TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/26 W170 2201775-1

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Entscheidungsdatum

26.02.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2201775-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX XXXX geb., StA. Syrien, vertreten durch den 1. MigrantInnenverein St. Marx und 2. ehem. Rechtsanwalt Dr. Lennart BINDER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2018, Zl. 1084341500 - 151175731, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, und § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, hinsichtlich Spruchpunkt I. stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) stellte am 23.06.2015 - gemeinsam mit seiner Nichte XXXX , und seinem Neffen XXXX - einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe.

Im Rahmen der behördlichen Einvernahme brachte der Beschwerdeführer, der weder in Syrien mit oben genannter Nichte bzw. oben genanntem Neffen in einem Haushalt gewohnt noch gemeinsam mit diesen Syrien verlassen habe, vor, er habe in Syrien in einem zwischen dem Regime und der freien syrischen Armee (FSA) umkämpften Gebiet gewohnt. Da er einen Bagger besessen habe, seien sowohl die syrische Armee als auch die FSA zu ihm gekommen, um den Bagger temporär zu requirieren. Nachdem die FSA einmal den Bagger mitgenommen habe, sei der Beschwerdeführer von syrischen Soldaten verhaftet, dem militärischen Geheimdienst übergeben und für 18 Tage eingesperrt worden. Da auch nach der Freilassung die FSA wiedergekommen sei, habe der Beschwerdeführer Syrien mit seiner Familie - seiner Frau und seinen Kindern - verlassen. Aus Kostengründen sei er alleine nach Europa gereist.

Im Rahmen des Administrativverfahrens legte der Beschwerdeführer seinen syrischen Personalausweis, seinen syrischen Führerschein, ein Familienbuch, eine Heiratsurkunde, eine Heiratsbescheinigung, einen Familienregisterauszug sowie schließlich seinen syrischen Reisepass vor.

3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 19.06.2018, erlassen am 29.06.2018, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Syrien wegen des Krieges verlassen habe, seine anderen Fluchtgründe seien nicht glaubhaft gemacht worden.

4. Mit am 17.07.2018 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer in Syrien asylrelevante Verfolgung drohe, da man ihm vorwerfe, die Rebellen unterstützt zu haben. Auch drohe dem Beschwerdeführer, zum Kriegsdienst gezwungen zu werden.

5. Das Verfahren wurde am 25.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde am 29.01.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger, der der Volksgruppe der Araber und der Konfession der Sunniten angehört. Die Identität des XXXX steht fest. Der XXXX ist in Österreich unbescholten.

XXXX stammt aus der Stadt Nafiah, Gouvernement Daraa; diese ist derzeit und wohl auf Dauer in der Hand des syrischen Regimes.

1.2. XXXX hat Syrien im Februar 2013 aus syrischer Sicht rechtswidrig verlassen, da er nach Jordanien ausgereist ist, ohne sich einer Grenzkontrolle zu unterziehen. XXXX ist gemeinsam mit seiner Familie, das heißt seiner Ehefrau XXXX , und seinen Söhnen XXXX , und XXXX , sowie seinen Töchtern XXXX , und XXXX , ausgereist; die Familienangehörigen halten sich immer noch außerhalb Syriens auf, der inzwischen 18-jährige Sohn XXXX hat sich nicht um die Erfüllung seiner Wehrpflicht in Syrien gekümmert.

1.3. XXXX könnte Nafiah nicht erreichen, ohne sich zumindest bei der Einreise, die im gegenständlichen Fall im Wesentlichen nur über einen vom Regime kontrollierten Flughafen oder Hafen möglich ist, einer Kontrolle durch syrische Sicherheitsorgane zu stellen. Hiebei würde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass XXXX einerseits rechtswidrig ausgereist ist und andererseits der Vater des inzwischen fahnenflüchtigen XXXX ist. Es besteht daher die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass XXXX festgenommen und für mehrere Tage angehalten und befragt werden wird, weil man ihm eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen bzw. zum Verbleib seines ältesten Sohnes befragen wird. Diese Anhaltung ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit Folter verbunden.

1.4. Das Vorbringen, dass die FSA den Bagger des XXXX requiriert habe und er deshalb von syrischen Soldaten festgenommen und vom Geheimdienst angehalten worden sei, ist nicht glaubhaft gemacht worden.

1.5. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass XXXX von der syrischen Armee als Reservist eingezogen werden würde.

