TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 L516 2160762-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2160762-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zahl: GF 1107053707 VZ: 180528832-EAST Ost, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 01.03.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit am 09.08.2017 mündlich verkündetem und am 18.08.2017 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis, L519 2160762-1/8E, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan zulässig sei.

2. Das BFA erließ in der Folge mit Bescheid 06.06.2018 eine weitere Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren. Jener Bescheid wurde mangels Erhebung einer Beschwerde rechtskräftig.

3. Der Beschwerdeführer stellte am 07.06.2018 den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden zweiten Antrag auf internationalen Schutz, zu dem am selben Tag die Erstbefragung nach dem AsylG stattfand.

4. Ein erster Bescheid des BFA im Zulassungsverfahren vom 16.07.2018, mit welchem jener Antrag ohne Einvernahme vor dem BFA gemäß § 68 Abs 1 AVG zur Gänze wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war, wurde in Stattgabe einer dagegen erhobenen Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21.08.2018, L516 2160762-2/5E, gem § 21 Abs 3 BFA-VG behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer laut seinem zu seinem zweiten Antrag neu angegebenen Geburtsdatum "26.09.2000" nach wie vor minderjährig wäre und sich das BFA nicht damit auseinandergesetzt habe. Mit jener Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes galt das Verfahren des Beschwerdeführers ex lege als zugelassen.

5. Das BFA veranlasste in der Folge eine Altersfeststellung durch einen medizinischen Sachverständigen.

6. Am 12.12.2018 wurde der Beschwerdeführer vom BFA niederschriftlich einvernommen.

7. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 20.12.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.06.2018 erneut gemäß § 68 Abs 1 AVG zur Gänze wegen entschiedener Sache zurück, ohne eine neue Rückkehrentscheidung zu erlassen.

8. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen ihm am 04.01.2019 zugestellten Bescheid des BFA mit Schriftsatz vom 15.01.2019 Beschwerde erhoben und diesen angefochten.

9. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 22.01.2019, L516 2160762-3/3E, fest, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs 1 VwGVG iVm § 16 Abs 2 BFA-VG aufschiebende Wirkung zukommt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 01.03.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit am 09.08.2017 mündlich verkündetem und am 18.08.2017 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis, L519 2160762-1/8E, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Jene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erwuchs mit Verkündung an den Beschwerdeführer am 09.08.2017 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz damit, dass er zur Partei von Pervez Musharaf gehöre und die gegnerische Partei, XXXX , drohe damit, alle umzubringen, die diese Partei nicht wählen würden. Die Polizei habe den Beschwerdeführer auch oft geschlafen, weshalb die Eltern des Beschwerdeführers entschieden haben würden, dass er das Land verlasse. Es gebe auch einen religiösen Grund. Er sei Schiite und habe Probleme mit Sunniten. Die Sunniten hätten ein paar Mal auf Schiiten geschossen und er sei auch dabei gewesen. Sein Cousin habe bei einem solchen Schusswechsel jemanden umgebracht, weshalb auch der Beschwerdeführer verfolgt werde. (BVwG 09.08.2017, L519 2160762-1/8E, Seiten 2, 3, 4, 54).

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im ersten Verfahren das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen Ausreisegründe, wonach ihm aufgrund seiner Parteizugehörigkeit Gefahr drohe bzw. er wegen seines schiitischen Glaubens individuell verfolgt sei und sein Cousin jemanden erschossen habe, weshalb nun der Beschwerdeführer als Racheakt ebenfalls getötet werden solle, mit näherer Begründung für nicht glaubhaft und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle (BVwG 09.08.2017, L519 2160762-1/8E).

1.2. Zu seinem verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag führte der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung am 07.06.2018 zusammengefasst aus, sein Name sei XXXX (statt XXXX ) und er sei am XXXX (statt XXXX) geboren. Er befürchte umgebracht zu werden, da sein Cousin und er gemeinsam bei einem Streit mit einem Sunniten diesen getötet hätten. Die Sunniten würden die Schiiten nicht in die Moschee gehen und beten lassen. 2015 sei er deshalb geschlagen und mit einer Stange am Fuß verletzt worden. Seine Eltern würden deshalb seit sechs Monaten in der Türkei leben. Ein Onkel sei 2016 in Pakistan ermordet worden (AS 9,11).

Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 12.12.2018 gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass die Rückübersetzung der Erstbefragung nicht richtig gewesen sei; tatsächlich sei er selbst sei in den Mord nicht involviert gewesen, den sein Cousin begangen habe (AS 375). Verwandte im Heimatland habe der Beschwerdeführer nicht mehr, die ganze Familie sei nach einem einmonatigen Aufenthalt in der Türkei nunmehr in Griechenland (AS 377). In Österreich habe der Beschwerdeführer seit März 2016 eine Freundin, die ihm etwa EUR 100 im Monat gebe. Der Beschwerdeführer wolle seine Freundin heiraten und eine Familie gründen (AS 378f). Befragt, ob er noch wisse, welche Fluchtgründe er im Vorverfahren angegeben habe, brachte der Beschwerdeführer vor, es gebe zwei Religionen; es gebe ein Ritual bei dem man sich selbst schlagen müsse, die anderen Muslims seien aber gegen dieses Ritual gewesen und würden die anderen dann geschlagen haben. Er sei auch geschlagen worden und habe mehrere Verletzungen erlitten, ein Onkel und ein Cousin des Beschwerdeführers seien ermordet worden und auch er sollte umgebracht werden. Der Beschwerdeführer halte seine alten Fluchtgründe aufrecht - es seien "genau die gleichen" (AS 379).

