Entscheidungsdatum
14.02.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I404 2192529-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheid des BFA RD Salzburg Außenstelle Salzburg vom 17.12.2018, Zl. 1134242705-181133534, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde werden die angefochtenen Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheids behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 06.11.2016 reiste der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen von Italien kommend ins Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid vom 20.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 21.08.2018 zu GZ I416 2192529-1/5E mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. lautet, dass eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt wird.
4. Mit Beschluss des VwGH vom 24.10.2018 zu Ra 2018/20/0483-2 wurde Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Revision bewilligt.
5. Am 26.11.2018 wurde der Beschwerdeführer davon informiert, dass beabsichtigt werde, eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Gleichzeitig wurde ihm vorgehalten, dass er seit der Rechtskraft der Entscheidung des BVwG am 22.08.2018 über keine Aufenthaltsberechtigung mehr verfüge und er bisher keinerlei nachweisbare Schritte unternommen habe, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Weiters wurde er aufgefordert, einen Fragenkatalog zu beantworten.
6. Mit Schriftsatz vom 12.12.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass er bei der Caritas Rückkehrberatung gewesen sei, er jedoch nicht nach Nigeria zurückkönne, da er dort bedroht und verfolgt werde. Sein Verfahrenshilfeantrag sei bewilligt worden und er hoffe, dass seiner Beschwerde bald die aufschiebende Wirkung zugesprochen werde. Seine Integration habe sich weiter vertieft, er habe während der Schulzeit in der HTL Hallein viele Freunde gefunden. Er helfe auch von Zeit zu Zeit älteren Personen. Seine sozialen Kontakte würden sich hauptsächlich in Österreich befinden, er habe eine Freundin Amina, eine österreichische Staatsbürgerin und auch Herr Philip K sei ein guter Freund von ihm. In Europa verfüge er über keine Familienangehörigen. Er wohne weiterhin im Flüchtlingsquartier und erhalte Grundversorgung. Solange die derzeitige nigerianische Regierung an der Macht sei, könne er nicht nach Nigeria zurückkehren. Er würde dort verfolgt werden.
7. Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassenen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassenen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 18 Abs. 2 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt (Spruchpunkt VI.). Im Sachverhalt wurde zur Lage im Herkunftsstaat festgestellt, dass die Feststellungen zum Herkunftsstaat auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA beruhen würden. Dem Beschwerdeführer seien mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.02.2018 aktuelle Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat bekannt gegeben worden. Die Länderinformationsblätter würden im Akt einliegen und seien nicht dem Bescheid angeschlossen. Hinsichtlich des Privat- und Familienlebens wurde festgehalten, dass ein unzulässiger Eingriff in das Privat- und Familienleben nicht festgestellt werde und sich seit Rechtskraft des Bescheides weder
nennenswerte Änderungen hinsichtlich des Familienlebens noch
nennenswerte Änderungen hinsichtlich des Privatlebens ergeben hätten. Feststellungen zu seinem Privatleben (oder Familienleben) in Österreich, wie soziale Kontakte, Mitgliedschaften in einem Verein oder andere ehrenamtliche Tätigkeiten, Deutschkenntnisse, Schulbesuch oder Erwerbstätigkeit ect. wurden keine getroffen, obwohl diesbezüglich vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 12.12.2018 Vorbringen erstattet wurde.
8. Gegen die Spruchpunkte II. bis VI. dieses Bescheides hat der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die belangte Behörde keine aktuellen Ermittlungen zur Person des Beschwerdeführers, seinem Privat- und Familienleben sowie zur Situation im Falle seiner Rückkehr durchgeführt habe, sondern auf die Feststellungen im Bescheid vom 20.2.2018 verwiesen habe. Hätte die belangte Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so hätte sie feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer bereits seit 2016 in Österreich aufhältig sei und seine Integration vertieft habe. Er habe während seiner Schulzeit in der HTL Hallein weitere soziale Kontakte geknüpft und seine Deutschkenntnisse verbessert. Er engagiere sich sozial, helfe auch älteren Personen, wann er könne und habe eine Beziehung. Bei einer Rückkehr nach Nigeria befürchte er aufgrund seiner politischen Einstellung und Volksgruppenzugehörigkeit der Gefahr ausgesetzt zu sein, verfolgt zu werden. Gemäß § 37 AVG sei die Behörde verpflichtet, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen umfassend zu ermitteln. Die belangte Behörde verweise lediglich auf Feststellungen zur Lage im Herkunftsland, welche dem Beschwerdeführer im Bescheid vom 20.2.2018 bekannt gegeben worden seien. Da es sich hier allerdings um eine neu erlassene Rückkehrentscheidung handle, hätte die belangte Behörde aktuelle Länderberichte in der Entscheidung inhaltlich wiedergeben müssen. Die Berufung auf die Staatendokumentation ersetze keineswegs die Aufgabe der belangten Behörde, von sich Ausländerquellen zu verwenden. In der Folge wurden Berichte von Akkord vom 30.10.2018, ein EASO Bericht vom November 2018 und ein "Welt Bericht 2019" zitiert. Weiters wurde ausgeführt, dass wenn die belangte Behörde diese Länderberichte herangezogen hätte, sie zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass eine Rückkehr nach Nigeria im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK für den Beschwerdeführer nicht möglich sei. Weiters wurde vorgebracht, dass auf die Stellungnahme vom 12.12.2018 in keiner Weise eingegangen worden sei und auch Feststellungen zum Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers im Bescheid fehlen würden.