1.6. Es sind keine Hinweise zu sehen, aus denen zu schließen wäre, dass XXXX Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht hätte.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben und vor allem den vorgelegten, nach der Aktenlage unbedenklichen syrischen Ausweisen des Beschwerdeführers, hinsichtlich der Unbescholtenheit aus der in das Verfahren eingeführten Strafregisterauskunft. Die Feststellung zum Herkunftsort des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen glaubwürdigen, weil seit Antragstellung diesbezüglich gleichbleibenden, Aussagen und dem Umstand, dass kein Grund zu sehen ist, der gegen die Richtigkeit dieser Angaben spricht. Dass das Herkunftsgebiet in der Hand des Regimes ist, entspricht den Länderberichten, dem Amtswissen und traten die Parteien diesem Umstand trotz Vorhalt in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. hinsichtlich der Umstände und des Zeitpunkts der Ausreise des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen glaubwürdiger Aussage, die vom Umstand gestützt wird, dass im Reisepass des Beschwerdeführers laut Aktenlage kein syrischer Ausreisestempel angebracht ist.

Dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen in den Feststellungen genannten Kindern ausgereist ist, ist glaubhaft, weil dies einerseits lebensnahe ist und andererseits der Beschwerdeführer dies ab der behördlichen Einvernahme gleichbleibend vorgebracht hat. Darüber hinaus war dem Beschwerdeführer auch noch in der mündlichen Verhandlung die Relevanz dieses Vorbringens nach der Wahrnehmung des entscheidenden Richters nicht bewusst, das heißt, ihm war nicht klar, dass es sich hier um unter Umständen entscheidungsrelevante Teile seines Vorbringens handelt und ist daher nicht zu erkennen, warum der Beschwerdeführer diesbezüglich aus seiner subjektiven Sicht die Unwahrheit hätte sagen sollen. Dies gilt ebenso für die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthalts der Familie des Beschwerdeführers außerhalb Syriens und des Umstandes, dass sich der inzwischen 18-jährige Sohn des Beschwerdeführers nicht um die Erfüllung seiner Wehrpflicht in Syrien gekümmert hat; darüber hinaus sind die den Feststellungen zu Grunde liegenden Angaben lebensnahe und ist kein Grund zu sehen, warum diese nicht der Wahrheit entsprechen sollten.

2.3. Zu 1.3. ist einleitend auszuführen, dass die Feststellung, der Beschwerdeführer könnte Nafiah nicht erreichen, ohne sich zumindest bei der Einreise, die im gegenständlichen Fall im Wesentlichen nur über einen vom Regime kontrollierten Flughafen oder Hafen möglich ist, einer Kontrolle durch syrische Sicherheitsorgane zu stellen, sich im Wesentlichen daraus ergibt, dass ein anderer sicherer und legaler Weg, Syrien zu erreichen und in ein Gebiet zu reisen, das in der Hand des Regimes ist, nicht zu sehen ist sowie sich aus den Länderberichten ergibt, dass das syrische Regime die in seiner Hand befindlichen Grenzkontrollstellen auch wirklich kontrolliert. Dass hiebei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden würde, dass der Beschwerdeführer rechtswidrig ausgereist ist, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass er mangels eines Ausreisestempels im syrischen Reisepass die legale Ausreise nicht wird nachweisen können.

Hinsichtlich der weiteren Feststellungen zu 1.3. ist auf folgende Überlegungen, die auf den in das Verfahren eingeführten Länderberichten fußen, hinzuweisen:

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen, viele weigern sich, der Armee beizutreten.

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie vor unvermindert statt, für männliche syrische Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen.

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrschen zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden. Die Wehrdienstverweigerung eines Familienangehörigen wird als Indikator der politischen Verlässlichkeit auch seiner Angehörigen gesehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, S. 40, S. 44, S. 48, S. 50).

Grundsätzlich genießen syrische Staatsbürger Reisefreiheit; sie können Syrien frei verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. Die Ausreise ist mit einer Gebühr verbunden (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017, S. 3).

Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte (iSv Angestellte des Staates), Berufssoldaten und wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 42 Jahren (UNHCR, ebendort, S. 3 f).

Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können; Berufssoldaten, die ohne entsprechende Genehmigung ausreisen, werden als Deserteure behandelt (UNHCR, ebendort, S. 3).

Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise (UNHCR, ebendort, S. 4) und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischen Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen - UNHCR, ebendort, S. 4 f) überprüft.

