Entscheidungsdatum
15.02.2019Norm
BDG 1979 §123 Abs1Spruch
W208 2213939-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Bezirksinspektor XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Franz SCHARF, 1010 WIEN, Schulerstraße 20/7 gegen den Einleitungsbeschluss der DISZIPLINARKOMMISSION BEIM BUNDESMINISTERIUM FÜR VERFASSUNG, REFORMEN, DEREGULIERUNG UND JUSTIZ; SENAT 2, vom 29.11.2018, GZ. 102 Ds 5/18v, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. DerBeschwerdeführer (BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund als Jusitzwachebeamter.
2. Am 23.10.2018 erstattete die Dienstbehörde Disziplinaranzeige gegen den BF an die Disziplinarkommission (DK), nachdem zuvor der Leiter der Justizanstalt XXXX (AL JA) seinerseits am 18.09.2018 eine Disziplinaranzeige gegen den BF gemäß § 109 Abs 1 BDG eingebracht hatte, weil ihm die gegenständliche Dienstpflichtverletzung des BF am 14.08.2018 gemeldet worden war, er diesbezüglich den Sachverhalt festgestellt hatte und eine erteilte Belehrung/Ermahnung von der Dienstbehörde als nicht ausreichend angesehen wurde (ON 1 im Akt der DK).
3. Am 29.11.2018 fasste die zuständige DK einen Einleitungsbeschluss mit folgendem Inhalt (Anonymisierung und Kürzung auf das Wesentliche im kursiven Text jeweils durch BVwG):
"Gegen [den BF] richtet sich der Verdacht, er habe am 11. August 2018, nachdem er freiwillig und ohne diesbezügliche Meldung die Rufbereitschaft (§ 50 Abs 3 BDG) von einem Kollegen übernommen hat, entgegen der Anstaltsverfügung Nr 01/2005 der Justizanstalt XXXX vom 31. Jänner 2015, aktualisiert durch die Anstaltsverfügung Nr 2/2017 der Justizanstalt [...], während dieser freiwillig übernommenen Rufbereitschaft seinen Aufenthalt so gewählt, dass er nicht binnen kürzester Zeit zum Antritt, seines Dienstes bereit war, und zwar dadurch, dass er einen solchen Aufenthaltsort wählte, dass er nach Anforderung frühestens nach eineinhalb Stunden in der Justizanstalt [...] eintreffen hätte können, weswegen zur notwendigen Ausführung eines Häftlings in ein Krankenhaus im Zeitraum von 20.05 Uhr bis 21.30 Uhr ein zum Nachtdienst eingeteilter Justizwachebeamter herangezogen werden musste, wodurch die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung vorgesehene Nachtdienststärke geschwächt wurde.
Demzufolge besteht gegen [den BF] der Verdacht der schuldhaften Dienstpflichtverletzung nach § 91 iVm § 44 Abs 1 BDG 1979."
4. Gegen den am 05.12.2018 dem BF zugestellten EB brachte der nunmehr rechtsfreundlich vertretene BF mit E-Mail vom 02.01.2019 (eingelangt am 03.01.2019) Beschwerde an das BVwG ein. Er beantragte die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung in eventu Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Aufnahme angeführter Beweise sowie die Aufhebung des EB und Nichteinleitung des Disziplinarverfahrens durch das BVwG.
5. Mit Schreiben vom 25.01.2019 (hg. eingelangt am 01.02.2019) wurde die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Dzt. steht fest, dass am 11.08.2018 der Kollege des BF RevInsp XXXX (W.) zu einer Rufbereitschaft eingeteilt war. Der BF übernahm auf Ersuchen des W. freiwillig dessen Rufbereitschaft oder einen Teil davon (der BF behauptet nur für den Zeitraum eines Konzertbesuches des W. von 20:00 bis 22:00 Uhr). Der Nachdienstkommandant BezInsp XXXX (P.) wurde von diesem Tausch informiert (welcher Zeitraum ihm mitgeteilt wurde steht nicht fest). P. informierte den Inspektionsdienst von diesem Tausch nicht. Ob er dazu verpflichtet gewesen wäre oder einer der vom Tausch betroffenen Beamten, steht nicht fest. Eine schriftliche Meldung des Diensttausches erfolgte von keinem der Beteiligten.
Am 11.08.2018 Um 19:27 Uhr verständigte P. den Kdt des Inspektionsdienstes BezInsp XXXX (S.), dass ein Insasse der JA über Schmerzen klage und eine Ausführung in das nahegelegene Krankenhaus XXXX erforderlich sei. P. verständigte den BF und einen zweiten rufbereiten Kollegen telefonisch, was er ihnen gesagt hat und wann diese Verständigung erfolgt ist, steht nicht fest.
