TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/18 W176 2169215-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2019
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Entscheidungsdatum

18.03.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2169215-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .1986, StA. Syrien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zl. 1103082406-160124044, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 15.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gleichen Tag sowie seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am XXXX .2017 gab er im Wesentlichen Folgendes an: Er sei syrischer Staatsangehöriger sunnitisch-moslemischen Glaubens, gehöre der kurdischen Volksgruppe an, sei in XXXX geboren, habe vor seiner Ausreise aus Syrien in XXXX gelebt und sei von Beruf Tischler. Syrien habe er verlassen, da er Angst gehabt habe, dass er in Syrien in den Krieg ziehen müsse; er wolle aber nicht kämpfen, und zwar für keine Seite. Er habe Syrien zunächst Anfang XXXX legal in die Türkei verlassen. Im Mai XXXX sei er nach Syrien zurückgekehrt und sei dort bis Anfang Jänner 2016 geblieben; da habe der Syrien - nun illegal - endgültig verlassen. Seinen Wehrdienst habe er von XXXX in Damaskus abgeleistet, wobei er im Rahmen des Wachdienstes verwendet worden sei. Die Frage, ob er je persönlich verfolgt oder bedroht worden sei, verneinte der Beschwerdeführer.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Die Entscheidung im Asylpunkt begründete das BFA damit, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem asylrelevanten Grund, insbesondere eine solche Furcht bezüglich Einziehung zum Reservemilitärdienst, glaubhaft zu machen.

Zur Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten verwies es auf die allgemeine Lage in Syrien.

4. Gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der zusammengefasst wie folgt vorgebracht wurde: Es bestehe für ihn als Mann im wehrfähigen Alter die reale Gefahr, zum Militärdienst in der syrischen Armee eingezogen zu werden und in der Folge der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden stelle einen weiteren Risikofaktor dar.

5. In der Folge legte das BFA - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Am 15.03.2019 fand eine Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, welcher das BFA fernblieb. In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer abermals zu seinen Fluchtgründen einvernommen. Dabei gab er ua. an, er sei während der Ableistung seines Wehrdienstes XXXX in Damaskus als Tischler eingesetzt worden. Zuvor hatte er eine Waffenausbildung erhalten. Nach exilpolitischen Aktivitäten befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe einmal in XXXX ein einer Demonstration teilgenommen, die sich gegen den Krieg gerichtet habe. Diese habe stattgefunden, als die Türken in XXXX einmarschiert seien. Die Frage, ob er auf seinem Facebook-Account Statements abgebe, die eine politische Einstellung zeigten, verneinte der Beschwerdeführer.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur hier relevanten Situation in Syrien:

Politische Lage:

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt. 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten. Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce".

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden. Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen. Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten.

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen. Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt. Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus. Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben. Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte. Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt.

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch.

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden. 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden ?Afrin, ?Ain al-?Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre. Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet. In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren.

Lage in Aleppo:

Nach der Waffenruhe eskalierte die Gewalt, und die Stadt Aleppo erlebte die heftigsten Bombardierungen durch das Regime und die russische Luftwaffe seit Beginn des Bürgerkrieges, während die Armee zugleich eine Bodenoffensive startete. Die USA brachen daraufhin Anfang Oktober des Jahres 2016 die direkten Gespräche mit Russland über eine weitere Waffenruhe in Syrien ab. Unter anderem konnten sich die beiden Länder nicht darauf einigen, welche der syrischen Rebellengruppen als terroristisch und welche als gemäßigt einzustufen sind. Ende Oktober fand eine einseitig von Russland eingehaltene, humanitäre Waffenruhe in Aleppo statt. Anfangs sollte die Waffenruhe acht Stunden dauern und am 20.10.2016 beginnen. Sie wurde dann jedoch bis 22.10.2016 verlängert. Danach erlebte Aleppo erneut schwere Kämpfe. Die Vereinten Nationen hofften während dieser Zeit Verletzte evakuieren und Hilfsgüter liefern zu können. Jedoch war beides aufgrund fehlender Sicherheitsgarantien nicht möglich. Im Dezember 2016 nahmen syrische Regierungssoldaten nach einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive den Osten Aleppos ein, welcher seit 2012 von bewaffneten Gruppen gehalten wurde. Es fanden Evakuierungen von Kämpfern sowie von Zivilisten statt, die jedoch durch erneute Gefechte zwischenzeitlich unterbrochen wurden. Zugleich wurden Zivilisten aus den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kafraja im Nordwesten Syriens evakuiert.