Der Beschwerdeführer erhielt vom BFA in der Einvernahme am 12.12.2018 die Möglichkeit, zu den ihm ausgefolgten Länderfeststellungen zu Pakistan eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Er machte jedoch keinen Gebrauch davon.

1.3. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer volljährig sei und keinen neuen relevanten Sachverhalt glaubhaft vorgebracht habe, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Das Vorbringen zu seinem letzten Asylantrag werde als nicht glaubhaft erachtet (Bescheid S 13).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das BFA zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer sich im zweiten Verfahren lediglich auf religiöse Probleme bezogen habe und die Ausführungen hinsichtlich der politischen Gefährdung, die er noch im Vorverfahren angegeben habe, weggelassen habe. Er sei offensichtlich nicht in der Lage gewesen, im gegenständlichen Verfahren die Fluchtgründe aus dem Vorverfahren zusammenzufassen, da jene bereits damals nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Hinsichtlich der vorgebrachten Sicherheitslage und religiösen Probleme führte das BFA aus, dass diese bereits im Erstverfahren behandelt worden seien. Nunmehr seien diese Schwierigkeiten weitergeführt und ergänzt worden. Das Vorbringen zu den religiösen Problemen des Beschwerdeführers sei jedoch bereits als nicht glaubhaft bewertet worden. Das BFA gehe auch davon aus, dass die Familie nach wie vor im Heimatland sei. Das BFA gehe davon aus, dass die im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen nach wie vor nicht den Tatsachen entsprechen würden. Der Beschwerdeführer habe selbst auch angegeben, dass er keine neuen Fluchtgründe habe. Aus den Länderberichten zu Pakistan habe sich auch keine wesentliche Veränderung ableiten lassen, weshalb nicht von einer gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung ausgegangen werde (Bescheid S 69 ff).

1.4. In der Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die Länderberichte seien teilweise stark veraltet, oberflächlich und ungeeignet zu beurteilen, ob sich die religiöse Situation in Pakistan bzw die Lage der Schiiten verschlimmert habe. Deshalb wurden zusätzliche Länderberichte, unter anderem hinsichtlich der allgemeinen Menschenrechtssituation in Pakistan, Frauen- und Kinderrechte, Todesstrafe, Schutzfähigkeit und -willigkeit der pakistanischen Polizei sowie der Situation der Ahamdi in der Beschwerde zitiert (AS 503 - 543). Bei Durchführung ordentlicher Ermittlungen wäre das BFA zum Schluss gekommen, dass eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts eingetreten sei; Ende 2017 sei der Onkel des Beschwerdeführers, ebenso ein Schiite, beim schiitischen Aschura-Fest von Sunniten ermordet worden (AS 543). Die bis dahin in Pakistan lebende Familie des Beschwerdeführers sei ebenso geschlagen und so zur Flucht veranlasst worden (AS 545). Bei einer Rückkehr nach Pakistan drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund seiner Religion und er sei auf sich alleine gestellt (AS 545). Der Beschwerdeführer habe glaubhaft vorgebracht, dass sich seine religiösen Probleme bzw die Lage der Schiiten sowie die Sicherheitslage in Pakistan verschlechtert habe (AS 497ff).

2. Beweiswürdigung

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid und der Beschwerde ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften, dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Fundquellen bzw Aktenseiten (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache

3.1. Zur Rechtslage

3.1.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

3.2. Allgemein zur entschiedenen Sache nach § 68 Abs 1 AVG

3.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

3.3. Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren

3.3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

3.3.2. Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2017, L519 2160762-1/8E, welches mit mündlicher Verkündung an den Beschwerdeführer am 09.08.2017 rechtskräftig geworden ist.

3.3.3. Wie sich bei einem Vergleich der Verfahrensinhalte des ersten sowie des gegenständlichen Verfahrens zeigt, stützt der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag mit seinem nunmehrigen Vorbringen auf seine bereits im Vorverfahren getätigten Angaben, denen zufolge er aufgrund Schwierigkeiten aufgrund seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensausrichtung durch sunnitische Muslime bedroht sei, (vgl oben II.1.2.). Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Vorverfahren als nicht glaubhaft und erkannte, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht erteilte im Vorverfahren auch keinen Aufenthaltstitel, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung nach Pakistan für zulässig (II.1.3.).

