TE Bvwg Beschluss 2019/3/26 L508 2102597-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §37
AVG §66 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L508 2102597-3/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch den ehemaligen RA Dr. Lennart Binder, LL.M. sowie MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan und der Volksgruppe der Jat sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 5).

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 11.05.2013 (AS 5 - 19) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er Probleme mit Indern gehabt hätte. Er würde nämlich in der Provinz Kaschmir leben. Die Inder würden ihnen das Land wegnehmen und sie töten wollen. Sonst hätte er keine weiteren Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr habe er Angst, von den Indern getötet zu werden.

3. Am 31.05.2013 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Rechtsberaters vor dem Bundesasylamt (nachfolgend: BAA) zur Wahrung des Parteiengehörs niederschriftlich einvernommen (AS 119 - 129), wobei der BF zu Protokoll gab, dass er in Österreich bleiben wolle. Er wolle hier in die Schule gehen. In Pakistan habe er hierzu keine Möglichkeit gehabt.

Dem Rechtsberater wurde in dieser Einvernahme die Möglichkeit gegeben, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben. Dieser machte hiervon keinen Gebrauch.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2013 (AS 131 - 167) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und wurde ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Beschwerdeführers gemäß "Artikel 16 (1) (c)" der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Ungarn zuständig sei (Spruchpunkt I.).

Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit am 12.06.2013 beim Bundesasylamt eingelangtem Schriftsatz fristgerecht Beschwerde (AS 187).

6. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 25.06.2013 (AS 205 - 209) wurde der Beschwerde gem. § 37 Abs. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

7. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.06.2013 (AS 211 - 217) wurde der Beschwerde gem. § 41 Abs. 3 zweiter Satz AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

8. Im Rahmen einer weiteren Einvernahme im Asylverfahren vor dem BAA am 14.08.2013 (AS 261 - 301) gab der BF zu Protokoll, dass er in der Nacht nicht schlafen könne. Er sei vor zwei Tagen im Spital gewesen und habe Medikamente bekommen. Ansonsten hätte er keine gesundheitlichen Probleme. Auf Nachfrage erklärte der BF, dass er nicht wisse, wie diese Tabletten - von deren Einnahme er einen Hautausschlag bekomme - heißen würden.

Von Seiten des gesetzlichen Vertreters wurde hierzu ergänzt, dass dieser von den Heimbetreuern wisse, dass der BF gegenüber den Heimbetreuern regelmäßig Schmerzanfälle angegeben habe. Der BF leide seit seinem fünften Lebensjahr an diesen etwa fünfminütigen Anfällen. In dieser Zeit könne er sich nicht bewegen. In den letzten zwei Monaten sei es zu zwei Anfällen gekommen. Ein Arzttermin sei Anfang 2013 vereinbart worden, habe dann aber nicht stattgefunden. Ein Befund werde - sobald einer vorliege - nachgereicht.

In weiterer Folge schilderte der BF, dass sein Vater seit längerer Zeit für Al-Qaida gearbeitet habe. Einmal habe der höhere Führer dieser Gruppierung seinen Vater aufgefordert, nach Indien zu reisen und dort Bombenanschläge zu verüben. Sein Vater sei eines Tages nach Hause gekommen und habe seiner Mutter mitgeteilt, dass er nach Indien gehen werde. Sein Vater sei davor nie außerhalb von Pakistan gewesen. Seine Mutter sei total dagegen gewesen und habe gesagt, dass er dies nicht tun dürfe. Sein Vater habe eingewilligt und habe diesem Führer erklärt, dass seine Frau, seine Kinder und daher auch er nicht wolle, dass er nach Indien gehe. Der Führer habe versucht seinen Vater umzustimmen, aber sein Vater habe sich geweigert. Dann sei dieser zu Hause geblieben und habe aus Angst das Haus nicht mehr verlassen. Eines Tages habe sein Vater aber etwas erledigen müssen, sei aus dem Haus gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Nach etwa einer Woche sei der Leichnam seines erschossenen Vaters gefunden worden.

Auch er habe nach einer Entführung durch diese Gruppe zwei Monate bei diesen Leuten - für die sein Vater gearbeitet habe - gelebt. Dort habe er gelernt wie man ein Gewehr bedient. Dann sei er von dort weggelaufen und hierhergekommen.