Nach der Eroberung Aleppos wurden große Teile der regulären Armee aus Aleppo abgezogen was zur Verschlechterung der Sicherheitslage führte, da so den Milizen freie Hand gelassen wurde. Kriminalität von Seiten der Milizen wurde so zum Problem für die Bevölkerung Aleppos. Im Juni 2017 unternahm die syrische Regierung den Versuch großflächig gegen die Milizen in Aleppo vorzugehen. Vorhergehende Verhaftungswellen in Aleppo konnten die Kriminalität von Milizen nicht unter Kontrolle bringen. Die Milizen sind unter anderem auch für eine steigende Zahl an Entführungen und damit Lösegelderpressungen und zudem für Morde, auch durch Fahrerflucht, verantwortlich. Auch die Sicherheitskräfte beuten die Bewohner Aleppos aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen aus. Vor allem in Ostaleppo sind die Bewohner Opfer von Razzien, und außerdem Festnahmen von Wehrdienstverweigerern, die dann zum Einsatz geschickt werden. Ein weiterer Faktor in Aleppo ist die Baath-Partei. Nach der Eroberung Ost-Aleppos wurde der örtliche Zweig der Baath-Partei aufgelöst. Mittlerweile wurde dieser mitsamt eines bewaffneten Zweiges neu gebildet.

Die türkischen Militäroperationen:

Seit August 2016 ist die Türkei im Rahmen der "Operation Euphrates Shield" in Syrien aktiv. Die Operation wurde gestartet, um sowohl gegen den IS als auch gegen die kurdischen Einheiten, die entlang der syrisch-türkischen Grenze aktiv sind, vorzugehen. Seitdem haben türkische Einheiten mit verbündeten syrischen Einheiten, die hauptsächlich aus gegenüber dem syrischen Regime oppositionell eingestellten Arabern und Turkmenen bestehen, den IS bekämpft. Es gab jedoch auch Zusammenstöße mit kurdisch geführten Einheiten. Im März 2017 wurde Operation Euphrates Shield für erfolgreich beendet erklärt, es wurden jedoch keine Informationen bekannt gegeben, wann oder ob die türkischen Einheiten sich zurückziehen würden. Im Oktober 2017 gab der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine neue Operation in der syrischen Provinz Idlib bekannt, deren Ziel es ist die Ausbreitung von kurdischen und al-Qaida-Einheiten entlang der türkischen Grenze zu verhindern.

Der türkische Präsident Erdogan verschärfte Ende Dezember 2017 seinen Ton gegenüber dem syrischen Präsidenten. Die Türkei forderte lange, dass Assad nicht an der Macht bleiben dürfe, konzentrierte sich aktuell aber mehr auf die Bedrohung durch bewaffnete Islamisten und die kurdischen Kämpfer, die sie als mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündet sieht. Trotz der Differenzen mit Russland und dem Iran hat die Türkei mit den beiden Staaten an einer politischen Lösung für Syrien gearbeitet. Nun nannte Erdogan Assad einen Terroristen und sagte, dass der Friedensprozess in Syrien nicht mit Assad an der Macht fortgesetzt werden könnte. Im Januar 2018 drohte der türkische Präsident mit einer Militäroperation in Afrin , einem der drei selbsternannten autonomen Kantone unter der Kontrolle kurdischer Einheiten und deren Verbündeten. Die kurdischen und türkischen Einheiten haben einander des gegenseitigen Beschusses beschuldigt. Wenig später, am 20.1.2018 begann eine Offensive der Türkei gegen die kurdisch kontrollierte Stadt Afrin. Erdogan kündigte außerdem an, auch Manbij angreifen zu wollen. Die "Operation Olivenzweig" begann mit Artillerie- und Luftangriffen auf Stellungen der YPG in der Region Afrin, denen eine Bodenoffensive folgte. Als Motiv für den türkischen Einmarsch im Grenzgebiet haben mehrere arabische Medien die lang erklärte Absicht Ankaras herausgestrichen, eine etwa 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone einzurichten und dort bis zu 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge anzusiedeln.

Wehrdienst und Rekrutierung:

Rekrutierung durch die syrischen Streitkräfte:

Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst.

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen.

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden. Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert.

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird.

