TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/5 L517 2197301-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2019
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Entscheidungsdatum

05.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L517 2197301-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, als unbegründet abgewiesen und darüber hinaus festgestellt, dass ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. vorliegt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

18.10.2017 - Antrag der beschwerdeführenden Partei ("bP") auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (belangte Behörde, "bB")

29.01.2018 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, GdB 30 v.H.

05.02.2018 - Bescheid der bB / Abweisung des Antrages der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses

09.02.2018 - Beschwerde der bP

14.03.2018 - Befundvorlage

30.05.2018 - Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens / GdB 30 v.H.

04.06.2018 - Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht

23.08.2018 - Parteiengehör / keine Stellungnahme der bP

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP ist österreichischer Staatsbürger und an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft. Sie besitzt seit 2000 einen Behindertenpass mit einem ausgewiesenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 % und Befristung bis 31.07.2017 wegen Ablauf der Heilungsbewährung.

Am 18.10.2017 stellte die bP unter Vorlage von Befunden einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses wegen abgelaufenen Gültigkeit.

Daraufhin fand am 18.12.2017 eine persönliche Untersuchung der bP vor einem allgemeinmedizinischen Sachverständigen statt. Das ursprüngliche Gutachten mit einem ausgewiesenen Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H vidiert am 24.12.2017 wurde mit Vidierung vom 29.01.2018 nach Berücksichtigung des Vorgutachtens von 2002 (50 %, DP L5/S1 30%, Hypertonie 30%, Omarthrose rechts 40 %), hinsichtlich der Positionsnummer 02.01.01 dahingehend geändert, als dass eine Aufwertung der Funktionseinschränkung "Abnützung der Wirbelsäule" von ursprünglich 20 % auf 30 % und Positionsnummer 02.01.02 erfolgte.

Das nach der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, erstellte Gutachten vom 29.01.2018 weist im Ergebnis in seiner Gesamtheit folgende Funktionseinschränkungen auf:

"...

Anamnese:

Vorgutachten 2012 aktenmäßig - 60%; jetzt geplante Nachuntersuchung Vorgutachten 2002 - 50% (DP L5/S1 30%, Hypertonie 30%, Omarthrose rechts 40%) Hypertonie seit 20 Jahren

1999 Verletzung rechte Schulter Band- und Sehnenapparat - 2000 operiert 2015 Unterlidektropium bds. operiert, Visus rechts 0,6, links 0,8 HWS-Degenerationen

2015 Verdacht auf Polyneuropathie, kein Diabetes

9/2011 Prostatakarzinom - 10/2011 radikale Operation- kein Rezidiv

Derzeitige Beschwerden:

die letzte Kontrolle nach Prostatakarzinom 2/2017 war unauffällig, ergab kein Rezidiv, beim Heben und Tragen hätte er etwas Harnverlust, trägt deshalb zur Sicherheit Einlagen, wenn er aufpasst kann er den Harn halten die Beweglichkeit im Bereich der rechten Schulter ist nach der Operation besser geworden, das Arm heben geht bis etwas über Horizontale, etwas Kraftminderung der Blutdruck ist gut eingestellt, keine Herzbeschwerden, auch keine Darmbeschwerden, Diabetes hat er nicht. Mit den Augen ist wieder alles in Ordnung, er sieht ausreichend mit Brille. Verspannungen in der Halswirbelsäule, bei allgemeinen Abnützungen in der Lendenwirbelsäule öfter Kreuzschmerzen, trägt derzeit ein Mieder.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Ramipril, Gabapentin; Mieder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Vorgutachten 2012 - 60%

2015 XXXX : Unterlidektropium bds. operiert 2015 Labor: HbA1c 5,5%

Neuro 2015: Verdacht auf Polyneuropathie

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

normal

Größe: 170,00 cm Gewicht: 79,00 kg Blutdruck: 130/85

Klinischer Status - Fachstatus:

Visus ausreichend mit Brille, ausreichendes hören, fährt Auto HT rein, HA rhythmisch und normofrequent, VA, keine Dyspnoe

