Entscheidungsdatum
20.03.2019Norm
BBG §40Spruch
W141 2205749-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie die fachkundige Laienrichterin
Mag. Bettina PINTER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 19.07.2018, OB:
XXXX , in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin hat am 22.06.2018 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage von medizinischen Befunden einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.07.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 50 vH bewertet wurde.
2.1. Mit Wirksamkeit 20.07.2018 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH ausgestellt.
2.2. Gegen den festgestellten Grad der Behinderung wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.
Unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorgebracht, dass ihre schwere Schulteroperation links mit einem Rehabilitationsprozess von über einem Jahr nicht ausreichend berücksichtig worden sei. Sie sei noch in laufender physikalischer und ergotherapeutischer Therapie, doch würden ihre Beschwerden bei alltäglichen Handgriffen im Haushalt wie bei der persönlichen Pflege zunehmen.
Die Beschwerdeführerin gab weiter an, dass durch das im Alltag erforderliche Heben und Tragen der Zustand ihrer Lendenwirbelsäule verschlechtert werde, da sich die ungleiche Belastung der linken und rechten Schulter negativ auswirke und dies vermehrte Schmerzen verursachen würde.
Ihre mehrfach operierten Füße seien zudem eine große Erschwernis und würden eine umfangreiche Mobilitätseinschränkung darstellen. Sie schaffe daher lediglich geringe Entfernungen und habe bei jedem Schritt Schmerzen, da sie an den Fußsohlen keine ausreichende Muskulatur und Fettgewebe habe.
3.1. Zur Überprüfung der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.11.2018 mit dem Ergebnis eingeholt, dass ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH festgestellt wurde.
3.2. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs hat weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im Behindertenpass festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Größe: 154,00 Gewicht: 75,00 kg Orthopädischer Befund:
A) THORAX: symmetrisch
B) WIRBELSÄULE:
im Lot.
Halswirbelsäule: in R 45-0-45, F 10-0-10, Kinn-Jugulum-Abstand 1 cm, Reklination 12 cm.
Verstärkte Brustkyphose, Brustwirbelsäulendrehung 25-0-25, Schober Zeichen 10/13,5 cm, FKBA 25 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella.
Geringer Beckenschiefstand
C) OBERE EXTREMITÄTEN:
Nacken- und Kreuzgriff durchführbar, links eingeschränkt.
Faustschluss beidseits möglich.
Schultern in S rechts 40-0-150 zu links 30-0-125, F rechts 150-0-40 zu links 120- 0-40, R rechts 50-0-50 zu links 25-0-45.
Ellbogen 0-0-125.
Handgelenke 50-0-50
D) UNTERE EXTREMITÄTEN:
Hüftgelenke: in S 0-0-100, F 30-0-25, R 25-0-10, Kniegelenke in S 0-0-125, bandfest, reizfrei.
Sprunggelenke: 10-0-45.
Zehen: Rechte Großzehe versteift, Zehen 2-5 gut anliegend, keine Hammerzehendeformität.
Geringer Hohlfuß beidseits, etwas verstärkte, aber seitengleiche Beschwielung der Fußsohlen als deutliche Benutzungszeichen.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe gut möglich, hat Weichbettung/Einlagen in den Schuhen.
Zehenspitzen- und Fersenstand möglich.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
1
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Oberer Rahmensatz, da Skoliose, und multisegmentale Osteochondrosen lumbal und Neuroforameneinengung, Vertebrostenose. Wahl dieser Position, da gut erhaltene Beweglichkeit und ungestörte periphere Sensomotorik.
02.01.02
40 vH
2
Vorfußdeformität rechts mehr als links, beidseits operativ korrigiert Unterer Rahmensatz, da links beschwerdearm. Wahl der Position, da gutes Korrekturergebnis.
02.05.36
30 vH
3
Kniegelenksabnützung rechts Oberer Rahmensatz, da Knorpelschäden. Wahl der Position, da gute Beweglichkeit und keine Instabilität.
02.05.18
20 vH
4
Beweglichkeitseinschränkung beide Schultergelenke, links mehr als rechts Wahl der Position, da Vorseitwärtsheben über 90 Grad beidseits
02.06.02
20
Gesamtgrad der Behinderung
50 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Grad der Behinderung des führenden Leiden 1 wird durch das Leiden 2 maßgeblich ungünstig beeinflusst, nicht jedoch durch die Leiden 3 und 4.
1.3. Der gegenständliche Antrag ist am 22.06.2018 bei der belangten Behörde eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die von der belangten Behörde und vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und die im Rahmen im Beschwerdeverfahren vorgelegten medizinischen Beweismittel.
Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Der befasste Sachverständigen fasst die durch die Beschwerdeführerin vorgelegten bzw. zur Untersuchung mitgebrachten Beweismittel nachvollziehbar wie folgt zusammen:
-
Die Operationsberichte vom 23.01.2012 und vom 23.03.1999 sind Operationsberichte ohne klinische Relevanz.
