Entscheidungsdatum
27.03.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G306 2207297-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2018, Zl. XXXX, betreffend Einreiseverbot:
A) In Erledigung der Beschwerde, wird der bekämpfte Bescheid (im Ankämpfungsumfang) aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Niederösterreich dem BF zugestellt am 19.09.2018, wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig ist und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG aberkannt und gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG eine auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Mit per Mail am 04.10.2018 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF mittels seiner Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. (Einreiseverbot) des oben genannten Bescheides. Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1. den Spruchpunkt III. des gegenständlichen Bescheides aufheben; 2. in eventu den Spruchpunkt III. abändern, dass das Einreiseverbot gekürzt wird; 3. in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückverweisen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 08.10.2018 vom BFA vorgelegt.
Da sich die Beschwerde ausschließlich gegen das erlassene befristete Einreiseverbot (Spruchpunkt I.) richtet, sind Spruchpunkte I., II. und IV. des bekämpften Bescheides bereits in Rechtskraft erwachsen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweiswürdigung
Der dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung:
Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11). Der VwGH hat festgehalten, dass bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch die Bedeutung und Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen sei und die Einräumung eines Instanzenzuges nicht "zur bloßen Formsache degradiert" werden dürfe. Der Umstand, dass es die Vorinstanz ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu erarbeiten, rechtfertige nicht, dass sich der Rechtsweg "einem erstinstanzlichen Verfahren (...) nähert", in dem eine ernsthafte Prüfung des Antrages erst bei der zweiten und letzten Instanz beginnt und auch endet (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.
Im gegenständlichen Fall hat sich ergeben, dass die belangte Behörde erforderliche Ermittlungen zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts unterlassen bzw. bloß ansatzweise und nur grob mangelhaft ermittelt hat:
Wie in der vorliegenden Beschwerde zutreffend vorgebracht wird, sind der belangten Behörde zahlreiche gravierende Mängel in der Verfahrensführung und in der Begründung ihrer Entscheidung sowie das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens vorzuwerfen.
Bei der Begründung des Einreiseverbotes beschränkte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in weiten Teile ausschließlich auf den nicht näher konkretisierten Hinweis, dass der BF sich länger als 90 von 180 Tagen im Schengen-Raum aufgehalten habe sowie keine Ambitionen gezeigt habe, nach Serbien zurückzukehren. Auch bei ihrer Befragung - niederschriftliche Einvernahme - des BF vom 19.09.2018, ist erkennbar, dass die belangte Behörde ihr Augenmerk fast ausschließlich auf den vermeintlichen illegalen Aufenthalt des BF im Schenkgen Raum legte. Sie stellte nur eine einzige Frage zu den finanziellen Mittel und die ergab, dass der BF € 410,- bei sich hatte. Ihr Einreiseverbot stützte die belangte Behörde jedoch ausschließlich auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG - dem Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag - ohne darauf näher einzugehen. Der BF gab bei seiner niederschriftlichen Befragung auch an, nach Serbien auszureisen bzw. dieser der Abschiebung zustimmte. Es lässt sich somit auch die Begründung zum erlassenen Einreiseverbot nicht nachvollziehen.
Der belangten Behörde ist hier vorzuwerfen, dass im Bescheid überhaupt keine konkreten Feststellungen zu den vorhandenen finanziellen Mittel getätigt wurden. Sie schreibt nur: Ziffer 6 ist in ihrem Fall erfüllt: Sie können den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachweisen, ohne dass sie sich damit tatsächlich auseinandergesetzt hat. Einzig der nicht näher substanziierte Hinweis "Sie führen lediglich € 410,- Bargeld mit sich und haben keine Wohnadresse im österreichischen Bundesgebiet" reicht jedenfalls aber nicht aus, um eine negative Gefährdungsprognose zu begründen. Vielmehr bedarf es dafür auch einer individuellen Auseinandersetzung mit dem näher darzustellenden persönlichen Fehlverhalten des BF sowie einer anschließenden Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Diesen Anforderungen an eine einzelfallbezogene und auf ein konkret darzustellendes Fehlverhalten gerichtete Beurteilung kommt der angefochtene Bescheid aber nicht nach, zumal die Begründung eine Darlegung von konkreten und näheren Umständen völlig vermissen lässt, welche letztlich eine darauf gestützte Prüfung einer vom BF ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ermöglichen würden und vor allem die Erlassung eines dreijährigen Einreiseverbot für den gesamten Schengen Raum rechtfertigt.
Wie in der Beschwerde auch zutreffend aufgezeigt wird, werden im angefochtenen Bescheid auch Feststellungen getroffen, welche in keiner Weise nachvollziehbar sind. So hatte der BF € 410,- bei sich, gab an erwerbstätig zu sein und über ausreichende Mittel zu verfügen. Das eigenen Geld des BF, wurde sogar für die Durchsetzung der Abschiebung herangezogen. Warum die belangte Behörde dennoch zum Entschluss kam, dass der Bf über zu weinig Barmittel verfüge wurde von ihr nicht dargelegt.
Insgesamt muss der belangten Behörde vorgeworfen werden, dass sie weder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, noch in der Begründung ihrer Entscheidung eine hinreichende und den gesetzlichen Erfordernissen gerecht werdende Beweiswürdigung zu den von ihr - ohnehin auch nur mangelhaft - getroffenen Sachverhaltsfeststellungen vorgenommen hat.
Aus all dem ergibt sich, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weder eine hinreichende Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes, noch eine Beantwortung aller relevanten Rechtsfragen vorgenommen hat, die auch eine geeignete nachfolgende verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Bescheides ermöglichen würden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).
Die Gründe, die zu den im Spruch getroffenen Entscheidungen der belangten Behörde geführt haben, sind jedoch in der Bescheidbegründung (§ 60 AVG) klar und umfassend darzulegen. Die im angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens getroffenen Feststellungen und Erwägungen entsprechen aber jedenfalls nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (§ 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).
Die belangte Behörde wird daher erneut alle zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen haben und - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben, in dessen Begründung in klarer und übersichtlicher Weise darlegt wird, auf Grund welchen für sie als erwiesen anzunehmenden Sachverhalts sie zu der im Spruch wiedergegebenen rechtlichen Beurteilung gekommen ist.
Es hat sich insgesamt nicht ergeben, dass die Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das BVwG selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.
Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das BVwG selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Da alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Im Hinblick darauf kann eine weitere Auseinandersetzung mit den übrigen in der gegenständlichen Beschwerde aufgezeigten Mängeln und den weiteren in der Beschwerde gestellten Anträgen unterbleiben.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen angesichts der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2207297.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019