Der BF teilte - nach Aussage des S. - dem P. daraufhin mit, dass er sich noch in WIEN befinde und ca. 1 1/2 Stunden in die JA benötigen würde. Der BF gibt demgegenüber in der Beschwerde an, um 19:10 Uhr von P. telefonisch verständigt worden zu sein und er diesem mitgeteilt habe, dass er erst ab 20:00 Uhr die Rufbereitschaft übernommen habe. P. habe ihm gesagt, er habe auch W. kontaktiert, dieser sei aber ebenfalls bereits auf dem Weg nach WIEN und sie beide sollten sich ausmachen, wer in die JA zum Dienst einrücke. Die von ihm angegebene benötigte Zeit von einer "guten Stunde" sei von P. nicht weiter thematisiert worden. Er habe mit W. vereinbart, dieser solle das Konzert besuchen und er würde den Dienst übernehmen. Es steht nicht fest, ob der BF die Rufbereitschaft (nur) in dem Zeitraum vom 20:00 bis 22:00 Uhr vom W. übernommen hat.
Der BF gab weiter an, W. habe ihn nach ca. 20-25 Minuten kontaktiert und ihm gesagt, dass er nicht mehr einrücken müsse. Er habe daraufhin den P. angerufen und dieser habe das bestätigt, ihm aber aufgetragen sich für eine weitere Ausführung in ein anderes Krankenhaus telefonisch zur Verfügung zu halten. S. gab damit übereinstimmend an, angeordnet zu haben, dass die Ausführung durch den zweiten rufbereiten Kollegen und einen Kollegen des Nachdienstes zu erfolgen habe. Die Ausführung sei in der Zeit von 20:05 bis 21:03 Uhr durchgeführt worden. Der BF sei von W. informiert worden, dass er vorerst nicht in der JA benötigt werde, sollte eine Ausführung in ein weiter entferntes Krankenhaus notwendig werden, würde er informiert.
1.2. Zur Vorschriftenlage steht fest, dass in den Anstaltsverfügungen Nr 01/2005 und 02/2017 angeordnet ist, dass wenn es die Sicherheit und Ordnung in der JA erfordert, durch den Nachtdienstkommandanten der Inspektionsdienst zu informieren ist und dieser entscheidet, ob die Rufbereitschaft in den Dienst gestellt wird. Weiters, dass Die Beamten die Rufbereitschaft versehen, ihren Aufenthalt so zu wählen haben, dass sie unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb einer Referenzzeit von maximal 30 Minuten, ihren Dienst in der JA aufnehmen können.
Es steht nicht fest, ob ein Tausch der Rufbereitschaft durch Vereinbarung des betroffenen Beamten mit einem Kollegen und Zustimmung des Nachtdienstkommandanten zulässig ist oder nicht sowie, ob dieser schriftlich zu melden ist oder eine mündliche Meldung genügt und von wem an wen. Diesbezügliche Weisungen/Erlässe finden sich nicht im Akt. Es steht weiters nicht fest, ob ein Tausch der Rufbereitschaft auch stundenweise zulässig ist. Es steht nicht fest, wer die Einteilung der Rufbereitschaft - welche zweifellos als Weisung zu verstehen ist - vornimmt und wer sie abändern darf.
1.3. Zusammengefasst, steht fest, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen zur Feststellung, ob konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, dass der BF die ihm im EB vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen begangen hat, nicht durchgeführt hat.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere der Anzeige vom 18.09.2018, der Anstaltsverfügung Nr 01/2005 sowie einem Auszug aus der Anstaltsverfügung Nr 2/2017, einer Meldung des Inspektionsdienst-Kdt S. vom 14.08.2018, einer Niederschrift mit dem BF vom 16.08.2018, dem EB und der Beschwerde.
