TE Bvwg Beschluss 2019/3/7 L529 2215363-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §37
AVG §58
AVG §60
AVG §66 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L529 2215363-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Georgien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bzw. Beschwerdeführer "BF" bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Georgien und stellte erstmals am 13.01.2012 nach rechtswidriger Einreise nach Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde gemäß § 5 AsylG wegen Zuständigkeit der Slowakei zurückgewiesen und der BF in die Slowakei ausgewiesen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.02.2012, Zl. S4 424.647-1/2012/2E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

I.2. Am 30.07.2015 stellte die bP gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. In Bezug auf das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird konkret auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche im Wesentlichen zusammengefasst wiedergegeben werden.

I.2.1. In der Erstbefragung am 30.07.2015 gab der BF zum Fluchtgrund befragt an, dass die alten Fluchtgründe aufrecht blieben und sich nicht geändert hätten. Er möchte noch einmal einen Asylantrag stellen, damit die Lage neu geprüft werde. Die Caritas und die Polizei in Wien hätten ihm dazu geraten.

I.2.2. In der niederschriftlichen Einvernahme am 06.03.2017 gab der BF an, er habe im Jahr 2009 oder 2010 Georgien legal verlassen. Im Jahr 2012 sei er illegal nach Österreich eingereist. Nach seinen Asylanträgen sei er zweimal in die Slowakei geschickt worden. Auch in der Schweiz habe er einen Asylantrag gestellt, sei aber von dort in die Slowakei abgeschoben worden.

In Georgien habe er als Automechaniker gearbeitet, und sei auch als Holzunternehmer selbständig gewesen.

Es sei auf ihn zweimal geschossen worden, einmal im Jahr 2000, und ein weiteres Mal im Jahr 2002 oder 2004. Einmal hätten sie in seinem Haus auf ihn geschossen, das andere Mal sei er in seinem LKW unterwegs gewesen. Als auf ihn und den LKW geschossen worden sei, sei er verletzt worden und ins Krankenhaus gebracht worden.

XXXX habe auf ihn geschossen, weil er sich geweigert habe, gratis Holzlieferungen durchzuführen.

Seine Schwester sei im Jahr 2006 verstorben. Ein Mann habe sie geschlagen und sie sei in der Folge verstorben. Der eigene Ehemann habe diese umgebracht, dieser habe auch den BF mit einem Messer umbringen wollen.

Er habe eine Therapie wegen Hepatitis C absolviert und müsse nur noch zur Kontrolle. Er werde psychologisch und psychiatrisch behandelt. Er gehe monatlich zweimal zum Psychiater und zweimal zum Psychologen. Dazu legte er medizinische Behandlungsbestätigungen vom 24.02.2017 und vom 28.02.2017 (Dialog; Hemayat) vor.

Der BF legte zudem zwei Dokumente in georgischer Sprache zur Untermauerung seines Vorbringens vor. Ebenso brachte er die Kopie eines Personalausweises mit der Nummer 3300106908 vor und gab gleichzeitig an, sein richtiger Name sei XXXX.

I.2.3. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27.02.2018 wurden der bP eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.10.2017 und ein aktueller Auszug aus den Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Georgien übersandt und gleichzeitig Fragen zum Gesundheitszustand, zur Integration, zum Privat- oder Familienleben und zu Angehörigen in Georgien oder einem anderen Land übermittelt.

I.2.4. Dazu nahm die bP mit Schreiben vom 09.03.2018 Stellung.

I.2.5. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), der Beschwerde gem. § 18 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VII.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wird (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG ausgesprochen dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.06.2013 verloren hat (Spruchpunkt IX.).

