TE Bvwg Beschluss 2019/3/19 L504 2214696-1

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Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

AVG §37
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §67
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L504 2214696-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. Engel über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei [bP] reiste als minderjähriges Kind im Jahr 2002 mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern im Rahmen einer Familienzusammenführung legal zu ihrem in Österreich lebenden und arbeitenden Vater.

Auf Grund einer strafgerichtlichen Verurteilung hat das Bundesamt eine Aufenthaltsbeendigung eingeleitet und mit dem angefochtenen Bescheid gem. § 52 Abs 5 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG in die Türkei zulässig ist. Eine Frist von 2 Wochen wurde für die freiwillige Ausreise gewährt und ein Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren verhängt.

Das Bundesamt führte darin ua. aus, dass die bP im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Österreich gekommen sei und seither rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig wäre. Das Assoziierungsabkommen EWR-Türkei gelange nicht zur Anwendung, weil die bP dafür zu wenig und zu unregelmäßig gearbeitet habe.

Die öffentlichen Interessen würden die privaten- und familiären Interessen überwiegen, weshalb eine Rückkehrentscheidung notwendig wäre. Auf Grund der von der bP gezeigten Gefährlichkeit sei ein Einreiseverbot in der veranschlagten Höhe zu verhängen.

Dagegen wurde von der bP innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wird ua. ausgeführt, dass gegenständlich sehr wohl das Assoziationsabkommen anzuwenden sei. Die bP sei 2002 als Minderjähriger zu ihrem in Österreich lebenden und arbeitenden Vater legal zugewandert. Für die bP sei daher Art 7 ARB 1/80 anzuwenden und diesfalls könnte allenfalls ein Aufenthaltsverbot gem. § 67 FPG erlassen werden.

Das Bundesamt legte die Verwaltungsakte vor. Zu den Argumenten in der Beschwerde wurde keine Stellung bezogen.

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

1. Feststellungen:

Das BFA hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen und ergibt sich dieser auch nicht aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Grundlegende Ermittlungsschritte sind erforderlich.

Unstreitig ist, dass es sich hier um einen Familiennachzug eines türkischen Staatsangehörigen zu ihrem in Österreich lebenden und arbeitenden Vater handelt. Es wurden seitens der Behörde keine konkreten Ermittlungen getätigt, um feststellen zu können ob es sich hier tatsächlich um einen Familiennachzug iSd Art 7 ARB 1/80 handelt. Dazu hätten insbesondere Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit des Vaters zum Zeitpunkt des Zuzuges gehört.

Die Behörde hat dazu keine nachvollziehbaren Feststellungen getroffen bzw. sich gar nicht mit dieser Variante beschäftigt.

2. Beweiswürdigung:

Der für die Zurückverweisung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückverweisung

§ 28 VwGVG

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) [....]

(7) [....]

(8) [....]

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) - bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.

Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der "Unabhängigkeit", die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der "Unparteilichkeit" in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.

Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie - wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat - nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.

Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt - wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.

Fallbezogen ergibt sich Folgendes:

Das Bundesamt hat hier die Anwendung des Assoziierungsabkommens mit dem Argument verneint, dass hier Art 6 ARB 1/80 auf Grund der Beschäftigungszeiten nicht zur Anwendung gelange.

Die Behörde hat sich jedoch nicht damit auseinander gesetzt, ob die bP nicht über Art 7 leg cit in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen könnte. Es handelt sich hier um einen ganz erheblichen Umstand. Käme nämlich das Assoziierungsabkommen gem. Art 7 ARB 1/80 - so wie in der Beschwerde ausgeführt - zu Anwendung, so hätte dies grds. zur Konsequenz, dass für die Aufenthaltsbeendigung die § 66 bzw. § 67 FPG einschlägig wären (vgl. zB VwGH 10.10.2012, 2012/18/0088).

Auf der anderen Seite käme aber Art. 7 ARB 1/80 in einem Verfahren betreffend Aufenthaltsverbot nicht zum Tragen, wenn der Vater des Fremden zum Zeitpunkt des Zuzuges des Fremden nach Österreich bereits die österreichische Staatsbürgerschaft innehatte (VwGH 06.09.2012, 2012/18/0061).

Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation regelt im Wesentlichen welche Rechte türkischen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat auf dem Gebiet der Beschäftigung zustehen. Die Artikel 6 und 7 ARB 1/80 sind dabei die zentralen Vorschriften aus denen türkische Staatsangehörige, sofern die Voraussetzungen vorliegen, unmittelbar Ansprüche für rechtmäßigen Aufenthalt und Arbeitserlaubnis herleiten können.

Die Art 6 und 7 enthalten ihrem Wortlaut nach in erster Linie beschäftigungsrechtliche Regelungen. Der EuGH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die beschäftigungsrechtlichen Vergünstigungen, die türkischen Staatsangehörigen verliehen werden, zwangsläufig auch ein Aufenthaltsrecht dieser Personen im jeweiligen EU-Mitgliedstaat beinhalten, weil sonst die in diesen Bestimmungen eingeräumten Arbeitsmarktzugangsrechte wirkungslos wären.

Art 7 ARB 1/80

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben; haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung in Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.

Das Bundesamt hat insbesondere nicht geklärt ob es sich bei der damaligen Bezugsperson der bP - der Vater - um einen "dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmer" handelte. Sowohl die Angaben der bP im Verfahren beim Bundesamt als auch der Beschwerdeschriftsatz geben dazu keine konkrete Auskunft.

Folgt man den Angaben aus der schriftlichen Anfragebeantwortung könnte man Zweifel daran gewinnen, ob der Vater zum Zeitpunkt der Familienzusammenführung (noch) türkischer Staatsangehöriger war ["Da mein Vater österreichischer Staatsbürger ist und wir uns zum damaligen Zeitpunkt in der Türkei befanden, entschlossen sich meine Eltern in der Zukunft in der neuen Heimat Österreich gemeinsam zu leben"]. In der Beschwerde selbst finden sich keine Hinweise auf eine österr. Staatsangehörigkeit des Vaters zum Zeitpunkt des Nachzuges.

Faktum ist, dass sich die Behörde im Verfahren nicht mit diesem zentralen Umstand auseinander gesetzt hat und keine zielführenden Ermittlungen tätigte.

Das Bundesamt hat nunmehr Ermittlungen zu diesen zentralen Punkten zu tätigen. Wie die vorherigen Ausführungen zeigen, wurde der maßgebliche Sachverhalt vom BFA somit nicht festgestellt. Dieser ist weder dem gegenständlich angefochtenen Bescheid, noch dem vorliegenden Akteninhalt zu entnehmen. Das BFA hat dadurch essentielle Ermittlungen unterlassen, weswegen im gegenständlichen Fall entsprechend der Rechtsprechung des VwGH zu § 28 Abs. 3 VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) davon auszugehen ist, dass genau solch gravierende Ermittlungslücken vorliegen, die zur Zurückweisung an die Verwaltungsbehörde (BFA) berechtigen, zumal angesichts dieser Ermittlungslücken nicht einmal festgestellt werden kann ob die Behörde zu Recht eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot erließ, oder ob der Aufenthalt - bei Vorliegen der Voraussetzungen - nicht durch ein Aufenthaltsverbot zu beenden gewesen wäre.

Da im gegenständlichen Fall das wesentliche Ermittlungsverfahren vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert wäre, käme dies einer Delegation des Verfahrens an das BVwG gleich. Bereits die Beschwerde zeigt hier die Mangelhaftigkeit konkret auf. Das Bundesamt nahm dazu angesichts der Aktenvorlage weder Stellung, noch machte sie von einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch. Dadurch zeigt sich schon die Delegationsabsicht hinsichtlich dieser zentralen Ermittlungen.

Es liegt auch nicht auf der Hand, dass die Ermittlungen und Entscheidung in der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht rascher durchgeführt werden könnten oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wären.

Das BFA hat somit die aufgezeigten Mängel zu beheben bzw. den maßgeblichen Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid hinsichtlich aller Spruchpunkte gemäß § 28 Abs 3 VwGVG an das BFA zurückzuverweisen.

Entfall einer Verhandlung

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, worunter nach hL auch eine Kassation des Bescheides subsumiert werden kann (vlg. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 22 zu §67d).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich § 28 Abs 3 VwGVG von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Assoziationsabkommen, Aufenthaltsverbot, Behebung der
Entscheidung, Einreiseverbot, Ermittlungspflicht,
Familienangehöriger, Familienzusammenführung, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrentscheidung, strafrechtliche
Verurteilung, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L504.2214696.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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