Aufgrund der Tatsache, dass der BF nicht zur Rufbereitschaft eingeteilt war und nicht feststeht, ob er nachträglich von einem zuständigen Vorgesetzten eingeteilt wurde, kann dzt. auch nicht festgestellt werden, ob der Verdacht oder zumindest konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass er gegen die angeführten Anstaltsverfügungen zur Wahl des Aufenthaltsortes verstoßen hat. Den genannten Anstaltsverfügungen ist zu entnehmen, dass der Inspektionsdienst (im fraglichen Zeitpunkt: S) die Rufbereitschaft in den Dienst zu setzen hat und diese den BF gerade nicht in den Dienst gesetzt hat und auch nicht wusste, dass der BF die Rufbereitschaft übernommen hat. Nach den übereinstimmenden Ausführungen war der BF gar nicht zur Rufbereitschaft eingeteilt und wurde zumindest von S. auch nicht in den Dienst gestellt. Es ist - mangels Einvernahme - auch zweifelhaft, ob der Nachtdienstkommandant den BF in den Dienst gestellt hat bzw. ihm die Rufbereitschaft (für welchen Zeitraum) angeordnet hat bzw. ihm als zuständiger Vorgesetzter anordnen durfte. Wenn eine Weisung zur Einteilung des W. zur Rufbereitschaft existierte, dann kann es keine (konkludente) Zustimmung, nur aufgrund der Meldung (wer gemeldet hat - der BF oder W. - steht ebenfalls nicht fest) geben. Insgesamt ist der Sachverhalt derart unklar, dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des EB nicht möglich ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht. Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. § 135a BDG sieht bei Entscheidungen über einen Einleitungsbeschluss keine Senatszuständigkeit vor, gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor (und zwar auch bei einer Beschwerde des Disziplinaranwaltes vgl. dazu VwGH 21.04.2015, Ra 2014/09/0042).
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Letzteres ist hier der Fall.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur
Die anzuwendenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG) lauten (Auszug):
Disziplinaranzeige
§ 109. (1) Der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 78 StPO vorzugehen.
(2) Von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist abzusehen, wenn nach Ansicht der oder des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht. Diese ist der Beamtin oder dem Beamten nachweislich mitzuteilen. Nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an die Beamtin oder den Beamten darf eine Belehrung oder Ermahnung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen und sind die Aufzeichnungen über die Belehrung oder Ermahnung zu vernichten, wenn die Beamtin oder der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat. [...]
Einstellung des Disziplinarverfahrens
§ 118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
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1.-der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2.-die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.-Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.-die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
(2) Das Disziplinarverfahren gilt als eingestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.
[...]
Einleitung
§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.
(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben. [...]"
Die Höchstgerichte haben dazu ua. folgende einschlägige Aussagen getroffen [Anmerkung des BVwG: Da der Verhandlungsbeschluss nach der aktuellen Rechtslage im Einleitungsbeschluss aufgegangen ist, gelten die Aussagen des VwGH für den Verhandlungsbeschluss sinngemäß nunmehr auch für den Einleitungsbeschluss.]:
Voraussetzung für den Verhandlungsbeschluss ist die ausreichende Klärung des Sachverhaltes, auf Grund dessen im Verhandlungsbeschluss als unabdingbarer Inhalt die Anschuldigungspunkte zu formulieren sind, die die Grundlage für die mündliche Verhandlung darstellen. Eine weiter darüber hinausgehende Behandlung des Sachverhaltes im Rahmen der einzelnen Anschuldigungspunkte erübrigt sich im Stadium des Verhandlungsbeschlusses, weil damit der Beurteilung im folgenden Disziplinarverfahren vorgegriffen würde und es nicht Aufgabe des Verhandlungsbeschlusses, sondern des nachfolgenden Disziplinarverfahrens ist, die Rechtsfrage bzw. Schuldfrage zu klären (VwGH 18.03.1998, 96/09/0145 mit Hinweis E 29.6.1989, 88/09/0126).
Im Spruch des Verhandlungsbeschlusses sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Daraus folgt, dass im Anschuldigungspunkt der vom Beschuldigten gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Aus dem Begriff "Anschuldigungspunkt" in § 124 Abs. 2 BDG [nunmehr § 123 Abs. 2 BDG] folgt weiters, dass anzugeben ist, welche Dienstpflichten der beschuldigte Beschwerdeführer im Einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird. Angesichts dieser Bedeutung des Verhandlungsbeschlusses für den Gegenstand und die Entscheidungsgrundlagen des Disziplinarerkenntnisses ist die "BESTIMMTE" Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung erblickt wird, rechtserheblich: Der vorgeworfene Sachverhalt muss der Eigenart der Dienstpflichtverletzung entsprechend substantiiert dargestellt sein, also schlüssig alle Einzelumstände darstellen, die Voraussetzung für den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung und für die Strafbemessung sind. Danach gehört zum notwendigen Inhalt eines Verhandlungsbeschlusses die spruchmäßige Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung gesehen wird. Er muss eine so hinreichende Substantiierung enthalten, dass dem Beamten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigung gebundene - Disziplinarkommission in der Lage ist, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen, ohne genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt das herauszufiltern, was als konkrete Verletzung der Dienstpflichten in Betracht kommt. (VwGH 19.12.2002, 2002/09/0128, mit Hinweis auf E 16. Juli 1992, 92/09/0016, und B 1. Juli 1998, 97/09/0095, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
3.3.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss der DK zu den im Spruch angeführten Vorwürfen ein Disziplinarverfahren gegen den BF einzuleiten.
