Entscheidungsdatum
06.02.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2191859-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, litauischer Staatsangehöriger, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots beschlossen und zu Recht erkannt:
A) Der auf die Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Eingabegebühr gerichtete Antrag wird abgewiesen.
B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: "Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 07.12.2017 im Bundesgebiet verhaftet und danach in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX2018, XXXX, wurde er zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei acht Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.02.2018 wurde der BF aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Er erstattete keine Stellungnahme.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung und dem Fehlen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich begründet.
Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und dem BF die Verfahrenshilfe "in Höhe der Eingabegebühren" zu bewilligen, hilfsweise strebt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots an. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids unzureichend sei, weil ihr keine Erwägungen oder Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu entnehmen seien. Die Behörde habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose vorgenommen und nicht begründet, warum Wiederholungsgefahr vorliege. Aus einer einmaligen Verurteilung könne keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden. Die Dauer des Aufenthaltsverbots sei unverhältnismäßig.
Die Eingabegebühr für die Beschwerde von EUR 30 wurde vom BF am 20.03.2018 entrichtet.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 10.04.2018 einlangten, und beantragte, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.
In der Folge übermittelte das Landesgericht Korneuburg dem BVwG den ECRIS-Auszug des BF.
Feststellungen:
Der 43-jährige BF hatte seine Lebensmittelpunkt bislang in Litauen, wo er einen Wohnsitz in Vilnius hat. Er spricht Litauisch, besuchte in seiner Heimat zwölf Jahre lang die Schule und absolvierte danach verschiedene Wirtschaftskurse. Zuletzt war er als Geschäftsführers eines Unternehmens tätig und handelte nebenbei mit Grundstücken. Er ist verheiratet und hat drei Kinder (geboren 1995, 2002 und 2008).
Mit dem Urteil des Amtsgerichts XXXXvom XXXX2013, XXXX, wurde er wegen gewerbsmäßigen Diebstahls (Datum der letzten Tathandlung: 22.11.2012) zu einer Geldstrafe (180 Tagessätze á EUR 30) verurteilt.
Der Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 Abs 1 StGB liegt zugrunde, dass er am 06.12.2017 unter Verwendung übergroßer Hosen, in denen sich mit Folie ausgekleidete Taschen befanden, um Diebstahlssicherungen zu deaktivieren, mit Bereicherungsvorsatz versuchte, in einem Einkaufszentrum Jacken im Gesamtwert von ca. EUR 900 zu stehlen, indem er sie in einer Umkleidekabine an sich nahm, später jedoch aufgrund der Wahrnehmungen eines Ladendetektivs und aus Angst vor weiterer Verfolgung in einer anderen Kabine beließ und flüchtete. Es handelt sich um seine erste strafgerichtliche Verurteilung in Österreich. Bei der Strafzumessung wurde der Versuch als mildernd, die einschlägige Vorstrafe dagegen als erschwerend berücksichtigt.
Der BF verbüßte den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe bis 06.04.2018 in der Justizanstalt XXXX. Am 07.04.2018 wurde er nach Litauen abgeschoben. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er reiste als Tourist in das Bundesgebiet ein und hat keine familiären, beruflichen oder sonstigen Bindungen zu Österreich.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.
Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf der Vollzugsinformation, den entsprechenden Informationen im Strafurteil und seinem dem BVwG in Kopie vorliegenden litauischen Personalausweis.
Die Festnahme des BF und die Verhängung der Untersuchungshaft werden anhand des polizeilichen Anlassberichts vom 07.12.2017 und des Beschlusses des Landesgerichts XXXX vom XXXX2017 festgestellt.
Ausbildung und Erwerbstätigkeit des BF werden anhand seiner plausiblen Angaben anlässlich der Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei festgestellt, ebenso sein Familienstand und seine Sorgepflichten.
Die Litauischkenntnisse des BF werden aus seiner Herkunft sowie daraus, dass die Verständigung mit den im Strafverfahren beigezogenen Dolmetschern problemlos möglich war, abgeleitet.
Die strafrechtliche Verurteilung des BF und das Datum der letzten Straftat dort ergibt sich aus dem ECRIS-Auszug. Damit steht die im Strafurteil als Erschwerungsgrund gewertete Vorstrafenbelastung im Einklang. Der Behauptung des BF bei der Beschuldigtenvernehmung, er sei unbescholten, kann daher nicht gefolgt werden.
Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er in einem erwerbsfähigen Alter ist, vor seiner Verhaftung berufstätig war und keine Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen aktenkundig sind.
Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung und der Vollzug des unbedingten Strafteils werden durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen. Die Abschiebung des BF ergibt sich aus dem Bericht des Stadtpolizeikommandos XXXX vom 07.04.2018; sie ist auch im Fremdenregister dokumentiert.