Abdomen: über Thoraxniveau, trägt zur Sicherheit Einlagen, da fallweise Harnverlust bei Heben und Tragen

Wirbelsäule:

HWS: heute keine Einschränkung, gut beweglich

BWS/LWS: endlagig mäßig eingeschränkt bds. bei Seitbeugen und Rumpfdrehen

Reklination: 30°

FBA: 40 cm, gering schmerzhaft

Sensibilität und grobe Kraft, Beine: unauffällig

Hüftgelenke, Kniegelenke, Sprunggelenke: nicht eingeschränkt

Obere Extremiäten:

Li.: oB.

Arm heben rechts nach vorne und seitlich bis 120° möglich, nach hinten gering eingeschränkt, keine wesentliche Kraftminderung feststellbar

Gesamtmobilität - Gangbild:

sicher, kein Hinken, keine Gehhilfe

Status Psychicus:

Unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Abnützungen Wirbelsäule alter Bandscheibenvorfall L5/S1, allgemeine Abnützungen, teilweise Verspannungen der Halswirbelsäule, derzeit gute Beweglichkeit, keine wesentliche Einschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule, geringe Schmerzen beim Bücken, keine neurologischen Ausfälle

02.01.02

30

2

Schulter - Obere Extremitäten, Einschränkung Schulter nach Operation 2000 jetzt noch das Arm heben ca. mittelgradig eingeschränkt (nach vorne und seitlich rechts bis 120°)

02.06.03

20

3

Z.n. Prostatakarzinom 9/2011 Prostatakarzinom, radikal operiert, bisher kein Rezidiv, fallweise etwas Harnverlust beim Heben und Tragen

13.01.02

20

4

Blutchochdruck mit einem Medikament gute Einstellung

05.01.01

10

5

Polyneuropathien und Polyneuritiden, Verdacht auf Polyneuropathie laut Facharztbefund 2015 Verdacht auf Polyneuropathie, danach keine genaue Untersuchung mehr, wiederholt Bambstigkeit beider Vorfüße angegeben

04.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

der GdB ergibt sich aus dem führenden Wirbelsäulenleiden, bei fehlendem Zusammenhang bzw. Geringfügigkeit keine Steigerung durch die übrigen Leiden.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Z.n. Thoraxprellung, kein Diabetes, Z.n. Unterlidoperation bds. mit gutem Erfolg und gutem Visus Kolonpolypen

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: letztes Gutachten 2012 aktenmäßig 60%; jetzt eingeschätzt laut EVO rezidivfrei nach Prostatakarzinom

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

deutlich geringer eingeschätzt da rezidivfrei Z. nach Prostatakarzinom - 20% (vorher 40%) Schulterleiden deutlich gebessert nach Operation, geringere Einschränkung - 20% (vorher 40%) Hypertonie neu laut EVO eingeschätzt mit guter Einstellung - 10% (vorher 30%) zusätzliche Krankheiten eingeschätzt, kein genauer aktueller Befund bezüglich Neuropathie vorliegend

[X] Dauerzustand

..."

Am 05.02.2018 erging der den Antrag der bP abweisende negative Bescheid der bB. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 % erfülle die bP nicht die für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlichen Voraussetzungen.

Daraufhin brachte die bP, niederschriftlich am 09.02.2018 vor der bB aufgenommen, Beschwerde ein und führte aus:

Ich bin nicht einverstanden mit der Beurteilung meiner Gesundheitsschädigung mit einem Grad der Behinderung von 30 %, da meine Beschwerden nicht besser geworden sind. Ich bin laufend in Behandlung und Therapie (Cortison-Spritzen) wegen der WS-Beschwerden.

Des Weiteren werden meine Schmerzen in den Füßen immer mehr (Polyneuropathien).

Am 14.03.2018 wurden von der bP folgende Befunde vorgelegt:

Radiologischer Befund Dr. XXXX vom 16.02.2018

Neurologischer Arztbrief Dr. XXXX vom 02.03.2018

Aufgrund der beigebrachten aktuellen Befunde wurde von der bB im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahren ein neues Gutachten einer Sachverständigen aus dem Fachbereich Orthopädie eingeholt.