Personen, die unter ein unten dargestelltes Risikoprofil fallen, können mit realer Wahrscheinlichkeit mit Isolationshaft und Folter rechnen (UNHCR, ebendort, S. 5), ebenso werden Rückkehrende inhaftiert, weil ein Familienmitglied, etwa wegen Nichtbeachtens eines Einberufungsbefehls, gesucht wird (UNHCR, ebendort, S. 5).

Die genannten Risikogruppen sind (UNHCR, ebendort, S. 13 ff):

• Personen mit einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung;

• Personen, die aus einem Gebiet stammen, das von der Opposition beherrscht wird oder wurde, vor allem wehrfähige Männer;

• Wehrdienstflüchtige;

• Deserteure und

• Exiloppositionelle, insbesondere Teilnehmer an regimekritischen Demonstrationen

Daher ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als Vater eines Wehrdienstflüchtlings, der bei der Einreise wegen seiner rechtswidrigen Ausreise auffallen würde, festgenommen, zumindest für einige Tage angehalten und unter Anwendung von Folter zu seinem Sohn befragt werden würde; man würde ihm auch wegen der Wehrdienstverweigerung seines Sohnes eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellen.

2.4. Die Feststellung zu 1.4. ergibt sich aus den Widersprüchen im Vorbringen des Beschwerdeführers im Laufe des Asylverfahrens, die dieser trotz Vorhalt nicht hinreichend erklären konnte.

So hat der Beschwerdeführer vor der Behörde am 21.09.2017 nur von einem Vorfall berichtet, bei dem die FSA nur einen Baggerfahrer mitgebracht hat, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht davon sprach, dass die FSA den Bagger vor der Festnahme etwa 5 Mal "ausgeborgt" hatte.

Weiters hat der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass sein Bagger unmittelbar vor der Festnahme für sieben Tage bei der FSA gewesen sei, während er vor dem Bundesamt am 21.09.2017 angegeben hatte, dass der Bagger vor der Festnahme lediglich sieben Stunden dort gewesen sei.

Schließlich hat der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt angegeben, dass er eine Woche nach der Rückgabe des Baggers verhaftet wurde; laut seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht seien dazwischen aber etwa eineinhalb Monate vergangen.

Alle diese Widersprüche konnten nicht aufgeklärt werden und stehen einer Glaubhaftmachung des Vorbringens des Beschwerdeführers entgegen.

2.5. Dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer von der syrischen Armee als Reservist eingezogen werden würde (Feststellung 1.5.) ergibt sich aus dem Alter des Beschwerdeführers - dieser ist inzwischen im 46. Lebensjahr - und aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine spezialisierte militärische Ausbildung erhalten hat, sondern bloß die Grundausbildung durchlaufen hat. Daher ist er für das syrische Regime bzw. Militär von keinem gesteigerten militärischen Interesse und besteht zwar die bloße Möglichkeit, nicht aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Einberufung als Reservist.

2.6. Dass keine Hinweise zu sehen sind, aus denen zu schließen wäre, dass der Beschwerdeführer Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht hätte, ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.

2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH vom 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH vom 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention).

Man würde dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wegen seiner rechtswidrigen Ausreise sowie wegen des Umstandes, dass sich sein Sohn dem Militärdienst entzogen hat, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen, diesen zumindest für einige Tage festnehmen und im Rahmen dieser Anhaltung der Folter unterwerfen.

Daher liegt eine dem Beschwerdeführer objektiv drohende asylrelevante Verfolgung vor.

3. Da die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül die sichere und legale Erreichbarkeit des ins Auge gefassten Gebietes erfordert (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063) und eine sichere und legale Rückkehr nach Syrien nur über den Flughafen von Damaskus möglich wäre, dieser aber in der Hand des Regimes ist und dieses der Verfolger des Beschwerdeführers ist, kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht.

4. Da darüber hinaus keine vom Beschwerdeführer verwirklichten Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde stattzugeben, dem Beschwerdeführer der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass diesem somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die für die Entscheidung relevante Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dargestellt, es ist keine von dieser Judikatur nicht umfasste, entscheidungsrelevante Rechtsfrage erkennbar. Daher ist die Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
begründete Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg, Festnahme,
Flüchtlingseigenschaft, Folter, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit,
Herkunftsstaat, illegale Ausreise, inländische Schutzalternative,
innerstaatliche Fluchtalternative, mündliche Verhandlung,
Nachvollziehbarkeit, politische Gesinnung, Sippenhaftung,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, Wehrdienstverweigerung,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2201775.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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