Entscheidungsdatum
20.03.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
L511 2014616-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. BERTSCH, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle XXXX , vom 06.10.2014, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle XXXX , vom 06.10.2014, Zahl: XXXX , gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt:
1. Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]
1.1. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 06.10.2014, Zahl:
XXXX , zugestellt am 10.10.2014, stellte die SVA mit Spruchpunkt 1. fest, dass der Beschwerdeführer gemäß §§ 2 Abs. 2 Z 2, 3 und 6 Abs. 1 Z 1 FSVG von 01.01.2006 bis laufend in der Pflichtversicherung in der Pensions- und Unfallversicherung nach dem FSVG unterliege. In Spruchpunkt 2. stellte die SVA gemäß § 3 Abs. 1 FSVG iVm § 25 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 und § 25a Abs. 1 Z 2 GSVG die jeweiligen Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung für die Jahre 2006 bis 2014 betragsmäßig fest. Mit Spruchpunkt 3. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 FSVG zur Entrichtung der in diesem Spruchpunkt für die Jahre 2006 bis 2014 festgesetzten monatlichen Beiträge zur Pensionsversicherung verpflichtet sowie mit Spruchpunkt 4. gemäß § 3 Abs. 2 FSVG iVm § 74 Abs. 1 ASVG zur Entrichtung der in diesem Spruchpunkt für die Jahre 2006 bis 2014 festgesetzten monatlichen Beiträge zur Unfallversicherung verpflichtet (AZ 3, 4).
Begründend führt die SVA aus, der Beschwerdeführer wohne zwar in Deutschland, sei aber in Österreich als Zahnarzt tätig. Er habe kein E101-Formular ab 2006 vorweisen können, so dass auch keine Ausnahme aus der Versicherung bestünde. Im Hinblick auf die Beitragsgrundlagen und die Beitragsberechnungen stützte sich die SVA auf die ihr von den Finanzbehörden übermittelten Einkommensteuerdaten und setzte daher die Höchstbeitragsgrundlage an.
1.2. Mit Schriftsatz vom 05.11.2014 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den Bescheid der SVA (AZ 2).
Der Beschwerdeführer führte zur Versicherungspflicht (Spruchpunkt 1) im Wesentlichen aus, er habe seinen Wohnsitz in Deutschland und verfüge in Österreich über keine feste Betriebstätte, sondern bringe alles für die Berufsausübung Notwendige in die jeweilige Justizanstalt mit. Zu den Spruchpunkten 2. bis 4. führt der Beschwerdeführer (nur) aus, dass auch die Höhe der festgesetzten monatlichen Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung sowie deren monatliche Beiträge und die Höhe der monatlichen Beiträge zur Unfallversicherung ausdrücklich bestritten werde. Er sei zu hoch eingestuft worden.
2. Die SVA legte dem Bundesverwaltungsgericht am 25.11.2014 die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg. Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1-6 [=AZ 1-47]).
2.1. Im durchgeführten Ermittlungsverfahren führte das BVwG eine Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger durch (OZ 7) und forderte die Parteien auf, weitere Unterlagen beizubringen (OZ 8).
Die SVA nahm zur örtlichen Zuständigkeit der SVA XXXX Stellung und übermittelte dem BVwG die Steuererklärungen der Jahre 2006 bis 2014 (OZ 11, 13).
Der Beschwerdeführer verwies darauf, dass er in Österreich über keine Betriebsstätte verfüge und sohin keine örtliche Zuständigkeit der SVA XXXX gegeben sei. Die angefragten Punkte, weshalb er kein Formular E101 vorweisen könne und welcher Art die Eintragung in die Zahnärzteliste ist, wurde von ihm nicht beantwortete. Ebenso wurden die angeforderten Unterlagen zur beruflichen Tätigkeit in Deutschland nicht vorgelegt (OZ 12).
Die Zahnärztekammer übermittelte auf Ersuchen Unterlagen zum Antrag auf Eintragung in die Liste der Zahnärzte (OZ 9, 10).
II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Bayern in Deutschland und ist zum Entscheidungszeitpunkt (nach wie vor) aufrechtes Mitglied der Landeszahnärztekammer XXXX [LZÄK] (OZ 13, AZ 17). Der Beschwerdeführer geht aktuell einer Tätigkeit als freiberuflicher Zahnarzt in den Justizanstalten XXXX , XXXX nach und verfügt in Österreich über keine (örtlich gebundene) Ordination (AZ 2, 17). In einer öffentlich einsehbaren Liste der Zahnärzte in Bayern ist der Beschwerdeführer aktuell nicht gelistet (https://www.blzk.de); er ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der XXXX -GmbH mit Sitz in XXXX , Bayern (AZ 17).
