TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/26 W221 2155721-1

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Entscheidungsdatum

26.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2155721-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017, Zl. 1099386601-152017654, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.01.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab sie zunächst an, sie sei in Damaskus geboren worden und habe dort bis zu ihrer Ausreise im Bezirk XXXX gelebt. Weiter gehöre sie der Volksgruppe der Araber an. Syrien habe sie legal mit dem Flugzeug verlassen. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Beschwerdeführerin, dass in Syrien Krieg herrsche. Auch sei ihre Mutter krank, weswegen diese sich hier behandeln lassen wolle. Die Beschwerdeführerin habe in Syrien ihre Arbeit aufgegeben, da ihr Weg zu ihrem Arbeitsplatz sehr beschwerlich gewesen sei. Es habe viele Kontrollen und Checkpoints gegeben.

Am 22.03.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie zunächst, dass ihre bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Sie stamme aus Damaskus und habe dort in einer Pharmaziefabrik gearbeitet. Sie sei ledig und habe keine Kinder. Ihre Mutter und drei Brüder würden sich in Österreich aufhalten. Ein weiterer Bruder befinde sich in Deutschland. Eine Schwester und mehrere Onkel und Tanten würden noch in Syrien leben. Syrien habe sie legal über den Flughafen von Damaskus verlassen und sei in den Libanon ausgereist. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass in Syrien Krieg herrsche, ihre Mutter schwer krank sei und sie sich um sie kümmern habe müssen. An manchen Tagen habe sie jedoch aufgrund der vielen Checkpoints nicht zu dieser zurückkehren können, sondern habe sich bei Freundinnen bzw. Kolleginnen versteckt gehalten und die Rettung gerufen. Auch habe sie befürchtet als nicht verheiratete Frau zu einer Zwangsheirat mit einem Kämpfer genötigt zu werden.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017, zugestellt am 06.04.2017, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.04.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführerin fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin keine individuelle Verfolgung in ihrem Heimatland vorgebracht habe.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 03.04.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 02.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin befürchte im Falle einer Rückkehr nach Syrien im Bürgerkrieg zwischen die Fronten zu geraten. Ihr drohe eine Verfolgung aus politischen Gründen, wegen ihrer Herkunft bzw. einer ihr unterstellten politischen Gesinnung sowie aufgrund der Gefahr geschlechterspezifischer Gewalt gegen Frauen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 05.05.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit Beschwerdevorlage mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus terminlichen Gründen nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 28.11.2018 wurden die Beschwerdeführerin und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.01.2019 unter gleichzeitiger Übermittlung der aktuellen Länderberichte zur Lage in Syrien geladen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.01.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und im Beisein des Vertreters der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom XXXX , der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.01.2019, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien und gehört der Volksgruppe der Araber an. Sie ist sunnitischen Glaubens. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin reiste legal mit ihrem syrischen Reisepass im Jänner XXXX mit dem Flugzeug aus Syrien in den Libanon aus, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zwei Brüder der Beschwerdeführerin leben als Asylberechtigte in Österreich. Ihnen wurde der Asylstatus aufgrund der drohenden Einziehung zum Militär zuerkannt. Ein weiterer Bruder der Beschwerdeführerin lebt in Deutschland.

Die Mutter der Beschwerdeführerin lebt als subsidiär Schutzberechtigte in Österreich.

Die Schwester und mehrere Onkel und Tanten der Beschwerdeführerin leben noch in Syrien.

Die Beschwerdeführerin stammt aus Damaskus, genauer aus dem Bezirk XXXX . Der Stadtteil (wie mittlerweile auch die gesamte Region) steht unter Kontrolle des Regimes.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin Syrien XXXX wegen des Krieges verlassen hat und um ihre kranke Mutter zu begleiten.

Die Beschwerdeführerin ist nicht bereits ins Blickfeld des Regimes geraten, weil sie die Schwester von Wehrdienstverweigerern ist.