9. Mit einem Schreiben vom 21.11.2014 (AS 433 - 434) gab der BF eine Stellungnahme zu den ihm vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) übermittelten Länderfeststellungen ab.

10. Mit Bescheid des BFA vom 12.12.2014 (AS 499 - 671) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Dem Fluchtvorbringen wurde vor allem aufgrund dessen unterschiedlicher Darstellung in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BAA am 14.08.2013 die Glaubwürdigkeit versagt.

11. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 03.03.2015 (AS 695 - 700) fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des detaillierten Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

11.1. Das BFA übersehe bei seiner Beweiswürdigung, dass es sich beim BF um einen Minderjährigen handle und sei der belangten Behörde vorzuwerfen, sich nicht mit der ergangenen Judikatur (E des VfGH vom 27.06.2012, U98/12) auseinandergesetzt zu haben, obwohl dem BF noch mit Befund vom 08.08.2013 eine akute Belastungsreaktion diagnostiziert worden sei.

11.2. Wenn sich die belangte Behörde in Bezug auf die vom BF ins Treffen gebrachten Verständigungsschwierigkeiten darauf zurückziehe, dass er mit seiner Unterschrift die korrekte Protokollierung bestätigt hätte, sei auf die Rechtsprechung des VwGH zur Relevanz von Verständigungsschwierigkeiten trotz Beurkundung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift zu verweisen.

11.3. Aufgrund seiner besonderen Vulnerabilität und der Dichte der militanten Organisationen in Pakistan würde er im Falle einer Rückkehr zudem Gefahr laufen, von einer dieser Gruppierungen (erneut) zwangsrekrutiert zu werden. Seine ohnehin schon hohe Vulnerabilität werde durch den Umstand noch verstärkt, dass er über keinerlei Dokumente verfüge und ohne gesetzlichen Vertreter im Herkunftsland rechtlich nicht uneingeschränkt handlungsfähig wäre.

11.4. Vor diesem Hintergrund (Leibeigenschaft) hätte die Behörde die gegenständliche Sache auch unter dem Aspekt der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (E des VwGH vom 12.11.2002, 2000/01/0086 und jene vom 09.07.2002, 2001/01/0281) und die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten schon alleine aufgrund der allgemeinen Verhältnisse von alleinstehenden Minderjährigen ohne familiäre Anschlussmöglichkeit zu prüfen gehabt.

11.5. Dem BF stehe aufgrund der den Bewohnern Kaschmirs im restlichen Teil Pakistans entgegengebrachten Ressentiments im übrigen Teil Pakistans keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

11.6. In Bezug auf die Rückkehrentscheidung hätte das BFA der Tatsache, dass es sich beim BF um einen Minderjährigen handle und dass er über keine familiären Anknüpfungspunkte mehr verfüge im Rahmen der Interessenabwägung in Zusammenhang mit dem Kindeswohl und der bereits bestehenden Integration ein größeres Gewicht beimessen müssen.

Im Übrigen brachte der BF einen Befund einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 08.08.2013 (AS 701) in Vorlage.

12. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des BVwG vom 22.04.2015, GZ: L508 2102597-1 (AS 713 - 745) stattgegeben und wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht wie folgt begründet:

...... "2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des

öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

2.2.1. Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des BF nicht dermaßen eingehend auseinandersetzte, wie dies von einer Spezialbehörde zu erwarten ist (zu den Anforderungen an eine Spezialbehörde siehe etwa Erk. d. VwGH vom 4.4.2001, GZ. 2000/01/0348). Insbesondere wurden gerade die in der Stellungnahme vom 21.11.2014 (und nunmehr auch in der Beschwerde) angeführten Kritikpunkte hinsichtlich der Herkunftsregion des BF und seiner Minderjährigkeit nicht mit der gebotenen Sorgfalt gewürdigt und auch keiner ordnungsgemäßen Überprüfung unterzogen.