1.2. Der Beschwerdeführer wird in den jeweiligen Justizanstalten tätig, wobei ihm dort ein für die zahnärztliche Tätigkeit ausgerichteter Raum zur Verfügung steht. Die beweglichen Geräte bringt der Beschwerdeführer jeweils an den Behandlungstagen mit (AZ 17, 2).
1.3. Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2000 in Bayern eine Ordination als Zahnarzt und war ab 11.10.2000 als freiberuflicher Zahnarzt in der Justizanstalt XXXX tätig. Auf Grund seines Antrags vom November 2000 wurde er bei der Österreichischen Ärztekammer [ÖAK], die zum damaligen Zeitpunkt auch für Zahnärzte zuständig war, als Wohnsitzarzt registriert. Im öffentlich einsehbaren Datenauszug aus der Zahnärzteliste ist der Beschwerdeführer jedoch als angestellter Zahnarzt registriert (OZ 10, 11). Warum der Beschwerdeführer trotz Registrierung als Wohnsitzarzt in der öffentlich einsehbaren Zahnärzteliste als angestellter Zahnarzt aufscheint, kann seitens der LZÄK nicht mehr nachvollzogen und aufgeklärt werden, da diese den Datensatz in der jetzigen Form im Jahr 2006 von der ÖAK übernommen hat (OZ 10).
1.4. Auf Grund eines am 24.01.2002 übermittelten Formular E101 aus Deutschland, bestand zu diesem Zeitpunkt (auch rückwirkend) entsprechend der VO (EWG) 1408/71 keine Versicherungspflicht in Österreich (AZ 19).
1.5. Am 23.09.2008 legte der Beschwerdeführer der SVA eine Versicherungserklärung vor, wonach er seit 01.01.2006 eine selbständige Tätigkeit als Zahnarzt in der Justizanstalt XXXX ausübte, die maßgebliche Versicherungsgrenze überschreite und auch in Deutschland Einkünfte als Zahnarzt habe (AZ 37). Ein Formular E101 wurde seitens der in Deutschland für die Versicherung des Beschwerdeführers zuständigen "Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V." nicht ausgestellt, da der Beschwerdeführer keine Angaben dieser gegenüber dazu getätigt hatte (AZ 31).
1.6. Die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2014 weisen folgende Beträge aus (AZ 44, OZ 13):
Jahr
Einkünfte aus selbständiger Arbeit in EUR
2006
138.415,84
2007
130.845,49
2008
147.500,70
2009
172.522,19
2010
146.878,52
2011
153.966,74
2012
142.787,79
2013
39.438,47
2014
-17.472,27
Im Hinblick auf die Einkommen der Jahre 2011 und 2012 sind noch Verfahren beim Bundesfinanzgericht anhängig. Der Beschwerdeführer wird in Österreich gemäß § 1 Abs. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig veranlagt. Einkünfte aus Deutschland scheinen in den Steuerbescheiden daher nicht auf (OZ 13).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1-6 [=AZ 1-47]), sowie aus dem vom BVwG durchgeführten Ermittlungsverfahren (OZ 7-13).
2.2. Der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt im Hinblick auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers (Pkt. 1.1, 1.2, 1.3) ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und wurde dem Beschwerdeführer bereits am 28.07.2014 (AZ 9) und am 04.09.2014 (AZ 6) mit "Verständigung über das Ergebnis der Beweisaufnahme" mitgeteilt. Weiters wurden seine eigenen Aussagen im UFS-Verfahren herangezogen (AZ 17). Diesem Ergebnis ist der Beschwerdeführer weder im Verfahren noch in der Beschwerde substantiiert entgegengetreten. Der Beschwerdeführer führt in der Beschwerde (nur) aus, dass er in Österreich keine Betriebstätte habe, sondern nur in von den Justizanstalten zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten arbeite (AZ 2 S2-5).
2.3. Die Ausführungen zu den Formularen E101 und der Versicherungserklärung (Pkt. 1.4. und 1.5) ergeben sich aus den jeweiligen zitierten Unterlagen (AZ 19, 31, 37) und sind zwischen den Parteien unstrittig.
