TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/13 G312 2128809-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2019
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Entscheidungsdatum

13.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67

Spruch

G312 2128809-2/34E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX,

StA.: Polen, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2016, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2017 und am 04.04.2018 zu

Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 19.08.2016, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

2. Mit dem am 01.09.2016 beim BFA, RD XXXX, eingelangten und mit 30.08.2016 datierten Schriftsatz erhob der BF mit Unterstützung des von ihm beauftragten Rechtsanwaltes Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und durchführen, sowie den angefochtenen Bescheid des BFA ersatzlos beheben, in eventu die ausgesprochene Aufenthaltsverbotsdauer angemessen herabsetzen, in eventu den hier angefochtenen Bescheid beheben und der Erstbehörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen, sowie gegenständlicher Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 09.09.2016 vom BFA vorgelegt.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.03.2017 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, an der der BF mit seinem Rechtsanwalt teil. Ebenso teilgenommen hat die geladene Zeugin. Nicht teilgenommen hat die belangte Behörde.

5. Mit Beschluss vom 06.04.2017 wurde Frau XXXX zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet Medizin - Psychiatrische Kriminalprognostik bestellt und mit der Erstellung eines kriminalpsychologischen Gutachtens beauftragt.

6. Mit 05.02.2018 übermittelte die Sachverständige das psychiatrisch/neurologische Sachverständigengutachten betreffend des BF.

7. Am 04.04.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, an der der BF (auf eigenen Wunsch ohne seinen Rechtsanwalt) an der Verhandlung teilnahm, ebenso wie die geladene Zeugin. An der Verhandlung nahm ebenfalls die Sachverständige teil. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

8. Der VwGH hob die Entscheidung des BVwG G312 2128809-2/25E aufgrund der außerordentlichen Revision des BFA wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Polen und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

1.2. Der BF reiste im Mai 2004 legal in das Bundesgebiet ein, um mit seiner Mutter und der Schwester zusammenzuleben und sich eine Existenz aufzubauen.

Seit 06.05.2004 ist der BF an verschiedenen Wohnsitzen meldeamtlich erfasst. Allerdings besteht eine Lücke für den Zeitraum von 05.10.2005 bis 25.09.2006. Laut Versicherungsdatenauszug war der BF seit 01.12.2004 bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt. Auch hier ergibt sich eine Lücke von 06.12.2005 bis 18.07.2006. Dieser Zeitraum umfasst mehr als sechs Monate, weshalb von einem ununterbrochenen, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit Mai 2004 iSd § 53a Abs. 2 NAG nicht ausgegangen werden kann.

1.3. Dem BF wurde mit 20.05.2008 die Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger ausgestellt.

1.4. Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung auf:

01) BG XXXX vom 22.04.2005 RK 26.04.2005

§ 89 (§ 81 Abs. 1 Z 2) StGB

Geldstrafe von 80 Tagen zu je 2,00 Euro, 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

02) BG XXXX vom 01.02.2007 RK 06.02.2007

§ 83 Abs. 1 StGB

Geldstrafe von 100 Tagen zu je 2,00 Euro, 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 50 Tagen zu je 2,00 Euro, 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe bedingt, Probezeit 3 Jahre

03) LG XXXX vom 08.04.2008 RK 13.04.2008

§ 83 Abs. 1, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1, §§ 12 3. Fall, 288 Abs. 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 29.01.2008

Freiheitsstrafe 4 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, Geldstrafe von 300 Tagen zu je 2,00 Euro, 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

04) LG XXXX vom 05.06.2012 RK 22.10.2012

§ 83 Abs. 1, §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 10.07.2011

Freiheitsstrafe 3 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

05) LG XXXX vom 17.03.2014 RK 20.03.2014

§§ 15, 105 Abs. 1, § 83 Abs. 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 28.02.2013

Freiheitsstrafe 5 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, Geldstrafe von 150 Tagen zu je 4,00 Euro, 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

06) BG XXXX vom 02.07.2014 RK 08.07.2014

§ 83 Abs. 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 25.11.2012

Keine Zusatzstrafe gem. §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX RK 20.03.2014

07) BG XXXX vom 29.05.2015 RK 26.06.2015

§§ 15, 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 14.04.2015

Freiheitsstrafe 1 Monat bedingt, Probezeit 3 Jahre

08) LG XXXX vom 26.08.2015 RK 26.08.2015

§ 105 Abs. 1, §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 3, § 83 Abs. 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 08.05.2015

Freiheitsstrafe 20 Monate, davon 14 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre, Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gem. § 21 Abs. 2 StGB

Festgestellt wird, dass der BF die mit dem oben genannten Urteilen festgestellten strafbaren Handlungen begangen und das in den Urteilen jeweils näher umschriebene strafbare Verhalten gesetzt hat.

