen § 6 Abs. 2 IslamG bzw. das Auslandsfinanzierungsverbot sei nicht der bP, sondern vielmehr der Religionsgesellschaft bzw. Kultusgemeinde zuzurechnen und könne der bP 1 dadurch keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG vorgeworfen werden.
Die bP würde über einen Krankenversicherungsschutz verfügen und wurde hinsichtlich der bP als türkischen Beamten zudem auf das Abkommen der Türkei mit Österreich über soziale Sicherheit verwiesen. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes beziehe die bP ihr Einkommen aus einer legalen Quelle, da sie ein türkisches Beamtengehalt bekomme.
Das IslamG verstoße gegen die Stillhalteklausel des Art 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.08.1980 (ARB) bzw. das 41. Zusatprotokoll hierzu. Dem aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Verschlechterungsverbot folgend ergäbe sich, dass § 6 Abs. 2 IslamG als die Situation der bP verschlechternde Bestimmung unangewendet bleiben müsse.
Schließlich sei § 6 Abs. 2 IslamG per se verfassungswidrig.
Insgesamt würde sich die Rückkehrentscheidung als unverhältnismäßig darstellen.
Vorgelegt wurden der Rahmenvertrag zwischen ATIB und Diyanet de Belgique, ein Schreiben des Kultusamtes an den rechtsfreundlichen Vertreter vom 19.04.2016, ein Mail des rechtsfreundlichen Vertreters an das Kultusamt betreffend ATIB Privatstiftung sowie ein noch nicht beglaubigter Notariatsakt (Entwurf) betreffend Gründung einer Stiftung und die Umsatzliste mit den Überweisungen aus der Türkei.
I.13. Mit Schreiben vom 13.09.2018 ersuchte der rechtsfreundliche Vertreter der bP darum, die für den 09.10.2018 anberaumte Verhandlung zu vertagen und auf einen von 7 vorgeschlagenen Tagen zu verlegen. Dies da der Vertreter am 09.10.2018 zu zwei vorbereitenden Tagsatzungen erscheinen müsse. Die Verhandlung wurde nicht vertagt.
I.14. Am 08.10.2018 langte ein ergänzendes Vorbringen samt Antrag auf Vertagung der Verhandlung am 09.10.2018 und Urkundenvorlage ein. Aufgrund einer Magen- Darm Grippe könne die bP nicht zur Verhandlung anreisen. Die bP sei nunmehr als Seelsorger mit einem monatlichen Gehalt von EUR 1180,- (brutto) in einer Vollzeitbeschäftigung. Sie falle in den Anwendungsbereich des Assoziationsabkommens EWG-Türkei und der darauf basierenden Beschlüsse. Der Tatbestand der Auslandsfinanzierung sei zumindest seit der Beschäftigung nicht mehr gegeben. Der dienstgebende Verein sei imstande, das Gehalt der bP aus eigenen (inländischen) Mitteln zu bestreiten. Vorgelegt wurde eine Anmeldung der bP beim zuständigen Sozialversicherungsträger in Österreich per 02.10.2018 (Dienstgeber Türkisch Islamischer Verein, Tätigkeit: Vorbeter - IMAM), eine Änderungsmeldung bzw. Meldung der bP als Seelsorger in Österreich und eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung.
I.15. Für den 17.12.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien neuerlich zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der die bP mit ihrer Rechtsvertretung teilnahm. Weiter nahm ein Behördenvertreter an der Verhandlung teil.
Vorgelegt wurden in der Verhandlung eine Bestätigung über die Antragstellung zur Verlängerung des Aufenthaltstitels und der türkische Reisepass.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Die beschwerdeführende Partei:
Die bP ist türkischer Staatsangehöriger und damit Drittstaatsangehöriger. Sie reiste im September 2013 rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und verfügte aufgrund der rechtzeitig eingebrachten Verlängerungsanträge hinsichtlich der erteilten gültigen Aufenthaltstitel auch im Zeitpunkt der Entscheidung des BFA gemäß § 24 Abs. 1 NAG über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel.
Die bP ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer in der Türkei gesicherten Existenzgrundlage.
Die Ehegattin der bP lebte eine Zeit lang in Österreich, befindet sich jedoch seit Juni 2018 (Abmeldung im ZMR mit 29.06.2018) wieder in der Türkei, wo sie in ärztlicher Behandlung steht. Zudem leben in der Türkei die beiden berufstätigen Kinder der bP, die Mutter, eine Schwester sowie weitere Verwandte. Die Kinder leben mit der Ehegattin der bP in einer gemeinsamen Eigentumswohnung. Die bP hat regelmäßig telefonischen Kontakt mit der Familie in der Türkei und reiste überdies mehrfach zu Besuchszwecken in die Türkei. Die bP selbst war von 16.09.2013 bis 14.01.2019 in Österreich gemeldet.