Wie oben dargelegt wurden schon in der Stellungnahme vom 21.11.2014 (und nunmehr auch in der Beschwerde) zumindest indirekt Ausführungen dazu getroffen, dass bei der Rücküberstellung von Minderjährigen generell im Hinblick auf rechtliche Bestimmungen sowie die Judikatur besondere Sorgfalt geboten ist. Das BFA hat bezüglich des Gesundheitszustandes des BF unzureichende Feststellungen getroffen und wäre die Situation in der Region Kaschmir umfassend zu würdigen gewesen.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich das BFA nicht in ausreichender Weise mit der Minderjährigkeit des BF auseinandergesetzt hat und wurden darüber hinaus keine ausreichenden Feststellungen zur Situation in Pakistan, speziell in Kaschmir, hinsichtlich Minderjähriger getroffen.

Schon der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27.06.2012, Zl. U98/12 hinsichtlich eines minderjährigen Beschwerdeführers festgehalten, dass der Asylgerichtshof im Rahmen seiner Entscheidungen das Alter und den Entwicklungsstand von Minderjährigen zu berücksichtigen hat. Gerade unter Berücksichtigung dieser Umstände kann im gegenständlichen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der relevante Sachverhalt ausreichend geklärt ist, dies auch im Hinblick darauf, dass in der Entscheidung tatsächlich Feststellungen hinsichtlich der Versorgungsmöglichkeiten von Minderjährigen fehlen.

Vor dem Hintergrund dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist auszuführen, dass auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinem Bescheid den Entwicklungsstand des Beschwerdeführers festzustellen und inhaltlich zu berücksichtigen gehabt hätte. In Verfahren mit vor allem unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern sind insbesondere das jugendliche Alter, die Abhängigkeit und eine allfällige relative Unreife sowie Bildung und kultureller Hintergrund des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Jugendliche brauchen Zeit, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und ein Gefühl der Sicherheit entwickeln zu können. Von Kindern bzw. Jugendlichen kann auch nicht erwartet werden, dass sie ihre Erfahrungen auf dieselbe Weise schildern wie Erwachsene. Es kann ihnen aus verschiedensten Gründen schwer fallen, ihre Angst zu artikulieren - etwa aufgrund eines Traumas, entsprechender Anweisungen der Eltern, mangelnder Bildung, Angst vor Behörden oder Personen in Machtpositionen, von Schleppern "eingetrichterter" Aussagen oder der Angst vor Bestrafung. Der Beschwerdeführer berichtet über Vorkommnisse, die er im jugendlichen Alter von etwa elf und zwölf sowie 14 Jahren erlebt hat und über die er in ebenso jugendlichem Alter von etwa 15 Jahren berichtet. Wegen der mangelnden Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers, seiner mangelnden Schulbildung und seiner mangelnden Begleitung durch Angehörige ist eine weitere Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Fluchtgründen unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten unvermeidlich. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der belangten Behörde zugrunde zu legen sein.

2.2.2. In seinem Erkenntnis vom 27.06.2012, Zl. U98/12 hat der Verfassungsgericht ferner festgehalten, dass der Asylgerichtshof seine Entscheidung vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme gestützt hat. Damit hat der Asylgerichtshof § 19 Abs. 1 AsylG 2005 - also das Verbot einer näheren Befragung zu den Fluchtgründen bei der Erstbefragung - außer Acht gelassen. Diese Regelung bezweckt den Schutz der Asylwerber, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind (vgl. RV 952 XXII. GP, S. 44).

Auf dieselbe rechtswidrige Weise argumentierte nun aber die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren und ist eine derartige Begründung im Rahmen der Beweiswürdigung - wie vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 27.06.2012 ausgesprochen - vor allem auch bei Minderjährigen unzulässig.

