TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/1 W114 2194471-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W114 2194471-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 29.03.2018, Zl. 1093930906-151721005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem, stellte am 07.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Im Rahmen der am 08.11.2015 erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, am 21.03.2001 in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren zu sein. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Vater, seine Mutter, fünf Brüder und vier Schwestern würden in der Stadt Ghazni in Afghanistan leben. In Afghanistan sei er Hilfsarbeiter gewesen. Er sei ohne Schlepper von Ghazni über den Iran nach Österreich gereist. In Afghanistan sei er von den Taliban bedroht worden. Diese hätten auch seinen Bruder, XXXX , umgebracht.

3. Der Beschwerdeführer beging während seines Aufenthaltes in Österreich mehrere aktenkundige Verwaltungsübertretungen bzw. Ordnungsverstöße:

Am 13.09.2016 warf er in Anwesenheit mehrerer Asylwerber und Betreuer mit Stühlen und Kübeln um sich und ließ sich kaum beruhigen. Deswegen wurde gegen ihn mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land vom 27.09.2016, Zl. VL9-STR-13654/2016, eine Geldstrafe in Höhe von EUR 80,00 verhängt.

Am 25.10.2016 riss er der Sozialarbeiterin XXXX im Büro seines Wohnheimes deren Mobiltelefon aus der Hand und verließ damit die Unterkunft. Erst nach einer Intervention durch die Polizei wurde das unbeschädigte Telefon vom Beschwerdeführer an die Eigentümerin zurückgegeben.

Am 10.03.2018 riss er im stark alkoholisierten Zustand in seiner Unterkunft Schubladen aus den Kästen, schrie herum und ließ sich nur mit Hilfe der Polizei beruhigen.

4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 06.10.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und aus der Stadt Ghazni in Afghanistan stamme. Er bestätigte, dass er zu der Volksgruppe der Tadschiken gehöre und sunnitischer Moslem sei. Er spreche Dari. Er verfüge über keine Schulbildung und habe noch nie gearbeitet. Er sei ca. im September 2015 schlepperunterstützt von Ghazni über Pakistan und den Iran in die Türkei gefahren und weiter nach Griechenland gereist. Am 07.11.2015 sei er in Österreich angekommen. Seine Eltern, fünf Brüder und vier Schwestern würden noch immer in der Stadt Ghazni leben. Onkeln und Tanten, Cousins seines Vaters sowie Verwandte seines Großvaters würden ebenfalls in Ghazni leben.

Afghanistan habe er verlassen, weil die Taliban gedroht hätten, den Beschwerdeführer sowie seine gesamte Familie zu töten. Grund dafür sei, dass sein Bruder XXXX , der für Ausländer als Aufseher für Warentransporte zwischen Maiden Shar und Helmand gearbeitet habe, während seines Dienstes vier oder fünf hochrangige Taliban getötet habe. Die Taliban hätten bereits einen anderen Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , getötet. Es sei ein Anschlag auf das Auto der Familie des Beschwerdeführers verübt worden. Dabei sei der Beschwerdeführer an den Fingern verletzt worden. Der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , sei nun nicht mehr für die Ausländer tätig, sondern seit fünf Monaten Chef der Verkehrspolizei in Ghazni. Der Beschwerdeführer selbst sei niemals persönlich von Taliban bedroht oder angegriffen worden.

5. Im Schriftsatz vom 17.10.2017 äußerte sich der Beschwerdeführer zur Situation in Afghanistan und wies auf Risiken im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan hin.

6. In einem Altersfeststellungsverfahren wurde von XXXX sachverständig festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens am

XXXX geboren sei und daher zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 07.11.2015 jedenfalls 16,98 Jahre gewesen sei.

7. In einer weiteren Einvernahme vor dem BFA am 24.11.2017 wurde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers auf XXXX korrigiert. Der Beschwerdeführer brachte dazu keine Einwendungen vor.

8. Mit Bescheid des BFA vom 29.03.2018, Zl. 1093930906-151721005, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA eine ihm drohende Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei.

Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer sich jedenfalls im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul niederlassen könne, ohne hiezu einer familiären oder sozialen Unterstützung zu bedürfen.

Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Umstandes, dass keine sonstigen Gründe vorliegen würden, die eine andere Entscheidung herbeiführen würden, nicht entgegen. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine Bezugsperson. Er habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG. Besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, stünden dem nicht entgegen. Bei der anzustellenden Abwägung der betroffenen Interessen sei dem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen des Beschwerdeführers.

Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 03.04.2018 zugestellt.

9. Mit Schriftsatz vom 30.04.2018, eingelangt am 30.04.2018 beim BFA, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , Beschwerde. Der Beschwerdeführer begründete diese Beschwerde im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass er von den Taliban verfolgt werde. Ein Bruder des Beschwerdeführers habe während seines Militärdienstes für Ausländer einige hochrangige Taliban getötet. Seine gesamte Familie lebe daher in ständiger Bedrohung durch die Taliban aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines Bruders getötet zu werden. Regelmäßig würden Anschläge von den Taliban auf die Familie des Beschwerdeführers verübt werden. Der Beschwerdeführer selbst sei durch eine Autobombe verletzt worden. Zwei Brüder des Beschwerdeführers wären bereits von den Taliban getötet worden. Die Sicherheitslage in Kabul sei nicht derart, dass der Beschwerdeführer sich dort ohne Unterstützung durch ein familiäres oder soziales Netz niederlassen könne, ohne in eine existenzbedrohende Lage zu geraten. Aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage sei er der Gefahr ausgesetzt, dort bei einem Anschlag getötet zu werden.

10. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Schreiben des BFA vom 03.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

11. Am 16.05.2018 legte der Beschwerdeführer einen Datenträger mit einer Sequenz einer afghanischen Nachrichtensendung vom 30.01.2018 zum Beweis dafür vor, dass sein Bruder XXXX von den Taliban getötet worden sei.

Vom BVwG wurde diese Nachrichtensendung in Anwesenheit einer Dolmetscherin angesehen. Die Dolmetscherin bestätigte, dass in dieser Sendung darüber berichtet wird, dass XXXX als Offizier der afghanischen Nationalarmee im Einsatz von Taliban getötet wurde.

12. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 14.12.2018 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen vom 23.11.2018 übermittelt und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.

13. Am 11.11.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer Anklage beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingebracht und die Untersuchungshaft zu 311 HR 297/18m verhängt.

Dem Beschwerdeführer wurde in einem vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien geführten Verfahren zu Last gelegt, dass er einen unmündigen Minderjährigen am Körper verletzt und gefährlich mit dem Tode bedroht habe. Er habe weiters einen Elternteil des unmündigen Minderjährigen gefährlich bedroht. Der Beschwerdeführer habe außerdem eine fremde Bankomatkarte für sich behalten, die er gefunden hätte.

14. Mit Bescheid des BFA vom 14.12.2018, Zl. 1093930906-151721005, wurde dem Beschwerdeführer gem. § 13 AsylG sein Aufenthaltsrecht im Bundegebiet ab dem 11.11.2018 aberkannt.

15. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 09.01.2019, 151 Hv 68/18d, wurde der Beschwerdeführer gem. § 83 Abs. 1 StGB, § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, § 107 Abs. StGB und § 241e Abs. 3 StGB wegen Körperverletzung, des Vergehens der gefährlichen Drohung in zwei Fällen und wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel zu einer Freiheitsstrafe mit einem Ausmaß von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Strafteil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Vorhaft wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter kündigten in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 12.02.2019 an, diese Entscheidung beim zuständigen Oberlandesgericht zu bekämpfen.

16. Am 12.02.2019 fand im BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in der der BF durch XXXX , XXXX , XXXX , vertreten wurde. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA hatte bereits mit Schreiben vom 03.05.2018 auf eine Teilnahme an der Verhandlung verzichtet.

In dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu den Angriffen der Taliban auf seine Familie befragt. Dabei gab der BF an, dass seit 2011 oder 2012 das Haus seiner Familie, in dem auch sein Bruder XXXX gewohnt habe, ca. zehn Mal von den Taliban beschossen worden sei. Es wären auch zwei Sprengsätze in bzw. an Fahrzeugen seines Bruders XXXX gezündet worden sowie ein vergrabener Sprengsatz unter einem Speedbreaker, der in jenem Moment, als sein Bruder Bruders XXXX darüberfuhr, explodiert. Alle Angriffe wären von den Taliban verübt worden. Die Familie des Beschwerdeführers lebe weiterhin in Ghazni. Über Vorfälle, aus denen erkennbar sein könnte, dass der BF selbst individuell bedroht, oder verfolgt worden wäre, berichtete der Beschwerdeführer nicht.

