Entscheidungsdatum
07.02.2019Norm
BBG §40Spruch
G309 2189697-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzer, in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen,
Landesstelle Steiermark, vom 19.02.2018, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu
Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 19.12.2017 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag war ein medizinischer Befund angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
Im von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Chirurgie, vom 14.02.2018, wird nach persönlicher Untersuchung des BF, im Wesentlichen zusammengefasst folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Hochgradig eingeschätzte Sehschwäche im Bereich des rechten Auges. Hochgradige Sehschwäche rechts bei normaler Sehleistung
11.02.02
30
2
Wirbelsäulen-Syndrom mit beklagten Beschwerden und geringgradigen Funktionseinschränkungen Oberer Richtsatzwert entsprechend der vordemonstrierten Beschwerden und Funktionseinschränkungen
02.01.01
20
3
Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates mit führenden Beschwerden im Bereich der Kniegelenke (rechts stärker als links). Oberer Richtsatzwert entsprechend der vordemonstrierten Beschwerden und Funktionseinschränkungen
02.02.01
20
4
Chronische Hepatitis B mit mäßig klinisch entzündlicher Aktivität. Eine Stufe oberhalb des unteren Richtsatzwertes
07.05.01
20
5
Depressives Zustandsbild. Eine Stufe oberhalb des unteren Richtsatzwertes
03.6.01
20
Gesamtgrad der Behinderung
40 v.H.
Begründung des Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung resultiert aus der führenden Gesundheitsstörung 1 und wird durch die weiteren Gesundheitsstörungen 2 - bis 5 um insgesamt eine Stufe angehoben.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.02.2018 wurde ein Grad der Behinderung von 40 v. H. (von Hundert) festgestellt und der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.
4. Innerhalb offener Frist erhob der BF am 28.02.2018 (Datum: Poststempel) Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde. Darin brachte der BF unter Darstellung seiner Leiden vor, dass sein Gesundheitszustand die Feststellung einer Behinderung im Ausmaß von jedenfalls 50 % rechtfertige, weshalb um Ausstellung eines Behindertenpasses und Feststellung einer Behinderung im besagten Ausmaß ersucht werde.
5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 19.03.2018 beim erkennenden Gericht ein.
6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige XXXX, Ärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin, mit der Begutachtung und Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im erstatteten Sachverständigengutachten vom 12.07.2018 wurde, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
starke Fehlsichtigkeit an einem Auge, bei altersentsprechendem Sehvermögen am anderen Auge, fixe Position bei einseitiger Erblindung
120202
30
2
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen. Formveränderung (oberer Rahmensatzwert entspricht den entsprechend radiologischen Veränderungen bestehenden wiederholt auftretenden Beschwerden, mit fehlenden Wurzelreizzeichen)
020101
20
3
Degenerative Gelenksveränderungen an Knien. Schultern, Ellenbogen. oberer Rahmensatzwert entspricht den Beschwerden leichten Grades mit zeitweise bestehender Schmerzhaftigkeit bei altersentsprechender Beweglichkeit in allen Gelenken der unteren und oberen Extremität beidseits bis auf den rechten Ellenbogen, der eine leichte Bewegungseinschränkung aufweist, bei derzeit bestehendem Erguss bei Synovitis bei freien Gelenkskörpern, s.a. MR 2/2018
020102
20
4
chronische Hepatitis B (1 Stufe über unterem Rahmensatzwert, entsprechend der leichten Funktionsstörung, obwohl keine aktuellen Leberfunktionsparameter vorgelegt worden sind, die eine Leberfermenterhöhung belegen, da auch regelmäßiger Alkoholkonsum durchgeführt wird.
070501
20
5
Depression (unterer Rahmensatzwert, da keine fachärztliche Begleitung und auch keine medikamentöse Dauerbehandlung mehr notwendig ist. aber wie in Anamnese angegeben, kein Durchschlafen möglich ist.)
030601
10
Gesamtgrad der Behinderung
40 v. H.
Zusammenwirken der Leiden in funktioneller Sicht, Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Behinderungsgrad der führenden GS1 wird durch die GS2, GS3 und GS4 nur gemeinsam um 1 Stufe angehoben, weil die einzelnen Positionen alleine keine negative Leidensbeeinflussung der GS1 bewirken, da sie nur geringfügig im Alltag relevant sind, gemeinsam jedoch im Alltag Relevanz haben und daher eine zusätzliche Beeinflussung besteht.
GS5 hebt nicht weiter an, da nur geringe Funktionseinschränkungen vorhanden sind.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Beinlängendifferenz bis 1 cm ist physiologisch, Nikotinabhängigkeit ist keine Behinderung es wurde kein aktuelles Audiogramm vorgelegt, daher kann eine eventuell vorhandene Schwerhörigkeit nach Trommelfellverletzung li 2003 nicht eingeschätzt werden.
Begründung für die Einschätzung: Die GS1 bleibt gleich, es wurde eine vollkommene Erblindung eines Auges bei guter Sehleitung des anderen wie schon im Vorgutachten angenommen. Es wurde kein aktueller Visus vorgelegt, daher wurde die Einschätzung des GA XXXX und GA XXXX übernommen.
