TE Bvwg Beschluss 2019/3/21 G310 2216108-1

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Veröffentlicht am 21.03.2019
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Entscheidungsdatum

21.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G310 2216108-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2019, Zl. XXXX beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am 15.11.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Verständigung des Landesgerichts XXXX, XXXX ein, wonach der Beschwerdeführer (BF) am XXXX.2017 wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 1 1. Fall StGB in Untersuchungshaft genommen wurde.

Mit Schreiben vom 15.11.2017 wurde der BF vom BFA verständigt, dass im Falle einer gerichtlichen Verurteilung beabsichtigt sei, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Der BF wurde aufgefordert, hierzu und zu seinen persönlichen Verhältnissen binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme wurde vom BF nicht erstattet.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.01.2108, XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des teils versuchten, schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, dies teilweise auch als Bestimmungs- und Beitragstäter zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Mildernd gewertet wurden das reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Sicherstellung der Diebesbeute, erschwerend hingegen die teilweise Tatbegehung in Gesellschaft, die Begehung der Tat unter Ausnützung einer Vertrauensstellung gegenüber seinem Arbeitgeber und das massiv einschlägig belastete Vorleben in Rumänien.

Mit E-Mail der Justizanstalt XXXX vom 11.01.2019 erfolgte die Information an das BFA, dass der BF seine Freiheitsstrafe seit XXXX.2019 in der Justizanstalt XXXX verbüßt. Das errechnete Strafende ist der 11.05.2019. Darüber hinaus geht aus dem übermittelten Haftmeldezettel sowie aus der Vollzugsinformation hervor, dass der BF in einer Lebensgemeinschaft lebe.

Mit dem Bescheid vom 07.02.2019 wurde über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2FPG ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt III.). Begründet wurde das Aufenthaltsverbot mit der strafgerichtlichen Verurteilung, wobei auch das im strafgerichtlichen Urteil erwähnte massiv einschlägig belasteten Vorleben in Rumänien erwähnt wurde. Weiteres wird ausgeführt, dass der BF seit Juni 2015 ohne Unterbrechung in Österreich behördlich gemeldet sei, über eine Anmeldebescheinigung verfüge, er während seines bisherigen Aufenthalts mit Unterbrechungen erwerbstätig gewesen sei und dass aus dem Akteninhalt nicht hervorgehe, dass der BF im Bundesgebiet über familiäre bzw. sonstige soziale Beziehungen verfüge.

Gegen den oben angeführten Bescheid wurde Beschwerde erhoben. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt worden sei, so seien die privaten Verhältnisse des BF nicht berücksichtigt worden und sei die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von acht Jahren in Anbetracht der vorliegenden Umstände unverhältnismäßig. Er lebe seit 2015 in einer Lebensgemeinschaft und sei 2016 sein Sohn geboren worden. Um das Familienleben aufrecht erhalten zu können, würden dem BF seitens der Justizanstalt Freigänge genehmigt werden.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vom BFA vorgelegt und langten am 18.03.2019 ein.

Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungsrelevante Widersprüche liegen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Aufhebung des Bescheids kommt nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Die Verwaltungsgerichte haben nicht nur bei Vorliegen der in den Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG genannten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden, sondern nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 VwGVG grundsätzlich auch dann, wenn trotz Fehlens dieser Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde dem nicht unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das BVwG nicht vor. Weder steht der maßgebliche Sachverhalt fest noch würde seine Feststellung durch das Gericht die Prozessökonomie fördern, zumal gravierende Ermittlungslücken vorliegen.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. etwa VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039, Punkt 2.1. der Entscheidungsgründe, mwN, und daran anschließend die Erkenntnisse VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052, Punkt 2. der Entscheidungsgründe, und VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur ist auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen des BFA noch keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.

So wurde es verabsäumt einen ECRIS-Auszug hinsichtlich des im Urteil erwähnten massiv einschlägig belasteten Vorlebens des BF in Rumänien bzw. allenfalls die entsprechenden Unterlagen beim Landesgericht XXXX einzuholen, um nachvollziehbar darlegen zu können, inwieweit die Art und Schwere der verübten Taten sich negativ auf das Persönlichkeitsbild des BF auswirken. Weiters wurde dem BF zwar im November 2017, als der Verdacht einer strafbaren Handlung im Raum stand, eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Jedoch nicht als die strafgerichtliche Verurteilung und die damit in Zusammenhang stehenden entscheidungswesentlichen Tatsachen vorlagen. Doch erst zu diesem Zeitpunkt stand fest, ob und wenn ja, wegen welcher konkreten Taten der BF verurteilt wurde, sowie allfällige Strafzumessungsgründe. Auch wurde nicht berücksichtigt, dass aus den mit E-Mail der Justizanstalt XXXX übermittelten Unterlagen hervorgeht, dass der BF in einer Lebensgemeinschaft lebt.

Das BFA hat im fortgesetzten Verfahren nach Tätigung der entsprechenden Ermittlungsschritte basierend auf dem heranzuziehenden Gefährdungsmaßstab eine entsprechende Gefährdungsprognose zu treffen. Im Rahmen dieser Ermittlungen wird sich das BFA auch unter Bedachtnahme auf das Vorbringen in der Beschwerde mit dem Privat- und Familienleben des BF in Österreich auseinanderzusetzen haben.

Da zur Klärung des relevanten Sachverhalts zusätzliche Ermittlungen notwendig sein werden und dadurch bedingte Weiterungen des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden können, führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG die Erhebungen selbst durchführt.

Darüber hinaus begründete das BFA die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hier nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen. Betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wird überhaupt keine Begründung vorgenommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für enthaltenen Überlegungen zum Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung, weil die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die Gewährung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes von ihren Zwecken und ihren Wirkungen her nicht vergleichbar sind (VwGH 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN).

Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid weder hinsichtlich des Durchsetzungsaufschubes noch hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung enthalten.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Gefährdungsprognose,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2216108.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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