Bei der Strafbemessung im ersten Strafverfahren wurden die hohe Alkoholisierung und das Gefährden von zwei Personen als erschwerend, sein Geständnis, eigene erlittene Verletzungen und die teilweise Schadensgutmachung als mildernd gewertet. Im zweiten und dritten Strafverfahren wurden weder mildernde noch erschwerende Umstände berücksichtigt. Bei der Strafbemessung im fünften Strafverfahren wurden das Zusammentreffen von zwei Vergehen und die Vorstrafen als erschwerend, sein Geständnis und, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd gewertet. Im sechsten Strafverfahren wurden die Vorstrafen und das Zusammentreffen drei verschiedener Vergehen als erschwerend, sein teilweises Geständnis und, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd gewertet. Im siebenten Strafverfahren wurden die Vorstrafen als erschwerend, sein Geständnis und, dass es beim Versuch geblieben ist, als mildernd gewertet. Bei der Strafbemessung im achten Strafverfahren wurden die 5 einschlägigen Vorverurteilungen, das Zusammentreffen strafbarer Handlungen sowie der rasche Rückfall seit der letzten Verurteilung im Juli 2014 erschwerend, mildernd kein Umstand gewertet.

Von 13.05.2015 bis 26.08.2015 befand sich der BF in Haft. Nach der Verurteilung am 26.08.2015 durch das LG XXXX, wurde der BF in den Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB verbracht und befindet sich derzeit in der JA XXXX.

1.5. Mit Schreiben vom 09.08.2016 gab der Psychologische Dienst zum Zustand des BF gegenüber dem BFA im Wesentlichen Folgendes an: Der BF habe bereits unmittelbar nach seiner Verurteilung im August 2015 begonnen sein Verhalten massiv zu ändern. In der Hauptverhandlung (01.07.2015) habe sich der BF gegenüber den Justizwachebeamten aggressiv verhalten und die Verhandlung durch Zwischenrufe gestört. Auf richterlichen Beschluss sei er aus dem Verhandlungssaal abgeführt worden, wobei er im Zuge dieser Intervention die Justizwachebeamten bespuckt, gekratzt und beschimpft habe. Daraufhin sei der BF fixiert und in die damalige Landesklinik XXXX verbracht worden. Unmittelbar nach der Rechtskraft des Urteils (26.08.2016) sei der BF in die JA XXXX verlegt worden und habe sich deutlich verändert gezeigt. Er habe sich deutlich und nachhaltig von seinem während der Hauptverhandlung gezeigten Verhalten distanziert und habe das Störende und Inadäquate an seinem Verhalten erkannt und bedaure die Vorfälle zutiefst. Diese Haltung habe der BF aufrechterhalten und zeige sich vollkommen angepasst und selbstkritisch. Auch gegenüber dem Anstaltspersonal sei er freundlich, offen und zugewandt. Aufgrund dieser Entwicklung sei der BF im August 2016 für freiheitsbezogene Lockerungsmaßnahmen eingegeben und eine bedingte Entlassung vorbereitet worden. Für den Fall einer bedingten Entlassung sei ein entsprechendes Risikomanagement aufzubauen, wobei eine Einzelpsychotherapie ein wesentlicher Bestandteil sein werde. Der BF zeige sich allen Weisungen gegenüber aufgeschlossen, so dass nach internen Beratungen mit dem Beginn einer Einzelpsychotherapie bis nach einer bedingten Entlassung zugewartet werde. Der BF erhalte regelmäßig Besuch von seiner Familie, mit seiner Frau habe er sich versöhnt und stehe eine Wiederverheiratung im Raum. Der BF habe vor, nach seiner Entlassung wieder bei seiner Familie zu wohnen. Dahingehend sei eine paartherapeutische Begleitung als Maßnahme zur Risikohandhabung als Weisung empfohlen.