Entlassungen:

Medienberichte kündigten an, dass Ende Mai 2018 erstmals seit Beginn des Krieges Rekruten vom Wehrdienst entlassen werden sollten. Al-Watan, einer regierungsnahen syrischen Tageszeitung zufolge, sollten die Offiziere und Reservisten der Rekrutierungsklasse 102 von 2010 mit 1.6.2018 nach acht Jahren Militärdienst entlassen werden. Die syrischen Staatsmedien berichteten nicht über diese Entscheidung und lokale Zeitungen gaben auch nicht bekannt, wie viele Soldaten davon betroffen sein sollten.

Konsequenzen von Wehrdienstverweigerung und Desertion:

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt.

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

Rekrutierung durch die kurdischen Volksverteidigungskräfte

(YPG/YPJ):

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind der bewaffnete Flügel der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kommt es zu Zwangsrekrutierungen, sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen, oder zu rechtlichen Konsequenzen. In Artikel 2 und 3 des Wehrpflichtgesetzes wird zunächst der Personenkreis definiert, auf den sich das Gesetz bezieht. So heißt es in Artikel 2: "Die Pflicht zur Selbstverteidigung ist eine gesellschaftliche und moralische Pflicht der gesamten Bevölkerung. Aufgrund dessen obliegt es jeder in der Region ansässigen Familie, einen Angehörigen für die Ausübung der Pflicht zur Selbstverteidigung zu stellen." Artikel 3 führt weiter aus: "Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für alle männlichen Personen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Frauen können sich freiwillig zur Selbstverteidigung verpflichten." Der Wehrdienst beträgt gemäß Artikel 4 sechs Monate, die in der Regel innerhalb von höchstens einem Jahr abzuleisten sind. Laut Artikel 5 sind Personen, deren Familien "einen Märtyrer aus den Reihen der Volksverteidigungseinheiten, des Asayis [Sicherheitsdienstes] oder der kurdischen Volksbefreiungsbewegung zu beklagen haben" sowie Einzelkinder von der Wehrpflicht befreit. Ferner sind Menschen freigestellt, die die Wehrpflicht aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben können, und darüber ein ärztliches Attest vorweisen können.

Die YPG unternimmt umfangreiche Rekrutierungskampagnen - auch aufgrund der Schlacht um Raqqa. Die YPG verkündete kürzlich eine Amnestie für Wehrdienstverweigerer, laut welcher diese die zusätzliche Dienstzeit von üblicherweise 3 Monaten, die als Bestrafung definiert ist, nicht ableisten müssen, sondern nur die reguläre Wehrdienstdauer. Berichten zufolge kommt es in den kurdischen Gebieten zu Zwangsrekrutierungen von Männern und Jungen. Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten.

Ethnische Minderheiten:

Die Bevölkerung Syriens besteht überwiegend aus Arabern (hauptsächlich Syrer, Palästinenser und Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen. Dazu kommen die chaldäischen und assyrischen Christen.

Innerhalb der Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes.

Bewegungsfreiheit:

Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an. In Gebieten unter ihrer Kontrolle beschränken der IS und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen, oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern.

Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schloss regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt.

Risikogruppen:

Gemäß den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf - Syrien (IV) und des darauf basierenden Papiers "Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien:

Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Syrien - "illegale Ausreise" aus Syrien und verwandte Themen" (Februar bzw. April 2017) ist UNHCR der Auffassung, dass Personen, denen wahrscheinlich von den syrischen Behörden unterstellt wird, dass sie regierungskritisch oder mit Oppositionellen verbunden sind oder mit ihnen sympathisieren, auf Grundlage ihrer politischen oder unterstellten politischen Überzeugung je nach ihrem persönlichen Profil und den Umständen des Einzelfalls, wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Aufgrund verfügbarer Herkunftslandinformationen reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, um eine begründete Furcht vor Verfolgung festzustellen. Personen mit unterschiedlichen Profilen können dieser Kategorie entsprechen, einschließlich folgender Profile:

1) Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;

Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;

Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich vermögend oder einflussreich sind.

2) Personen mit Wohnort oder Herkunftsort in Gebieten, die sich derzeit oder vormals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen befanden bzw. befinden;

3) Männer im wehrfähigen Alter aus Gebieten unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen;

4) Wehrdienstentzieher;

5) Deserteure;

6) Personen, die im Ausland auf bestimmte Weise aktiv sind;

1.2. Zum Beschwerdeführer und seinem Fluchtvorbringen:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehörige sunnitisch-muslimischen Glaubens und gehört der kurdischen Volksgruppe an. Er ist in XXXX geboren und lebte vor seiner Ausreise aus Syrien in XXXX . Er trägt den im Spruch angeführten Namen und ist 1986 geboren. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in XXXX , ein weiterer in XXXX ; eine seiner Schwestern lebt in XXXX .