Das aufgrund der am 07.05.2018 stattgefundenen Untersuchung erstellte Gutachten vom 30.05.2018 weist im Wesentlichen inhaltlich zusammengefasst folgendes Ergebnis auf:

"...

Anamnese:

Aktenmäßiges Vorgutachten 2012 (60%).

Vorgutachten 18.12.2017 (30%).

Abnützung Wirbelsäule.

Einschränkung Schulter rechts nach Operation. Z.n. Prostatakarzinom 2011.

Bluthochdruck.

Polyneuropathie.

Derzeitige Beschwerden:

Herr XXXX berichtet von Schmerzen in der LWS mit v.a. morgens starker Ausprägung und Besserung unter moderater Bewegung, fallweise Ausstrahlung in das linke Bein bis auf Kniehöhe.

Regelmäßige Stromtherapie, Akupunktur und Heilgymnastik.

Einschränkungen im rechten Schultergelenk nach Sehnennaht ca. 2000 bei Überkopf Arbeiten und beim Heben von Lasten.

Regelmäßige Kontrollen nach Prostatatumor, rezidivfrei mit nach wie vor notwendiger Einlagenversorgung bei Stressinkontinenz.

Schmerzen in beiden Füßen mit dem Gefühl "wie auf einem Luftpolster stehen" bei bekannter Polyneuropathie, auch diese Beschwerden bessern sich etwas unter Bewegung. Die zurücklegbare Wegstrecke wird mit 500-1000m angegeben, der Antragsteller geht auch wandern, Stiegen können überwunden werden.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Pramipexol, Ramipril, Adamon.

Lumbotrain Bandage, Genutrain Bandage links.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2.3.2018 Dr. XXXX /FA Neurologie:

Distal symmetrisch sensible Polyneuropathie, V.a. Restless legs Syndrom.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 170,00 cm Gewicht: 76,00 kg Blutdruck: RR: 130/85

Klinischer Status - Fachstatus:

Nikotin: negiert, Alkohol: gelegentlich.

Caput/Collum: Brille wird verwendet; Hörvermögen altersentsprechend unauffällig; Gebiß: saniert.

Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen,

Pulmo: SKS, VA, keine RG's.

Cor: HA rhythmisch, HT rein, normofrequent, keine pathologischen Geräusche.

Abdomen: BD weich, kein DS im Epigastrium, keine pathologischen Resistenzen palpabel, Hepar und Lien nicht palpiert, Nierenlager bds. frei,

Miktion: Stressinkontinenz nach Prostataoperation.

Defäkation: unauffällig

WS-HWS: gerade, Nackenhartspann, Kinn-Sternumabstand: 3 cm, kein KS über gesamter HWS; Rotation: 40-0-40°,

WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur mäßig verspannt, kein Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang

WS-LWS: Klopfschmerz über unterer LWS, ISG links druckschmerzhaft; Lasegue bds. negativ,

Lendenlordose, Beckengeradstand; FBA: 0cm.

Obere Extremität: KG 5 bds.; Sensibilität stgl. und unauffällig.

Aktive Abduktion rechte Schultergelenk 90°, links 170°, Schürzen- und Nackengriff rechts eingeschränkt, blande Narben, Außenrotation bei angelegtem Ellbogen: 20°.

Schulter links,-Ellbogen-, Hand und Fingergelenke zeigen sich weitgehend unauffällig, frei von äußeren Entzündungszeichen und in ihren jeweiligen Richtungen uneingeschränkt beweglich.

Untere Extremität: KG 5 beidseits, Sensibilität stgl. und unauffällig.

Hüften bds.: kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz; kein Stauchungs- oder Rüttelschmerz,

Extension / Flexion S: 0-130°; Ab/Adduktion: 30-0-20°; Außen/Innenrotation: 40-0-30° Kniegelenke: Extension / Flexion S:

0-140°, kein Druckschmerz medialer Gelenksspalt, bandstabil, keine Entzündungszeichen; Valgus/Varusstress: negativ, Zohlenzeichen:

negativ, minimale Krepitationen hör- und spürbar.

Pulse allseits palpabel, keine Varizen, keine Ödeme;

Sprunggelenk bds. unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

frei gehend ohne hinken und raumgreifend

Status Psychicus:

Der Patient von klarer Bewusstseinslage, er ist räumlich, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ orientiert.

Aufmerksamkeit, Konzentration und formales Denken sind unauffällig. Es besteht keine Angstsymptomatik, keine Halluzinationen vorhanden.

Affektivität und Antrieb ebenfalls unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Abnützungen Wirbelsäule, alter Bandscheibenvorfall L5/S1, allgemeine Abnützungen, teilweise Verspannungen der Halswirbelsäule mäßige Schmerzen beim Bücken, keine neurologischen Ausfälle, fallweise Schmerzausstrahlung, aktive Therapie wird durchgeführt und physikalmedizinische Maßnahmen

02.01.02

30

2

Funktionseinschränkung rechtes Schultergelenk nach Operation 2000 endlagige Bewegungseinschränkung und belastungsabhängige Schmerzen

02.06.03

20

3

Z.n. Prostataentfernung bei Tumor 9/2011 nach Ablauf der Heilungsbewährung, geringe Beschwerden in Form von Stressinkontinenz, Einlagenversorgung

13.01.02

20

4

Distal symmetrisch sensible Polyneuropathie lt. fachärztlichem Befund typische Schmerzen und Parästhesien in beiden Füßen, medikamentöse Therapie läuft

04.06.01

20

5

Bluthochdruck unter medikamentöser Monotherapie

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, die weiteren Leiden erhöhen bei fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung und Geringfügigkeit den GdB nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Polyneuropathie im Vergleich zum Letztgutachten 1 Stufe höher bei glaubhafter Beschwerdezunahme und fachärztlichem Befund, die übrigen Leiden unverändert.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Insgesamt keine Änderung im Vergleich zum Letztgutachten, damals niedriger eingestuft als Vorgutachten nach Ablauf der Heilungsbewährung bei Prostatatumor.

[X] Dauerzustand

..."

Am 04.06.2018 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

Mit Schreiben vom 17.08.2018 (zugestellt am 23.08.2018) wurde die bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, eine Stellungnahme ist bis dato nicht erfolgt.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen (...)."; vgl dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036) Begründung.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens einer bestimmten Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, 0705/77). Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).

Im Rahmen des Parteiengehörs, und damit ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, steht es der Partei offen, Mängel des Gutachtens aufzuzeigen (Hengstschläger/Leeb, AVG², § 52 AVG Rz 64).

Es ist nach stRsp des VwGH einer Partei nicht verwehrt, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten - also die Darlegung eines Widerspruchs zu den Denkgesetzen oder zur allgemeinen Lebenserfahrung - einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus -, sowie Widersprüchlichkeiten des Gutachtens eines Amtssachverständigen, auch ohne Gegengutachten aufzuzeigen (vgl VwGH vom 27.05.2003, 2002/07/0100).

Aufgrund der im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Befunde wurde das Ermittlungsverfahren durch die bB erneut eröffnet und ein orthopädisches Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses kommt, in Übereinstimmung mit dem den Bescheid zugrundeliegenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 29.01.2018 zum Ergebnis, dass ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. vorliegt.

Im aktuellen orthopädischen Gutachten wurden die im Zuge der Beschwerde neu vorgelegten Befunde berücksichtigt und einer Beurteilung und Einschätzung zugeführt.

Nach Würdigung der Beweismittel kam die Sachverständige zum Ergebnis, dass die durch fachärztlichen Befund vom 02.03.2018 diagnostizierte Polyneuropathie und glaubhafte Beschwerdezunahme zwar eine Steigerung der Positionsnummer 04.06.01 auf 20 % rechtfertigt, im Endergebnis aber das Wirbelsäulenleiden als führende Gesundheitseinschränkung nicht durch die weiteren Leiden bei fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung und Geringfügigkeit erhöht wird und somit ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H vorliegt.

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, sind die eingeholten Sachverständigengutachten schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen sie auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

In den angeführten Gutachten wurde von den Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.

Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

In den Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt.

Die Sachverständigen haben sich ausführlich mit den Beschwerdebildern der bP auseinandergesetzt und diese nachvollziehbar und schlüssig einer Würdigung und Beurteilung zugeführt.

Die Würdigung und Beurteilung der Beschwerden, unter Zugrundelegung der Angaben der bP sowie der vorgelegten Befunde wurden von den Sachverständigen ausreichend dargelegt.

Die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände und die Vorlage der Befunde waren zwar geeignet, eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen, und wurde von der bB im Zuge der Beschwerdevorentscheidung ein neues Gutachten in Auftrag gegeben, doch führte dieses im Ergebnis auch zum selben Grad der Behinderung von 30 v.H.

Zusammenfassend und in einer Gesamtschau wird festgestellt, dass die Gutachten als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar der Entscheidung des erkennenden Gerichts zugrunde gelegt werden.

Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen. Die Sachverständigengutachten wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Gemäß diesen Gutachten besteht übereinstimmend ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.

Soweit seitens der bB das Parteiengehör verletzt wurde (durch Nichtvorhalten des Sachverständigengutachten vom 29.01.2018), ist festzuhalten, dass die Verletzung des Parteiengehörs in diesem Einzelfall - bei ansonsten ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren - durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde (allenfalls nach Akteneinsicht) und der Fortführung im Beschwerdevorentscheidungsverfahren in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl für viele: VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299). Es ist jedoch auch festzuhalten, dass durch diese Feststellung die bB nicht generell vom ihrer Obliegenheit das Parteiengehör zu wahren, entbunden wird.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

-

Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

-

Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Der Mangel des Parteiengehörs wird im Beschwerdeverfahren durch die mit der Beschwerde gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel saniert (vgl. VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 24.11.1995, 95/17/0009 mit Hinweis auf E 30.9.1958, 338/56).

Eine im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs wird jedenfalls dadurch saniert, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung und sodann im Zuge des Berufungsverfahrens ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH vom 28.05.1993, 92/17/0248 mit Hinweis auf E vom 20.11.1967, 0907/67).

Wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, und davon auch Gebrauch gemacht hat, so ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz damit als saniert anzusehen (VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299).

Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter "neuen Tatsachen" jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP "neue Tatsachen" vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.

Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.

Die Nichtvornahme eines Parteiengehörs wird in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führen, außer wenn die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben hätte.

Aufgrund der obigen Ausführungen deckt sich die Ansicht des BVwG grundsätzlich mit der Rechtsprechung des VwGH betreffend mangelhaftes Parteiengehör. Wie eingangs ausgeführt, sieht der VwGH das Parteiengehör nicht verletzt, wenn die bP im Berufungsverfahren die rechtliche Möglichkeit besitzt, Stellung zu nehmen. Unter dem Aspekt der mit 01.07.2015 in Kraft getretenen Neuerungsbeschränkung ist dies aber nicht mehr gewährleistet.

Im gegenständlichen Fall wurde der bP das Sachverständigengutachten vom 29.01.2018 nicht zur Kenntnis gebracht. Damit wurde das Recht auf Parteiengehör verletzt und der bP in Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung (im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vorgebrachte "neue Tatsachen" sind nicht zu berücksichtigen) jedwede Möglichkeit eines Vorbringens genommen, was in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führt. Da die bP aber im Zuge des Beschwerdevorentscheidungsverfahren die Möglichkeit hatte zum neuerlichen Gutachten vom 30.05.3018 Stellung zu nehmen, wurden hier die Parteienrechte ausreichend gewährt und führte schlussfolgernd hier die Möglichkeit, im Beschwerdevorentscheidungsverfahren zu obigem Gutachten Stellung zu nehmen, zur Sanierung der Verletzung des Parteiengehörs.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorges

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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