Im forensisch-psychologischen Gutachten vom 02.11.2016 wurde zusammenfassend festgestellt: "In diagnostischer Hinsicht ist eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, emotional instabilen und paranoiden Anteilen anzunehmen. Weiters berichtete Alkoholentwöhnungstherapie. Drogenabhängigkeit wird vom Probanden in Abrede gestellt, anamnestisch jedoch Cannabismissbrauch sowie zumindest medizinischer Opiatgebrauch berichtet. Der Untergebrachte erhält bereits Vollzugslockerungen. Er befindet sich in einer ausreichenden fachärztlichen Behandlung (Depakine, Dominal), befinde sich in Einzeltherapie bzw. derzeit in Paartherapie. Die Aufführung in Haft laut Unterlagen unauffällig. Da die Kriterien der höhergradigen Abnormität bei Herrn XXXX derzeit nicht mehr durchgängig erheblich beeinträchtigt sind, kann eine bedingte Entlassung aus der Maßnahme empfohlen werden unter folgenden Bedingungen:

* Alkohol- und Drogenabstinenz

* Fortsetzung wahlweise von Einzel- bzw. Paartherapie für die Dauer von mindestens einem Jahr

* Bewährung bei den weiteren Ausgängen im Rahmen der Vollzugslockerungen nach Maßgabe der JA XXXX."

1.6. Der BF verfügt über familiäre Bindungen in Österreich. Er ist verheiratet und trägt Sorgepflichten für sechs Kinder. Ebenso leben seine Mutter und seine Schwester in Österreich. Die Ex-Frau des BF lebt mit den drei Töchtern in Polen.

Der BF hat in Österreich einige gute Freunde. In seiner Freizeit engagierte er sich für Obdachlose, Alkoholkranke und Menschen ohne Perspektiven. Beispielsweise unterstützte er Streetwork XXXX. Außerdem engagierte er sich im Kindergarten und in den Schulen seiner Kinder und war mehrmals Klassenelternvertreter in den Klassen seiner Kinder.

Die Ehefrau des BF brachte in mehreren Stellungnahmen gegenüber dem BFA und dem BVwG im Wesentlichen Folgendes vor: Der BF habe in der Vergangenheit viele Fehlentscheidungen getroffen. Er habe mit einem gewalttätigen und alkoholkranken Vater eine schwere Kindheit gehabt, wolle dies aber nicht als Entschuldigung für sein Verhalten vorbringen. Der BF habe seine Alkoholkrankheit erfolgreich bekämpft und sei seit 2010 abstinent. Die Haft sei für den BF ein einschneidendes Erlebnis und habe er sich nachhaltig verändert. Er sei seinen Kindern stets ein wunderbarer und liebevoller Vater gewesen. Seit seiner Verhaftung würde er immer davon sprechen, eine zweite Chance haben und diese positiv nutzen zu wollen. In den vielen Therapiestunden und Gesprächen arbeite er seine Vergangenheit auf. Die Familie des BF freue sich auf dessen Rückkehr und bitte um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und Stattgebung der Beschwerde des BF gegen das Aufenthaltsverbot.

Auch der BF selbst richtete sich mit einem Schreiben vom 15.01.2016 an das BVwG in gibt darin zusammengefasst an, dass die Haft ein einschneidendes Erlebnis für ihn sei, er über sein Fehlverhalten intensiv nachgedacht habe und er in Zukunft alles besser machen wolle. Für so lange Zeit ausgewiesen zu werden und nicht bei seiner Familie sein zu können, sei sein größter Albtraum. Er wolle seiner Familie gegenüber alles wieder gut machen. Er wolle seiner Frau, die sich alleine um die sechs Kinder kümmern musste, Verantwortung abnehmen und für seine Kinder sorgen.

1.7. Der BF hat 8 Jahre die Grundschule und 5 Jahre eine HTL besucht. Weiters hat er 5 Semester an der Pädagogischen Hochschule studiert und eine Fachtrainerausbildung absolviert. Er spricht polnisch und deutsch.

Der BF war unter anderem als Security in diversen Lokalen und als Trainer beim XXXX und XXXX tätig. Seit Februar 2012 ist er arbeitslos.