2.2.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird also im fortgesetzten Verfahren, will es an der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers festhalten, weitere Ermittlungen durchzuführen haben, um allenfalls in schlüssiger Weise dorthin gelangen zu können. Darüber hinaus wird die belangte Behörde Ermittlungen betreffend der allgemeinen Lage in der Herkunftsregion Kaschmir des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit seiner dortigen individuellen Situation zu führen haben. Dass in beiden Ermittlungsverfahren die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers besondere Berücksichtigung zu finden haben wird, wird abermals angemerkt.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zwar die aktuellen Länderberichte sowohl zu Pakistan als auch in geringerem Ausmaß zu Kaschmir zugrunde, das BFA hat es im gegenständlichen Fall aber unterlassen, die notorisch bekannte kritische Situation im angegebenen Heimatgebiet des Beschwerdeführers bedingt durch den Konflikt zwischen Pakistan und Indien in die Beurteilung der Situation im Falle einer Rückkehr in die Entscheidung einfließen zu lassen. Auch aus diesem Grund ist das Verfahren mit erheblicher Mangelhaftigkeit behaftet, weil aufgrund der teilweise als prekär zu bezeichnenden, wechselhaften Sicherheitslage, die regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedlich ist, eine - detaillierte und umfassende - Würdigung zur Sicherheitslage betreffend die Herkunftsregion Kaschmir unabdingbar ist, da andernfalls nicht beurteilt werden kann, ob sich der Beschwerdeführer dort niederlassen kann, ohne eine Verletzung des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gewärtigen zu müssen oder ob für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl. dazu etwa VfGH U 2185/12-15 vom 13.03.2013). Dementsprechende umfassende Abklärungen und Ermittlungen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen und lässt der angefochtene Bescheid auch eine Erörterung der allgemeinen Situation im Falle einer allfälligen Rückkehr zur Gänze vermissen. Die Vornahme dieserart umfassender Abklärungen ist aufgrund der besonderen Lageverhältnisse in Kaschmir geboten, als dies ein elementares Element der Beurteilung der Frage einer allfälligen Rückkehrentscheidung darstellt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird somit die diesbezügliche Situation des BF einzelfallbezogen ergänzend zu würdigen haben.

2.2.4. Der angefochtene Bescheid leidet ferner unter dem schweren Mangel, dass das BFA keinerlei Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF getroffen hat und sich weder im Rahmen der Beweiswürdigung noch insbesondere im Rahmen der rechtlichen Würdigung mit den geltend gemachten Erkrankungen auseinandergesetzt hat. Der Gesundheitszustand des BF wurde auch nicht unter Bedachtnahme auf entsprechende Details, erfragt, gewürdigt und auch nicht einer ordnungsgemäßen Überprüfung hinsichtlich etwaiger damit verbundenen Probleme im Herkunftsstaat unterzogen. Im Rahmen der Einvernahme am 14.08.2013 schilderte der gesetzliche Vertreter des BF, dass der BF seit dem fünften Lebensjahr regelmäßig Schmerzanfälle habe, wobei sich der BF dann nicht bewegen könne. In den letzten zwei Monaten habe der BF zwei derartige Anfälle erlitten und sei für Anfang August ein Arzttermin vereinbart worden, der dann aber nicht stattgefunden habe. Ein Befund werde - sobald dieser vorliege - nachgereicht.

Das BFA hat in weiterer Folge zwar Feststellungen zum Gesundheitssystem in Pakistan im allgemeinen getroffen. Feststellungen hinsichtlich der Erkrankung des BF wurden jedoch nicht getroffen. Stattdessen wurde im Rahmen der Feststellungen zur Person lediglich festgehalten: "Sie leiden an keiner lebensbedrohenden Erkrankung." und beweiswürdigend auf die Einvernahme vom 14.08.2013 verwiesen. Auch im Rahmen der folgenden rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. wurden keine individuellen Feststellungen zur behaupteten Erkrankung des BF getroffen und erfolgte keine entsprechende Auseinandersetzung mit dem individuellen Vorbringen des BF zum Gesundheitszustand. Die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung: "Hinzu kommt, dass Sie ein arbeitsfähiger, gesunder, junger Mann sind, ..." beruht lediglich auf Vermutungen des BFA. Es wurden weder hinsichtlich der behaupteten Erkrankung(en) des BF Feststellungen zum Gesundheitszustand getroffen, noch wurde ein ärztlicher Befund bzw. Gutachten eingeholt. Dass eine nähere Erörterung des Gesundheitszustandes des BF unerlässlich gewesen wäre und die belangte Behörde dies durch ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren verabsäumt hat, wird auch durch den nunmehr im Rahmen der Beschwerde vorgelegten medizinischen Befund vom 08.08.2013 bestätigt.

Das BFA hat es unterlassen im Bescheid festzustellen, an welcher Erkrankung der Beschwerdeführer leidet, welche Medikamente und Behandlungsformen der Beschwerdeführer tatsächlich benötigt, ob diese in Pakistan verfügbar sind bzw. mit welchen Konsequenzen im Falle der Nicht-Verfügbarkeit zu rechnen ist.

