TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/13 G310 2214395-1

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Veröffentlicht am 13.02.2019
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Entscheidungsdatum

13.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch

G310 2214395-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Gaby WALTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, ungarischer Staatsangehöriger, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat:

"Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von 18 Monaten befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am XXXX.2018 festgenommen und in der Folge am XXXX.2018 vom Landesgericht XXXX zu XXXX wegen des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 1 erster und zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Der Vollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten wurde unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Zuvor wurde der BF mit Schreiben vom 10.10.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern. In seiner Stellungnahme vom 29.10.2018 führte der BF aus, als Fernfahrer zu arbeiten, weswegen er immer der Arbeit wegen nach Österreich komme, sich aber nie durchgehend in Österreich aufhalte. Berufsbedingt sei es nötig, durch das Transitland Österreich fahren zu dürfen. Er sei legal eingereist. Er habe acht Jahre lang die Volksschule besucht. In Österreich leben keine Angehörigen. Auch verfüge er über keine Besitztümer in Österreich. Gesundheitliche Probleme gebe es nicht. Es sei keine tatsächliche gegebene und unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erkennbar, es habe sich um ein Gelegenheitsverbrechen gehandelt.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung und dem Fehlen familiärer, sozialer und beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung zur Einvernahme des BF durchzuführen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu, das Aufenthaltsverbot zu verkürzen.

Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er aufgrund des Aufenthaltsverbotes lediglich Inlandsfahrten übernehmen könne, was sich negativ auf sein Einkommen auswirke, mit welchem er seine Familien versorge und auch die Raten für die Schadenswiedergutmachung begleiche. Das vom BFA verhängte Aufenthaltsverbot stehe außer Relation zur tatsächlich verhängten Strafe. Es handle sich um die erste Verurteilung des BF, welcher voll geständig gewesen sei und die Tat bereue. Er habe die Straftat aus der Not heraus begangen.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 12.02.2019 einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ungarischer Staatsbürger und hat seinen Lebensmittelpunkt in Ungarn, wo auch seine Ehefrau und weitere Angehörigen leben. Der BF arbeitet als Fernfahrer und hat sich deswegen beruflich immer wieder in Österreich aufgehalten. Abgesehen von seinem Aufenthalt in der Justizanstalt XXXX weist der BF keine Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF hat keine familiären, beruflichen oder sonstigen Bindungen zu Österreich.

Der Verurteilung durch das Landesgericht XXXX lag zugrunde, dass der BF mit zwei weiteren Personen im Zeitraum Anfang Oktober 2017 bis XXXX.2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung gewerbsmäßig in zahlreichen Angriffen Gewahrsamsträgern einer GmBH fremde bewegliche Sachen, nämliche Gitterboxen und Europlatten im einem EUR 5.000 übersteigenden, jedoch nicht EUR 300.000 übersteigenden Gesamtwert von zumindest EUR 45.000 mit dem Vorsatz sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen hat. Mildernd gewertet wurden das Geständnis sowie die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend hingegen der lange Tatzeitraum wie auch die mehrfache Qualifikation.

Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil von zwei Monaten in der Justizanstalt XXXX. Die Entlassung erfolgte am XXXX.2018 und hält sich der BF nunmehr in Ungarn auf.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben im Strafurteil sowie der damit übereinstimmenden Angaben des BF in seiner Stellungnahme und der Beschwerde. Der Identitätsausweis und Reisepass des BF liegt dem BVwG in Kopie vor.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zur Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Verurteilung des BF wird auch durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen.

Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation.

Aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ergibt sich, dass der BF - abgesehen von der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt Garsten - im Bundesgebiet nie meldeamtlich erfasst war. Damit im Einklang steht, dass er laut eigenen Angaben seinen Lebensmittelpunkt in Ungarn hat.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf seinen Angaben in der Stellungnahme und in der Beschwerde, dass er in einem erwerbsfähigen Alter ist und jahrelang als Fernfahrer arbeitete. Es bestehen keine Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen.

Anhaltspunkte für familiäre oder andere private Bindungen des BF oder für eine relevante Integration oder Anbindung in Österreich bestehen nicht. Der BF gibt in seiner Stellungnahme selbst an, keine Bezugspunkte in Österreich zu haben.

Dass sich der BF in Ungarn aufhält ergibt sich aus den Angaben in der Beschwerde und auch in der Vollzugsinformation ist angeführt, dass er an die dort angegebene Adresse in Ungarn entlassen wurde.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Als Staatsangehöriger Ungarns ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration

(Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Mangels eines längeren Aufenthalts des BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Die Angaben des BF, diese Taten aus der Not heraus begangen zu haben, lassen darauf schließen, dass er mit der Intention gehandelt hat, sich durch die Straftaten im Bundesgebiet über einen längeren Zeitraum eine Einnahmequelle zu erschließen. Dies lässt Rückschlüsse auf eine erhebliche kriminelle Energie und damit eine beträchtliche von ihm ausgehende Gefahr zu.

Das persönliche Verhalten des BF stellt somit eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, zumal die ausgeführten Straftaten noch nicht lange zurückliegen, er erst vor knapp drei Monaten aus der Haft entlassen wurde und aufgrund der Begehungsweise eine erhöhte Wiederholungsgefahr besteht.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Derzeit kann daher noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung des BF indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden.

Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremdem Eigentum ist jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft. Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und das Gesamtverhalten des BF ist die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Seine über einen längeren Zeitraum begangene Vermögensdelinquenz, die eine teilbedingte Haftstrafe erforderlich machte, legt nahe, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird. Aktuell kann ihm noch keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF muss verhältnismäßig sein. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, zumal sich sein Lebensmittelpunkt in Ungarn befindet und er in Österreich weder einen Wohnsitz noch andere private oder familiäre Anknüpfungspunkte hat. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch das BFA erfolgte somit dem Grunde nach zu Recht.

Eine dreijährige Dauer des Aufenthaltsverbotes ist jedoch unverhältnismäßig, zumal die Straftaten des BF nicht der Schwerkriminalität zuzurechnen sind, der Strafrahmen nur zu einem Drittel ausgeschöpft wurde, die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe ausreichte und der zuvor unbescholtene BF zum ersten Mal das Haftübel verspürte. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist daher auf ein seinem Fehlverhalten entsprechendes Maß zu reduzieren. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe ein achtzehnmonatiges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtstreuen Verhalten zu bewegen, zumal davon auszugehen ist, dass dem Erstvollzug eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zukommt. Diese Dauer ist - auch im Hinblick auf die dreijährige Probezeit für den bedingten Strafteil - notwendig, aber auch ausreichend, um eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrages in der Beschwerde auf 18 Monate zu reduzieren.

Zu Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Da beim BF angesichts seiner Verurteilung eine hohe Wiederholungsgefahr besteht, ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war.

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Aufgrund der Delinquenz des BF über einen langen Zeitraum im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, ist seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich und eine hohe Wiederholungsgefahr als gegeben anzunehmen. Daran ändert auch die geständige Verantwortung des BF nichts, weil es eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens in Freiheit bedarf, um einen Wegfall der durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährdung annehmen zu können.

Daher sind die Voraussetzungen für die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. FPG und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 3 BFA-VG erfüllt.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da hier der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal der BF kein ergänzendes, klärungsbedürftiges Tatsachenvorbringen erstattete.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284; 25.04.2014, Ro 2014/21/0033).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
öffentliche Sicherheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2214395.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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