Die bP ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Die bP hat keinen Deutschkurs besucht und hat keinerlei Deutschkenntnisse. Sie spricht Türkisch und Französisch.
Die bP lebte in Österreich kostenlos in einer Wohnung, welche vom Verein ATIB zur Verfügung gestellt wurde.
Es liegen keine besonderen integrativen Aspekte im Hinblick auf die bP vor. Sie war in Österreich weder ehrenamtlich noch sonst in einem Verein tätig und verfügt über die islamische Glaubensgemeinschaft hinaus auch über keine besonderen Kontakte in Österreich, wenngleich von der Glaubensgemeinschaft aus Veranstaltungen zur Begegnung mit Österreichern veranstaltet werden.
Die bP arbeitete mit der Einreise in Österreich als Imam für den ATIB Verein in XXXX . Sie ist türkischer Staatsbediensteter (Beamter) und wurde zum Auslandsdienst durch das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik (Diyanet Isleri Baskanligi) entsandt, um in Österreich für ATIB-Union (Türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich) als Seelsorger tätig zu sein. Diyanet ist direkt dem Ministerpräsidenten der Türkei unterstellt und außerhalb der Türkei über Kooperationspartner tätig, in Österreich über ATIB. Die bP erhielt bis Oktober 2018 in Österreich einen monatlichen Nettobezug von zuletzt 2.105,- Euro über das türkische Konsulat in Wien. Von 02.10.2018 bis 19.12.2018 war die bP direkt beim türkisch islamischen Verein für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in XXXX (auch ATIB XXXX ) mit Bruttobezug von EUR 1180,- angestellt. In der Türkei erhielt die bP während der gesamten Aufenthaltsdauer in Österreich und unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis hier zusätzlich ein Beamtengehalt iHv ca. 600 Euro vom türkischen Staat.
Die bP hat in der Türkei für 7 Jahre ein Lyzeum und anschließend 2 Jahre die Universität besucht und hat eine theologische Ausbildung absolviert. Sie hat eine spezielle Prüfung bei Diyanet sowie einer Kulturkommission der Ministerien abgelegt, um als Imam im Ausland bzw. in Österreich tätig sein zu können. Zuvor war sie schon in der Türkei als Imam tätig und wurde bereits von 2004 bis 2008 als Imam von Diyanet nach Belgien entsandt.
Die Identität der bP steht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Türkei:
Zur Lage in der Türkei werden folgende Feststellungen getroffen:
Sicherheitslage
Als Reaktion auf den gescheiterten Putsch vom 15.7.2016 hat der türkische Präsident am 20.7.2016 den Notstand ausgerufen. Dieser berechtigt die Regierung, verschiedene Einschränkungen der Grundrechte wie der Versammlungs- oder der Pressefreiheit zu verfügen (EDA 24.1.2017). Auf der Basis des Ausnahmezustandes können u. a. Ausgangssperren kurzfristig verhängt, Durchsuchungen vorgenommen und allgemeine Personenkontrollen jederzeit durchgeführt werden. Personen, gegen die türkische Behörden strafrechtlich vorgehen (etwa im Nachgang des Putschversuchs oder bei Verdacht auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung), kann die Ausreise untersagt werden (AA 24.1.2017a).
Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Seit dem Sommer 2015 hat die Zahl der Anschläge zugenommen. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben die Attentate zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 24.1.2017).
Die Situation im Südosten, so die Europäische Kommission, blieb eine der schwierigsten Herausforderungen für das Land. Die Türkei sah sich mit einer weiterhin sehr ernsten Verschlechterung der Sicherheitslage konfrontiert, in der es zu schweren Verlusten an Menschenleben nach dem Zusammenbruch der Verhandlungen zur Lösung der Kurdenfrage im Juli 2015 kam. Das Land wurde von mehreren terroristischen Großangriffen seitens der PKK und dem sog. Islamischen Staat (auch Da'esh) betroffen. Die Behörden setzten ihre umfangreiche Anti-Terror-kampagnen gegen die kurdische Arbeiterpartei (PKK) fort.Das Ausmaß der Binnenflucht aus jenen Zonen, in denen eine Ausgangssperre herrschte, sowie der mangelnde Zugang zur Grundversorgung in diesen Gebieten gaben der EK ebenfalls Anlass zu großer Sorge. Die EK sah die dringliche Notwendigkeit des ungehinderten Zuganges von unabhängigen Ermittlern in die Region. Überdies zitierte die EK die Venediger Kommission des Europarates, wonach sich die Verhängung der Ausgangssperren weder im Einklang mit der türkischen Verfassung noch mit den internationalen Verpflichtungen des Landes befände (EC 9.11.2016).