Die Beschwerdeführerin hat in Syrien zwei Mal im Jahr XXXX demonstriert, wobei sie jedoch nicht registriert oder kontrolliert wurde, weshalb sie nicht ins Blickfeld des Regimes geraten ist. In Österreich hat die Beschwerdeführerin vier Mal, zuletzt im XXXX , an Demonstrationen am Stephansplatz gegen das syrische Regime teilgenommen.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit (HRW 12.1.2017). Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016). Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 3.3.2017). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter (UNHRC 11.8.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. AI 22.2.2017). Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert. Die Toten werden häufig in Massengräbern begraben oder verbrannt und nur selten ihren Verwandten überstellt (Economist 20.12.2017). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 3.3.2017).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (als solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen (FH 1.2017). Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 3.3.2017). Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":

Torture, disease and death in Syria's prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 4.12.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - Syria,

https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/syria/report-syria/, Zugriff 5.12.2017

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The Economist (20.12.2017): Assad's torture dungeons - Pit of hell,

https://www.economist.com/news/middle-east-and-africa/21712142-dissidents-are-being-exterminated-syrian-jails-assads-torture-dungeons, Zugriff 5.12.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 4.12.2017

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 5.12.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/334763/477343_de.html, Zugriff 5.12.2017

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UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/33/35],

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 5.12.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 11.8.2017

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,

http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 12.12.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 19.10.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (5.12.2017): The World Factbook:

Syria - Military and Security,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 11.12.2017

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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 11.12.2017

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DRC/DIS - Danish Refugee Council/ The Danish Immigration Service (8.2017): Syria, Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria,

https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/7AF66D4A-5407-4B98-9750-7B16318EF188/0/SyrienFFMrapportaugust2017.pdf, Zugriff 6.12.2017

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FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 11.12.2017

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 12.12.2017

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ISW - Institute for the Study of War (8.3.2017): Iran's Assad Regime,

http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%27s%20Assad%20Regime.pdf, Zugriff 11.12.2017

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PAR - Webseite des Parlaments der Arabischen Republik Syrien (15.11.2017):

http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=-1&Loc1=&Key1=&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1&, Zugriff 7.12.2017

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Reuters (20.7.2016): Seeing no future, deserters and draft-dodgers flee Syria,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-army-idUSKCN1001PY, Zugriff 12.12.2017

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SANA - Syrian Arab News Agency (8.11.2017):

http://www.sana.sy/?p=656572, Zugriff 7.12.2017

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Syria Direct (7.12.2017): Syrian public sector employees fired in latest government conscription effort, http://syriadirect.org/news/syrian-public-sector-employees-fired-in-latest-government-conscription-effort/, Zugriff 13.12.2017

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SLJ - Syrian Law Journal via Twitter (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37,

https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320, Zugriff 7.12.2017

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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 12.12.2017

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.11.2017):

International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic; Update V, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1509950296_2017-11-03-unhcr-syria-protection-considerations-v.pdf, Zugriff 12.12.2017

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USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/345237/489032_de.html, Zugriff 12.12.2017

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Zeit Online (10.12.2017): Der Weg zurück nach Syrien, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-12/syrien-fluechtlinge-rueckkehr/komplettansicht, Zugriff 11.12.2017

Frauen

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind (FH 1.2017).

Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation und vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den andauernden Konflikt dramatisch, weil Frauen Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Aufgrund der Kampfhandlungen (orig. shelling) zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017).

In oppositionellen Gebieten, welche von radikalislamistischen Gruppen kontrolliert werden (z.B. in Idlib oder umkämpften Gebieten östlich von Damaskus), sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Außerdem ist es schwierig für sie zu arbeiten, weil sie unter Druck stehen, zu heiraten. Dies hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die der IS kontrolliert(e), wurde ein Dokument veröffentlicht, welches Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt. Die Punkte waren unter anderem, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten (mahram) zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen (USDOS 3.3.2017; vgl. BFA 8.2017). In Raqqa gründete der IS die "al-Khansaa"-Brigade, welche hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des IS bei anderen Frauen durchsetzten soll (USDOS 3.3.2017). Familien werden auch gezwungen ihre Töchter an IS-Kämpfer zu verheiraten. Jabhat Fatah ash-Sham [Anm.: vormals Jabhat al-Nusra] ist Frauen gegenüber etwas weniger restriktiv, die Situation ist jedoch ähnlich. Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikalislamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).

