Entscheidungsdatum
06.02.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L504 2212323-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. Engel über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1994, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2018, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 25.08.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es handelt sich um eine Frau, welche ihren Angaben nach Angehörige der Jesiden ist und aus XXXX stammt.
Als Ausreisegrund brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, dass es im Irak keine Sicherheit für Jesiden gebe. Der IS habe ihr Heimatdorf übernommen. Der IS wolle die Männer der Jesiden umbringen und die Frauen versklaven.
Im März 2018 ehelichte die bP in Österreich einen irakischen Staatsangehörigen, welcher aus ihrer Region im Irak stammt. Sie habe diesen noch während ihres Aufenthaltes im Irak über Facebook kennen gelernt. Er sei in Österreich bereits seit 10 Jahren aufhältig.
2. Mit oben angeführten Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Asylgesetz abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Absatz 4 Asylgesetz bis zum 20.11.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).
Die bP habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht. Die Behörde ging jedoch davon aus, dass "aufgrund der gegenwärtigen Lage im Irak davon ausgegangen werden kann, dass sie im Falle der Rückkehr zumindest einer unmenschlichen Behandlung - iSd Art 3 EMRK - ausgesetzt wäre".
3. Gegen Spruchpunkt I. wurde von der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.
1. Feststellungen:
Das BFA hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Hinblick auf die sicherheitsrelevante Lage für Jesiden unterlassen und ergibt sich dieser auch nicht aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Grundlegende Ermittlungsschritte sind erforderlich.
2. Beweiswürdigung:
Der für die Zurückweisung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückverweisung
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(6) [....]
(7) [....]
(8) [....]
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) - bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.
Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der "Unabhängigkeit", die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der "Unparteilichkeit" in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.
Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie - wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat - nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.
Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt - wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.
Fallbezogen ergibt sich Folgendes:
Das Bundesamt stellte in seiner Prognose fest, dass unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände im Falle einer Rückkehr keine asylrelevante Verfolgung gegeben wäre.
Das Bundesamt stützte in seiner Entscheidung vom 20.11.2018 die Beurteilung der Lage im Irak zur hier maßgeblichen Frage, ob die bP im Falle einer Rückkehr, insbesondere wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Jesiden, eine entscheidungsrelevante Gefährdung zu erwarten hätten, auf Berichte, die aus der Zeit Februar 2016 bis August 2017 stammen und somit zum Entscheidungszeitpunkt November 2018 nicht hinreichend aktuell sind, um tatsächlich eine Prognose für den Fall der gedachten Rückkehr stellen zu können. Auch aus den vom BFA herangezogenen, veralteten Berichten ist ersichtlich, dass es sich hier grds. um eine vulnerable Gruppe handelt und der Berichtslage eine besondere Bedeutung zukommt. Es bedarf daher zum Zeitpunkt der Entscheidung jedenfalls aktuellerer Berichte, die einen Rückschluss auf die Sicherheitslage für Jesiden zulassen. Dies zudem konkret für die Herkunftsregion der bP bzw. anderorts, falls die Behörde hypothetisch zum Schluss käme, dass in der Herkunftsregion für Jesiden Verfolgung drohen würde und sich sodann mit einer innerstaatlichen Fluchtalternative - nach Vorhalt derselben - auseinanderzusetzen hätte.
Die vom BFA verwendeten Berichte sind gänzlich untauglich zum Entscheidungszeitpunkt eine Gefährdungsprognose im Falle einer Rückkehr durchzuführen. Die Sicherheitlage der Jesiden im Irak ist in diesem Verfahren der zentrale Punkt des Ermittlungsverfahrens.
Im gegenständlichen Fall wurde durch die Verwendung von als veraltet geltenden Berichten zum Herkunftsstaat somit der maßgebliche Sachverhalt dermaßen qualifiziert mangelhaft ermittelt, dass von einem gänzlichen Ausbleiben der zur Entscheidungsfindung notwendigen Ermittlungen über weite Strecken iSd Erk. d. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 gesprochen werden muss. Ausgehend von der Antragsbegründung der Partei ist die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat für die zu treffende Prognoseentscheidung, ob im Falle der Rückkehr eine relevante Gefährdung bestünde, die hier entscheidende Frage im Verfahren, ohne die diese Entscheidung gar nicht getroffen werden kann. Das BVwG hätte hier nicht bloß Ergänzungen dazu vorzunehmen, sondern wäre vielmehr die erste Instanz die diese vollinhaltlich vornimmt und kann erst nach dieser eine Beweiswürdigung und Beurteilung der Rechtsfrage stattfinden. Das ho. Gericht hätte iSd Urteils des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 somit in einem wesentlichen Teil des Ermittlungsverfahrens "an die Stelle" der zuständigen belangten Behörde zu treten, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts vorzulegen.
Trotz der Einrichtung von Außenstellen des BVwG ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des BVwG und des BFA eine Weiterführung des Verfahrens durch das BVwG im Sinne des § 28 Abs. 2 u 3 VwGVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist bzw. zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens führt. So ergäbe sich etwa für das BVwG nach der nunmehr stRsp des VwGH auch im Falle der Einbringung neuer Berichte durch das Verwaltungsgericht zur Wahrung des Parteiengehörs hier grds. die Verpflichtung eine Verhandlung durchzuführen, dies zudem in einem Mehrparteienverfahren. Schon daraus ergibt sich ein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einem Verfahren vor dem Bundesamt in einem Einparteienverfahren, in dem die schriftliche Stellungnahmemöglichkeit zur Wahrung des Parteiengehörs zu Länderberichten grds. alleine genügt. Das Bundesamt verfügt auch hinsichtlich der Anzahl von Entscheidern über wesentlich höhere personelle Ressourcen als das BVwG.