Aus dem Zentralen Melderegister geht - abgesehen von der Zeit, die er in der Justizanstalt XXXX verbrachte - keine Wohnsitzmeldung des BF hervor, aus dem Fremdenregister, dass ihm nie eine Anmeldebescheinigung erteilt wurde. Im österreichischen Versicherungsdatenauszug sind keine Beschäftigungsverhältnisse dokumentiert. Anknüpfungen des BF in Österreich, die über den Aufenthalt als Tourist im Bundesgebiet hinausgehen, sind nicht aktenkundig und werden insbesondere auch von ihm selbst nicht ins Treffen geführt. Er gab gegenüber der Polizei auch an, dass er als Tourist eingereist sei und am Tag seiner Verhaftung nach Litauen zurückkehren wollte. Das Fehlen sozialer Bindungen im Bundesgebiet geht auch aus dem Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft hervor.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Da der BF die Eingabegebühr für die Beschwerde bereits bei deren Einbringung entrichtet hat, ist die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung davon nicht mehr möglich, zumal dem Verfahrenshilfeantrag kein Vermögensbekenntnis angeschlossen war und angesichts der geringen Höhe der Eingabegebühr nur in Ausnahmefällen eine Unterhaltsgefährdung durch deren Zahlung anzunehmen ist.
Zu Spruchteil B):
Als Staatsangehöriger von Litauen ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration
(Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Mangels eines längeren Aufenthalts des BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.
Da der BF versuchte, mit einer professionellen Ausstattung einen Ladendiebstahl zu begehen, ist - auch aufgrund seines einschlägig belasteten Vorlebens - auf eine erhebliche kriminelle Energie zu schließen, zumal die Vollendung der Diebstähle nur durch das Eingreifen des Kaufhausdetektivs verhindert werden konnte. Das persönliche Verhalten des BF stellt daher eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, zumal die Straftat noch nicht lange zurückliegen und die seit der Haftentlassung des BF verstrichene Zeit noch nicht ausreicht, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit ausgehen zu können. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremdem Eigentum ist jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft.
Wenn die Beschwerde moniert, die Behörde habe in der Bescheidbegründung keine Erwägungen oder Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu den vom BF begangenen Taten dargelegt, ist auf die Begründung des angefochtenen Bescheids zu verweisen, in dem seine Straftaten nicht bloß allgemein, sondern anhand des Strafurteils konkret und detailliert festgestellt werden (siehe insbesondere Seite 4 des angefochtenen Bescheids).
Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und das Gesamtverhalten des BF ist die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Die Vermögensdelinquenz des BF, die zuletzt eine teilbedingte Freiheitsstrafe erforderlich machte, indiziert, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird. Aktuell kann ihm noch keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.
Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF muss verhältnismäßig sein. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, zumal der BF nie für längere Zeit in Österreich niedergelassen war und er hier weder einen Wohnsitz noch andere private oder familiäre Anknüpfungspunkte hat. Dem mit der Unmöglichkeit eines Aufenthaltes als Tourist in Österreich verbundenen, vergleichsweise geringen Eingriff in das Privatleben des BF stehen seine strafgerichtliche Verurteilung und das das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegenüber. Der BF hat starke Bindungen zu seinem Herkunftsstaat. Das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegt daher sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich. Das vom BFA erlassene Aufenthaltsverbot erweist sich somit im Ergebnis dem Grunde nach als zulässig.
Die vom BFA verhängte sechsjährige Dauer des Aufenthaltsverbotes ist jedoch insbesondere angesichts des Umstand, dass der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft wurde, ein Teil der Strafe bedingt nachgesehen werden konnte und der BF zum ersten Mal in Haft war, unverhältnismäßig. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist auf ein dem Fehlverhalten des BF angemessenes Maß zu reduzieren. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe ein dreijähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtstreuen Verhalten zu bewegen. Diese Dauer ist - auch in Anbetracht der offenen Probezeit - notwendig, aber auch ausreichend, um eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des Eventualantrags auf Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots auf drei Jahre herabzusetzen.
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Da beim BF angesichts der wiederholten Verurteilung wegen Diebstahlsdelikten eine hohe Wiederholungsgefahr bestand und er im Bundesgebiet sozial nicht verankert ist, ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war. Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.
Geht es um ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG, gelangt § 21 Abs 5 BFA-VG nicht zur Anwendung (VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237).
§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt zwar der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052). Da hier der Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal der BF in der Beschwerde kein relevantes neues Tatsachenvorbringen erstattet hat.
Zu Spruchteil C):
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Eingabengebühr, unverhältnismäßiger Nachteil,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2191859.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019