Entscheidungsdatum
26.03.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W278 2194964-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. HABITZL über die Beschwerde von XXXX , StA. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2018, Zl. 1119566002-161379385:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben
und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Philippinen, reiste in Besitz eines Visums für den Schengenraum in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab er zu seinem Fluchtgrund an, er sei eine Zeit lang drogensüchtig gewesen. Nach einer Rehabilitationsbehandlung gehe es ihm nun wieder besser. Doch in seiner Heimat würden Drogensüchtige oftmals bedroht. Auch er sei mit dem Tode bedroht worden. Der Beschwerdeführer legte eine "Watch-list" der lokalen Behörden in der Heimatstadt des Beschwerdeführers vor, in welcher Drogensüchtige aufscheinen, darunter der Beschwerdeführer. Weiters wurden Medienberichte vorgelegt. Der gewillkürte Vertreter des Beschwerdeführers gab an, Drogensüchtige würden im Rahmen des Drogenkrieges der neuen Regierung sowie durch sogenannte "Todesschwadronen" bedroht und getötet.
1.3. Am 07.11.2016 langte beim Bundesamt eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher er zusammengefasst vorbrachte, er sei vor einigen Jahren drogensüchtig gewesen. Auf Anregung seiner Familie habe er sich im Mai 2014 entschlossen, sich einer therapeutischen Behandlung zu unterziehen und sei daraufhin freiwillig für die Dauer von 17 Monaten in eine Rehabilitationsanstalt eingewiesen worden. Die Behörden hätten davon Kenntnis erlangt und den Beschwerdeführer seit seiner Entlassung vermehrt beobachtet. Der Beschwerdeführer habe Kenntnis davon erlangt, dass einige polizeiliche Mitarbeiter in seiner Heimatstadt in den Drogenhandel verwickelt gewesen seien. Nach Amtsantritt des neuen Präsidenten seien Weisungen an sämtliche Sicherheitsbehörden im Land ergangen, Drogenverdächtige und Drogensüchtige auf eine sog. "Drug Personalities Watch List" zu setzen. Dies bedeute eine verstärkte Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden. Der Beschwerdeführer sei daraufhin zu einer Einvernahme vorgeladen worden. Die Sicherheitsbeamten hätten ihm gedroht, seinen Namen auf diese Liste hinzuzufügen, woraufhin der Beschwerdeführer den Sicherheitsbeamten gedroht habe, zu verraten, dass diese in den Drogenhandel verwickelt sei. Daraufhin hätten ihm die Sicherheitsbeamten mit Ermordung gedroht. Weiters wurde auf die Situation Drogensüchtiger sowie insbesondere die Drogenpolitik auf den Philippinen verwiesen.
1.4. Der Beschwerdeführer wurde am 05.03.2018 zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er, zu seinem Fluchtgrund befragt, im Wesentlichen an, er sei, nachdem er aus der Rehabilitationsklinik zurückgekommen sei, auf der bereits vorgebrachten "Watch List" aufgeschienen. Da er auf dieser Liste stehe, habe er Angst um sein Leben. Wenn man auf der Liste stehe, werde man verfolgt und bedroht. Es seien bereits drei Mal Leute in seinem Haus gewesen, die nach ihm gesucht hätten.
1.5. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG auf die Philippinen zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Das Bundesamt traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Lebensumständen auf den Philippinen sowie in Österreich.
Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates wurde ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen ist bzw. sei. Er habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Bei einer Rückkehr sei auch nicht davon auszugehen, dass er in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. 3 EMRK gelangen werde.
Auf Grundlage des "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu den Philippinen vom 12.12.2017" wurden Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat getroffen. Dabei wurden Feststellungen zur Sicherheitslage getroffen, jedoch keine Feststellungen zur Anti-Drogen Kampagne.
Beweiswürdigend wurde zum Fluchtvorbringen im Wesentlichen ausgeführt, dass dieses gänzlich unglaubwürdig sei. Die Behörde gehe hinsichtlich der Watch-List davon aus, dass es sich dabei um ein Gefälligkeitsschreiben handle. Zusammengefasst würdigte das Bundesamt das Vorbringen als oberflächlich und nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe sich, obwohl er eine staatliche Verfolgung als Fluchtgrund angegeben habe, einer staatlichen Rehabilitationsbehandlung im Herkunftsstaat unterzogen und sei legal mit einem Visum aus den Philippinen ausgereist. Besonderes Augenmerk werde darauf gelegt, dass der Beschwerdeführer letztmalig im Jahr 2015 Drogen konsumiert habe, anschließend eine staatliche Rehabilitationsklinik besucht habe und erst nach Abschluss dieser Behandlung ein Jahr später Verfolgungsängste von Unbekannten bekommen hätte. Diese Behauptung sei nicht im Geringsten realitätsnahe. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass dieser jederzeit für den Staat greifbar gewesen sei und sei daher nicht ersichtlich warum er dann verfolgt werden sollte, als er von der Drogensucht geheilt gewesen sei.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom XXXX fristgerecht Beschwerde aufgrund von Verfahrensmängeln. Dabei wurde insbesondere moniert, die Angaben des Beschwerdeführers hätten von der Behörde im Gesamtkontext des Drogenkrieges zu beurteilen gehabt hätte. Außerdem wurde gerügt, dass die Behörde ihre Entscheidung aufgrund einer fehlerhaften Annahme des zeitlichen Ablaufs getroffen habe und ebenso fehlerhaft einen Zusammenhang zwischen der staatlichen Verfolgung und der Ausreisemöglichkeit angenommen habe.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2. Feststellungen:
2.1. Festgestellt wird, dass sich im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu den Philippinen, Stand 27.03.2017, im Unterkapitel 3.1. (S 8 ff des Länderinformationsblattes), umfassende Informationen zur Anti-Drogen-Kampagne des Philippinischen Präsidenten Duterte finden.