Sexuelle Gewalt und deren Folgen

Vergewaltigungen sind weit verbreitet und die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigungen gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder ein, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen. Das tatsächliche Ausmaß von sexueller Gewalt in Syrien lässt sich nur schwer einschätzen, weil viele Vergehen nicht angezeigt werden. Es passieren auch Vergewaltigungen durch Wächter und Sicherheitskräfte in Haftanstalten (USDOS 3.3.2017).

Frauen und Mädchen sind besonders im Kontext von Hausdurchsuchungen, an Checkpoints, in Haftanstalten, an Grenzübergängen und nach einer Entführung durch regierungstreue Einheiten von sexueller Gewalt betroffen, während Männer und Jungen vor allem während Verhören in Haftanstalten der Regierung von sexueller Gewalt betroffen sind (WILPF 11.2016 und BFA 8.2017).

Vergewaltigung außerhalb der Ehe ist zwar laut Gesetz strafbar, die Regierung vollstreckt dieses Gesetz jedoch nicht. Außerdem kann der Täter Straffreiheit erlangen, wenn er das Opfer heiratet, um so das soziale Stigma einer Vergewaltigung zu vermeiden (USDOS 3.3.2017). Die gesellschaftliche Tabuisierung von sexueller Gewalt führt zu einer Stigmatisierung von Frauen, die in Haft waren, zur Erniedrigung von Opfern, Familien und Gemeinschaften und zu einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Fälle von sexueller Gewalt. Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden oder eine Vergewaltigung auch nur vermutet wird. Es gibt Fälle von Frauen, die nach einer Vergewaltigung Opfer von Ehrenmorden werden. Berichten von NGOs zufolge kam es seit dem Ausbruch des Konfliktes zu einem starken Anstieg bei Ehrenmorden infolge weit verbreiteter Fälle von Vergewaltigungen durch Regierungseinheiten und Ausbeutung durch den IS (BFA 8.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Alleinstehende Frauen

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt. In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten (BFA 8.2017).

Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können (BFA 8.2017). Im Dezember 2017 hat das von Hay'at Tahrir ash-Sham gestützte Syrian Salvation Government (SSG) in der Provinz Idlib, die großteils von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert wird, eine Entscheidung verkündet, laut welcher alle Witwen in ihrem Kontrollgebiet mit einem Shari'a-konformen männlichen Familienangehörigen wohnen müssen. Die Meldung warnt auch vor Bestrafung für "jeden der sich nicht nach dieser Regelung richtet", es ist jedoch noch unklar wie die Entscheidung umgesetzt wird (Syria Direct 14.12.2017).

Quellen:

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 19.10.2017

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CHH - Chatham House (8.12.2017): Governing Rojava - Layers of Legitimacy in Syria,

https://www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/publications/research/2016-12-08-governing-rojava-khalaf.pdf, Zugriff 11.12.2017

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Eijk - Esther van Eijk (2013): Family law in Syria: a plurality of laws, norms, and legal practices. Dissertation, Universität Leiden, https://openaccess.leidenuniv.nl/bitstream/handle/1887/21765/Binnenwerk%20Proefschrift_EvanEijk_26July%202013%20corr.pdf?sequence=20, Zugriff 21.12.2017

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Eijk - Ester van Eijk (2.1.2018): Information per E-Mail

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Eijk - Ester van Eijk (4.1.2018): Information per E-Mail

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Emory - Universität Emory (o.D.): Islamic Family Law - Syria (Syrian Arab Republic),

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SNHR - Syrian Network for Human Rights (25.11.2016): 22,823 Women Killed in Syria since March 2011 - Living in Deprivation, http://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/22823_Woman_killed_in_Syria_since_March_2011_en.pdf, Zugriff 16.1.2018

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Rückkehr

Laut der International Organization for Migration (IOM) sind zwischen Januar und Juli 2017 602.759 vertriebene Syrer in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. 93 Prozent davon sind Binnenvertriebene gewesen und 7 Prozent kehrten aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien und dem Irak nach Syrien zurück. Rückkehrer aus der Türkei und Jordanien kehrten hauptsächlich in die Provinzen Aleppo und Hassakah zurück (IOM 11.8.2017). Am Beginn des Jahres kam es zur Rückkehr von etwa 150.000 Personen (Zeitraum Januar-April 2017) nach Ost-Aleppo, wobei die Dauerhaftigkeit dieser Rückkehr fragwürdig ist, da die Zahl der beschädigten Unterkünfte in Ost-Aleppo sehr hoch ist (IDMC 2017).