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) wies auf die rechtliche Einschätzung der Venediger Kommission vom 13.6.2016 hin, wonach die seit August 2015 verhängten Ausgangssperren im Südosten des Landes gegen die türkische Verfassung und den Rechtsrahmen verstoßen haben. Denn Ausgangssperren können nur in Zusammenhang mit dem materiellen oder dem Notstandsrecht verhängt werden, wofür es aber eines parlamentarischen Beschlusses bedarf, welcher jedoch nie gefasst wurde. Die Versammlung zeigte sich auch besorgt, dass 21 demokratisch gewählte kurdische Bürgermeister verhaftet und 31 weitere wegen Unterstützung oder Begünstigung einer terroristischen Organisation entlassen wurden. Die Versammlung äußerte ihre Besorgnis ob der breiten Interpretation des Anti-Terror-Gesetzes, um gewaltfreie Äußerungen zu bestrafen und jede Botschaft zu kriminalisieren, wenn diese sich bloß vermeintlich mit den Interessen einer Terrororganisation deckten (PACE 22.6.2016).
Mehr als 80 Prozent der Provinzen im Südosten des Landes waren von Gewalt betroffen. Sieben von neun Provinzen Südostanatoliens sowie zwölf von 14 Provinzen Ostanatoliens waren von Attentaten der PKK, der TAK und des sog. IS, Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen. In den Provinzen Diyarbakir, Mardin und Sirnak kam es zu den meisten, in Hakkâri, Kilis, Sanliurfa und Van zu relativ vielen Vorfällen (SFH 25.8.2016).
Für den Menschenrechtskommissar des Europarates bestand kein Zweifel daran, dass weite Bevölkerungsteile von den Ausgangssperren und Antiterrormaßnahmen betroffen waren. Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates waren 1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren von den Sperrstunden betroffen, und mindestens 355.000 Personen wurden vertrieben. Zahlreichen glaubwürdigen Berichten zufolge, die durch dokumentarische Beweise und Videoaufnahmen gesichert wurden, haben die türkischen Sicherheitskräfte in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt, darunter auch Artillerie und Mörser sowie Panzer und schwere Maschinengewehre. Dies deckt sich mit den Zerstörungen, die der Menschenrechtskommissar angetroffen hat. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört. Der Gouverneur von Diyarbakir schätzte, dass 50% der Häuser von sechs Stadtvierteln in der Altstadt von Sur nun völlig unbewohnbar wurden, und dass weitere 25% beschädigt wurden (CoE-CommDH 2.12.2016).
Bereits im März 2016 wurde von schweren Verwüstungen der Stadt Cizre berichtet. Vom Cudi-Viertel auf der linken Seite des Tigris waren nur noch die Ruinen eingestürzter Häuser übrig; ein Hinweis darauf, dass die Panzer mit ihren Granaten systematisch auf die Stützpfeiler der Wohnhäuser zielten. 80 Prozent der Wohngebiete in Cizre sollen zerstört worden sein (LMD 7.7.2016). In Silopi wurden gemäß Regierungsberichten vom März 2016 6.694 Häuser und Wohnungen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-nahen Guerillakämpfern beschädigt, wobei 27 komplett zerstört wurden. Lokale Quellen setzten die Zahl der betroffenen Wohnstätten wesentlich höher an. 241 Wohnobjekte, die im Regierungsbericht nicht aufscheinen, seien völlig zerstört worden (Rudaw 15.3.2016).
Laut der Sicherheitsagentur "Verisk Maplecroft" wurden 2016 bei 269 Terroranschlägen 685 Menschen getötet und mehr als 2.000 verwundet (FT 4.1.2017). Das "Bipartisan Policy Center" zählte bis Dezember 2016 eine Verdoppelung der Opferzahlen im Vergleich zu 2015. Beinahe 300 Personen wurden 2016 bei den größeren Terroranschlägen der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) und des sog. Islamischen Staates getötet. 2015 waren es weniger als 150 (BI 21.12.2016).
Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet.
Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut Togrul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).