9. Am 25.01.2019 wurde die Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 21.08.2018 zu Ra 2018/20/0483-7 zurückgewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A) 1. Aufhebung und Zurückverweisung (Spruchpunkt I.):
1.1. Die §§ 28 Abs. 1 bis 3 und 31 VwGVG lauten wie folgt:
Erkenntnisse und Beschlüsse
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
...
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, 2a, 2b, 4 und 5 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
1.2. § 50, § 52 Abs. 1, 6, 8 und Abs. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), in der geltenden Fassung lauten wie folgt:
Verbot der Abschiebung
§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
(4) ...
Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Voraussetzungen, unter denen das Verwaltungsgericht von der in § 28 Abs. 3 VwGVG festgelegten Befugnis zur Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch machen darf, im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, näher präzisiert.
Danach hat die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts Vorrang und bildet die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme, deren Inanspruchnahme begründungspflichtig ist und die strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Zur Aufhebung und Zurückverweisung ist das Verwaltungsgericht bei "krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken" befugt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Verwaltungsbehörde "jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen", "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt" oder "bloß ansatzweise ermittelt" hat oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Behörde "Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer ‚Delegierung' der Entscheidung)".
1.4. Mit der bekämpften Entscheidung hat die belangte Behörde unter anderem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG erlassen und ausgesprochen, dass eine Abschiebung nach Nigeria ist.
Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Im Hinblick auf die Prüfung der Abschiebung in den Herkunftsstaat Nigeria ist es erforderlich, aktuelle Länderberichte nicht nur "in das Verfahren einzuführen", sondern in der Entscheidung inhaltlich wiederzugeben (VfGH vom 13.03.2013, U 2375/12).
In diesem Sinne ist es erforderlich, sich mit der persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Hinblick auf die getroffenen Länderfeststellungen auseinanderzusetzen (VfGH vom 02.05.2011, U 1005/10).
Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von den Asyl- (und Fremdenbehörden) zu erwarten, dass sie zur Feststellung zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und von Amts wegen aktuelles Berichtsmaterial heranziehen (z.B. VwGH vom 15.09.2010, 2008/23/0334 und viele andere mehr).
Wie in der Beschwerde aufgezeigt wurde, hat im vorliegenden Fall die belangte Behörde keinerlei Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheid aufgenommen, dies obwohl der Beschwerdeführer ausdrücklich eine Gefährdung geltend machte.
Wenn im Bescheid auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.1999 zu Zl. 99/20/0524 verwiesen wird, so bezieht sich diese Entscheidung auf nicht im Bescheid wörtlich abgeduckte Beweismittel. Die hier aufgezeigten Mängel beziehen sich aber auf die (gänzliche) Unterlassung von Sachverhaltsfeststellungen in Bezug auf die Situation im Herkunftsstaat.
Weiters ist der Beschwerdeführer auch im Recht, wenn er Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vermisst. In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach es rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung widerspreche, wenn sich der Sachverhalt, die Beweiswürdigung und die rechtliche Begründung nicht aus der Entscheidung selbst ergibt (vgl. etwa VfGH vom 25.09.2018, E1586/2018). Dies gilt umso mehr, wenn wie im hier zu prüfenden Verfahren ausdrücklich ein neues Vorbringen erstattet wurde. Damit hätte sich die belangte Behörde jedenfalls auseinanderzusetzen gehabt und entsprechende Feststellungen treffen müssen.
1.5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die belangte Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der aktuellen Situation im Herkunftsstaat Nigeria unterlassen hat und auch keine Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich (bzw. der Europäischen Union) getroffen hat. Insofern hat die belangte Behörde nur ansatzweise ermittelt und liegen daher die Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des VwGH für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 VwGVG vor.
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch anzuführen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Notwenigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes aktuelle Länderberichte einzuholen und die Feststellungen der belangten Behörde zu ergänzen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich macht (vgl. VwGH vom 26.04.2017, Zl. Ra 2016/19/0290). Auch unter Effizienzgesichtspunkten gebietet sich daher eine Heranziehung des § 28 Abs. 3 VwGVG, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Angesichts der oben angeführten Verhandlungspflicht des BVwG bei einer Sachentscheidung ist daher nicht anzunehmen, dass die zur Erforschung der materiellen Wahrheit ergänzenden Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs durch das Verwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wären.
Im Übrigen wurde im angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt VI. einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und besteht somit für das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidungsfrist von 7 Tagen.
1.6. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Schlagworte
Abschiebung, aktuelle Länderfeststellungen, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I404.2192529.2.00Zuletzt aktualisiert am
12.06.2019