Eine vorweg per se angenommene Verlängerung des Verfahrens durch die Zurückverweisung und eine nochmalige Beschwerdeerhebung wäre rein spekulativ, zumal die Statistiken zeigen, dass nicht gegen jegliche negative Asylentscheidung des Bundesamtes Beschwerde erhoben wird. Insbesondere, wenn nunmehr ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und darauf basierend eine nachvollziehbare schlüssige Beweiswürdigung und rechtsrichtige Beurteilung des Antrages vorgenommen wird, kann den Erfahrungen nach von einer höheren Akzeptanz durch die Partei ausgegangen werden.
Dem Bundesamt ist als Spezialbehörde bekannt, dass zwingend auch aktuelle Berichte zur Beurteilung der Rückkehrsituation im Herkunftsstaat heranzuziehen sind und hätte die Behörde auch die Möglichkeit gehabt, diesen offenkundigen groben Mangel - der zudem auch in der Beschwerde moniert wird - im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung zu beheben. Davon machte sie jedoch keinen Gebrauch, wodurch die Absicht der Delegation dieser zentralen Aufgabe an das BVwG in diesem Punkt auch auf der Hand liegt.
Soweit das Bundesamt im Bescheid in Kenntnis der Verwendung veralteter Quellen argumentiert, dass diese "auf Grund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können", handelt es sich hier um eine Scheinbegründung, lässt es die Behörde doch vermissen bekannt zu geben, auf welche konkrete Quellen sie diese Erkenntnis stützt. Dies ergibt sich weder aus dem Bescheid noch aus dem Akteninhalt. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die hier oa. relevanten Beweisthemen bzw. die diesbezügliche Berichtslage als notorisch bzw. allgemein hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden kann.
Bei dem nunmehr vorzunehmenden Ermittlungsverfahren zu den oa. entscheidungswesentlichen Punkten ist noch Folgendes anzuführen:
Soweit sich das Bundesamt nur auf das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" stützt ist anzumerken, dass die nunmehr gängige Praxis der Staatendokumentation, dieses "LIB" durch Kurzinformationen zu "aktualisieren" - hier konkret die nicht sachverhaltsbezogene punktuelle Information v. 18.05.2018 über die Parlamentswahl - nicht generell geeignet ist bzw. bedeutet, eine Aktualisierung auch hinsichtlich der anderen Punkte, wie hier gegenständlich die Sicherheitslage für Jesiden, darzustellen. So führt auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.02.2018, E2124/2017, zu diesen "integrierten Kurzinformationen" Folgendes aus: "[...] Zwar führt das Bundesverwaltungsgericht zu Beginn seiner Ausführungen bezüglich der Länderfeststellungen eine Aktualisierung aus dem Jahr 2016 betreffend Friedensabkommen, Sicherheitslage und Verkehrsverbindungen hinsichtlich des gesamten Staates Afghanistan an, jedoch unterlässt das Bundesverwaltungsgericht die Erhebung aktueller und einschlägiger Länderberichte betreffend die Sicherheits-, Gefährdungs-, und Versorgungslage in der Stadt Kabul. Darüber hinaus beruhen auch die Länderberichte betreffend Rechtsschutz- und Justizwesen, Sicherheitsbehörden, die allgemeine Menschenrechtslage, Religionsfreiheit (Schiiten), ethnische Minderheiten (Hazara), Kinder, Bewegungsfreiheit, Grundversorgung und Wirtschaft, Behandlung nach Rückkehr usw auf Informationen aus dem Jahr 2015 oder noch älteren Quellen.[...]".
Wie die vorherigen Ausführungen zeigen, wurde der maßgebliche Sachverhalt vom BFA nicht festgestellt. Dieser ist weder dem gegenständlich angefochtenen Bescheid, noch dem vorliegenden Akteninhalt zu entnehmen. Das BFA hat dadurch, dass wesentliche Punkte nicht ausreichend berücksichtigt wurden, essentielle Ermittlungen unterlassen, weswegen im gegenständlichen Fall entsprechend der Rechtsprechung des VwGH zu § 28 Abs. 3 VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) davon auszugehen ist, dass genau solch gravierende Ermittlungslücken vorliegen, die zur Zurückweisung an die Verwaltungsbehörde (BFA) berechtigen, zumal das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden kann, ohne sich mit dem gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt auseinandergesetzt zu haben.
Da im gegenständlichen Fall das den Kern des Vorbringens betreffende Ermittlungsverfahren vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert wäre, käme dies einer Delegation des Verfahrens an das BVwG gleich. Es liegt auch nicht auf der Hand, dass die Ermittlungen und Entscheidung in der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht rascher durchgeführt werden könnten oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wären.
Das BFA hat somit die aufgezeigten Mängel zu beheben bzw. den maßgeblichen Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs 3 VwGVG an das BFA zurückzuverweisen.
Entfall einer Verhandlung
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, worunter nach hL auch eine Kassation des Bescheides subsumiert werden kann (vlg. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 22 zu §67d).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich § 28 Abs 3 VwGVG von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen, Asylantragstellung, Asylverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2212323.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.06.2019