TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/7 L519 2184708-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.2019
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Entscheidungsdatum

07.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §6

Spruch

L519 2184708-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Islamische Republik Pakistan (im Folgenden: Pakistan), vertreten durch RA Dr. Mory, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 28.12.2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 und 3 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger Pakistans, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 01.05.2017 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. dem BFA brachte der BF im Wesentlichen Folgendes vor:

Er werde aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ahmadi von anderen Bewohnern Pakistans verfolgt. Familienmitglieder seien aufgrund der Abstammung ermordet und der BF selbst bedroht worden. Er habe ursprünglich zu seinen Brüdern nach Deutschland reisen wollen.

Der BF legte eine Bestätigung der Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich (Ahmadiyagemeinde) vor. In Salzburg gäbe es 19 Personen, die zur religiösen Gemeinde des BF gehören würden. Er sei der "Imam". Weiters legte er eine Anzeige gemäß § 298 pakistanischem Strafgesetz gegen seinen Vater, einen Zeitungsbericht betreffend die Tötung seiner Cousins im Rahmen eines Attentates auf eine Moschee, einen Bericht über die Ermordung eines weiteren Familienmitglieds, eine Deutschkursbestätigung, eine Aussendung der Regierung betreffend § 298, ein Foto, allgemeine Berichte über die Lage der Ahmadiyya, eine Geburtsurkunde, Aufenthaltstitel der Brüder für Deutschland und eine Auflistung der Repressalien gegen die Familie des BF samt Liste von Personen, welche aufgrund ihres Glaubens ermordet wurden, vor.

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Das Fluchtvorbringen hinsichtlich einer generellen Benachteiligung der Ahmadis wurde grundsätzlich für glaubwürdig erachtet und wurden etwa auch die Belästigungen in der Schulzeit bzw. spätere Drohungen für glaubhaft gewertet, jedoch wurde begründend dargetan, dass diesen mangels der für die Asylgewährung erforderlichen Intensität keine Asylrelevanz zukomme.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu Spruchpunkt I. wurde ausgeführt, dass die vom Antragsteller geschilderten Vorfälle kein solches Ausmaß erreichen würden, um von einer Verfolgung konkret seiner Person auszugehen. Zudem wäre es dem BF möglich gewesen, sich in anderen Landesteilen von Pakistan niederzulassen.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde zusammengefasst neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass der Bescheid mit wesentlichen Begründungsmängeln und mangelhaften Feststellungen behaftet sei. Die belangte Behörde habe auch ihre amtswegigen Ermittlungspflichten verletzt.

Zunächst wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid im Spruchpunkt I dahingehend abzuändern, dass dem BF aufgrund seines Antrags der Status des Asylberechtigten zuerkannt und seine Flüchtlingseigenschaft festgestellt werde; hilfsweise den angefochtenen Bescheid im Spruchpunkt II dahingehend abzuändern, dass dem BF in Bezug auf seinen Herkunftsstaat der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde; hilfsweise dem BF einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zufolge dauerhafter Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu erteilen und jedenfalls über die gegenständliche Beschwerde mündlich zu verhandeln. Des Weiteren wurde beantragt landeskundliche Forschungen zur Ermittlung der auch für den Beschwerdefall relevanten allgemeinen, alle Ahmadis betreffenden Diskriminierungs-, Ausgrenzungs-, Bedrohungs- und Verfolgungssituation aller Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Ahmadis in Pakistan anzustellen, ein länderkundliches Gutachten eines Sachverständigen für Pakistan mit Spezialkenntnissen der Situation der Ahmadis einzuholen sowie die Beschwerdesache mit den sachlich/inhaltlich gleichgelagerten Beschwerdeverfahren zweier in der Beschwerde namentlich genannten Beschwerdeführer zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden und anschließend die Verfahrensverbindungen zur separaten Entscheidung in allen drei Beschwerdefällen aufzuheben.

Vorbehaltlich weiterer Ausführungen zur allgemeinen Lage der Ahmadis in Pakistan an anderer Stelle des Schriftsatzes wäre vorweg festzustellen, dass sich diese Lage unter anderem durch eine systematische Verletzung des Grundrechts auf Religionsfreiheit und freie Religionsausübung durch Kriminalisierung der Ahmadis (§ 298 und § 295 des Strafgesetzbuches) auszeichne. Ferner existiere religiöse Intoleranz, Verhetzung und Aufwiegelung durch sektiererische, radikal-fundamentalistische sunnitische Geistliche und Verfolgungsorganisationen, wie Khatm-e-Nubuwwat, welche die Ahmadis als Blasphemiker, Beschmutzer des reinen islamischen Glaubens, Unreine, Prophetenbeleidiger, vom Glauben Abgefallene und Feinde des Islams betrachten würden. Bei Pakistan handle es sich um ein Land, in welchem große religiöse Intoleranz, religiöser Fundamentalismus und Fanatismus vorherrsche, sodass die sektiererischen und hetzerischen Angriffe der sunnitischen Mullahs, z. B. der Mullahs von Khatm-e-Nubuwwat, auf "fruchtbaren Boden fallen" würden. Dies bedinge ein Klima des religiösen Hasses gegenüber den Ahmadis, die eine kleine Minderheit in Pakistan darstellen würden, welche den Nährboden für alle, nachstehend beschriebenen, Teilphänomene und Teilerscheinungsformen des Gesamtphänomens/Gesamtfaktums der allgemeinen Verfolgung der Ahmadis in Pakistan bilde.

Ein Staat, der eine religiöse Gemeinschaft per Gesetz als nicht islamisch, ja islamfeindlich deklariere und die freie Religionsausübung der Ahmadis in ein enges, gesetzliches Korsett zwänge, wobei die Überschreitung der gesetzlichen Grenzen zur strafrechtlichen Verfolgung der Ahmadis führe, müsse sich vorwerfen lassen, das Grundrecht der Religionsfreiheit in Bezug auf die religiöse, reformislamische Minderheit der Ahmadis zu verletzen.

Die islamische Religion nehme im Leben eines Pakistani einen hohen Stellenwert ein. In einem derartigen Gemeinwesen würden radikale, hetzerische Ideologien, wie jene der Anti-Ahmadi-Ideologie, bei breiten Teilen der Bevölkerung auf einen fruchtbaren Boden fallen, zumal viele Menschen ungebildet seien, sich von ihren Emotionen leiten lassen würden und sich als willfährige Werkzeuge der radikal-sunnitischen Prediger und Anstifter missbrauchen lassen würden. Immer wieder würden die Polizei- und Sicherheitskräfte beim Schutz der Ahmadis, z.B. bei Ausschreitungen gegen die Ahmadis, versagen.

Die kollektive Verfolgung der Ahmadis manifestiere sich in schweren Verfolgungsangriffen, die in der Vergangenheit zur Tötung einer großen Anzahl von Ahmadis geführt hätten. Diese Anschläge auf Leib und Leben würden sowohl größere Ansammlungen von Ahmadis, wie beispielsweise die schweren Anschläge im Mai 2010 (gegen zwei Ahmadi-Moscheen in XXXX ) als auch gezielte, tödlich endende Angriffe auf Einzelpersonen betreffen. Ferner erfolge die Manifestation in schweren Angriffen auf die physische Integrität, welche schwere oder mittelschwere Verletzungsfolgen bei Ahmadis als Verfolgungsopfer nach sich gezogen hätten, und leichteren Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit, einschließlich von Misshandlungen, welche permanent und systematisch in Pakistan stattfinden würden. Schließlich durch eine unzählbare Anzahl von singulären Drohungen mit dem Tode oder mit anderen, schweren Nachteilen, wobei sich diese Bedrohungsszenarien wiederum in vielfältigen Erscheinungsformen manifestieren würden.

All dies geschehe in einer Atmosphäre der Gesetzlosigkeit, in denen Ahmadis im Bewusstsein leben müssten, keine Möglichkeit zu haben, vor diesen Angriffen in ihre Rechtsgüter - Leben und physische Unversehrtheit - durch Angriffe oder Drohungen Schutz bei den staatlichen Sicherheitsbehörden finden zu können. Es herrsche insoweit in Pakistan - bedingt durch die eingangs geschilderten Zustände - ein Klima der Straflosigkeit, in welchen kriminelle Übeltäter willkürlich und ohne strafrechtliche Verfolgung fürchten zu müssen, ihre Verfolgungsbedürfnisse frei ausleben können.

Die in Pakistan geltende Gesetzeslage führe zu einer massiven und systematischen Verletzung des Grundrechts der Glaubens- und Religionsfreiheit der Ahmadiyya. Jeder gläubige Ahmadi müsse stets auf der Hut sein, wo er mit Nicht-Ahmadis in Berührung komme, darauf achten, was er sage, wie er auftrete und ob er durch sein Verhalten "auffällig" werde. Zudem gebe es permanente Bedrohungen der Ahmadis, wenn sich diese in ihren Gebetshäusern zum Gebet versammeln würden. Seit den Anschlägen von XXXX im Mai 2010 laste auf den Ahmadis die permanente Angst, dass es erneut zu Anschlägen auf eine ihrer Moscheen kommen könne.

Um überhaupt noch Gebetsversammlungen in den Ahmadi-Gebetshäusern abhalten zu können, hätten die Ahmadis zur Selbsthilfe und zum Selbstschutz schreiten müssen. Seit den Anschlägen in XXXX würde sie ihre Moscheen durch selbst eingesetzte, bewaffnete Wächter und Beschützer bewachen.

Des Weiteren bestehe eine allumfassende Diskriminierung und benachteiligende Ungleichbehandlung der Ahmadis in vielen Lebenslagen, die sich in Beschimpfungen und Beleidigungen im sozialen Alltag, in Diskriminierungen im Bereich des Schul- und Bildungswesens und in wirtschaftlichen Diskriminierungen im Beruf manifestiere. Im öffentlichen Leben, in ihren sozialen Beziehungen und am Arbeitsplatz sowie in der Schule seien die Ahmadis permanent davon bedroht, dass ihr Ahmadi-Sein bemerkt werde und sie deshalb als Unreine ausgegrenzt werden würden. Man meide den Kontakt zu ihnen, was zu sozialer Isolierung führe.

Als Folge der beschriebenen Gesamtsituation laste auf allen Ahmadis ein permanenter Verfolgungs- und Diskriminierungsdruck. Daraus folge wiederum, dass Ahmadis bestrebt seien, ihren Glauben und ihre Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung geheim zu halten. All dies führe die Ahmadis in die gesellschaftliche Isolierung und bewirke im alltäglichen Leben der Ahmadiyya eine extreme Unfreiheit.

Als Folge dieser massiven, systematischen kollektiven Verfolgung durch Staat, Strafgesetz, sunnitische Prediger und Geistliche und Nicht-Ahmadi-Muslime habe in der Vergangenheit eine große Anzahl von Ahmadis Pakistan bereits verlassen.

Insgesamt hätte der BF viermal die Schule wechseln müssen und sei gezwungen gewesen, am Schluss eine Privatschule zu besuchen. Auch bei der Abschlussprüfung habe es Diskriminierungen gegeben. Der BF habe seinen schulisch - universitären Bildungsweg schließlich abbrechen müssen.

Der Vater sei 2x angezeigt worden wegen § 298 Strafgesetzbuch, es sei zu 4 bzw. 2-wöchigen Inhaftierungen gekommen. Die gesamte Familie sei tödlichen Angriffen ausgesetzt gewesen. Verfolgungsbedingt hätte die Familie von XXXX nach XXXX übersiedeln müssen. Die Brüder des BF seien schon nach Deutschland ausgereist, der Vater sei verstorben. Es folgte eine Auflistung mit Todesfällen in der Verwandtschaft.

Der Onkel aus XXXX hätte bereits fliehen müssen aufgrund der Todesdrohungen, welche auch der BF erhalten habe. Die Drohungen seien von Geschäftsnachbarn ausgegangen, welche Kontakt mit Khatm-e-Nabuwaat (idF: K) gehabt hätten. Nachdem die Drohungen massiv gewesen wären, sei die Familie nach XXXX gegangen, wo sie bei einer Tante gelebt hätten. In XXXX lebten die BF von der Pension der Mutter, welche diese als ehemalige Lehrerin erhalten habe sowie von Zuwendungen der Tante. Der BF sei damals mental sehr gestresst gewesen und hätte in XXXX nur versteckt gelebt. Die Tante habe finanziellen Druck auf den BF ausgeübt und sei selbst schließlich nach Thailand verzogen.

In XXXX habe der BF zwar in einem Unternehmen mit mehreren Ahmadis gearbeitet, diese hätten jedoch wie der BF die Religionszugehörigkeit streng geheim gehalten. Die Ahmadis hätten sich heimlich zum Gebet in einer ihrer Arbeiterunterkünfte getroffen, der BF habe als Vorbeter fungiert. Die geheimen Gebete seien jedoch anderen Arbeitern aufgefallen und hätte man erkannt, dass der BF als Ahmadi-Vorbeter fungiert. Der BF sei von einer Anzeige gemäß § 298 StGB bedroht gewesen. Er wäre 2016 aufgefordert worden, die Glaubensausübung zu unterlassen und hätte als "Unreiner" nicht mehr mit seinen Arbeitskollegen gemeinsam das Essen einnehmen dürfen.

Der BF sei dann bedroht worden, dass die Organisation K über die Tätigkeit des BF informiert werden würde. Der BF habe zwar seine Arbeit unverzüglich gekündigt, hätte aber wegen arbeitsrechtlicher Ansprüche noch einen Monat weiter arbeiten müssen.

Es seien auch die gebotenen Ergänzungsfragen iSd § 18 AsylG unterblieben, welche zur Aufklärung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts notwendig gewesen wären.

Insbesondere sei nicht ermittelt worden, wie die Lage von Ahmadi im Herkunftsort des BF ist. Außerdem sei nicht berücksichtigt, dass der pakistanische Sicherheitsapparat weder willens noch fähig sei, Ahmadis den erforderlichen Schutz zu gewähren. Die entsprechenden Länderfeststellungen seien nicht in die Beweiswürdigung eingeflossen. Die Behörde hätte die Situation in XXXX völlig verkannt und würden gerade die die aussterbende Stadt umgebenden Wohnviertel von Anti-Ahmadi Organisationen durchdrungen. Zudem läge ein überbevölkertes Ahmadi-Ghetto dort vor und gäbe es auch in XXXX keine Verfolgungssicherheit oder Arbeit.

Schließlich könne eine Verfolgung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend sei, dass eine Person davon ihn ähnlicher wie der unter Buchstabe Art. 9 Abs. 1 lit a legcit beschriebenen Weise betroffen sei. Auch die wirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten seien zu berücksichtigen. Hierbei wurde auch unter auszugsweiser Zitierung eines UNHCR-Berichts aus Jänner 2017 und eines Berichts des britischen Home Office aus Mai 2016 dargelegt, wie schlimm die allgemeine Lage der Ahmadis in Pakistan wirklich sei und warum bei ihnen in der Tat eine kollektive Verfolgungssituation zu bejahen sei, bei der jedes Mitglied der Gemeinschaft allein aufgrund ihres Ahmadi-Glaubens und der damit verbundenen "Stigmatisierung" wohlbegründet fürchten müsse, das Opfer von eingriffsintensiver Verfolgung in ihre, vom Staat zu schützende, individuelle Rechtssphäre zu werden. Zufolge einer von der Regierung beschlossenen Liberalisierung der Blasphemie-Gesetzgebung sei es zu einer weiteren Verschärfung der kollektiven Verfolgungssituation aller Ahmadis in Pakistan gekommen:

Vertreter der sunnitischen Extremisten - insbesondere von Khatm-e-Nubuwwat - würden gegen diese Liberalisierung Sturm laufen. Es handle sich um jene Bestimmungen im Strafgesetzbuch, welche insbesondere auch zur strafrechtlichen Verfolgung der Ahmadis aus religiösen Gründen herangezogen werden würden.

Die Ahmadis würden keinerlei staatlichen Schutz genießen. Jederzeit könne eine willkürliche Tötung erfolgen, wobei die Täter in einem Klima der Rechtlosigkeit handeln würden. Diese Übergriffe auch in den Städten des früheren Aufenthalts des BF würden belegen, dass sich die Ahmadis in einer kollektiven, als Gruppenverfolgung einzustufenden Verfolgungssituation befänden. Zum Beweis dafür wurde die Beischaffung und Auswertung aller diesbezüglich zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen beantragt und wurden insbesondere UNHCR, Britisch Home Office, Asian Human Rights Comission genannt sowie die Einholung eines länderkundlichen Gutachtens beantragt. Angeführt wurden 2 Erkenntnisse des VwGH.

Im Übrigen beinhaltet die Beschwerde dann über mehrere Seiten eine Aneinanderreihung von sicherheitsrelevanten Vorfällen in Zusammenhang mit Ahmadi, welche aus verschiedenen Berichten zitiert wurden.

I.4. Für den 07.05.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der der BF mit seiner Rechtsvertretung teilnahm.

Vom BF wurde ein Flyer betreffend Ostereiersuche, ein Flyer mit dem Titel Muslime für Frieden, Freiheit und Loyalität und ein Schreiben an die zuständige Richterin vom geladenen Zeugen, welcher sich für die Verhandlung entschuldigt und einen Vertreter vorschlug, vorgelegt.

Anstelle des geladenen Zeugen wurde die bekannt gegebene Person als Zeuge einvernommen.

I.5. Mit Schriftsatz vom 12.06.2018 wurden Einreisevisa der Brüder des BF von Deutschland, Unterlagen der Ahmadiyya-Gemeinde in Österreich und eine Deutschprüfungsbestätigung vom Mai 2018 (A1) vorgelegt. Dies entsprechend den in der mündlichen Verhandlung erteilten Aufträge.

I.6. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 19.07.2018 wurden dem BF die erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen in Übersetzung sowie das Länderinformationsblatt von Pakistan übermittelt.

I.7. Am 02.08.2018 langte eine "vorläufige" Stellungnahme vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF ein.

Es wurde ein Antrag auf Übermittlung von Kopien der pakistanischen Dokumente in der Sprache Urdu einschließlich von Bilddokumenten, Fotografien und dergleichen, welche vom Dolmetsch übersetzt worden sind und ein Antrag auf Einräumung einer ergänzenden Stellungnahme gestellt. Zudem wurde ein Antrag auf eine weitere mündliche Verhandlung gestellt, ein weiteres Vorbringen mit Urkundenvorlage angekündigt und ein Ersuchen auf Respektierung des Sommerurlaubes des Rechtsvertreters samt Antrag auf Einräumung einer ergänzenden Stellungnahme Möglichkeit mit Frist bis 15.9.2018 gestellt.

Die übermittelten Übersetzungen seien kaum nachvollziehbar und nicht mit den vorgelegten Unterlagen in Übereinstimmung zu bringen. Die Übermittlung der Unterlagen samt Übersetzung wurde explizit nochmals beantragt. Es wurde "versucht", zu der Übersetzung eine Stellungnahme abzugeben. Zur Farbplakatwand wurde ausgeführt, dass es hierbei auf das Datum auf dieser Plakatwand ankomme, da es darum gehe, wann die Organisation K in XXXX eine Konferenz abgehalten hat. Zu den Logos sei eine Stellungnahme nicht möglich. Es könne derzeit keine vollständige Stellungnahme ohne Kenntnisse der pakistanischen Dokumente abgegeben werden. Zu den Veröffentlichungen der Seite 12 und 13 der übersetzten Schriftstücke wurde festgehalten, dass es sich dabei um Verhaftungen hinsichtlich des Vaters des BF handelte. Auch Unterlagen hinsichtlich weiterer Verwandten würden sich darunter befinden, so zeige dies, dass weitere Onkel verhaftet worden bzw. ermordet worden wären.

Es wurde wiederum ein Vorbringen zur allgemeinen Verfolgungslage der Ahmadi in Pakistan erstattet. Hingewiesen wurde darauf, dass der BF nicht nur aus tiefster innerer Überzeugung Ahmadi sei, sondern er auch die Ahmadi Schriften und den Koran in besonderer Weise studiert und die Fähigkeit habe, öffentlich als Ahmadi Prediger aufzutreten. Es wurden Fotos vorgelegt, auf welchen der BF bei der Teilnahme an Veranstaltungen der Ahmadi Vereinigung in Österreich zu sehen ist. Weiters wurde eine Personenliste der Ahmadi Bewegung in Österreich vorgelegt, aus welcher hervorgeht, dass der BF die Funktion eines Erziehungs-Referenten bekleidet. Nochmals wurde der bereits in der Verhandlung vorgelegte Flyer vorgelegt. Erneut wurde eine Gruppenverfolgung von Ahmadis in Pakistan behauptet. Dem BF sei es ein unverzichtbares, persönliches Bedürfnis, sich öffentlich als Ahmadi zu manifestieren, seinen Glauben an den Islam in der Ausprägung des Ahmadis auch öffentlich zu bekennen und öffentlich zu leben. Im Falle der Rückkehr würde der BF nicht aufhören, seinen Glauben auch öffentlich zu bekennen und darüber auch gegenüber Dritten, nicht der Glaubensgemeinschaft der Ahmadis zugehörigen Personen zu sprechen und versuchen, sie von den Vorzügen der Ahmadi Ausrichtung zu überzeugen.

Im Hinblick auf die nunmehr vorgelegten neuen Beweismittel und das ergänzende Vorbringen zur religiösen Identität und den religiösen Aktivitäten des BF wurde der Antrag auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung gestellt.

Die in den Länderfeststellungen zur Lage der religiösen Minderheiten Pakistan, insbesondere zur Lage der Ahmadis getroffenen Feststellungen seien unvollständig. Es wurde auf das Vorbringen und die Anträge in der Beschwerdeschrift verwiesen.

Mit dem "zweiten Teil des Schriftsatzes vom 02.08.2018", eingelangt beim BVwG am 08.08.2018 wurden die Ausführungen des ersten Schriftsatzes fortgeführt.

Verwiesen wurde auf sieben Entscheidungen aus dem Rechtsinformationssystem, in welchen die zuständige Richterin gegen Beschwerdeführer aus der Religionsgemeinschaft der pakistanischen Ahmadis entschieden habe. Eine stattgebende, asylgewährende Entscheidung der Richterin für einen pakistanischen Ahmadi habe nicht gefunden werden können. Im Anschluss wurden Erkenntnisse des BVwG zitiert, welche belegen würden, das einen pakistanischen Ahmadi dann die Flüchtlingseigenschaft zukommt, wenn es diesem gelingt, das im Fall zuständige Mitglied des Bundesverwaltungsgerichts in der Beschwerdeverhandlung davon zu überzeugen, dass dieser Glaube einen unverzichtbaren Bestandteil der persönlichen Identität darstellt und er diesen Glauben praktiziert. An den BF seien keinerlei in diese Richtung gehenden Fragen in der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Die Befragung durch die Richterin sei äußerst oberflächlich geblieben, und hätte die Richterin kein besonderes Interesse daran gezeigt, die Schwierigkeiten zu ergründen, denen der BF und dessen Verwandte in Pakistan wegen ihres Glaubens ausgesetzt gewesen sind. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Richterin gegenüber dem Anwalt Ressentiments hegt. Dies sei jüngst im Fall eines zum Christentum konvertierten iranischen Asylwerbers und Beschwerdeführers deutlich geworden. Während die Richterin in gleichfalls zum Christentum konvertierten iranische Beschwerdeführer betreffenden Fällen den BF geglaubt habe, dass diese aus innerer Überzeugung die Konversionen vollzogen haben, habe die Richterin im vom Anwalt vertretenen Fall willkürlich angenommen, dass der BF nur zum Schein konvertiert sei. Auch aus den zahlreichen negativen Pakistan-Entscheidungen der Richterin sei ein Muster erkennbar. Trotz Verhandlungen werde nur oberflächlich gefragt und auf die Beweiswürdigung des BFA verwiesen. In einem anderen, genannten Verfahren hätte die Richterin ein Vorbringen übergangen. Es bestehe die objektive Besorgnis, dass im Verfahren die Ermittlungspflicht nicht eingehalten wird, das Vorbringen nicht objektiv auf seine Glaubwürdigkeit überprüft wird und dem BF nicht die Möglichkeit gegeben wird, sein religiöses, öffentliches Engagement unter Beweis zu stellen. Die Befangenheitsbedenken würden sich allein schon auf die Tatsache gründen, dass die Richterin in der Verhandlung keine Fragen zum Komplex betreffend die religiöse Überzeugung des BF gestellt habe.

Schließlich wurden der UNHCR und Home Office Bericht jeweils zu Pakistan, ein Bericht zur Polizeiaktion aus dem Jahr 2016 gegen das Zentralbüro der Ahmadi, der Fact Finding Mission Report der Asian Human Rights Comission zur Lage der Ahmadiyya in Pakistan sowie wiederum Berichte hinsichtlich Einzelschicksalen und Fotos zur Betätigung des BF in Österreich für seinen Glauben vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen pakistanischen Staatsangehörigen, welcher zur Gemeinschaft der Ahmadis (Ahmadiyya Muslim Jamaat) gehört. Der BF ist Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein lediger, junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer in Pakistan - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF stammt aus der Stadt XXXX und hat dort die Grundschule besucht. Nach dieser schloss er ein 2-jähriges College ab und arbeitete im Geschäft seines Onkels in XXXX . Vor der Ausreise lebte er von 2011 - 2015 in dem Dorf XXXX , XXXX ( XXXX ) bei seiner Tante gemeinsam mit zwei Brüdern. Ab 2014 arbeitete er in einer Weberei in XXXX , in welcher 20-25 Ahmadis arbeiteten und in welcher es ein Gebetszimmer gab. Er spricht neben Paschtu auch Urdu und Englisch.

In Pakistan leben nach wie vor ein Onkel ( XXXX ) und eine Tante (Peshawar) und eine Tante in ( XXXX ). Sie sind ebenfalls Ahmadi und leben ohne erkennbare Probleme in Pakistan. Mit dem Onkel hält der BF Kontakt. Zwei Brüder des BF leben in Deutschland. Die Brüder sind dort mit zeitlich beschränkten Visa zum Zweck der Eheschließung eingereist.

Der BF hat in Pakistan religiöse Objekte der Ahmadiyyagemeinde gereinigt, Broschüren an Leute im Gebetshaus verteilt und den Glauben aktiv ausgeübt. In Österreich ist er nunmehr in seiner Teil-Organisation Vorbeter und nimmt an Aktivitäten der Glaubensgemeinschaft teil. Er hat sich intensiv mit der Ahmadiyya-Lehre befasst und hat gute Koran-Kenntnisse, welche er bei Quiz-Wettbewerben zeigt. Er ist Leiter für Erziehung in der Jugend-Ahmadi Bewegung in Österreich. Er leistet Freiwilligendienst in einem Jugendzentrum und hat in Österreich an Veranstaltungen für den Frieden bzw. zur Kontaktaufnahme mit dem Islam teilgenommen.

Der BF ist strafrechtlich bislang unbescholten. Der BF hat keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich. Der BF hat Deutschkurse besucht und die A1 Prüfung abgelegt.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Er reiste legal aus Pakistan mit seinem Reisepass aus und unrechtmäßig in die Europäische Union und in weiterer Folge in das österreichische Bundesgebiet ein.

Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan:

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

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AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

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CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

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Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate,

https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

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Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill,

https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

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Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP,

https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

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Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

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Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

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NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

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PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

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Samaa (20.12.2017): Govt to complete its term; elections to be held in July 2018: PM,

https://www.samaa.tv/pakistan/2017/12/govt-complete-term-elections-held-july-2018-pm/, Zugriff 26.4.2018

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TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting,

https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-shows-new-census/, Zugriff 9.5.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

2. Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, XXXX und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016:

749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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