Das BFA hätte in diesem Sinne zunächst ermitteln müssen, an welcher Krankheit der Beschwerdeführer leidet, welche Medikamente und Behandlungsformen der Beschwerdeführer tatsächlich benötigt, ob diese in Pakistan verfügbar sind bzw. mit welchen Konsequenzen im Falle der Nicht-Verfügbarkeit zu rechnen ist und wird dies daher auch im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Dazu ist es auch erforderlich, sich ein aktuelles Bild vom tatsächlichen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu machen.

Die bloße Feststellung, dass eine medizinische "Basisversorgung" gewährleistet ist, ohne auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen, entspricht den gesetzlichen Anforderungen jedenfalls nicht. (AsylGH 03.05.2010, A1 410.705-1/2009)

Die diesbezügliche Würdigung des BFA vermag damit den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung nicht zu genügen und hätte das Bundesamt zu diesem Vorbringensteil eine nähere Befragung sowie Ermittlungen vornehmen müssen.

Die unterlassenen Ermittlungen und Feststellungen sind im Verfahren des BF auch deshalb von zentraler Bedeutung, da eine entsprechende Würdigung hinsichtlich eines eventuell vorliegenden Abschiebungshindernisses bzw. einer Rückkehrgefährdung im Hinblick auf Art. 3 EMRK nur unter dieser Prämisse erfolgen kann.

2.2.5. Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das BFA - zusätzlich zu der weiteren Einvernahme zu den Fluchtgründen - insbesondere Ermittlungen zur Rückkehrsituation von Minderjährigen, abgestellt auf die Herkunftsregion Kaschmir, durchzuführen haben und wird die dortige kritische Situation ausführlich zu würdigen sein. Ferner ist der Gesundheitszustand des BF abschließend zu erheben und wird zu erörtern sein welche Medikamente und Behandlungsformen der Beschwerdeführer tatsächlich benötigt, ob diese in Pakistan verfügbar sind bzw. mit welchen Konsequenzen im Falle der Nicht-Verfügbarkeit zu rechnen hat. Ebenso wird dem BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihm die Gelegenheit einzuräumen sein, sich hierzu zu äußern. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher Ermittlungsergebnisse einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen. Dies vor allem unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Einreise und bisherigen

Befragungen jedenfalls anzunehmenden Minderjährigkeit des BF."......

13. Mit Schreiben vom 16.06.2015 (AS 759) gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer Parteiengehör gemäß § 45 Absatz 3 AVG zu den Länderfeststellungen zu Pakistan und wurde er aufgefordert, Nachweise hinsichtlich einer allfälligen Integration in Österreich in Vorlage zu bringen.

14. Der damalige Vertreter des Beschwerdeführers erstattete hierzu eine Stellungnahme und langte diese am 01.07.2015 beim BFA ein (AS

765 - 767). Insbesondere wird darin ausgeführt, dass die

übermittelten Länderfestellungen nicht ausreichend seien und wurde auf den Kassationsbeschluss des BVwG verwiesen. Ferner wurden ein psychiatrischer Befundbericht vom 08.08.2013 sowie Integrationsunterlagen in Vorlag gebracht.

15. Mit E-Mail vom 17.07.2015 (AS 779) brachte der BF eine fachärztliche Bestätigung des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen, die Boje, vom 15.07.2015 (AS 781) in Vorlage. In dieser wurde dem BF eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

16. Mit Datum 16.11.2015 brachte der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Vertreter beim BFA eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein (AS 785 - 787).

17. Gegenständlicher Verfahrensakt langte nach Vorlage durch das BFA am 25.02.2016 beim BVwG ein. In der Folge wurde das Beschwerdeverfahren, nach Unzuständigkeitseinrede der Gerichtsabteilung L516 infolge Annexität, am 01.03.2016 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG zugewiesen.

18. In seiner Beschwerdevorlage legte das BFA zur Frage der Säumnis dar, dass die Säumnisbeschwerde im November 2015 eingelangt sei, eine Bescheiderstellung aber nicht zeitgerecht erfolgen konnte und man den Akt deshalb in Vorlage bringe (AS 789).

19. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.04.2016 (AS

795 - 825) wurde die Beschwerde wegen Verletzung der

Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 10.05.2013 gestellten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 8 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

20. Mit Schreiben vom 25.08.2016 (AS 831 - 835) gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer Parteiengehör gemäß § 45 Absatz 3 AVG zu den Länderfeststellungen zu Pakistan und wurde er aufgefordert, Fragen zur aktuellen Situation in Österreich und zu seinem Gesundheitszustand zu beantworten sowie diesbezüglich Nachweise in Vorlage zu bringen.

21. Aufgrund eines entsprechenden Ersuchens des BFA vom 19.09.2016 übermittelte die Staatendokumentation mit Schreiben vom 23.08.2017 eine Anfragebeantwortung zur Situation in der Herkunftsregion des BF und zu dessen Volksgruppe (AS 859 - 885).

22. Mit Schreiben vom 27.09.2017 (AS 887 - 889) gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer erneut Parteiengehör gemäß § 45 Absatz 3 AVG zu den Länderfeststellungen zu Pakistan und wurde er aufgefordert, Fragen zur aktuellen Situation in Österreich zu beantworten sowie diesbezüglich Nachweise in Vorlage zu bringen.

23. Mit einem weiteren Schreiben vom 27.09.2017 (AS 891) gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer zudem Parteiengehör gemäß § 45 Absatz 3 AVG zum Rechercheergebnis zu Pakistan.

24. Mit Urteil des Landesgerichts Wien vom 07.02.2018 (AS 909 - 911) wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, Abs. 2a und Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

25. Mit Schreiben vom 16.04.2018 (AS 943 - 947) gewährte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer abermals Parteiengehör gemäß § 45 Absatz 3 AVG zu den Länderfeststellungen zu Pakistan und wurde er aufgefordert, Fragen zur aktuellen Situation in Österreich zu beantworten sowie diesbezüglich Nachweise in Vorlage zu bringen.

26. Im Zuge einer Stellungnahme vom 08.05.2018 (AS 957, 958) teilte der BF im Wege seiner nunmehrigen gewillkürten Vertretung mit, dass er ledig und kinderlos sei und keine näheren Verwandten in Österreich habe. Deutschkurse seien besucht worden.

Diesem Schreiben sind ein Zertifikat des Projekts Schule für Alle vom 30.06.2016 sowie diesbezügliche Teilnahmebestätigungen vom 29.06.2015 und 07.12.2015, Deutschkursbesuchsbestätigungen der Wiener Volkshochschulen vom 31.07.2014 und 07.03.2016 und Deutschkursbesuchsbestätigungen der XXXX vom 23.02.2015 und 16.03.2015 (AS 959 - 967) angeschlossen.

27. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2018 (AS 989 - 1063) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit.

28. Dagegen erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner gewillkürten Vertretung fristgerecht Beschwerde (AS 455 - 459) an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

29. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat:

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall abermals unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht abermals nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

2.2.1.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat das gegenständliche Verfahren bereits einmal gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit oben unter I.12. zitierter Begründung zurückverwiesen. Dem bekämpften Bescheid kann aber nicht entnommen werden, dass die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine neue Entscheidung seitens des BFA im ausreichenden Maße erfüllt worden wären, zumal das BFA die im Kassationserkenntnis aufgetragenen Ermittlungsschritte abermals nicht hinreichend erfüllt hat.

In der Kassationsentscheidung wurde insbesondere dargelegt, dass wegen der mangelnden Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers, seiner mangelnden Schulbildung und seiner mangelnden Begleitung durch Angehörige eine weitere Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Fluchtgründen unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten unvermeidlich sei.

Des Weiteren wurde in der Kassationsentscheidung bemängelt, dass das BFA eine schlüssige Beweiswürdigung nicht vorgenommen habe, zumal die belangte Behörde ihre Entscheidung vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme gestützt habe und eine derartige Begründung im Rahmen der Beweiswürdigung - wie vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 27.06.2012, Zl. U98/12, ausgesprochen - vor allem auch bei Minderjährigen unzulässig sei, weshalb sich diese Beweiswürdigung als nicht haltbar erweise (vgl. AS 735).