Die GS2 bleibt gleich, entsprechend dem Bewegungsausmaß entsprechend bestehenden radiologisch nachweisbaren Veränderungen, bei derzeit freier Beweglichkeit im Halswirbelsäulenbereich, und nur endgradiger Bewegungseinschränkung im Lendenbereich. Es ist im Vergleich zum Vorgutachten zu einer Besserung des Finger Boden Abstandes gekommen. Es werden keine Dauerschmerzmittel benötigt. Die rezidivierenden kurzen akuten Episoden mit Verschlechterung der Beweglichkeit und Zunahme der Schmerzen wurde berücksichtigt. Die GS3 wird eingeschätzt entsprechend den Bewegungseinschränkungen bei degenerativen Gelenksveränderungen an sämtlichen Gelenken. Es findet sich eine altersentsprechende Beweglichkeit in sämtlichen Gelenken, außer im rechten Ellenbogengelenk. Dort zeigt sich eine leichte Bewegungseinschränkung bei freien Gelenkskörpern und daraus entstehendem Gelenkserguss, wie im MR 2/2018 festgestellt worden ist. Laut AB XXXX ist eine operative Versorgung nach Ablauf von 6 Monaten und Weiterbestehen der akuten Beschwerden vorgesehen. Es werden derzeit keine Dauerschmerzmittel benötigt. Eine Besserung nach Operation ist wahrscheinlich.
Die GS4 bleibt gleich, obwohl seit Einschätzung XXXX keine aktuellen Laborwerte mit den Leberfunktionsparametern vorgelegt worden sind. Es wird eine Dauermedikation mit Silymarin durchgeführt, dem pflanzlichen Wirkstoff von Legalon, zur Stabilisierung der Membranen der Leberzellen.
Die GS5 wird um 1 Stufe bei stabilem Verlauf reduziert, da wie in Anamnese angegeben keine Dauermedikation mit Antidepressiva angegeben mehr erfolgt, und auch keine psychiatrische Begleitung mehr notwendig ist.
Stellungnahme bei Veränderung bzw. abweichender Beurteilung hinsichtlich des bereits durch die Behörde in Auftrag gegebenen Gutachtens: Das ergibt einen Gesamtgrad der Behinderung von 40v. H, damit bleibt der Gesamtgrad der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten gleich, trotz Besserung der GS5 und auch geringer Besserung der GS2. Die leichtgradige Bewegungseinschränkung mit Bedarfsschmerzmedikation im Bereich des rechten Ellenbogens auf Grund degenerativer Veränderungen und freier Gelenkskörper ist im Ausmaß zu gering bei freier Beweglichkeit sämtlicher übrigen Gelenke um eine Anhebung der GS3 zu bewirken. Die freien Gelenkskörper (XXXX 12/17) waren auch schon im Rahmen der Voruntersuchung bekannt, und wurden dort berücksichtigt. Durch Zunahme des Gelenksergusses kommt es zu einer weiteren Bewegungseinschränkung. Es besteht eine Therapiereserve.
Es ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer beim Aus- und Anziehen sich weniger eingeschränkt präsentierte als im Rahmen der klinischen Untersuchung.
7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 25.07.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langten keine Stellungnahmen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland. Der BF leidet an starker Fehlsichtigkeit an einem Auge, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Formveränderungen, degenerative Gelenksveränderungen an Knien, Schultern und Ellenbogen, chronischer Hepatitis B und einer Depression.
Der Grad der Behinderung beträgt 40 von Hundert. Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung hinsichtlich des Wohnsitzes des BF ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF sowie dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin, vom 12.07.2018, ist schlüssig und nachvollziehbar. Im Vergleich zum Sachverständigengutachten von Herrn XXXX, blieb der Gesamtgrad der Behinderung trotz Besserung der GS5 und auch geringer Besserung der GS2 gleich. Die leichtgradige Bewegungseinschränkung mit Bedarfsschmerzmedikation im Bereich des rechten Ellenbogens auf Grund degenerativer Veränderungen und freier Gelenkskörper erweist sich im Ausmaß zu gering um bei freier Beweglichkeit sämtlicher übrigen Gelenke eine Anhebung der GS3 zu bewirken. Die freien Gelenkskörper waren auch schon im Rahmen der Voruntersuchung bekannt, und wurden dort berücksichtigt und kam es durch Zunahme des Gelenksergusses zu einer weiteren Bewegungseinschränkung, wobei jedoch eine Therapiereserve besteht.
Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Dabei wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde der Inhalt des Gutachtens den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt. Es wurde ein Grad der Behinderung von 40 v.H. objektiviert.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.
3.2. Zu Spruchteil A):
Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehören.
§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Im vorliegenden Fall war wie folgt zu entscheiden:
Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung. Beim BF konnten die oben genannten Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Es konnte demnach ein Grad der Behinderung von 40 v.H. objektiviert werden.
Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) von Hundert festgestellt wurde, waren die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G309.2189697.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019