2.4. Die festgestellte Höhe der Einkünfte in den jeweiligen Jahren, die Anhängigkeit von diesbezüglichen Verfahren, sowie die beschränkte Steuerpflicht in Österreich (Pkt. 1.6) ergeben sich aus den der SVA und dem BVwG von der Finanzverwaltung übermittelten Daten aus den Steuerbescheiden (AZ 44, OZ 13). Der Beschwerdeführer hat zwar darauf hingewiesen, dass er nicht in Österreich, sondern in Deutschland steuerpflichtig sei, der Höhe der Einkünfte in Österreich ist er aber nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat lediglich ausgeführt, er sei zu hoch eingestuft worden. Angaben, warum er zu hoch eingestuft worden wäre, sind jedoch ebenso unterblieben wie etwaige diesbezügliche Beweisanbote (AZ 2 S3, 5, OZ 12).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
3.2. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.3. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 3 Sozialversicherungsgesetz der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen [FSVG] und § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG].
4.1.2. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.3. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
4.1.4. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nicht nur hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage, sondern auch der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (VwGH 20.12.2001, 98/08/0062 mwN).
Verfahrensgegenständlich sind daher sowohl für die Versicherungspflicht, als auch für die Beitragshöhe die jeweiligen Fassungen des FSVG und des GSVG für die Jahre 2006 bis 2014 anzuwenden.
4.2. (Örtliche) Zuständigkeit der SVA XXXX
4.2.1. Verfahrensgegenständlich bestreitet der Beschwerdeführer die Versicherungspflicht in Österreich und die örtliche Zuständigkeit der SVA XXXX .
4.2.2. Für den Beschwerdeführer kommen nach derzeitiger Aktenlage - Wohnort in Deutschland, Tätigkeit in Deutschland und in Österreich - die Verordnung (EWG) 1408/71 und die Verordnung (EG) 883/2004 zur Anwendung, wonach nur eine Rechtsverordnung, entweder die deutsche oder die österreichische, zur Anwendung kommen kann (VwGH 01.10.2018, Ra2017/11/0251).
4.2.3. Gemäß § 2 FSVG unterliegen Mitglieder der Österreichischen Zahnärztekammer ex-lege einer (mit Ausnahmen versehenen) Versicherungspflicht, wobei auf diesen Personenkreis gemäß § 3 FSVG mit Ausnahme des § 5 GSVG, die für Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG maßgeblichen Vorschriften des GSVG Anwendung finden. Für den Beschwerdeführer als Mitglied einer österreichischen LZÄK liegt daher eine grundsätzliche Zuständigkeit der SVA zur Prüfung der Versicherungspflicht in Österreich vor.
4.2.4. Die örtliche Zuständigkeit einer Landesstelle richtet sich gemäß § 195 Abs. 1 GSVG nach dem Standort des Betriebes bzw. in Ermangelung eines solchen nach dem Wohnsitz des Versicherten. Entscheidet eine örtlich unzuständige Landesstelle, liegt Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde vor (vgl. dazu etwa VwGH 24.01.2006, 2003/08/0225). Im gegenständlichen Verfahren verfügt der Beschwerdeführer zwar weder über einen Ordinationsstandort noch über einen Wohnsitz im Bundesland XXXX , aber der Ort der freiberuflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers war zu Beginn der Tätigkeit ausschließlich die Justizanstalt XXXX und der Beschwerdeführer ist auch Mitglied der Landeszahnärztekammer XXXX . Vor diesem Hintergrund teilt das BVwG die Ansicht der SVA XXXX , dass eine Zuständigkeit der SVA XXXX zur Prüfung der Versicherungspflicht des Beschwerdeführers in Österreich angenommen werden kann.
4.3. Zur Versicherungspflicht gemäß § 2 FSVG
4.3.1. Verfahrensgegenständlich kommt zeitraumbezogen § 2 FSVG in den Fassungen BGBL I Nr. 155/2005, Nr. 61/2010 und Nr. 4/2013 zur Anwendung, wobei der verfahrensgegenständlich relevante § 2 Abs. 2 Z 2 FSVG im betroffenen Zeitraum 2006 bis 2014 bis auf eine (verfahrensgegenständlich nicht relevante) Erweiterung unverändert blieb. Gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 FSVG sind auf Grund des FSVG, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die Mitglieder der Österreichischen Zahnärztekammer, ausgenommen Angehörige des Dentistenberufs, wenn sie freiberuflich tätig und nicht als Wohnsitzzahnärzte (§ 29 Zahnärztegesetz) in die Zahnärzteliste eingetragen sind, in der Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert.