2.2. Festgestellt wird, dass das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid, die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat getroffen hat, ohne das Unterkapitel "3.1 Anti-Drogen-Kampagne" zu berücksichtigen. Festgestellt wird, dass das Bundesamt keine weiteren Ermittlungsschritte zur Situation Drogensüchtiger auf den Philippinen bzw. zur Situation von Personen, welchen Drogensucht unterstellt wird, gesetzt hat.
3. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum Bescheid ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.
3.1. Die Feststellung zum Vorhandensein des Unterkapitels "3.1 zur Anti-Drogen-Kampagne" im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu den Philippinen, Stand 27.03.2017, welches auch zum Zeitpunkt der Bescheid Erlassung aktuell war, wird durch Einsichtnahme in das genannte Länderinformationsblatt getroffen.
3.2. Die Feststellung, dass vom Bundesamt das entscheidungsrelevante Unterkapitel "3.1 Anti-Drogen-Kampagne" nicht berücksichtigt wurde, ergibt sich aus dem Umstand, dass sich dieses weder im Verfahrensakt noch im Bescheid befindet. Im gegenständlichen Bescheid (AS 258) wird zwar der Text des Länderinformationsblattes Philippinen zitiert, jedoch fehlt das entscheidungsrelevante Unterkapitel. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den allgemeinen Länderfeststellungen der Staatendokumentation gegeben (AS 297). Es geht jedoch auch hier nicht hervor, welches Länderinformationsblatt in welcher Fassung dem Beschwerdeführer vorgelegt wurde. Im gegenständlichen Bescheid wird als Beweismittel das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Philippinen vom 12.12.2017" (AS254) angeführt. Aus dem verwaltungsbehördlichen Akt sind auch keine sonstigen Ermittlungstätigkeiten zu der Situation von Drogenabhängigen auf den Philippinen ersichtlich.
4. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
4.1. Zur Zurückverweisen der Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenen des § 66 Absatz 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung der mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Absatz 3 2. Satz VwVGV ([vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: Tatsachenbereich], Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsverfahren, Manz, Anmerkung 2 und 11, Seiten 150 und 153f).
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet, welche er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0019; 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen komme daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen würden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit hält grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines von einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem längeren Zeitraum hinweg in einer Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann. Zudem wird nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte erfolgenden Zielsetzung gerecht, den Anforderungen der EMRK sowie denen des Rechts der Europäischen Union im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen ist aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen ohnehin auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründungen hinwegsetzen (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, etwa in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Pflicht zur Durchführung notwendiger Ermittlungen des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:
Die belangte Behörde hat es in qualifizierter Weise unterlassen, Ermittlungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zu tätigen. Dieser gab bereits in der Erstbefragung vom 06.10.2016 an, er sei aufgrund seiner überwundenen Drogenabhängigkeit im Rahmen des Anti-Drogen-Krieges der Philippinischen Regierung von asylrelevanter Verfolgung bedroht (EB 06.10.2016, AS 17). Dieses Fluchtvorbringen hielt er auch im weiteren Verfahren im Kern gleichbleibend aufrecht.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich explizit auf die Anti-Drogen-Kampagne des philippinischen Präsidenten Duterte, zu welcher sich im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu den Philippinen, Stand 27.03.2017, unter Kapitel 3. Sicherheitslage ein eigenes Unterkapitel findet. Die belangte Behörde hat es unterlassen, zum Vorbringen des Beschwerdeführers weitere Länderinformationen zuzuziehen und hat auch das zitierte Unterkapitel des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gänzlich unberücksichtigt gelassen. Die mangelnde Ermittlungstätigkeit der Behörde äußert sich daher nicht zuletzt darin, dass sie nur unzureichende Feststellungen zur Anti-Drogen-Kampagne des philippinischen Präsidenten Duterte und deren Auswirkung auf drogenabhängige Personen bzw. Personen mit Drogenvergangenheit getroffen hat.