1.2.2. Dem Beschwerdeführer wurde am XXXX .2014 in XXXX ein bis XXXX gültiger Reisepass ausgestellt. Er reiste im XXXX legal in die Türkei aus, kehrte nach ca. vier Monaten illegal nach Syrien zurück, und reiste - nachdem er sich ausschließlich in von der YPG kontrolliertem Gebiet aufgehalten hatte, Ende 2015/Anfang 2016 - illegal in die Türkei.

1.2.3. Der Beschwerdeführer leistete seinen Wehrdienst in der Syrischen Armee von XXXX bis XXXX ab. Nach einer (allgemeinen) Waffenausbildung wurde er einer Einheit XXXX in Damaskus zugeteilt, wobei er aber als Tischler eingesetzt wurde. Der Beschwerdeführer hat bislang keine Einberufung zur Ableistung des Reservemilitärdienstes in der Syrischen Armee erhalten.

1.2.4. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien als Reservist zum syrischen Militär eingezogen würde.

1.2.5. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Syrien von der YPG rekrutiert würde.

1.2.6. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien in Hinblick auf eine - ihm allenfalls nur unterstellte - oppositionelle Gesinnung hier relevanten Verfolgungsmaßnahmen des syrischen Staates ausgesetzt wäre.

1.2.7. Es wird daher festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich im Wesentlichen auf das aktuelle Länderinformationsblatt (LIB) der BFA-Staatendokumentation vom 25.01.2018 (einschließlich der Aktualisierung vom August 2018). Da das LIB auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darstellt, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der darin getroffenen Aussagen zu zweifeln. Das LIB sowie die UNHCR-Erwägungen vom November 2017, die der Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegt werden, wurden den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht, welche die Richtigkeit dieser Papiere nicht in Abrede stellten.

2.2.1. Die zu Punkt 1.2.1. und 1.2.1. getroffenen Feststellungen stützen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit den von ihm vorgelegten Dokumenten, insbesondere seinem syrischen Reisepass.

2.2.2. Die zu Punkt 1.2.3 getroffenen Feststellungen stützen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit dem von ihm vorgelegten syrischen Militärdienstbuch.

2.2.3. Die zu Punkt 1.2.4. getroffenen Feststellungen basieren auf folgenden Erwägungen:

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass der Beschwerdeführer sich in wehrfähigem Alter befindet und dessen Ende auch nicht in absehbarer Zeit erreichen wird.

Jedoch ergibt sich zum einen aus den Länderfeststellungen, dass für das Risiko einer Einberufung zum Reservewehrdienst weniger das Alter als die militärische Qualifikation des Betreffenden relevant ist und kann in Hinblick auf die unter Punkt 1.2.3. getroffenen Feststellungen nicht angenommenen werden, dass der Beschwerdeführer über militärische Qualifikationen verfügt, die für die Syrische Armee von Interesse sind.

Auch folgt zum anderen aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Syrien nicht zur Syrischen Armee einberufen wurde, sondern vielmehr von den syrischen Behörden 2014 ein (bis 2020 gültiger) Reisepass ausgestellt wurde und er Syrien XXXX legal verlassen konnte, dass zu einem Zeitpunkt, als er etwa fünf Jahre jünger war als nun und die Syrische Armee in Hinblick auf die damals im Vergleich zum Entscheidungszeitpunkt zahlreicheren Kampfzonen jedenfalls keinen geringeren Bedarf an Soldaten hatte, diese offenbar an einer Einziehung des Beschwerdeführers nicht interessiert war.

2.2.4. Die Feststellung zu Punkt 1.2.5. stützt sich einerseits auf die Länderfeststellungen, aus denen sich ergibt, dass das Alter, in dem männliche Kurden von der YPG zum Wehrdienst verpflichtet werden, 18 bis 30 Jahre beträgt; der Beschwerdeführer ist jedoch bereits 33 Jahre alt.