In der nunmehr bekämpften Entscheidung beschränkte sich die belangte Behörde abermals auf die im Wesentlichen wortgleiche Wiederholung der ursprünglichen Beweiswürdigung ergänzt um zwei Absätze, wonach zwar angesichts des Umstandes, dass der BF seinen Heimatstaat als Minderjähriger verlassen habe, ein niedrigerer Maßstab hinsichtlich der Detailliertheit der von ihm geschilderten Eindrücke anzulegen sei, jedoch zu erwarten gewesen wäre, dass auch ein 15 bis 16-jähriger Minderjähriger derartige Erlebnisse einigermaßen nachvollziehbar und klar schildern könne, wenn er sie tatsächlich erlebt habe bzw. es eine tatsächliche Bedrohung von Seiten der Taliban gegeben hätte. Auch wenn er zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse und bei seinen beiden Befragungen im Verfahren noch minderjährig gewesen sei, vermögen diese Umstände angesichts der aufgezeigten Steigerung des individuellen Vorbringens in Zusammenschau mit den dargelegten Widersprüchen bzw. Unstimmigkeiten nicht dazu zu führen, dass er sein Fluchtvorbringen hinreichend glaubhaft machen konnte.

Entgegen den Ausführungen in der Kassationsentscheidung und dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27.06.2012 beharrte die belangte Behörde zur Begründung der Unglaubwürdigkeit des BF somit weiterhin auf dem Widerspruch in den Ausführungen zwischen Erstbefragung und Einvernahme. Mit der Frage der Zuverlässigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung setzt sich die belangte Behörde jedoch abermals nicht ausreichend auseinander, obwohl noch immer weitere ernstzunehmende Anhaltspunkte bestehen, die sie abgesehen vom ohnehin nicht zu leugnenden Umstand der Minderjährigkeit des BF zweifelhaft erscheinen lassen. Vor allem darf auch die mangelnde Schulbildung und die mangelnde Begleitung durch Angehörige bei Beurteilung der Angaben im Rahmen der Erstbefragung nicht unberücksichtigt bleiben. Zudem verwies der BF in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14.08.2013 darauf, dass ihm seine bisherigen Angaben im Verfahren nicht rückübersetzt worden seien (AS 269). Des Weiteren halten die sonstigen - erneut herangezogenen - Argumente für die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringen einer Schlüssigkeitsprüfung abermals nicht stand, handelt es sich dabei doch zum einen um den pauschalen Hinweis, dass der Beschwerdeführer vage und oberflächliche Angaben gemacht habe und ferner handelt es sich dabei zum überwiegenden Teil um reine Mutmaßungen und Spekulationen, welche nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des (gesamten) Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. Die Mutmaßung über die Vorgehensweise von Al-Qaida und die Ausführungen zur mangelnden Kenntnis vom konkreten Zeitpunkt der Ermordung des Vaters des BF sowie zu seiner eigenen Entführung vermögen jedenfalls eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung nicht zu ersetzen. Insoweit hat das BFA mangels einer weiteren - wie im Kassationsbeschluss aufgetragenen - Einvernahme des BF zu seinen Ausreisegründen keine gravierenden Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers oder sonstigen Argumente für dessen Unglaubwürdigkeit anzuführen vermocht und erweist sich das Ermittlungsverfahren folglich, auch unter Verweis auf die nicht erhobenen Aufträge im Kassationsbeschluss und die grobe Missachtung dieser, als mangelhaft. Die Gefährdungssituation konnte - mangels umfänglichen Ermittlungsverfahrens, zu dem auch eine neuerliche Einvernahme des BF zählt - nicht mit der erforderlichen Sicherheit und Nachvollziehbarkeit widerlegt werden, weshalb nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes ausgegangen werden kann.

Fest steht sohin, dass das BFA - trotz der Anweisungen im Kassationsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichtes - abermals zur Begründung seiner Entscheidung - trotz Minderjährigkeit des BF - vor allem dessen Ausführungen in der Erstbefragung hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens ins Treffen geführt hat und seine Entscheidung zudem abermals auf nicht belegbare Vermutungen gründet, was einem mangelhaften Ermittlungsverfahren gleichkommt. Trotz dezidiertem Auftrag im Kassationsbeschluss hat es die belangte Behörde in rechtswidriger Weise unterlassen, den Beschwerdeführer nochmals zu seinen Ausreisegründen zu befragen.