4.3.2. Gemäß § 29 Abs. 1 Zahnärztegesetz sind Angehörige des zahnärztlichen Berufs, die ausschließlich solche wiederkehrenden zahnärztlichen Tätigkeiten ausüben, die weder eine Ordinationsstätte erfordern noch in einem Dienstverhältnis ausgeübt werden, als Wohnsitzzahnärzte, zu qualifizieren. Wohnsitz(zahn)ärzte unterliegen dem Wunsch des Gesetzgebers nach nicht der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 2 FSVG, sondern sind unter den Versicherungstatbestand des "neuen Selbständigen" gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zu subsumieren (RV 1238 dB XX. GP).
4.3.3. Der Beschwerdeführer war in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2006 bis 2014 Mitglied der Landeszahnärztekammer XXXX und als Zahnarzt freiberuflich für mehrere Justizanstalten in Österreich tätig. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2000 bei seiner Erstmeldung bei der ÖAK als Wohnsitzzahnarzt eingetragen. Die Eintragung erscheint auch stimmig, da der Beschwerdeführer weder über eine aktive Ordination noch über ein Dienstverhältnis in Österreich verfügt. Dass die öffentlich einsehbare Zahnärzteliste dies anders ausweist, schadet bei der Einordnung nicht.
4.3.4. Da der Beschwerdeführer somit Wohnsitzzahnarzt gemäß § 29 Zahnärztegesetz ist, kommt eine Versicherung gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 FSVG ex-lege nicht in Betracht, weshalb der Bescheid spruchgemäß zu beheben ist.
4.4. Anmerkungen für das fortgesetzte Verfahren
4.4.1. Da die Behebung des Bescheides einer Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nicht entgegen steht, sind für das fortgesetzte Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen nachfolgende Ausführungen festzuhalten.
4.4.2. Die SVA ist in ihrem Bescheid (Seite 12) erkennbar davon ausgegangen, dass eine Pflichtversicherung in Österreich nur dann nicht gegeben wäre, wenn ein E101-Formular, nunmehr A1-Formular, vorläge. Dem steht jedoch die Judikatur der europäischen Gerichtshöfe entgegen, wonach das Fehlen eines E101-Forumlares eines Mitgliedstaates noch keine zwingende Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates auslöst (vgl. Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 14.12.2004, E-3/04, Tsomakas Athanasios ua / NOR Rz35).
4.4.3. Sowohl gemäß Art. 13 VO(EG) 883/2004 als auch davor in Art. 13 ff VO(EWG) 1408/71 unterliegt eine Person bei gewöhnlicher Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in zwei oder mehr Mitgliedstaaten den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaat, sofern in diesem ein wesentlicher Teil der Tätigkeit erbracht wird, andernfalls den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit befindet. Entsprechend der beiden Durchführungsverordnungen DVO 574/72 und DVO 987/2009 sind im Zuge einer Gesamtbewertung Merkmale wie Umsatz, Arbeitszeit, Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und Einkommen aus diesen Tätigkeiten heranzuziehen. Ein Anteil im Wohnmitgliedstaat von weniger als 25% bei dieser Gesamtbewertung spricht dabei gegen einen wesentlichen Teil der Tätigkeit.
Mangels bisheriger Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren konnte im Hinblick auf die Zuständigkeit Österreichs oder Deutschlands bis dato weder geklärt werden, welcher Art die Einkünfte in Deutschland sind, noch in welcher Höhe diese vorliegen. Sollte der Beschwerdeführer diesbezüglich weiterhin keine Unterlagen beibringen, ist auf Grund der derzeitigen Aktenlage nach Ansicht des BVwG davon auszugehen, dass der wesentliche Einkommensteil in Österreich erwirtschaftet wird, da der Beschwerdeführer den Einkommensteuererklärungen zu Folge bereits in Österreich ein dem Median-Einkommen von Zahnärzten in Deutschland entsprechendes Einkommen erzielt (vgl. dazu Kassenzahlärztliche Bundesvereinigung [KZBV] Jahrbuch 2017, S110, 116).
III. ad B) Zulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die Revision ist zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlichen Rechtsfrage, der örtlichen Zuständigkeit der SVA in Fällen fehlt, in denen wie gegenständliche eine Eintragung in die Liste der Zahnärzte in Österreich vorliegt, jedoch weder eine Ordination, noch eine Dienststelle, noch ein Wohnsitz in Österreich vorliegen.
Schlagworte
Arzt, örtliche Zuständigkeit, Revision zulässig,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2014616.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019