Entscheidungsdatum
07.03.2019Norm
AVG §37Spruch
L502 2214870-1/4E
L502 2214873-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , alle StA. Israel, vertreten durch RA Mag. Sebastian LESIGANG, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2019, FZ. XXXX und XXXX , beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde werden die angefochtenen Bescheide
aufgehoben und wird die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Dem Erstbeschwerdeführer (BF1) und seiner Gattin, der Zweitbeschwerdeführerin (BF2), jeweils israelische Staatsangehörige, wurden (zuletzt) mit 28.01.2001 unbefristete Aufenthaltstitel für das österr. Bundesgebiet erteilt.
2. Im Gefolge von rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen vom XXXX (BF1) und vom XXXX (BF1 und BF2) wurden sie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben vom 14.11.2018 davon verständigt, dass von der Behörde beabsichtigt sei, gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Im Rahmen des Parteiengehörs wurden ihnen dazu zweiseitige länderkundliche Informationen der Behörde zu ihrem Herkunftsstaat sowie ein Fragenkatalog zu ihren persönlichen Verhältnissen übermittelt.
Diese Mitteilung einschließlich des Parteiengehörs wurde erfolglos versucht an ihrer aktuellen Meldeadresse zuzustellen, wurde mangels Zustellbarkeit am 19.11.2018 am Postamt zur Abholung hinterlegt und gelangte mangels Behebung durch die Adressaten wieder zum BFA zurück.
3. Mit Bescheid des BFA vom 16.01.2019 wurde gegen den BF1 und die BF2 jeweils gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Israel zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG wurde gegen sie jeweils ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Die Zustellung dieser Bescheide erfolgte nach erfolglosem Zustellversuch an der Abgabestelle von BF1 und BF2 durch Hinterlegung am Postamt mit Wirksamkeit vom 21.01.2019.
4. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 16.01.2019 wurde BF1 und BF2 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
5. Am 15.02.2019 wurde vom zugleich bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter von BF1 und BF2 innerhalb offener Frist Beschwerde gegen die og. Bescheide erhoben. Unter einem wurden Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt und verschiedene Beweismittel vorgelegt.
6. Die Beschwerdevorlagen des BFA langten am 21.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen, wo die Verfahrensakten am 22.02.2019 einlangten.
7. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR).
8. Am 01.03.2019 langten beim BVwG Nachreichungen des BFA in Form von Kopien der Beschwerdeschriftsätze samt Beilagen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.
1.2. BF1 und BF2, deren Identität jeweils feststeht, sind in XXXX geboren, israelische Staatsangehörige und Ehegatten.
Der BF1 verfügt seit 1987 (mit einer kurzen Unterbrechungen im Jahr 1989) in Österreich über eine Meldeadresse, ein volljähriger Sohn des BF1 seit 1992, die BF2 - unter ihrem aktuellen Ehenamen - seit 2001.
Allen drei Genannten kommt seit 2001 jeweils ein unbefristeter Aufenthaltstitel für Österreich zu.
1.3. Der BF1 wurde mit rk. Urteil des XXXX vom XXXX wegen § XXXX StGB zu einer XXXX verurteilt.
Er wurde mit Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , wegen § XXXX StGB zu einer XXXX , verurteilt.
Die BF2 wurde mit rk. Urteil des XXXX vom XXXX , wegen § XXXX StGB zu einer XXXX verurteilt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt und die vorliegende Beschwerde sowie durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister.
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang, die Feststellungen zu den Personen des BF1, dessen Sohn und der BF2, ihren Aufenthaltstiteln, ihren Meldedaten und ihren strafgerichtlichen Verurteilungen stehen im Lichte des vorliegenden Akteninhalts und der dazu eingeholten Auszüge aus og. Datenbanken als unstrittig fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1. Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß Abs. 3 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, ..., zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn gemäß Z. 1 ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Gemäß Abs. 4 beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
2. Die belangte Behörde stützte die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einschließlich eines befristeten Einreiseverbots gemäß § 52 Abs. 5 iVm § 53 Abs. 1 und 3 Z. 1 FPG gegen BF1 und BF2 u.a. auf folgende Feststellungen, wobei dazu aus Sicht des BVwG wie folgt angemerkt wird:
2.1. Der BF1 halte sich laut ZMR seit 1992 in Österreich auf.
Demgegenüber findet sich im Verfahrensakt des BFA auf AS 20 eine Meldebestätigung der Stadt Wien, die Meldedaten beginnend mit 10.02.1987 enthält. In letztgenannter Bestätigung findet sich jedoch eine "Lücke" im Sinne fehlender Meldedaten zwischen 17.12.1992 und 24.09.2001, während das ZMR für diesen Zeitraum eine aufrechte polizeiliche Meldung an dort genannter Adresse enthält.
Die Feststellungen der Behörde zu den Aufenthaltszeiten des BF1 decken sich sohin nicht mit dem Akteninhalt bzw. sind die aktenkundigen Aufenthaltsdaten inkonsistent.
2.2. Die BF2 halte sich seit 2001 in Österreich auf.
Dem ZMR zufolge ist die BF2 zwar unter ihrem aktuellen Ehenamen seit 2001 polizeilich gemeldet. Aus ihrem vorehelichen Familiennamen ist jedoch - in der Zusammenschau mit entsprechenden weiteren Daten des ZMR - abzuleiten, dass sich die Eltern der BF2 bereits seit 1980 bzw. 1989 durchgehend in Österreich aufhalten.
Ob sich auch die BF2 als deren Tochter bereits vor 2001 in Österreich aufgehalten hat, war aus dem vorliegenden Akteninhalt nicht zu gewinnen bzw. wurde dies von der belangten Behörde auch nicht ermittelt.
2.3. Mit der Frage nach der Dauer des faktischen Aufenthalts der beiden Beschwerdeführer ging jene nach der Art und Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts derselben einher, die nicht alleine mit dem Hinweis auf einen "zuletzt erteilten" Aufenthaltstitel beantwortet werden konnte.
2.4. BF1 und BF2 seien "offensichtlich" verheiratet.
In einem ZMR-Datenauszug die BF2 betreffend vom 21.12.2018 - dieser ist ident mit jenem vom BVwG selbst angefertigten vom 21.02.2019 - findet sich zum Familienstand der BF2 allerdings der Eintrag "unbekannt". Der BF1 ist laut aktuellem ZMR-Datenauszug zwar "verheiratet", dem ZMR ist aber naturgemäß nicht zu entnehmen mit wem. Alleine im Urteil des XXXX vom XXXX findet sich die (bloße) Feststellung der Verheiratung von BF1 und BF2, jedoch fehlen dort zeitliche Angaben dazu. Eine Abschrift einer etwaigen Heiratsurkunde findet sich im gg. Verfahrensakt des BFA nicht, auch keine sonstige Erkenntnisquelle zu diesem Beweisthema.
Es wurde sohin zum einen nicht erkennbar, auf welche Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde ihre Feststellung der "offensichtlichen" Verheiratung von BF1 und BF2 stützte. Zum anderen fehlen überhaupt Feststellungen zur Dauer dieser Ehe bzw. des gemeinsamen Familienlebens.
2.5. Es gäbe keine Hinweise auf andere Angehörige im Bundesgebiet.
Zwar trifft zu - worauf unten noch einzugehen ist -, dass BF1 und BF2 im erstinstanzlichen Verfahren keine persönlichen Angaben zu etwaigen weiteren Angehörigen im Bundesgebiet machten.
Demgegenüber hat aber auch die belangte Behörde selbst keine Ermittlungen zu diesem Beweisthema angestellt, so etwa in den fremdenpolizeilichen Akten der Beschwerdeführer, wo sich wohl Hinweise auf den offenkundig langjährigen legalen Aufenthalt eines Sohnes des BF1 und der Eltern der BF2 gefunden hätten.
2.6. BF1 und BF2 hätten in Österreich "in verschiedenen Berufen gearbeitet".
Wie die belangte Behörde aus den von ihr eingesehenen strafgerichtlichen Entscheidungen ableiten konnte, waren die Beschwerdeführer in Österreich bis dato offenbar mehrfach unternehmerisch tätig. Genauere Feststellungen finden sich dazu im angefochtenen Bescheid aber nicht, wobei die belangte Behörde diesbezüglich nicht alleine auf persönliche Angaben der Beschwerdeführer angewiesen war, sondern etwa Sozialversicherungsdaten- und Firmenbuchauszüge besorgen hätte können. Ob es darüber hinaus auch unselbständige Erwerbstätigkeiten oder sonstige wirtschaftliche Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer gegeben hat bzw. gibt, blieb mangels Ermittlungen ebenso im Dunkeln.
2.7. BF1 und BF2 seien in Österreich "in gewisser Form integriert".
Es ist dem Verfahrensakt nicht zu entnehmen, auf welche Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde diese nebulose und so auch nicht nachvollziehbare Feststellung stützte. Bedenkt man darüber hinaus, dass sich die Beschwerdeführer bereits seit Jahrzehnten im Bundesgebiet aufhalten, wird umso mehr erkennbar, welche groben Ermittlungsdefizite sich hinter dieser vagen Feststellung der belangten Behörde verbergen.
Auf die Anhaltspunkte in der Beschwerdeschrift zu diesem Thema ist an dieser Stelle hinzuweisen.
2.8. BF1 und BF2 seien "in der Heimat geboren" bzw. hätten sie "dort einen wesentlichen und prägenden Teil ihres Lebens verbracht" und
könnten sie "sich dort ... niederlassen".
Wie oben erwähnt wurde war schon aus den ZMR-Datenauszügen ersichtlich, dass beide Beschwerdeführer in XXXX geboren wurden, aber israelische Staatsangehörige sind. Alleine daraus wurde erkennbar, dass es im gg. Fall offenbar zwei Länder gibt, zu denen die Beschwerdeführer eine Beziehung haben.
Welchen Verlauf deren Leben nun tatsächlich genommen hat, welches der beiden Länder denn deren "Heimat" ist, wann sie - was hier angesichts ihrer Staatsangehörigkeit als bloße Vermutung in den Raum zu stellen ist - nach Israel immigrierten, wie lange sie sich dort aufhielten, welche Anknüpfungspunkte sie dort schufen und welche derzeit noch aufrecht sind, blieb im erstinstanzlichen Verfahren aber vollkommen im Dunkeln.
3. Das BVwG verkennt im Lichte des Akteninhalts nicht, dass die Beschwerdeführer ihrer Mitwirkungsverpflichtung im erstinstanzlichen Verfahren zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts nicht gerecht geworden sind. Das schriftliche Parteiengehör des BFA vor Bescheiderlassung blieb ja ergebnislos, zumal den Beschwerdeführern das entsprechende Schreiben an deren Abgabestelle nicht zustellbar war bzw. dieses nach dessen Hinterlegung von ihnen auch nicht behoben wurde. In der Beschwerde ihres Vertreters wurde aber auch mit keinem Wort dargetan, wodurch die Beschwerdeführer an der Erfüllung ihrer verfahrensrechtlichen Obliegenheiten gehindert gewesen seien.
Trotz dieser Versäumnisse der Beschwerdeführer konnte die belangte Behörde nicht von einem tragfähigen Ermittlungsergebnis ausgehen. Im weiteren Verfahrensverlauf sind die Beschwerdeführer durch einen berufsmäßigen Vertreter vertreten, sodass es umso mehr möglich sein sollte die erforderliche persönliche Einvernahme der Beschwerdeführer durchzuführen, in der sie nicht nur ausreichende Angaben zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu tätigen, sondern auch Beweismittel für die in ihrer Beschwerde aufgestellten Behauptungen zu ihrem Privat- und Familienleben vorzulegen haben werden.
4. Zur Lage im "Herkunftsstaat" Israel finden sich auf insgesamt (bloß) 1,5 Seiten des bekämpften Bescheides länderkundliche Informationen, die zudem den dort genannten Quellen zufolge alle aus dem Jahr 2013 (!) herrühren.
Es war sohin - in einer Zusammenschau mit den vorhergehenden Erwägungen unter 2.7. - auch nicht nachvollziehbar, auf welche länderkundlichen Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde ihre Einschätzung der Zumutbarkeit und faktischen Möglichkeit einer (neuerlichen?) Niederlassung der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat gestützt hätte.
Die Beweiswürdigung der Behörde erschöpfte sich zudem in bloß allgemein gehaltenen Textbausteinen und blieb ohne Bezug zur persönlichen Situation der Beschwerdeführer (vgl. AS 128).
5. Die belangte Behörde muss sich im Übrigen - was ihre eigene Ermittlungstätigkeit betrifft - nicht nur auf die Einvernahme der Beschwerdeführer und die Beischaffung zeitlich aktueller länderkundliche Informationen beschränken, sondern kann sie sich auch der Informationsbeschaffung und der Überprüfung persönlicher Angaben der Beschwerdeführer durch die österr. Vertretungsbehörde in Israel bzw. den dortigen Verbindungsbeamten bedienen.
6. Hat die belangte Behörde sodann die notwendigen Feststellungen auf der Grundlage entsprechender Ermittlungen getroffen, bedarf es einer Subsumption des festgestellten Sachverhalts unter die relevanten Bestimmungen des FPG.
Ohne hier der Einschätzung der belangten Behörde vorzugreifen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der § 52 Abs. 5 FPG - vor dem Hintergrund einer bereits eingetretenen Aufenthaltsverfestigung auf Seiten der Betroffenen angesichts ihres langjährigen Aufenthaltsrechts -, über die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 FPG in Form bloßer strafgerichtlicher Verurteilungen hinaus, stichhaltige Anhaltspunkte für die Annahme verlangt, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführer eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde, also in derlei Konstellationen ein erhöhter Gefährdungsmaßstab anzulegen ist.
Im Übrigen muss der hg. Judikatur folgend (vgl. zuletzt etwa VwGH Ra 2016/22/0101 vom 21.06.2018) "bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0194). Dabei ist auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109; 31.8.2017, Ra 2017/21/0120)."
Das BVwG verkennt im Lichte der bisherigen strafgerichtlichen Verurteilungen der beiden Beschwerdeführer nicht die den dortigen Entscheidungsgründen zu entnehmenden Anhaltspunkte für ein offenbar zur Wiederholung neigendes kriminelles Handlungsmuster auf deren Seite im Rahmen ihres wirtschaftlichen Handelns.
Der angefochtene Bescheid ließ jedoch im betreffenden Teil seiner Begründung (vgl. S. 8 bis 9) über die bloße Benennung der bisherigen strafgerichtlichen Verurteilungen hinaus jegliche nähere Auseinandersetzung iSd og. hg. Judikatur vermissen.
7.1. Die Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG folgt konzeptionell dem § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur - soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft - anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme auf die genannten Einschränkungen die im Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2009, Zl. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten, wonach die Behörde an die Beurteilung im Behebungsbescheid gebunden ist. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH, 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Es liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst dann vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht, insbesonders weil
1. die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
2. die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat
3. konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer "Delegierung" dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder
4. ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel zu erkennen sind und
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
7.2. In Anbetracht der oben angestellten Erwägungen wurde erkennbar, dass sich die belangte Behörde trotz eines offenkundig komplexen Sachverhalts damit begnügte, diesen bloß mittels schriftlichen Parteiengehörs zu ermitteln zu versuchen ohne eine Einvernahme der Parteien ins Auge zu fassen und nach einem erfolglosen einmaligen Versuch jede weitere Ermittlungstätigkeit zu unterlassen, sodass sie letztlich nur zu so rudimentären Feststellungen gelangte, dass eine nachprüfende Kontrolle durch das BVwG gar nicht möglich war bzw. sich das Ermittlungsverfahren großteils auf die Beschwerdeinstanz verlagert hätte.
Eine Verlagerung des erforderlichen Ermittlungsverfahrens vor das Bundesverwaltungsgericht war nicht als im Sinne des Gesetzgebers gelegen zu erachten. Dass eine unmittelbare Durchführung dieses Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, war nicht ersichtlich. Im Übrigen würde eine erstmalige Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und Beurteilung der Rechtsfrage durch das Bundesverwaltungsgericht eine (bewusste) Verkürzung des Instanzenzuges bedeuten (vgl. dazu VwGH v. 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; VwGH v. 10.10.2012, Zl. 2012/18/0104).
Mangels Durchführung eines hinreichenden Ermittlungsverfahrens, auf dessen Grundlage tragfähige Feststellungen zu wesentlichen Tatbestandsmerkmalen erst möglich gewesen wären, wurde aus Sicht des BVwG der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der belangten Behörde bloß ansatzweise ermittelt, weshalb sich das erkennende Gericht zur Behebung der bekämpften Entscheidungen und Zurückverweisung der Verfahren an das BFA zur Erlassung neuer Bescheide veranlasst sah.
7.3. Der Behebung der Spruchpunkte I der bekämpften Bescheide über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung folgte die Behebung der damit verknüpften übrigen Spruchpunkte, denen mangels Bestand der Rückkehrentscheidung der Boden entzogen war.
8. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
9. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die Bescheide aufzuheben waren.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der Entscheidung, Ehe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L502.2214870.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019