Entscheidungsdatum
20.03.2019Norm
BBG §40Spruch
W141 2212761-1/ 5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 08.08.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von achtzig (80) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer hat am 18.12.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.02.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 30 vH bewertet wurde.
1.2. Mit Schreiben, eingelangt bei der belangten Behörde am 04.04.2018, gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme ab.
Im Wesentlichen geht daraus hervor, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden erkläre. Insbesondere sei seine HIV-Infektion nachweisbar und schränke diese ihn - auch im Zusammenhang mit seinen psychischen Krankheiten - erheblich ein.
1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.06.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 30 vH bewertet wurde.
1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 17.09.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben.
Unter Vorlage eines Befundkonvoluts wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer aufgrund seiner zahlreichen psychischen Krankheiten diskriminiert fühle. Unter Auflistung seiner Beeinträchtigungen beantragt er, diese bei der Entscheidung zu berücksichtigen.
2.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme desselben Facharztes für Neurologie mit dem Ergebnis eingeholt, dass sich keine Änderung der Einschätzung ergibt.
2.2. Mit Schreiben vom 03.10.2018 gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme ab.
Im Wesentlichen geht daraus hervor, dass laut des Beschwerdeführers die Stellungnahme des Facharztes für Neurologie nicht den Tatsachen entspreche. Der Beschwerdeführer beschreibt seine Funktionseinschränkungen, insbesondere die Agoraphobie mit Panikstörung detailliert und ersucht erneut um Berücksichtigung seiner beigelegten Beweise.
2.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von der belangten Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten eines Allgemeinmediziners, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 29.10.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 80 vH betrage.
3. Mit Schreiben vom 11.01.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
3.1. Mit Schreiben vom 17.01.2019 übermittelte der Beschwerdeführer ein weiteres medizinisches Beweismittel.
3.2. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs hat weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 80 (achzig) vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Größe: 172,00 cm Gewicht: 60,00 kg Blutdruck: 125/70
Klinischer Status - Fachstatus:
Aus- und Ankleiden erfolgt im Stehen, Caput: ua., keine
Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung, Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion,
Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine maßgebliche Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer,
Abdomen: weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei,
HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. frei,
BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung frei,
Extremitäten: OE: Schultergelenk rechts: Armvorheben und -seitheben frei, Schultergelenk links: Armvorheben und -seitheben frei, Nacken- und Schürzengriff beidseits frei durchführbar, Ellenbogengelenk rechts: Beugung und Streckung frei, Ellenbogengelenk links: Beugung und Streckung frei,
Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei, Faustschluß bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig,
UE: Hüftgelenk rechts: Flexion, Abd. und Add. altersentsprechend frei, Hüftgelenk links: Flexion, Abduktion und Adduktion frei,
Kniegelenk rechts: Beugung frei, Streckung frei, bandstabil,
Kniegelenk links: Beugung frei, Streckung frei, bandstabil,
Sprunggelenk rechts: frei, Sprunggelenk links: frei, sonstige Gelenke altersentsprechend frei,
Fußheben und -senken bds. durchführbar, 1-Beinstand bds. durchführbar, Hocke durchführbar, beide UE können von der Unterlage abgehoben werden, Bein- und Fußpulse bds. palp.,
Venen: unauffällig, Ödeme: keine
Stuhl: unauffällig, Harnanamnese: unauffällig
Derma: blande Narbe Schlüsselbein links, axillär links Lymphknoten palpabel.
Gesamtmobilität - Gangbild:
unauffällig, flüssig, sicher, ohne Hilfsmittel, freies Stehen unauffällig möglich, Aufstehen aus sitzender und liegender Körperhaltung selbstständig gut und unauffällig möglich, Zehenspitzen- und Fersenstand beidseits durchführbar, Konfektionsschuhe
Status Psychicus:
klar, wach, in allen Qualitäten orientiert, keine Denkstörungen, Denkziel wird erreicht, Stimmung gedrückt, Kommunikation und Anamneseerhebung unauffällig und gut möglich. AW kommt ohne Begleitung in das Untersuchungszimmer
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Absiedlungen im Bereich beider Lungen bei malignem Melanom 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da laufende Therapiemaßnahmen.