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Der Bericht über den stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin im XXXX vom 22.03. bis 30.03.1999 dokumentiert den Wirbelsäuleneingriff.
-
Der Röntgenbefund von Dr. XXXX vom 03.11.2015 des rechten Knies ist ohne klinische Beschreibung.
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Der radiologische Befund der Kernspintomographie des Schultergelenks links vom 21.12.2011 ist ein präoperativer Befund vor dem Schultereingriff links.
-
Der Befund des XXXX vom 09.10.2007 beschreibt klinisch und radiologisch den Zustand der Beschwerdeführerin, beschrieben sind geringe Scherzen und eine gute Beweglichkeit ohne Lähmungen. Damals bestand keine akute Kompression oder Wurzel Symptomatik.
-
Der ärztliche Bericht der Praxisgemeinschaft Dr.med. XXXX - Dr.med. XXXX vom 01.08.2012 beschreibt den bekannten und erfassten Zustand der Knieabnützung, den Zustand nach Fußoperationen, die Wirbelsäulendegeneration und eine Reizung des Schleimbeutels der linken Hüfte.
-
Die vorliegenden Röntgenpapierkopien vom 10.07.2013 wurden von der Beschwerdeführerin im Original dem Sachverständigen vorgelegt und wurden von diesem eingesehen.
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Der Röntgenbefund der radiologischen Gruppenpraxis Dr. XXXX vom 16.08.2018 zeigt ein unauffälliges Sprunggelenksröntgen beidseits und der Vorfüße ohne Interpretation.
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Der MRT Befund der LWS und der linken Schulter vom 17.01.2017 wurde bereits im VGA gewürdigt.
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Der Operationsbericht vom 21.01.2013 beschreibt einen Korrektureingriff am rechten Fuß ohne Funktionsbeschreibung.
-
Der Operationsbericht vom 04.08.2011 beschreibt einen Voreingriff.
-
Der Arztbrief der radiologischen Gemeinschaftspraxis im XXXX vom 24.09.2009 beschreibt die Kniegelenksabnützung im Detail, dieser ist aus 2009 und ist auch kein klinischer Befund.
Sämtliche Befunde bestätigen das verwaltungsbehördliche Sachverständigengutachten, kein Leiden wurde weggelassen. Kein einziger Befund rechtfertigt eine höhere Einschätzung.
Die vorgelegten medizinischen Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und der befasste Sachverständige hat sich im Rahmen der Gutachtenserstellung damit auseinandergesetzt. Die angeführten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Leiden 1 - degenerative Wirbelsäulenveränderungen - wird unter Richtsatzposition 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH erfasst. Der Sachverständige für Orthopädie führt diesbezüglich nachvollziehbar aus, dass die Beschwerdeführerin an einer Skoliose und mulitsegmentalen Osteochondrosen lumbal und Neuroforameneinengung sowie einer Vertebrostenose leidet, aber die Beweglichkeit gut erhalten ist und eine ungestörte periphere Sensomotorik besteht.
Der Sachverständige für Orthopädie beschreibt anschaulich, dass die Beurteilung des Leiden 2 - Vorfußdeformität rechts mehr als links, beidseitig operativ korrigiert - unter Richtsatzposition 02.05.36 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH erfolgt, da das Leiden links beschwerdearm ist und ein gutes Korrekturergebnis erzielt werden konnte.
Der Sachverständige hält weiter überzeugend fest, dass das Leiden 3 - Kniegelenksabnützung rechts - unter der Positionsnummer 02.05.18 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH einzustufen ist, da trotz Knorpelschäden eine gute Beweglichkeit vorhanden ist und keine Instabilität gegeben ist.
Das Leiden 4 - Beweglichkeitseinschränkung beide Schultergelenke, links mehr als rechts - wird unter Positionsnummer 02.06.02 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft, da ein Vorseitwärtsheben über 90 Grad beidseits möglich ist.
Zusammenfassend beträgt der Gesamtgrad der Behinderung insgesamt 50 vH. Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich durch die wechselseitige ungünstige Beeinflussung von Leiden 1 durch Leiden 2. Leiden 3 und 4 beeinflussen Leiden 1 nicht weiter.
Der Gesamtgrad der Behinderung wird im Vergleich zum orthopädischen Vorgutachten nicht erhöht, da keine richtungsweisende Veränderung objektivierbar ist, sondern betreffend Leiden 2 und 4 lediglich die Gegenseite mit aufgenommen wurde. Die Bewertung mit 50 vH ist somit nachvollziehbar und gerechtfertigt.
Die bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gesundheitsschädigung wurde somit im eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.
Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigenbeweise, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen (inkl. der vorgelegten medizinischen Beweismittel) war somit nicht geeignet, die gutachterlichen Beurteilungen, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe
von 50 vH vorliegt, zu entkräften.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Auch ist die Beschwerdeführerin dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegengetreten.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.
Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 22.06.2018 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Da ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher vom Bundesverwaltungsgericht ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W141.2205749.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.06.2019