3.3.4. Neu brachte der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA vor, dass seine Familie nunmehr in der Türkei (AS 11) bzw in Griechenland leben würde und er daher niemanden mehr in Pakistan habe (AS 377). Die Beschwerde bringt dazu zusätzlich vor, dass die Familie des Beschwerdeführers geschlagen worden sei und deshalb geflohen sei und auch der Onkel des Beschwerdeführers Ende 2017 beim schiitischen Aschura-Fest von Sunniten umgebracht worden sei (AS 545).

Das BFA führte in der Beweiswürdigung aus, dass die vom Beschwerdeführer vor dem BFA vorgebrachte Verfolgung und Bedrohung nicht glaubhaft sei und deshalb davon auszugehen sei, dass auch die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Pakistan sei. Dem wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten, sondern es wurde lediglich das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers in knapper Form wiederholt; die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde stellt weder ein substantiiertes Bestreiten der behördlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung dar (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0021).

Zu den Ausführungen in der Beschwerde, wonach die Familie des Beschwerdeführers geschlagen worden und deshalb ausgereist sei, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer ein solches Vorbringen im Verfahren vor dem BFA nicht erstattet hat und in der Beschwerde nicht dargelegt wurde, weshalb der Beschwerdeführer dies nicht bereits vor dem BFA gesagt hat oder nicht sagen konnte. Der Beschwerdeführer hat auch nicht vor dem BFA angegeben, dass ein Onkel Ende 2017 umgebracht worden sein soll und auch dieses Versäumnis wird in der Beschwerde nicht aufgeklärt. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber bei der Erstbefragung angegeben, dass ein Onkel 2016 - und somit vor dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens - ermordet worden sein soll (AS 11). Ein neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist nicht von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

3.3.5. Schließlich brachte der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA noch vor, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert habe und die Probleme mit der Religion schlechter geworden seien (AS 9, 10). Die Beschwerde bringt dazu unter auszugsweiser Zitierung von Länderberichten noch vor, dass das BFA keine geeigneten und keine aktuellen Länderfeststellungeng getroffen habe (AS 501 ff).

Dazu ist auszuführen, dass durch die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Vorverfahren rechtskräftig darüber abgesprochen wurde, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan kein reales Risiko einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht bzw relevante exzeptionelle Umstände nicht vorliegen. Die Rechtskraft dieser Entscheidung wäre daher nur durchbrochen, wenn der Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren den Beweis des in ganz Pakistan bestehenden realen Risikos einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände erbracht hätte.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat (nur) dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Nach der ständige Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 MRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Derartige Nachweise hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht. Das Vorbringen einer (nach Abschluss des Vorverfahrens bestehenden) allgemeinen prekären Sicherheits- bzw Versorgungslage in Pakistan reicht nicht; die behauptete Lageänderung war für sich daher von vornherein nicht geeignet, eine maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zu bewirken. Auch die bloße Angehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft in Pakistan führt gegenwärtig nach der Berichtslage nicht dazu, dass internationaler Schutz zu gewähren ist (VwGH 21.03.2018, Ra 2018/18/0033; 07.05.2018, Ra 2018/18/0088). Besondere, in der Person des Beschwerdeführers (neu) begründete Umstände, die dazu führten, dass gerade bei ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung Pakistans im Allgemeinen - höheres Risiko bestünde, einer dem Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, wurden - wie bereits oben dargelegt - nicht glaubhaft vorgebracht und sind nicht ersichtlich.

3.3.6. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die hier dargestellten beweiswürdigenden Argumente des BFA zur Begründung der vom Beschwerdeführer lediglich vorgebrachten Ergänzung und Weiterführung seiner im Erstverfahren vorgebrachten religiösen Probleme als logisch konsistent, in sich schlüssig und nachvollziehbar und teilt daher im Ergebnis ebenso die Beurteilung des BFA, dass das im gegenständlichen Verfahren neu erstattete Vorbringen keinen glaubhaften Kern aufweist.

3.4. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, seine Freundin heiraten zu wollen und mit ihr eine Familie gründen zu wollen, ist darauf zu verweisen, dass im angefochtenen Bescheid vom BFA keine Rückkehrentscheidung erlassen sondern ausschließlich über den Folgeantrag auf internationalen Schutz entschieden wurde, weshalb die Frage einer Rückkehrentscheidung oder eines humanitären Aufenthaltstitels nicht Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist, weshalb das Bundesverwaltungsgericht nicht darüber entscheiden darf.

3.5. Mit dem gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sachlage und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs 1 AVG verhindert werden soll (vgl VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.6. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da die das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitenden Anträge der Parteien zurückzuweisen sind. Bei der Frage, ob das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorlag, handelt es sich bloß um eine nicht übermäßig komplexe Rechtsfrage (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0056).

Zu B)

Revision

3.7. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylantragstellung, Asylverfahren, entschiedene Sache, Folgeantrag,
Identität der Sache, real risk, reale Gefahr, Rechtskraft der
Entscheidung, Rechtskraftwirkung, res iudicata, wesentliche
Sachverhaltsänderung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2160762.3.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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