I.2.5.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft. Schon die Angaben zu Familienangehörigen seien massiv divergierend gewesen, insoweit sei dem BF daher die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen. Die Schilderungen des BF seien vage, unsubstantiiert, oberflächlich und detailarm gewesen. Seine Aussagen seien unpräzise und unkonkret gewesen. Insgesamt könne daher festgestellt werden, dass der BF über mangelhafte und unpräzise Angaben hinaus keine wesentlichen Details bzw. Merkmale habe vorbringen können. Sein Vorbringen im Hinblick auf die fluchtauslösenden Ereignisse sei demnach nicht glaubhaft.

I.2.5.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche Feststellungen.

I.2.5.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen unter § 57 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar. Aufgrund der Darstellung des Privatlebens der bP sei eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich nicht erkennbar. Die bP sei in Österreich gerichtlich verurteilt worden, und bestehe gegen sie ab 15.07.2013 ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot. Zudem stamme die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat und wurde daher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 (1) 1, 2 und 6 BFA-VG). Spruchpunkt VIII. gründe sich auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG - eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten.

I.2.6. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der BF ein in sich geschlossenes und immer gleichbleibendes Vorbringen erstattet habe. Die vom BF vorgebrachte Verfolgung durch Privatpersonen sei asylrelevant, da der georgische Staat unwillig bzw. unfähig sei, den BF zu beschützen.

Der BF sei seit 2012 in Österreich aufhältig und bemühe sich um eine Integration in die österreichische Gesellschaft. Die Dauer des Einreiseverbotes sei überzogen und nicht gerechtfertigt. Im Übrigen sei die Abschiebung nach Georgien unzulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der BF stellte gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 30.07.2015, wurde an diesem Tag erstbefragt und von der bB am 06.03.2017 niederschriftlich einvernommen. Am 27.02.2018 erfolgte seitens der bB eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme; in Beantwortung dieser Verständigung nahm der BF mit Schreiben vom 09.03.2018 Stellung.

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht nicht fest; das Ermittlungsverfahren ist grob mangelhaft.

II.2. Beweiswürdigung:

ie Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, anzuwendendes Verfahrensrecht

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

II.3.1.4. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

II.3.2. Zur Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar und soll von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,

-

wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

-

wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder

-

bloß ansatzweise ermittelt hat.

-

Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

II.3.3. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

II.3.3.1. Anlässlich der Einvernahme am 06.03.2017 legte der BF mehrere Dokumente (vgl. AS 105 - 117) vor, davon auch Dokumente in georgischer Sprache. Eines dieser Dokumente (vgl. AS 112 bzw. auch 117) wurde in der Einvernahme (vgl. AS 82) einer Übersetzung zugeführt. Ein weiteres Dokument wurde als unleserlich bezeichnet. Zwar trifft dies auf das Dokument auf AS 113 zu, nicht aber auf die (offenbar das gleiche Dokument zeigende) AS 116. Es ist unklar welchen Inhalt dieses Dokument hat und wäre eine Übersetzung notwendig gewesen. Zudem finden beide Dokumente keine Erwähnung in der Beweiswürdigung und fehlt daher insoweit eine entsprechende Auseinandersetzung der bB mit den vorgelegten Dokumenten.

II.3.3.2. Zwar führte die bB am 06.03.2017 eine Einvernahme der bP durch und antwortete die bP mit Schreiben vom 09.03.2018 auf die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27.02.2018, doch findet sich zwischen diesem Datum (09.03.2019) und der Erstellung des Bescheides (am 25.01.2019) - also nahezu ein Jahr - kein weiterer Ermittlungsschritt der belangten Behörde, was bedeutet, dass die Angaben der bP zum Privat- und Familienleben, zur Integration und zum Gesundheitszustand nicht mehr aktuell sind und daher Ermittlungen in dieser Hinsicht notwendig gewesen wären.