1.8. Der BF hat mehrere Bandscheibenvorfälle erlitten und wird deshalb regelmäßig mit Cortison-Spritzen behandelt. Weiters ist eine Verplattung der Lendenwirbel geplant. Der BF leidet an beiden Hüften an einer Coxarthrose. Im Jahr 2013 wurde die linke Hüfte erneuert. Die Operation an der rechten Hüfte muss erst durchgeführt werden. Zudem leidet der BF an einer dissozialen und beginnenden organischen Persönlichkeitsstörung verbunden mit Polytoxikomie.

1.9. Nach dem am 01.02.2018 erstellten Sachverständigengutachten ergibt sich aufgrund der Vordelikte eine mäßig günstige Gefährlichkeitsprognose, die jedoch gegenüber jener des Einweisungsgutachtens als gebessert zu beurteilen ist. Die Gefährlichkeit, die vom BF ausgeht, kann durch die Fortführung der laufenden Therapien - bezüglich derer die erforderliche Compliance besteht - zukünftig hintan gehalten werden. Die Wahrscheinlichkeit weiterer Delikte ist in absehbarer Zeit wenig wahrscheinlich. Bei Bereitschaft weiterführender Therapien kann jedoch eine tendenziell günstige Prognose erstellt werden. Der BF zeigt diesbezüglich eine hohe Compliance.

1.10. Der VwGH stellte in seiner Entscheidung vom 20.12.2018 fest, dass die Annahme einer günstigen Gefährdungsprognose im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit des BF und den im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG noch andauernden - wenn auch gelockerten - Maßnahmenvollzugs als unvertretbar erweist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.3. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zu seinen Lebensumständen sowie zum Gesundheitszustand des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Zum Bezug einer Invaliditätspension konnten mangels Nachweis keine Feststellungen getroffen werden.

2.4. Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF beruhen auf den übereinstimmenden Angaben des BF vor der belangten Behörde sowie dem unstrittigen Akteninhalt.

2.5. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF und zur Haft ergeben sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Strafurteilen und entsprechen dem Amtswissen des BVwG (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich und in das ZMR).

2.6. Die Feststellungen zum Familienleben des BF, seiner Integration sowie seinem sozialen Engagement beruhen auf den Angaben des BF in der Beschwerde sowie auf dem vorliegenden Verfahrensakt.

2.7. Die Feststellungen zur Gefährlichkeit ergeben sich aus den Gutachten der JV, sowie dem Sachverständigengutachten XXXX, aufgrund des Eindruckes in der mündlichen Verhandlung am 29.03.2017 sowie 04.04.2918 sowie den Feststellungen des VwGH.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde:

Als Staatsangehöriger von Polen ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß Abs. 2 leg. cit. , vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß Abs. 3 leg. cit. unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß Abs. 4 leg. cit. auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

Wenn der Fremde nach dem Maßstab der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl § 2 Abs 4 Z 18 FPG) das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, ist es geboten, auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs 1 FPG den erhöhten Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Halbsatz FPG heranzuziehen. Demnach darf eine Ausweisung nur "aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" verfügt werden. Dieser Gefährdungsmaßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen des FPG über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs 1 FPG (siehe VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können gemäß § 66 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt gemäß Abs. leg. cit. insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß Abs. 3 leg. cit. dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Der VwGH führte in seiner Entscheidung vom 13.12.2012, Zl. 2012/21/0181 folgendes aus:

"Für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, bestimmt Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, dass eine Ausweisung nur aus "schwerwiegenden" Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Unionsbürgerrichtlinie wurden im FPG insofern umgesetzt, als nach dessen § 66 Abs. 1 die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. § 67 Abs. 1 FPG enthält zwar nur zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet. Zum gleichen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Interpretation, weil die Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für Aufenthaltsverbote als für bloße Ausweisungen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre".

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Beschwerde als unbegründet:

§ 53 NAG verlangt für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies der zuständigen Behörde innerhalb von vier Monaten ab der Einreise melden. Eine entsprechende Anmeldebescheinigung wurde dem BF mit 20.05.2008 ausgestellt. Ab diesem Zeitpunkt ist sein Aufenthalt als rechtmäßig anzusehen.