Die PKK hat am 12.3.2016 eine Dachorganisation linker militanter Gruppen gegründet, um ihre eigenen Fähigkeiten auszuweiten und ihre Unterstützungsbasis jenseits der kurdischen Gemeinschaft auszudehnen. Die neue Gruppe, bekannt als die "Revolutionäre Bewegung der Völker" (HBDH), wird vom Chef der radikalsten linken Fraktion innerhalb der PKK, Duran Kalkan, geleitet. Erklärte Absicht der Gruppe, die den türkischen Staat und im Speziellen die herrschende AKP ablehnt, ist es, die politische Agenda voranzutreiben, wozu auch Terroranschläge u.a. gegen Ausländer gehören. Die Gruppe unterstrich zudem das Scheitern der kurdischen Parteien in der Türkei, auch der legalen HDP (Stratfor 15.4.2016). Laut Berichten beabsichtigt die HBDH Propagandaaktionen durchzuführen, um auch die Unterstützung von türkischen Aleviten zu erhalten, und um "Selbstverteidigungsbüros" in den Vierteln der südlichen und südöstlichen Städte zu errichten. Die HBDH will auch Druck auf Dorfvorsteher und Beamte ausüben, die in Schulen und Gesundheitsdiensten arbeiten, damit diese entweder kündigen oder die Ortschaften verlassen (HDN 4.4.2016). Neun verbotene Gruppen trafen sich auf Einladung der PKK am 23.2.2016 zur ihrer ersten Sitzung im syrischen Latakia, darunter die Türkische kommunistische Partei/ Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) [siehe 3.4.], die Revolutionäre Kommunistische Partei (DKP), die Türkische Kommunistische Arbeiterpartei/ Leninistin (TKEP/L), die Kommunistische Partei der Vereinten Nationen (MKP), die türkische Revolutionäre Kommunistenvereinigung (TIKB), das Revolutionshauptquartier und die Türkische Befreiungspartei-Front (THKP-C) [siehe 3.5] (HDN 4.4.2016; vgl. ANF News 12.3.2016). Die HBDH sieht in der Türkei eine Ein-Parteien-Diktatur bzw. ein faschistisches Regime entstehen, dass u. a. auf der Feindschaft gegen die Kurden gründet (ANF News 12.3.2016).
Behandlung nach Rückkehr
Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den Staat rechnen. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können (AA 29.9.2015).
Personen die für die von der EU als Terrororganisation eingestuften PKK oder einer Vorfeldorganisation der PKK tätig waren, müssen in der Türkei mit langen Haftstrafen rechnen. Ähnliches gilt für andere Terrororganisationen (z.B. DHKP-C, türk. Hisbollah, al Kaida). Generell werden abgeschobene türkische Staatsangehörige von der Türkei rückübernommen (ÖB Ankara 7.2014).
Das türkische Außenministerium sieht auch die syrisch-kurdische PYD bzw. die YPG als von der als terroristisch eingestuften PKK geschaffene Organisationen, welche mit der PKK hinsichtlich der Führungskader, der Organisationsstrukturen sowie der Strategie und Taktik verbunden sind (MFA o.D.). Anders sieht dies die EU. Die EU-Außenbeauftragte und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Federica Mogherini, bestätigte am 23.6.2016, dass weder die PYD noch die YPG auf die Liste von Personen, Gruppen oder Entitäten hinzugefügt wurden, gegen welche Sanktionen zur Anwendung kämen. Die YPG wäre laut Mogherini entscheidend für das Aufhalten des Vormarsches und das Zurückdrängen von Da'esh [i.e. IS] in Syrien gewesen. Es gäbe keinen aktuellen Vorschlag des Rates die PYD und/oder die YPG auf die Liste zu setzen. Überdies habe die türkische Regierung von diesem Umstand Kenntnis.
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Der Verfahrensgang ergibt sich aus den Akteninhalten. Die persönlichen Feststellungen ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben.
II.2.3 Zur Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung insbesondere der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprungeshandelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten -immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen -allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden- aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348). Eine maßgebliche Änderung ist seit Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht eingetreten.
Die bP trat den Quellen und deren Kernaussagen, welche in den Länderfeststellungen getroffen wurden, nicht entgegen.
II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.
Das BFA hat die Angaben des bP für glaubwürdig gehalten und entsprechende Feststellungen getroffen. Letztlich wurde den Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr wurden vorwiegend rechtliche Standpunkte in der Beschwerde vertreten und die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde moniert.
Dem Beweisantrag des rechtsfreundlichen Vertreters in der Verhandlung, den verschriftlichten Arbeitsvertrag zwischen ATIB XXXX und der bP binnen einer Frist von 2 Wochen vorzulegen, war nicht nachzukommen, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststand und von einem entsprechenden Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung, welche am 17.12.2018 verkündet wurde, ausgegangen wurde und wird.