13.01.04
70 vH
02
Erworbenes Immundefizienz-Syndrom 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da Dauermedikation ohne außergewöhnliche Infektionen.
10.03.13
30 vH
03
Panikstörung und Agoraphobie 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da fallweise Rückzugstendenz unter laufender nervenärztlich-medikamentöser Therapie sowie psychotherapeutischen Maßnahmen.
03.06.01
30 vH
04
Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung Oberer Rahmensatz dieser Position, da auskultatorisch unauffällige Lunge bei Fehlen von Exazerbationen.
06.06.01
20 vH
05
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Unterer Rahmensatz, da radiologisch nachgewiesene Veränderungen ohne relevante funktionelle Einschränkungen.
02.01.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
80 vH
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 80 vH, da Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 zusätzlich maßgeblich beeinflusst und um eine Stufe erhöht wird. Die weiteren Leiden wirken mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich wechselseitig negativ zusammen und erhöhen nicht weiter.
1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 18.12.2017 bei der belangten Behörde eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Zu 1.1) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt sowie dem Auszug aus dem zentralen Melderegister mit Stichtag 24.01.2019.
Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das durch die belangte Behörde eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 08.01.2019 ist schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Diese stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Der medizinische Sachverständige beschreibt in Zusammenschau mit dem erhobenen Status anschaulich und nachvollziehbar, dass Absiedlungen im Bereich beider Lungen bei malignem Melanom mit einem Grad der Behinderung von 70 vH als führendes Leiden beim Beschwerdeführer vorliegt. Die Wahl dieser Position liegt zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da laufende Therapiemaßnahmen erforderlich sind. Dieses Leiden wurde im Vergleich zum Vorgutachten neu aufgenommen und unter der Richtsatznummer 13.01.04 angeführt.
Des Weiteren beschreibt der Sachverständige, dass das führende Leiden durch das Leiden 2 - erworbenes Immundefizienz-Syndrom - und das Leiden 3 - Panikstörung und Agoraphobie - um eine Stufe erhöht wird. Er erläutert anschaulich, dass diese beiden Leiden als maßgebliche zusätzliche Leiden einzuschätzen sind und daher mit dem führenden Leiden funktionell negativ zusammenwirken.
Zudem ergibt sich im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung im Vergleich zum Vorgutachten das weitere Leiden 4 - chronisch-obstruktive Lungenerkrankung. Dieses wird vom Sachverständigen unter der Richtsatzposition 06.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH bewertet. Dies entspricht dem oberen Rahmensatz, da eine auskultatorisch unauffällige Lunge ohne Exazerbationen vom Sachverständigen beschrieben wird.
Zudem geht aus dem Gutachten das Leiden 5 - degenerative Wirbelsäulenveränderungen - hervor. Dieses wird mit einem Grad der Behinderung von 10 vH bewertet, da die radiologisch nachgewiesenen Veränderungen laut dem Gutachter keine relevanten funktionellen Einschränkungen verursachen.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin geeignet, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.
Zu 1.3.) Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 18.12.2017 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 46 BBG idF des BGBl. Nr. 57/2015 dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.
Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 11.01.2019 vorgelegt worden ist, war das am 17.01.2019 vom Beschwerdeführer nachgereichte Beweismittel - Bericht über den stationären Aufenthalt AKH vom 15.01.2019 -nicht zu berücksichtigen.
Falls sich der Leidenszustand des Beschwerdeführers maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.
Da das Leiden "Absiedlung im Bereich beider Lungen bei malignem Melanom" neu in die Begutachtung mit aufgenommen wurde und dieses mit den weiteren vorliegenden Leiden funktionell negativ zusammenwirkt, ist eine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung auf 80 vH gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der - verfahrensgegenständlichen - Höhe des Grades der Behinderung, wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und es resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W141.2212761.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.06.2019