Es ist der belangten Behörde somit vorzuwerfen, dass sie eine Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes auf Grundlage des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers gänzlich unterlassen hat. Aufgrund dessen entsteht jedenfalls der Eindruck, dass die Behörde versucht hat, die genannten Ermittlungstätigkeiten auf das Bundesverwaltungsgericht abzuwälzen. Insgesamt ist diesbezüglich der Beschwerde zuzustimmen, wenn ausgeführt wird, die Aussagen des Beschwerdeführers hätten von der Behörde im Gesamtkontext des Drogenkrieges und nicht isoliert betrachtet werden müssen.
Der Beschwerde ist darüber hinaus zuzustimmen, wenn moniert wird, der Behörde sei offensichtlich ein Irrtum hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der Rehabilitation des Beschwerdeführers und des Anti-Drogen-Krieges auf den Philippinen unterlaufen. Die Behörde führte beweiswürdigend an, es sei nicht realitätsnahe, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 Drogen konsumiert habe, anschließend eine staatliche Rehabilitationsklinik besucht habe und erst nach Abschluss der Rehabilitation Verfolgungsängste bekommen habe. In der Beschwerde wird jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anti-Drogen-Kampagne des Präsidenten Duterte dem Länderinformationsblatt zufolge erst nach dessen Machtübernahme am 30.06.2016 begonnen hat. In der Beschwerde wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Ausreise des Beschwerdeführers aus den Philippinen im August genau in jenen Zeitpunkt fällt, in dem die Sicherheitsbehörden, dem Länderinformationsblatt zufolge, begannen, an extra-legalen Tötungen Drogensüchtiger mitzuwirken. Auch dieser Irrtum der belangten Behörde zeigt auf, dass diese es unterlassen hat, das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderinformationen zu betrachten.
Die Festgestellten Ermittlungsmängel und die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers unter Einbeziehung der aktuellen Länderinformationen hat zur Folge, dass auch die Beweiswürdigung der belangten Behörde keine nachvollziehbare und schlüssige Begründung für eine negative Beurteilung erkennen lässt.
Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass sich auch für das Bundesverwaltungsgericht die angeblichen, in der Beweiswürdigung angeführten, Widersprüche nicht zwangsläufig als solche erweisen, sondern aufgrund der beweiswürdigenden Erwägungen vielmehr offensichtlich ist, dass die belangte Behörde jegliche Auseinandersetzung mit Länderinformationen, die geeignet wären, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu stützen, unterlassen hat. Es kann somit auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die seitens der belangten Behörde in der Beweiswürdigung erwähnten, angeblichen Widersprüche nach Durchführung weiterer Ermittlungen zur Situation im Herkunftsstaat bzw. bei der gebotenen Berücksichtigung des Kapitel 3., Unterkapitel 3.1. des Länderinformationsblattes nicht als solche erwiesen hätten.
Abschließend ist angesichts der aufgezeigten Unzulänglichkeiten der Beweiswürdigung noch anzuführen, dass die belangte Behörde nicht substantiiert begründet hat, warum sie davon ausgeht, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Watch-List um ein Gefälligkeitsschreiben handelt, wobei sie es auch diesbezüglich unterlassen hat, das vorgelegte Dokument vor dem Hintergrund der Länderinformationen zu beurteilen bzw. weitere Hintergrundinformationen zu solchen Watch-Lists einzuholen.
Die Behörde hat somit im konkreten Fall in gravierender Weise gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. § 18 Abs. 1 AsylG 2005 verpflichtet das Bundesamt, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; 06.10.1999, 98/01/0311; 14.10.1998, 98/01/0222; 21.09.2000, 98/20/0361; 04.05.2000, 99/20/0599).
Das Bundesamt wird sich daher im fortgesetzten Verfahren unter Heranziehung der Länderberichte mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben. Gegebenenfalls wird es weitere Ermittlungsschritte hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage auf den Philippinen und insbesondere hinsichtlich des Anti-Drogen-Kampfes, der Situation Drogensüchtiger auf den Philippinen bzw. der Situation von Personen, welchen ein Naheverhältnis zu Drogen bzw. Drogensucht unterstellt wird, zu setzen haben.
Die daraus resultierenden Ergebnisse werden mit dem Beschwerdeführer zu erörtern und einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der belangten Behörde zugrunde zu legen sein.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen seitens der belangten Behörde im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben, der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (§ 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, 2004/07/0010; 08.07.2004, 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch VwGH 22.05.1984, 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen (insbesondere die Ausführungen in der Beschwerdeergänzung vom 29.04.2013) zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben.
4.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die mit den Beschwerden angefochtenen Bescheide aufzuheben sind.
Zu Spruchteil B):
4.3. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25 Absatz 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zur früheren Rechtslage ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleich lautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W278.2194964.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.06.2019