Der BF reiste erstmalig im Mai 2004 in das Bundesgebiet ein, wobei noch kein durchgehender Aufenthalt vorlag. Die Anmeldebestätigung wurde im August 2008 ausgestellt.

Laut Meldedaten liegen folgende Wohnsitzmeldungen vor:

06.05.2004 - 04.10.2005

25.09.2006 - 16.01.2007

27.11.2006 - 25.07.2007

25.07.2007 - 03.08.2007

03.08.2007 - 18.04.2008

20.06.2008 - 03.12.2008

03.12.2008 - 05.02.2014

05.02.2014 - 06.07.2015

Seit Mai 2015 befindet sich der BF in verschiedenen Justizanstalten und befindet sich nach Verbüßung seiner Strafe im gelockerten Maßnahmenvollzug (aufgrund des laufenden Verfahrens über das Aufenthaltsverbot).

Gemäß § 67 Abs. 1 erster Satz FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

Gemäß § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ist für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gegenüber Personen, die sich bereits seit 10 Jahren im Bundesgebiet aufhalten, ein strengerer Maßstab anzusetzen.

Der BF hält sich seit 2004 in Österreich auf, ist ab September 2006 melderechtlich erfasst, und verfügt seit Mai 2008 über eine Anmeldebestätigung, zum Zeitpunkt der erstinanstanzlichen Entscheidung ist daher von einem Daueraufenthalt iSd § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG auszugehen gewesen.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots somit gemäß § 67 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Der BF überschreitet somit die im fünften Satzes des § 67 Abs. 1 FPG (seit zehn Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet) relevante Frist. Für die Prognoseentscheidung sind die §§ 66 und 67 FPG anzuwenden.

Verfahrensgegenständlich ist somit - wie der VwGH im seiner Entscheidung vom 20.12.2018 vollständigkeitshalber anmerkt - aufgrund des durchgehenden Aufenthaltes ab 2004 vom verschärften Maßstab gemäß § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG auszugehen.

Es ist daher zu prüfen, ob das Verhalten des BF aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen. Aufgrund dessen muss das gegenwärtige und das zukünftige Verhalten des BF im Zusammenhang mit seinen strafrechtlichen Verurteilungen gewürdigt werden. Es ist festzustellen, ob der BF in Zukunft sich rechtskonform verhalten wird.

3.1.3. Der BF reiste erstmals im Mai 2004 in das Bundesgebiet ein.

3.1.3.1. Am 03.01.2005 machte er sich des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Abs. 1 Z 2) StGB schuldig.

3.1.3.2. Aus dem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 01.02.2007 lässt sich entnehmen, dass der BF eine Person durch mehrere Faustschläge ins Gesicht, eine weitere durch das Stoßen über eine Stufe und das Versetzen mehrerer Fußtritte gegen den Kopf, eine weitere Person durch einen Fußtritt gegen den Oberkörper und einer weiteren Person ebenfalls Schläge versetzt und diese dadurch am Körper verletzt hat.

3.1.3.3. Aus dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.04.2008 geht hervor, dass der BF eine Person zu Boden geschleudert und diese durch Fußtritte gegen den Kopf und den Oberkörper am Körper verletzt hat, eine weitere Person durch das Versetzen eines Faustschlages gegen den Kopf, wodurch diese einen Augenhöhlenbruch erlitt und sich wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage schuldig machte.

3.1.3.4. In einem weiteren Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 02.07.2014 wurde festgestellt, dass der BF eine Person durch Versetzen eines Kopfstoßes gegen deren Nase und eine weitere durch einen Tritt in die Genitalien am Körper verletzte.

3.1.3.5. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 29.05.2015 wurde der BF des versuchten Diebstahls für schuldig befunden. Wie aus dem Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX hervorgeht, wurde der BF von einer Ladendetektivin beim Versuch eine elektrische Zahnbürste zu stehlen auf frischer Tat betreten. Der BF gab an, dass er seiner Frau versprochen habe, ihr eine solche Zahnbürste zum Geburtstag zu schenken. Als er von der Bank kein Geld bekommen habe, sei er in die XXXXFiliale gegangen und habe die Zahnbürste, ohne diese zu bezahlen, mitnehmen wollen.