Zum anderen ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nach seiner Rückkehr aus der Türkei nach Syrien von der YPG aufgefordert worden, für sie zu kämpfen, unglaubwürdig: Bei seiner Einvernahme vor dem BFA gab er auf die - ihm im Zusammenhang mit seiner Rückkehr nach Syrien gestellte - Frage, ob er denn keine Angst gehabt habe, von den kurdischen Partisanen eingezogen zu werden, bloß an, Angst gehabt zu haben, dass sie ihn für ihre Kämpfe mitnehmen, nicht aber, dass er von der YPG tatsächlich zur Wehrdienstleistung aufgefordert wurde. Dies behauptete er erst in der Beschwerdeverhandlung, und zwar in wenig nachvollziehbarer Weise: Zum Zeitpunkt der Einziehung durch die YPG befragt gab er an, er könne nur sagen, dass es im Jahr 2016 und im Winter gewesen sei - den Monat wisse er nicht -, während er in der Folge vorbrachte, dass seine Ausreise aus Syrien, die nach seinem Vorbringen noch in der Nacht jenes Tages, an dem die Aufforderung durch die YPG stattgefunden habe, erfolgt sei, mit dem Monat Dezember 2016 (später korrigiert auf Dezember 2015) datierte.

2.2.5. Die Feststellung zu Punkt 1.2.6. fußt auf folgenden Überlegungen:

Zunächst legt der Umstand, dass dem Beschwerdeführer von den syrischen Behörden ein Reisepass ausgestellt wurde und er legal aus Syrien ausreisen konnte, vor dem Hintergrund der oben zu Punkt 1.1. getroffenen Feststellungen, wonach die syrische Regierung die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigert, nahe, dass ihm von den syrischen Behörden eine solche Gesinnung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht unterstellt wurde. Dass sich daran in Hinblick auf die danach erfolgte illegale Wiedereinreise des Beschwerdeführers nach bzw. dessen illegale abermalige Ausreise aus Syrien etwas geändert hätte, kann schon deshalb nicht angenommen werden, da nicht ersichtlich ist, inwiefern die syrischen Behörden von diesen illegalen Grenzübertritten des Beschwerdeführers, der sich (wie festgestellt) in der betreffenden Zeit ausschließlich im Herrschaftsbereich der YPG aufhielt, erfahren konnten. Weiters kann etwa vor dem Hintergrund, dass die Kurdengebiete im Norden Syriens nach den Länderfeststellungen von der Syrischen Armee mehr oder weniger kampflos an die kurdischen Einheiten übergeben wurden, nicht gesagt werden, dass die ethnische Zugehörigkeit des Beschwerdeführers oder seine Herkunft aus dem genannten Gebiet dazu führt, dass ihm von den syrischen Behörden (deswegen) eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer genannte Teilnahme an einer Demonstration in XXXX , da diese nach seinen Angaben in Zusammenhang mit der türkischen Militäroperation in XXXX stand und überdies nicht davon ausgegangen werden kann, dass er öffentlich und erkennbar unter seinem Namen (zB über das Internet) als Oppositioneller in Erscheinung getreten ist.

2.2.6. Die (zusammenfassende) Feststellung zu Punkt 1.2.7. stützt sich auf die vorangegangenen Feststellungen, aufgrund derer auch nicht angenommen werden kann, dass der Beschwerdeführer einer im genannten UNHCR-Papier vom November 2017 angeführten Risikogruppen angehört.

Dass der Beschwerdeführer in Hinblick auf seinen zu Bezug zu XXXX gefährdet wäre, hat er (auch in der Beschwerdeverhandlung) nicht vorgebracht und es haben sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen diesbezüglich auch keine von amtswegen wahrzunehmende Hinweise ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 i. d.F. BGBl. I Nr. 70/2015, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf inter-nationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zu-rückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/-20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Im Umstand, dass im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine Furcht kann vielmehr nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in derselben Situation auch fürchten würde. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben entsprechende Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkung. Diese Indizwirkung bedeutet nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR Asyl oder Abschiebeschutz zu gewähren haben. Vielmehr hat die Asylbehörde, wenn sie in ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht folgt, beweiswürdigend darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat kommt (VwGH 16.12.2010, 2006/01/0788).

3.2.2. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen:

Denn wie oben festgestellt drohen ihm im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgungshandlungen von hinreichender Intensität. Weder kann davon ausgegangen werden, dass ihm diesfalls mit einer solchen Wahrscheinlichkeit Zwangsrekrutierung droht noch dass ihm eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung (vgl. die oben unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

3.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

3.4. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg,
erhebliche Intensität, Fluchtgründe, Glaubhaftmachung,
Gläubigermehrheit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche
Fluchtalternative, maßgebliche Wahrscheinlichkeit, Militärdienst,
Nachvollziehbarkeit, Schutzfähigkeit des Staates, staatlicher
Schutz, Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung,
Wehrdienst, Wehrpflicht, wohlbegründete Furcht, Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W176.2169215.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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