Zudem ist der Akt - betreffend die Stellungnahme der bP vom 09.03.2019 - unvollständig. Die Stellungnahme der bP vom 09.03.2018 wurde per Telefax eingebracht und ist dem Deckblatt (AS 189) zu entnehmen, dass die Stellungnahme (inkl. Deckblatt) insgesamt 13 Seiten umfasst. Tatsächlich umfasst diese Stellungnahme im vorliegenden Akt aber nur neun Seiten (AS 189 - 205), d.h. es fehlen vier Seiten. Einleitend wird in dieser Stellungnahme auf eine Behandlungsbestätigung vom 17.11.2017 und eine Behandlungsbestätigung vom 05.03.2018 verwiesen, die sich in der Beilage befänden. Tatsächlich fehlen diese beiden Bestätigungen aber und setzte sich die bB folglich auch nicht damit auseinander. Ohne eine solche Auseinandersetzung erweist sich aber das Absehen von der Einholung eines psychologisch/psychiatrischen Sachverständigengutachtens mit dem Hinweis auf eine beabsichtigte Verfahrensverschleppung als unzureichend begründet. Die Behauptung im Bescheid, der BF habe zwischenzeitig keine weiteren Befunde in Vorlage gebracht, erweist sich angesichts der obigen Ausführungen (Fehlen von vier von insgesamt 13 Seiten der Stellungnahme) als nicht gesichert.

II.3.3.3. Der angefochtene Bescheid enthält zwar aktuelle Länderberichte zu Georgien, zur Kenntnis gebracht wurden diese Berichte dem BF vor der Bescheiderlassung dem Akteninhalt nach nicht; demgemäß wurde sein Recht auf Parteiengehör verletzt.

II.3.3.4. Das von der belangten Behörde ausgesprochene Einreiseverbot von 10 Jahren wurde von der bB auf die entsprechenden Auszüge aus dem Strafregister und der Tatsache der mehrfachen strafgerichtlichen Verurteilung gestützt. Wie die bB in der Begründung zu Recht ausführt, ist bei der Bemessung - dh. der Festlegung der Dauer des Einreiseverbotes - das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und die Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. D.h. für den konkreten Fall, dass eine Auseinandersetzung mit dem zugrundeliegenden Fehlverhalten und der entsprechenden Rechtsgutbeeinträchtigung - und daher mit den entsprechenden Gerichtsurteilen - notwendig gewesen wäre, was die bB allerdings unterlassen hat.

II.3.3.5. Schon aufgrund des Unterlassens von Erhebungen zum Inhalt vorgelegter Dokumente ergibt sich, dass die belangte Behörde insgesamt von einer ungenügenden Sachverhaltsgrundlage ausgegangen und die notwendige Ermittlung des Sachverhalts unterlassen hat, was nach Lage des Falles ergänzende Ermittlungen erforderlich macht.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Bescheide iSd § 58 AVG zu begründen sind. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024, und 21.12.2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

II.3.3.6. Das Vorgehen der belangten Behörde - Unterlassen jeglicher Ermittlungsschritte in der Dauer nahezu eines Jahres (die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergibt sich schon aufgrund der langen Zeitdauer) und dann die Bescheiderlassung unter gleichzeitigem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde - kann nur so interpretiert werden, dass damit nicht unerhebliche Ermittlungsschritte auf die Beschwerdeinstanz übergewälzt werden sollten. Angesichts der mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde de facto verbundenen verkürzten einwöchigen Entscheidungsfrist bleibt in erster Linie nur die Behebung und Zurückverweisung als Sanierungsmöglichkeit.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die oben aufgelisteten fehlenden Ermittlungen (vgl. oben die Punkte II.3.3.1., II.3.3.2, II.3.3.3. und II.3.3.4.) durchzuführen haben.

II.3.4. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Dass gegebenenfalls die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, ist angesichts des Wohnortes nicht erkennbar.

II.4. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylantragstellung, Asylverfahren, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Fluchtgründe, Gefährdungsprognose, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Schutzfähigkeit des Staates,
Schutzunfähigkeit des Staates, staatliche Schutzfähigkeit,
staatliche Schutzwilligkeit, staatlicher Schutz, strafrechtliche
Verurteilung, Übersetzung, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2215363.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten