TE Bvwg Beschluss 2019/3/8 L529 2212663-1

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Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AVG §37
AVG §58
AVG §60
AVG §66 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L529 2212663-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. der Republik Armenien, vertreten durch RA Mag. Georg ZECHBAUER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen vom 12.12.2018, Zl. IFA XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Armenien. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 17.04.2003 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (in weiterer Folge "BAA") vom 14.08.2003, Zl: 03 11.417-BAS, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und seine Abschiebung nach Armenien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

I.2. Am 30.05.2004 wurde das BAA vom Gendarmerieposten Bad Ischl in Kenntnis gesetzt, dass der BF wegen einer strafbaren Handlung (§ 127 StGB) angezeigt werde.

I.3. Der fristgerecht eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Asylsenates (in der Folge: "UBAS") nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2006 stattgegeben, dem BF gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

I.3.1. Als asylrelevant wurde im Fall des BF der Umstand angesehen, dass er als Angehöriger der sozialen Gruppe der aus Mischehen stammenden Yeziden und Kurden am unteren Ende der sozialen Skala keinen wirksamen Schutz durch die Behörden seines Heimatstaates erlangen könne.

I.4. Am 23.05.2017 wurde das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") vom Bundeskriminalamt in Kenntnis gesetzt, dass der BF am 04.05.2017 in Armenien erkennungsdienstlich behandelt worden sei.

I.5. Am 07.07.2017 stellte das BFA einen Antrag auf Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß § 11 AVG an das Bezirksgericht Salzburg Stadt.

I.5.1. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF laut ZMR seit 24.03.2010 nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet gemeldet und am 04.05.2017 in Armenien erkennungsdienstlich behandelt worden sei.

I.6. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg, 44 P 40/17s-5, wurde Mag. Georg ZECHBAUER, Rechtsanwalt, zum Abwesenheitskurator des BF im Aberkennungsverfahren gemäß § 7 AsylG bestellt.

I.7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.12.2018 wurde der dem BF zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

I.7.1. Begründend für die Aberkennung wurde ausgeführt, dass der BF offensichtlich den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen wieder in den Herkunftsstaat verlegt habe.

I.8. Gegen diesen Bescheid erhob der bestellte Abwesenheitskurator innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde.

I.8.1. Im Wesentlichen zusammengefasst wurde moniert, dass der BF nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 3 AsylG verwirkliche. Aus einer einzigen erkennungsdienstlichen Behandlung im Herkunftsland könne nicht auf die Verlegung des Wohnsitzes in das Herkunftsland geschlossen werden.

I.9. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen (Sachverhalt)

Beim BF handelt es sich um einen armenischen Staatsangehörigen.

Der BF stellte am 17.04.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des UBAS wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2006 dem BF gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Als asylrelevant wurde im Fall des BF der Umstand angesehen, dass er als Angehöriger der sozialen Gruppe der aus Mischehen stammenden Yeziden und Kurden am unteren Ende der sozialen Skala keinen wirksamen Schutz durch die Behörden seines Heimatstaates erlangen könne.

Der BF hat seit 24.03.2010 keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet.

II.2. Beweiswürdigung

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vom BFA vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt, insbesondere der im Akt inneliegenden Ausfertigung des am 04.04.2006 mündlich verkündeten Bescheides des UBAS, des angefochtenen Bescheides sowie der Beschwerdeausführungen.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, anzuwendendes Verfahrensrecht

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

II.3.1.4. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

II.3.2. Zur Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar und soll von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,

-

wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

-

wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder

-

bloß ansatzweise ermittelt hat.

-

Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

II.3.3. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

II.3.3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gegenständlich wurde dem BF der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 aberkannt und begründend dazu ausgeführt, dass der BF "offensichtlich den Mittelpunkt Ihrer [seiner] Lebensbeziehungen wieder in Ihren [seinen] Herkunftsstaat verlegt" hat (AS 173).

Den in § 7 Abs. 1 Z 3 genannten "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat" hat der Betreffende dann, wenn er dort seinen Hauptwohnsitz begründet hat. Es muss sich um einen anderen als den Herkunftsstaat handeln, dieser ist bereits durch Art. 1 Abschnitt C Z 4 umfasst (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer in Asyl- und Fremdenrecht, K13 zu § 7).

Für eine Verlegung des Lebensmittelpunktes des BF in einen anderen Staat als den Herkunftsstaat finden sich im vorliegenden Verwaltungsakt jedoch keine Hinweise.

Gegenständlich ist somit vorweg darauf zu verweisen, dass die vom BFA "festgestellte" Verlegung des Lebensmittelpunktes des BF in seinen Herkunftsstaat jedenfalls nicht unter die im Spruch zitierte Gesetzesbestimmung des § 7 Abs. 1 Z 3 AsylG zu subsumieren gewesen wäre, sondern gemäß Z 2 zu prüfen gewesen wäre, ob einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist. Beispielsweise wäre Art. 1 Abschnitt C Z 4 dann erfüllt, wenn sich die Person in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, freiwillig niedergelassen hat, d.h. freiwillig dorthin ihren Wohnsitz verlegt hat. Ein solcher Sachverhalt wäre in der Regel auch schon durch die Z 1 umfasst, welche bestimmt, dass die GFK auf eine Person nicht mehr angewendet wird, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer in Asyl- und Fremdenrecht, K 7 und K3 zu § 7).

II.3.3.2. Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG kann das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 3 Abs. 3) den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat.

Der Beweiswürdigung des gegenständlich angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass gemäß aktueller Abfrage im EKIS gegen den BF zwei aufrechte Aufenthaltsermittlungen der StA und des LG Salzburg bestehen würden, eine strafrechtliche Verurteilung scheint jedoch im aktuellen Strafregisterauszug des BF nicht vor und wurde eine solche vom BFA auch nicht behauptet. Eine Straffälligkeit des BF liegt daher mangels (rechtskräftiger) Verurteilung nicht vor. Allerdings fehlt es gegenständlich jedenfalls an einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, zumal der BF seit 24.03.2010 in Österreich keine aufrechte Meldeadresse mehr hat und in Österreich trotz Aufenthaltsermittlungen nicht auffindbar ist.

II.3.3.3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 ist mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, jedoch sind gemäß § 50 FPG fremdenpolizeiliche Maßnahmen unzulässig, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der betreffende Fremde in dem Land, in das er abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen werden soll, gefoltert oder unmenschlich behandelt werden wird. Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF ist daher im Hinblick auf die aktuelle Situation in seinem Herkunftsstaat zu prüfen.

Im angefochtenen Bescheid wurden jedoch keinerlei Länderfeststellungen zur aktuellen Situation in Armenien getroffen. Das BFA stellte lediglich fest, dass die Kenntnis des BF zur aktuellen Lage als notorisch angenommen werde (AS 174). Wie das BFA zur Beweiswürdigung gelangte, dass die Feststellungen zum Herkunftsland auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation basieren und sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen ergeben würden und dass diese als aktuell zu bezeichnen wäre (AS 176), erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht ebenso wenig wie die Ausführungen, dass der BF "auf Befragung" keine Erkrankung, Folterhandlungen oder Angriffe gegen seine Person vorgebracht habe (AS 174) oder wie die Interessensabwägung des BFA im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zustande kam, wonach der Aufenthalt des BF - trotz Zuerkennung des Status des Asylberechtigten - nur für die Dauer des Asylverfahrens rechtmäßig gewesen sei (AS 181).

Schon aufgrund des völligen Fehlens von Sachverhaltsfeststellungen (in casu Länderfeststellungen), welche die Prüfung der (Un)Zulässigkeit einer Abschiebung zu tragen vermögen würden, ergibt sich, dass die belangte Behörde insgesamt von einer ungenügenden Sachverhaltsgrundlage ausgegangen und die notwendige Ermittlung des Sachverhalts unterlassen hat, was nach Lage des Falles ergänzende Ermittlungen, erforderlich macht. Dass der BF zum Entscheidungszeitpunkt im österreichischen Bundesgebiet nicht auffindbar war, entbindet das BFA nicht von dieser Verpflichtung, zumal gegenständlich auch ein Abwesenheitskurator bestellt wurde.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Bescheide iSd § 58 AVG zu begründen sind. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024, und 21.12.2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

Im angefochtenen Bescheid finden sich - wie zuvor angeführt - unter dem Punkt "Beweiswürdigung" nicht wie erforderlich die Angabe jener Gründe, die die Behörde dazu bewogen haben, den konkreten Sachverhalt festzustellen. Es handelt sich auch überwiegend um Textbausteine, die keinerlei Bezug zum vorliegenden Fall aufweisen und die für jedes x-beliebige Verfahren herangezogen werden können.

II.3.3.4. Weiters ist der angefochtenen Entscheidung des BFA zu entnehmen, dass das BFA aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung des BF in Armenien am 04.05.2017 in Zusammenschau mit den beiden (erfolglosen) Aufenthaltsermittlungen davon ausgeht, dass der BF seinen Wohnsitz in seinen Herkunftsstaat Armenien zurückverlegt habe.

Dazu ist auszuführen, dass dem Akteninhalt lediglich zu entnehmen ist, dass die Person des BF am 04.05.2017 in Armenien erkennungsdienstlich behandelt worden sei (AS 157). Woher die in gegenständlichem Fall zentrale Information "Person wurde am 04.05.2017 in Armenien erkennungsdienstlich behandelt" stammt, bleibt unklar und erschließt sich dem BVwG auch nicht aus den von der Akteneinsicht ausgenommenen Dokumenten.

Zudem wäre zu ermitteln gewesen, aus welchen Gründen eine solche [erkennungsdienstliche Behandlung] in Armenien durchgeführt wird. Das ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht und wäre die Staatendokumentation zu den Rechtsnormen zur Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung in Armenien zu befassen gewesen, um daraus allenfalls Rückschlüsse auf den Aufenthaltsgrund/die Aufenthaltsdauer des BF in seinem Herkunftsland ziehen zu können, zumal ein Endigungsgrund gem. Art. 1 Abschnitt C der GFK nur vorliegt, wenn sich die Person freiwillig unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat (Z 1) oder sich freiwillig wieder in dem Staat - den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat - wieder niedergelassen hat.

II.3.3.5. Auf Grund der dargelegten Gründe muss angenommen werden, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde. Auch sind die dargestellten Unterlassungen des BFA als besonders gravierende Ermittlungslücke anzusehen und kann ohne Nachholung der hier für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen und der aufgezeigten Feststellungs- und Begründungsmängel nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren unter Heranziehung der richtigen gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen haben, ob und welche Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten beim BF vorliegen. Dazu wird auch der Frage nachzugehen sein, aus welchen Gründen (Rechtsnormen) in Armenien erkennungsdienstliche Behandlungen durchgeführt werden, um daraus allenfalls Rückschlüsse auf den Aufenthaltsgrund/die Aufenthaltsdauer des BF in Armenien ziehen zu können.

Weiters ist es auch unerlässlich, die individuelle Gefährdungs- und Lebenssituation im Falle der Rückkehr des BF, dem der Asylstatus wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der aus Mischehen stammenden Yeziden und Kurden (AS 145) zuerkannt wurde, anhand von aktuellen Länderfeststellungen zu klären.

II.3.4. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

II.4. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylaberkennung, Asylverfahren, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Kassation, Lebensmittelpunkt, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2212663.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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