Zu den in der Verhandlung behaupteten Dolmetscherproblemen bzw. Missverständnissen mit diesem ist festzuhalten, dass gerade das in neuralgischen Punkten gehäufte Behaupten von falschen Protokollierungen zeigt, dass versucht wurde, den Angaben der bP einen anderen Inhalt zu geben. Es wurde auch keinerlei Befangenheit des Dolmetschers behauptet und wird dieser seit über 10 Jahren gerichtlich beeidete Dolmetscher von der erkennenden Richterin regelmäßig bei Verhandlungen zur vollsten Zufriedenheit eingesetzt. Hierbei zeichnete er sich als gewissenhaft, genau und seriös aus, und vermochte der Dolmetscher selbst den ihm vom rechtsfreundlichen Vertreter vorgehaltenen Übersetzungsfehlern in der Verhandlung fundiert entgegen zu treten. Vielmehr hat letztlich - wie aus dem Protokoll ersichtlich - der rechtsfreundliche Vertreter während der Einvernahme selbst mit der bP in türkischer Sprache gesprochen, was im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermittlung und Verhandlungsführung zu unterbinden war.
3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Aufenthaltstitel-Verlängerungsverfahren - Einleitung des Verfahrens zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung
II.3.1.1.
§ 25. NAG - Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels:
(1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.
(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Verfahrenserteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
"§ 52.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
----------
1.-nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.-nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.-der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.-das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
II.3.1.2.
Den EB zu BGBl I 100/2005 in der ursprünglichen Fassung ist zu entnehmen, dass in § 25 FPG das Verfahren bei Verlängerungsanträgen dargestellt wurde, wenn Erteilungsvoraussetzungen fehlten. Die Behörde hatte den Antragsteller vom Fehlen der Voraussetzungen in Kenntnis zu setzen und ihn zu einer Äußerung aufzufordern. Nach Eingang der Stellungnahme oder fruchtlosem Ablauf der eingeräumten Frist war der gesamte Akt der Fremdenpolizeibehörde vorzulegen. Diese prüfte, ob gegen den Fremden ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung erlassen werden konnte, andernfalls war dem Fremden von der Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen.
Demgemäß wird im Kommentar von Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG-Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (2015) zu § 25 FPG festgehalten, dass dem System des NAG und des FPG folgend aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die sich aufgrund eines Verlängerungsantrages nach § 24 ergeben, von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) zu erlassen und zu vollstrecken sind und ist das Verlängerungsverfahren erst nach Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde fortzuführen oder einzustellen. Mehrfachverfahren vor den Höchstgerichten (FrG, AufG), wie sie in früheren Jahren durchaus üblich waren, sollten damit wirksam verhindert werden (vgl auch LVwG Tirol 24.2.2014, LVwG-2014/30/0410-1).
Der aktuelle § 25 NAG bezieht sich wie § 24 auf Verfahren über Verlängerungsanträge. Fehlen die Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs 1 und 2 NAG), hat die Behörde den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihn zu einer Äußerung aufzufordern. Beabsichtigt die Niederlassungsbehörde, ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung einzuleiten, weil die Voraussetzungen für die Verlängerung des Aufenthaltstitels fehlen, so hat die Niederlassungsbehörde die Fremdenpolizeibehörde gemäß § 25 Abs 1 lediglich zu verständigen (vgl § 15 Abs 2 des außer Kraft getretenen FrG 1997, wonach sie das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen hatte). In der Folge ist nunmehr der gesamte Akt dem BFA vorzulegen, womit ein Zuständigkeitsübergang einhergeht. Anhand des FPG ist zu prüfen, ob gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG darf gemäß § 9 BFA-VG nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Auszuweisenden verletzt würde (vgl etwa VfSlg 17340/2004 und VfGH 29.9.2007, B 1150/07 und B 328/07 - die vom VfGH herausgearbeiteten Kriterien sind nunmehr auch demonstrativ in § 9 Abs 2 BFA-VG aufgelistet). Über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet abzusprechen. § 9 BFA-VG gilt als allgemeine Norm für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG.
Ganz konkret hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 zur aktuellen Bestimmung des § 25 NAG festgehalten:
‚§ 52 Abs. 4 Z 4 FrPolG 2005 ist ausschließlich auf Verlängerungsverfahren nach dem NAG 2005 zugeschnitten, wird doch nur auf die Versagungsgründe nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG 2005, nicht aber auch auf jene nach § 60 AsylG 2005 verwiesen, die für Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 allein maßgeblich sind. Das ist insofern folgerichtig, als § 52 Abs. 4 Z 4 FrPolG 2005 auch im Zusammenhang mit § 25 NAG 2005 zu sehen ist: Nach Abs. 1 dieser Bestimmung hat die Niederlassungsbehörde dann, wenn in einem Verlängerungsverfahren Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG 2005 fehlen, das BFA zu verständigen; während eines (dann vom BFA nach § 52 Abs. 4 Z 4 FrPolG 2005 einzuleitenden) Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Entscheidungsfrist gehemmt; erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag gemäß § 25 Abs. 2 NAG 2005 formlos einzustellen, im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung ist es auf Antrag des Fremden fortzusetzen; ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Niederlassungsbehörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen. § 25 NAG 2005 trägt damit dem Umstand Rechnung, dass über den Verlängerungsantrag nach dem NAG 2005 und über die Aufenthaltsbeendigung zwei verschiedene Behörden - einerseits die Niederlassungsbehörde (gemäß § 3 Abs. 1 NAG 2005 der Landeshauptmann oder die von diesem betraute Bezirksverwaltungsbehörde) und andererseits das BFA - zu entscheiden haben. Das ist im Fall eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 anders, weil das BFA auch für dessen Erteilung und Verlängerung zuständig ist und daher eine gemeinsame Entscheidung über den Verlängerungsantrag und die Aufenthaltsbeendigung möglich ist. Eine solche gemeinsame Entscheidung sieht § 52 Abs. 3 FrPolG 2005 (iVm § 10 Abs. 3 AsylG 2005) vor (vgl. E 14. April 2016, Ra 2016/21/0077):
Nach dieser Bestimmung hat das BFA unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Auf (nur bei Aufenthaltstiteln nach § 57 AsylG 2005 mögliche) Verlängerungsanträge wird zwar nicht ausdrücklich Bezug genommen, es handelt sich dabei aber um Unterfälle von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln. Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag und die Erlassung der Rückkehrentscheidung "unter einem" (wobei allerdings über den Verlängerungsantrag vorrangig zu entscheiden ist - vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0023, 0024) stellt auch sicher, dass der Antrag nicht unerledigt bleibt (während in § 25 Abs. 2 NAG 2005 - für Aufenthaltstitel nach dem NAG 2005 - vorgesehen ist, dass das Verlängerungsverfahren im Fall einer rechtskräftigen Aufenthaltsbeendigung einzustellen, sonst aber auf Antrag des Fremden fortzusetzen ist). In diesem Sinn gibt es in § 59 AsylG 2005 auch eigenständige Regelungen über das Verlängerungsverfahren des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, die allenfalls - so ausdrücklich die ErlRV zur Schaffung des § 59 AsylG 2005 (1803 BlgNR 24. GP 51) - darauf hinauslaufen, dass "das Bundesamt den Antrag abzuweisen und gegebenenfalls ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einzuleiten" hat. ...'
Der Veranlassung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist ein sinngemäß entsprechender Akt - etwa ein Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder an die Fremdenpolizeibehörde (so schon zu § 15 FrG 1997 VwGH 19.11.1998, 98/19/0075; VwGH 9.7.2009, 2009/22/0149) - gleichzuhalten (VwGH 9.7.2009, 2009/22/0149).
II.3.1.3. Die Niederlassungsbehörde teilte dem BFA mit ihrer Mitteilung gemäß § 25 NAG mit, dass die bP trotz Aufforderung seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei, die nach § 11 NAG verlangten Nachweise vorzulegen. Daraus ergibt sich letztlich, dass das BFA aufgrund der Vorgehensweise der Niederlassungsbehörde davon ausgehen konnte, dass die Voraussetzungen des § 11 NAG nicht vorliegen und somit ein Aufenthaltsbeendigungsverfahren nach dem FPG durchzuführen ist. Ein Verfahren gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung wurde damit eingeleitet.
Nach § 52 Abs. 4 letzter Satz FPG ordnet an, dass im Falle eines Verlängerungsverfahrens das Bundesamt und damit letztlich auch das BVwG, welches an die vom Bundesamt anzuwendenden Bestimmungen gebunden ist, nur all jene Umstände zu würdigen hat, die der Drittstaatsangehörige bereits im Rahmen eines Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG "nachweisen hätte können und müssen". Hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen hat sich das Bundesamt bzw. das BVwG demnach nur auf den von der Behörde festgestellten Sachverhalt zu beschränken und stellt § 52 Abs. 4 Z 4 FPG die Komplementärregelung zu § 25 NAG dar. Insofern entspricht es der Verwaltungsökonomie, sich auf den von der Aufenthaltsbehörde bereits festgestellten Sachverhalt zu beschränken (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 52 FPG 2005).
Der Sinn des verwaltungsökonomischen Ansatzes dieser Regelung wird gerade in diesem Verfahren ersichtlich, wo sich die bP im Verlängerungsverfahren vor der Bezirksverwaltungsbehörde, als für die Ermittlung und Prüfung der allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen zuständigen Behörde, hinsichtlich des Nachweises der gegenständlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzung im Wesentlichen verschwieg bzw. nicht oder nicht gehörig mitwirkte. Im Wesentlichen wird erst im nunmehrigen Beschwerdeverfahren vor dem BVwG den Feststellungen und der Beurteilung durch die Bezirksverwaltungsbehörde hinsichtlich des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen entgegen getreten, obwohl die bP bereits vor der Bezirksverwaltungsbehörde -dort auch schon durch selbigen Rechtsfreund vertreten -dazu die Möglichkeit hatte. So hat die bP mehrfach die Aufforderung, Nachweise vorzulegen ignoriert, eingeräumte Nachfristen ungenützt trotz rechtsfreundlicher Vertretung verstreichen lassen und sogar nachgefragt, was passiert, wenn sie dem nicht nachkommt, ohne zu begründen, warum sie der Vorlage nicht nachkommen kann. Überdies hat sie die Frage, warum sie die Unterlagen vor der BH nicht vorlegte, vor dem BFA vorerst nicht beantwortet bzw. dann ausgeführt, dass sie damit weder sich noch ATIB in Schwierigkeiten bringen wollte.
Die bP versucht damit offensichtlich das Verfahren zur Frage des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 NAG von der dazu eigentlich zuständigen Behörde auf das Bundesamt bzw. das BVwG zu verlagern.
Angemerkt wird, dass es im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (15.04.2010, 2008/22/0206) nicht unzulässig wäre, dass die Bezirksverwaltungsbehörde auch noch während des laufenden Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung die beantragten Aufenthaltstitel positiv bescheidet. Auch § 25 Abs. 1 NAG steht dem nicht entgegen, da diese Norm nur davon spricht, dass lediglich der Ablauf der Frist des § 8 VwGVG [Frist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde] für die Dauer des Aufenthaltsbeendigungsverfahrens gehemmt ist bzw. für die Dauer dieses Verfahrens die Bezirksverwaltungsbehörde nicht säumig ist.
Es steht den bP somit nach wie vor frei, nunmehr durch gehörige Mitwirkung, bei der Bezirksverwaltungsbehörde die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nachzuweisen.
Auf Grund des von der Bezirksverwaltungsbehörde nachvollziehbar dargestellten Sachverhaltes und unter Beachtung des § 52 Abs. 4 letzter Satz FPG, gelangt auch das BVwG zum Ergebnis, dass die bP im Verfahren vor der zuständigen Behörde das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 4 iVm Abs 5 NAG nicht hinreichend nachgewiesen hat.
II.3.2. Assoziierungsabkommen - Stillhalteklausel
Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation (Assoziierungsabkommen).
Am 23. November 1970 verabschiedeten die Vertragsparteien das "Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation" (im Folgenden: ZP), das am 1. Januar 1973 in Kraft trat.
In weiterer Folge wurde am 19.09.1980 durch den Assoziationsrat (dem durch das ZP Normsetzungskompetenz übertragen wurde) der Beschluss Nr. 1/80 über die Entwicklung der Assoziation (kurz: ARB 1/80) gefasst, welcher den vorangegangenen Beschluss Nr. 2/76 weitgehend ablöste.
II.3.2.1. In Art. 6 ARB 1/80 werden die Rechte türkischer Staatsangehöriger geregelt, die je nach Beschäftigungsdauer in Österreich bestimmte Ansprüche im Hinblick auf ihre Weiterbeschäftigung und letztlich ihren Aufenthalt ableiten können. Demgegenüber regelt Art. 7 ARB 1/80 die Stellung der Familienangehörigen dieser Arbeitnehmer.
Wie bereits von der belangten Behörde richtig festgehalten, kommt es gemäß Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang mit Art. 6 ARB bei der Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis "dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört", darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates lokalisiert werden kann oder eine hinreichende enge Anknüpfung an dieses Gebiet vorliegt. Dabei sind insbesondere der Ort der Einstellung, das Gebiet, von dem aus die Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt wird, und die im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen (vgl. EuGH 06.06.1995, C-434/93, Rn 22 bis 23 Bozkurt). Um als dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates zugehörig angesehen zu werden, muss die Beschäftigung daher einen hinreichend engen Bezug zum Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates aufweisen. Dafür müssen zu den örtlichen auch rechtliche Anknüpfungspunkte hinzukommen. Weisen die rechtlichen Aspekte keinen hinreichenden Nahebezug zum Recht des Mitgliedsstaates auf, hat das zur Folge, dass der Umstand der Beschäftigung auf dem Staatsgebiet eines Mitgliedsstaates dadurch aufgewogen wird und die für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt erforderliche Anknüpfung fehlt (vgl. Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG - Türkei, S. 66).