In der Kassationsentscheidung wurde der belangten Behörde ferner aufgetragen, Ermittlungen zum Gesundheitszustand des BF zu treffen und wäre es geboten gewesen, dass sich die belangte Behörde mit dem vom BF in Vorlage gebrachten medizinischen Befundberichten auseinandersetzt. Auch dem ist die belangte Behörde nicht nachgekommen und wurde lediglich ausgeführt, dass der BF keine aktuellen medizinischen Befunde in Vorlage gebracht habe, weswegen schon deswegen davon auszugehen sei, dass er gesund sei. Diese Beurteilung greift aber schon, mangels persönlicher Befragung des BF, zu kurz. Die belangte Behörde wird sich sohin im fortgesetzten Verfahren, wie schon im Kassationsbeschluss aufgetragen, mit dem Gesundheitszustand des BF auseinanderzusetzen haben und werden dahingehende Ermittlungen zu führen sein bzw. wird der BF im Rahmen der nachzuholenden Einvernahme zu seinem Gesundheitszustand zu befragen sein.

Dem BFA ist zwar zuzugestehen, dass es Ermittlungen betreffend der allgemeinen Lage in der Herkunftsregion Kaschmir geführt hat und bei Betrachtung des Protokolls vom 14.08.2013 durchaus berechtigte Zweifel bestehen, dass sich diese persönlichen Erlebnisse, wie vom BF geschildert, tatsächlich so ereignet haben, jedoch kann dem bekämpften Bescheid nicht entnommen werden, dass die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine neue Entscheidung seitens des BFA im ausreichenden Maße erfüllt worden wären, zumal die Beweiswürdigung des bekämpften Bescheides beinahe zur Gänze aus der ursprünglichen Beweiswürdigung besteht und folglich die Gefährdungssituation nicht mit der erforderlichen Sicherheit und Nachvollziehbarkeit widerlegt werden konnte. Auch lässt der angefochtene Bescheid - wie schon im Kassationsbeschluss aufgetragen - eine hinreichende Würdigung zur Sicherheitslage betreffend die Herkunftsregion Kaschmir sowie die Rückkehrmöglichkeiten des BF vermissen und wäre es - wie schon im Kassationsbeschluss aufgetragen - Aufgabe der belangten Behörde gewesen, sich insbesondere aufgrund der problematischen Sicherheitslage im Kaschmir, hinreichend mit den Rückkehrmöglichkeiten des BF auseinanderzusetzen. In einer Gesamtschau kann jedenfalls nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Kassationsbeschlusses, ausgegangen werden kann.

Da der vorangegangene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2015, Zl. L508 2102597-1/3E, nach wie vor dem Rechtsbestand angehört, ist im gegenständlichen Fall auch das Bundesverwaltungsgericht - zumal sich weder die Rechts- noch die Sachlage geändert haben - an die tragende Rechtsansicht und die diesbezügliche Begründung dieses Beschlusses gebunden (vgl. dazu VwGH 15.09.2005, 2002/07/0094; 20.12.2001, 2001/08/0050). Seitens des BFA wurde jedoch die Bindungswirkung des rechtskräftigen Kassationsbeschlusses nicht hinreichend beachtet und wurden die vom Bundesverwaltungsgericht als notwendig erachteten Maßnahmen bzw. Ermittlungstätigkeiten nicht entsprechend durchgeführt. Die von der belangten Behörde gewählte Vorgehensweise missachtet die Bindungswirkung der rechtskräftigen Kassationsentscheidung und war daher zwingend eine neuerliche Kassationsentscheidung zu treffen.

2.2.2. Im gegenständlichen Verfahren ist das Ermittlungsverfahren daher abermals mangelhaft geblieben. Die belangte Behörde hat - unter Beachtung der Bindungswirkung des Kassationsbeschlusses - unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erneut bloß ansatzweise ermittelt.

Von einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Parteivorbringens kann im vorliegenden Fall somit nicht gesprochen werden und sind die im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls in ausreichender Weise zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.

Letztlich ist noch festzuhalten, dass auch der Fehler, wonach in der rechtlichen Beurteilung die Begründung zu Spruchpunkt V. und zu Spruchpunkt VI. (vgl. AS 1055 - 1057) doppelt angeführt wurde, entsprechend zu korrigieren sein wird.

Das Bunde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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