Die Hauptfaktoren, die die Entscheidung zurückzukehren, beeinflussen, sind primär die Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern, den Zustand des eigenen Besitzes/Grundstücks zu prüfen und in manchen Fällen auch die tatsächliche oder wahrgenommene Verbesserung der Sicherheitslage in Teilen des Landes (UNHCR 30.6.2017 und IOM 11.8.2017). Andere Rückkehrgründe können eine Verschlechterung der ökonomischen Situation am Zufluchtsort oder soziokulturelle Probleme sein (Die Presse 14.8.2017, vgl. IOM 11.8.2017).

Das Konzept von Binnenvertriebenen ist jedoch viel weiter gefasst, als jenes von Flüchtlingen. Binnenvertriebene sind all jene, die ihr Zuhause verlassen haben und dabei sehr kurze oder auch weite Entfernungen zurückgelegt haben. Kürzere Distanzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr. Beispielsweise kehren viele IDPs aus West-Aleppo nach Ost-Aleppo zurück, oder viele IDPs aus den Vorstädten von Damaskus kehrten in die Vororte Qabun oder Qudsaya zurück, nachdem diese von der syrischen Armee wieder erobert wurden. Das hauptsächliche Hindernis bei der Rückkehr bleibt das Fehlen von Sicherheit, wobei diese Einschätzung von der geographischen Herkunft, sozioökonomischen Lage und einer potentiellen Beteiligung im Widerstand gegen das syrische Regime beeinflusst wird (WI 7.7.2017).

Geschätzte 67 Prozent der Rückkehrer (405.420 Personen) kehrten in die Provinz Aleppo zurück, 27.620 nach Idlib, 75.209 nach Hama,

45.300 nach Raqqa, 21,346 nach Damaskus-Umland und 27.861 in andere Provinzen. Berichten zufolge kehrten 97 Prozent der Vertriebenen zu ihrem eigenen Haus zurück, 1,8 Prozent leben bei Gastgebern, 1,4 Prozent in verlassenen Häusern, 0,14 Prozent in informellen Siedlungen und 0,03 Prozent in gemieteten Unterkünften. Der Zugang zu Nahrung und Haushaltsgegenständen der Rückkehrer liegt dieser Studie zufolge bei 80 und 83 Prozent, der Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung nur bei 41 und 39 Prozent, weil die Infrastruktur des Landes durch den Konflikt extrem beschädigt wurde. Im Jahr 2016 lag die Zahl der Rückkehrer bei 685,662. Von diesen Rückkehrern wurden jedoch geschätzte 20.752 im selben Jahr und 21.045 im Jahr 2017 erneut vertrieben. Während die Zahl der Rückkehrer in Syrien steigt, ist die Zahl der Vertreibungen weiterhin hoch. So wurden von Januar bis Juli 2017 geschätzte

808.661 Personen aufgrund des Konfliktes vertrieben, viele davon zum zweiten oder dritten Mal. Laut IOM war die Rückkehr von IDPs hauptsächlich spontan, aber nicht notwendigerweise freiwillig, sicher oder nachhaltig (IOM 11.8.2017).

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 17.8.2017). Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage des Gesetzes Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt sind (UNHCR 2.2017).

Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017). Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Assad-Regimes angesehen wird (UK HOME 8.2016).

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 3.3.2017).

In den von oppositionellen Gruppierungen wie Jabhat Fatah ash-Sham oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten Gebieten verfügen die bewaffneten Gruppen ebenfalls über Listen von "Dissidenten". Ihnen drohen Misshandlung und Verschwindenlassen. Auch oppositionelle Gruppen kontrollieren Rückke

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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