Die DK hat nicht - positiv - zu prüfen, ob eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen wurde, sondern - negativ - zu erheben, ob nicht ein Grund für die Einstellung des Verfahrens vorliegt der eine Bestrafung ausschließt. Es handelt sich dabei um eine Entscheidung im Verdachtsbereich (Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage, 567).
Der Einleitungsbeschluss dient der hinreichend bestimmten Darstellung jenes Verhaltens, aufgrund dessen sich der Verdacht von konkreten Dienstpflichtverletzungen ergibt. Diese Darstellung muss so substantiiert sein, dass die Tatbestände sowohl von der DK als auch vom Beschuldigten abgegrenzt werden können ("Unverwechselbarkeit", um eine Doppelbestrafung auszuschließen) und der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, sich sachgerecht zu verteidigen. Die Konkretisierung muss umso genauer sein, je größer die Möglichkeit von Verwechslungen mit anderen Dienstpflichtverletzungen besteht oder wo Verdachtsmomente bestritten werden (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage, 571 und die dort zitierte umfangreiche Judikatur).
3.3.2. Diesen gesetzlichen Voraussetzungen wird der Spruch des Einleitungsbeschlusses und dessen Begründung nicht gerecht. Die Beschreibung des vorgeworfenen Verhaltens ist nicht ausreichend bestimmt, und erfolgt keine klare Zuordnung der in den Spruchpunkten vorgeworfenen Handlungen bzw. Unterlassungen zu konkret angeführten Dienstpflichten des BF.
Einerseits wird dem BF vorgeworfen, er stehe im Verdacht eine Weisung nämlich die genannten Anstaltsverfügung Nr 01/2015 bzw 02/2017 nicht beachtet zu haben, weil er als in Rufbereitschaft befindlicher Beamter seinen Aufenthaltsort nicht so gewählt habe, dass er "binnen kürzester Zeit" seinen Dienst antreten habe können, andererseits war der BF gar nicht zur Rufbereitschaft eingeteilt, sondern ist nur "freiwillig" für einen Kollegen für einen nicht feststehenden Zeitraum eingesprungen, was aber nach den Ausführungen nicht gemeldet worden sei. Wobei aber nicht feststeht, wer wem zu melden gehabt hätte und ob der BF letztlich von einer zuständigen Stelle zur Rufbereitschaft eingeteilt worden ist oder nicht. Weisungen von unzuständigen Organen hätte er nämlich gar nicht zu befolgen. Zu all diesen Fragen hat die DK keinerlei Erhebungen getätigt, sondern die unvollständigen Angaben in der Disziplinaranzeige übernommen, anstatt den Sachverhalt zumindest soweit zu klären, dass eine Beurteilung möglich ist, ob ausreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der BF (und nicht etwa der Kollege für den er eingesprungen ist, oder der Nachdienstkommandant) möglicherweise eine Dienstpflichtverletzung begangen hat. Ein Auftrag an die Dienstbehörde gemäß § 123 Abs 1 BDG wäre dazu erforderlich gewesen, um zumindest die Erlasslage (Wer ist zuständig zur Einteilung der Rufbereitschaft? Darf getauscht werden? Wer muss zustimmen?) vollständig zu erheben und die wichtigsten Zeugen (W. und P.) niederschriftlich ausführlich vernehmen zu lassen sowie dem BF im Parteiengehör die Beweisergebnisse vorzuhalten. Dabei verkennt das BVwG nicht, dass der Sachverhalt in der Phase des Einleitungsbeschlusses noch nicht vollständig geklärt sein muss, es muss aber zumindest möglich sein zu beurteilen, ob ein Einstellungsgrund iSd § 118 BDG vorliegt (Hier insbesondere, ob der BF überhaupt eine Dienstpflichtverletzung begangen haben kann, weil er ja gar nicht eingeteilt war!). Die Begründung erschöpft sich dazu in der Aussage, dass dies offenkundig nicht der Fall sei, was angesichts der offenen Fragen nicht nachvollziehbar ist.
3.3.3. Gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung sei nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Dies trifft hier zu, die belangte Behörde hat jegliche erforderliche Ermittlungen unterlassen.
Die Vornahme der notwendigen Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten. Das BVwG kann die notwendigen Ermittlungen (aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nur in einer Verhandlung durchführen) und wäre diese jedenfalls kostenintensiver als die Beauftragung der Dienstbehörde durch die DK. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Judikatur darf verwiesen werden.
Schlagworte
Begründungsmangel, Dienstpflichtverletzung, Disziplinarverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2213939.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.06.2019