Die beschäftigungs- und sozialversicherungsrechtliche Situation der bP richtete sich - bis zum Abschluss des nunmehrigen Dienstvertrages mit ATIB - nach türkischem Recht, relevante Anknüpfungspunkte an das österreichische Recht lagen nicht vor. Insbesondere bezahlte die bP in Österreich keine Lohnsteuer und war nicht in der österreichischen Pflichtversicherung versichert. Die bP gehörte daher schon nicht dem regulären Arbeitsmarkt Österreichs an und fiel damit nicht unter Art. 6 ARB 1/80. Darüber hinaus wird im vorher zitierten Werk von Akyürek (S 59) festgehalten, dass sich Seelsorger nicht auf die Bestimmung des Art. 6 ARB berufen könnten, da sie im Rahmen ihrer seelsorgerischen Beschäftigung keine Tätigkeiten des Wirtschaftslebens gem. Art. 2 EG verrichten würden.
Nunmehr war die bP im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung der Entscheidung des BVwG zwar seit 2 Monaten bei dem österreichischen Verein ATIB angestellt, die damit entstandene Zeitspanne ist in Anbetracht der Regelung des Art. 6 ARB jedoch nicht geeignet, Rechte aus dem Assoziierungsabkommen entstehen zu lassen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Strich 1 ARB entstehen diese Rechte frühestens nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber, und liegt diese Voraussetzung bei einer Beschäftigungsdauer von 2 Monaten keinesfalls vor.
Auch Anknüpfungspunkte iSd Art. 7 ARB fehlen und wurde in der Beschwerde auch nicht bestritten, dass in diesem Zusammenhang die Vergünstigungen der ARB für die bP nicht greifen.
Auch das BVwG geht wie die belangte Behörde davon aus, dass die bP 1 weder unter Art. 6 und 7 ARB noch unter die Stillhalteklausel fällt.
II.3.2.2. Der EuGH hat im Urteil vom 15. November 2011, C-256/11, Dereci u. a., ausgeführt, dass die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthaltene Stillhalteklausel zwar nicht aus sich heraus geeignet ist, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen.
Eine solche Klausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (vgl. EuGH Urteil 19. Februar 2009, Soysal und Savatli, C-228/06, Slg. 2009, I-1031). Eine Stillhalteklausel, wie sie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält, hat nämlich nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar macht und an dessen Stelle tritt, sondern stellt eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedstaats die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist, der in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen will (vgl. EuGH Urteil 20. September 2007, C-16/05, Tum und Dari; EuGH Urteil 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10).
In diesem Zusammenhang ist Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls darauf gerichtet - damit die Voraussetzungen einer schrittweisen Herstellung der Niederlassungsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei nicht erschwert werden -, günstige Bedingungen für ihre schrittweise Verwirklichung zu schaffen, indem er den innerstaatlichen Stellen das absolute Verbot auferlegt, durch eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen neue Hindernisse für die Ausübung dieser Freiheit einzuführen. Diese Bestimmung erweist sich somit als notwendige Ergänzung zu Art. 13 des Assoziierungsabkommens, in dessen Rahmen sie die für die schrittweise Beseitigung der innerstaatlichen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit unerlässliche Vorbedingung bildet (vgl. EuGH Tum und Dari). Auch wenn während eines ersten Abschnitts der schrittweisen Herstellung dieser Freiheit bereits bestehende innerstaatliche Einschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit beibehalten werden können, ist infolgedessen darauf zu achten, dass kein neues Hindernis eingeführt wird, damit die schrittweise Einführung dieser Freiheit nicht zusätzlich behindert wird (VwGH vom 19.05.2014, Zl. Ro 2014/09/0016).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist Art. 13 des Assoziierungsabkommens nicht nur auf die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen anzuwenden (vgl. grundlegend das Urteil vom 21. Oktober 2003, C 317/01 - Abatay u.a. und C-369/01 - N. Sahin (in der Folge kurz "Urteil Abatay"), Randnr. 73 ff (insb. Randnr. 83), sowie aus jüngerer Zeit etwa das Urteil vom 9. Dezember 2010, C-300/09 - Toprak, und C-301/09 - Oguz, Randnr. 45), allerdings muss die Absicht vorhanden sein sich in den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaates zu integrieren (vgl. abermals Abatay, Randnr. 89 ff). Ferner kann sich auf die Stillhalteklausel nur berufen, wer die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat; sie steht hingegen nicht einer Verstärkung der Maßnahmen entgegen, die gegenüber türkischen Staatsangehörigen getroffen werden können, die sich in einer nicht ord