3.1.3.6. Aus dem Amtsvermerk der Landespolizeidirektion XXXX vom 15.05.2015 zur letzten Straftat des BF geht hervor, dass der BF von seiner Ehefrau angezeigt wurde und die Festnahmeanordnung aufgrund der Vorgeschichte (mehrmals missachtetes Betretungsverbot und Körperverletzung) ausgesprochen wurde. Aus dem dazu ergangenen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 26.08.2015 ergibt sich folgendes: Der BF hat seine Ehefrau durch gefährliche Drohung zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung zu einer Handlung, die besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt, und zwar zur Aufrechterhaltung der Ehe, indem er äußerte, er werde sie umbringen, sollte sie sich scheiden lassen, sowie mit Gewalt zur Duldung der Mitnahme der zwei Kinder aus der gemeinsamen Wohnung, indem er ihr einen Stoß sowie mehrere Fußtritte gegen die Hüfte versetzte, genötigt. Durch diese Tathandlungen sowie dadurch, dass er zudem mit einem Schuh mehrmals auf sie einschlug, wodurch sie zu Boden stürzte, verletzte er sie zudem in Form einer Prellung der linken Schulter, der linken Hüfte und des linken Oberkörpers am Körper.

Weiters heißt es, der BF "war zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig bzw. fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, hat die Taten aber unter dem Einfluss seiner (...) geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades [dissoziale und beginnende organische Persönlichkeitsstörung, verbunden mit Polytoxiokomanie], welche auch in einem Kausalzusammenhang mit seinen Taten steht, begangen. Nach der Person des Angeklagten, seinem Zustand und der Art seiner Tat, liegt eine hochgradige potentielle Gefährlichkeit vor und mit hoher Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen, dass er - ohne Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und entsprechender Therapie - künftig unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad den oben dargestellten Sachverhalten vergleichbare Taten gegen Leib und Leben Dritter mit schweren Folgen oder u.a. Todesdrohungen, demnach Taten, die eine Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB schon für sich rechtfertigen, begehen werde."

Es obliegt dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG - auch für die Zeit nach der Unterbringung, vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Der VwGH führte dazu in seiner Entscheidung vom 20.12.2018, Zl. Ra 2018/21/0112-10 weiters aus, dass zunächst klarzustellen ist, dass eine maßgebliche Gefährdung auch bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung (vgl. § 53 Abs. 6 FPG) bejaht werden kann, wenn nicht etwa eine Behandlung und Medikation Gewähr dafür bieten, dass eine auf sie zurückzuführende Gefährdung künftig auszuschließen sein wird (vgl. dazu etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0081, Rn. 7 bis 9, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof judiziert überdies in ständiger Rechtsprechung, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich (hier:

nach dem beim Mitbeteiligten im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung durch das BVwG noch andauernden, wenn auch durch Freigänge gelockerten Maßnahmenvollzug) in Freiheit wohlverhalten hat, was auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie gilt (vgl. dazu bespielsweise VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0262, Rn. 7; VwGH 25.1.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8; VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0044, Rn. 7, und VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0050, Rn. 10, jeweils mwN).

Weiters führte der VwGH aus, dass der BF im vorliegenden Fall, nach einem am 03.01.2005 unter Alkoholeinfluss verschuldeten Verkehrsunfall, neben weiteren Straftaten insbesondere wiederholt von massiver Aggression gekennzeichneten Gewaltdelikte begangen, die auch nur zum Teil mit seiner früheren Nebenbeschäftigung als Security im Zusammenhang gestanden waren. Überdies war noch im Beschluss des LG XXXX vom 28.11.2017 festgestellt worden, dass die weitere Unterbringung des BF in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher iSd § 21 Abs. 2 StGB notwendig sei.

Die Annahme des BVwG, aus fremdenrechtlicher Sicht könne von einem Wegfall der Gefährlichkeit bereits im Zeitpunkt der nunmehr angefochtenen Entscheidung, also noch während des Maßnahmenvollzuges und somit Fehlen eines Wohlverhaltens in Freiheit sowie trotz einer nur mäßig günstigen Gefährlichkeitsprognose ausgegangen werden, erweist sich auch unter Heranziehung des Gefährdungsmaßstabes des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG als unvertretbar.

Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Der Beschwerde war daher abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Haft, Rechtsanschauung des
VwGH, strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G312.2128809.2.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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