Der Beschwerdeführer führte aus, dass er selbst bei einem Sprengstoffanschlag auf ein Fahrzeug seines Bruders XXXX , bei welchem er zu spät einen Sprengsatz entdeckt habe und sich daher nicht rechtzeitig habe in Sicherheit bringen können, verletzt worden sei.

Der letzte Angriff von Taliban auf das Wohnhaus seiner Familie sei ca. zwei Monate vor seiner Flucht aus Afghanistan erfolgt.

17. Am 12.03.2019 übermittelte der BF einen weiteren Datenträger mit zwei Nachrichtenausschnitten, in welchen auf eine Totenfeier für seinen Bruder XXXX hingewiesen wird. Dazu beantragte der BF die Einholung von Polizeiprotokollen aus Ghazni aus dem Jahr 2014 im Amtshilfeweg, deren Inhalt die Ermordung von XXXX zum Gegenstand haben soll. XXXX sei am 31.07.2014 von Taliban-Kämpfern getötet worden. Aus diesen Protokollen sei ersichtlich, dass es Taliban-Kämpfer nicht bloß auf seinen Bruder XXXX als offiziellem (Regierungs-) Kämpfer gegen die Taliban abgesehen hätten und immer noch absehen würden, sondern auch auf alle männlichen Geschwister seines Bruders XXXX , womit auch er selbst ihr potentielles Ziel sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen und Ergänzungen vom 11.09.2018 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz möglicherweise gerade noch minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem. Er spricht die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Ghazni in Afghanistan geboren. Seine Familie verfügt in Ghazni über ein eigenes Wohnhaus. Er ist mit den Gepflogenheiten in einem afghanischen Haushalt vertraut. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Es kann nicht festgestellt werden, ob und wie lange er eine Schule besucht hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob er über eine Ausbildung verfügt. Er vermag jedenfalls Dokumente oder Protokolle zu unterfertigen, wobei seine Unterschrift bei einem Vergleich diverser von ihm unterfertigter Dokumente wiedererkannt werden kann. Er beherrscht jedenfalls die vier Grundrechnungsarten im Zahlenbereich bis 100. Es kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass er im KFZ-Handel, in einer Spenglerei oder in einem Autoersatzteile-Geschäft gearbeitet hat. Seine Familie ist vermögend und besitzt zumindest über ein eigenes Haus mit Grundbesitz. Der Vater des Beschwerdeführers verfügt über die finanziellen Mittel, um für den Beschwerdeführer ein eigenes Geschäft zu erwerben.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er befindet sich in keiner Behandlung und benötigt keine medizinische Hilfe. Er geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Er lebt nicht mehr von der Grundversorgung, weil er die ihm zugewiesene Unterkunft in Österreich unberechtigt verlassen hat. Wie er seinen Lebensunterhalt in Österreich finanziert, kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer beging mehrere Übertretungen bzw. Ordnungsverletzungen:

Am 13.09.2016 warf er in Anwesenheit mehrerer Asylwerber und Betreuer mit Stühlen und Kübeln um sich und ließ sich nur schwer beruhigen. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land vom 27.09.2016, Zl. VL9-STR-13654/2016, wurde gegen ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 80,00 verhängt.

Am 25.10.2016 riss er der Sozialarbeiterin XXXX im Büro seines Wohnheimes deren Mobiltelefon aus der Hand und verließ damit die Unterkunft. Erst nach einer Intervention durch die Polizei wurde das unbeschädigte Telefon vom Beschwerdeführer an die Eigentümerin zurückgegeben.

Am 10.03.2018 riss er im stark alkoholisierten Zustand in seiner Unterkunft Schubladen aus den Kästen, schrie herum und ließ sich nur mit Hilfe der Polizei beruhigen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 09.01.2019 zu 151 Hv 68/18d, gem. § 83 Abs. 1 StGB, § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, § 107 Abs. StGB und § 241e Abs. 3 StGB wegen des Vergehens der Körperverletzung, des Vergehens der gefährlichen Drohung in zwei Fällen und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Monaten verurteilt. Sieben Monate wurden dem Beschwerdeführer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer verließ im September 2015 Afghanistan und reiste schlepperunterstützt in den Iran. Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben, der Vater, vier Brüder und vier Schwester leben immer noch in Afghanistan in der Stadt Ghazni. In Afghanistan leben viele Verwandte.

Am 31.07.2014 starb XXXX , ein Bruder des Beschwerdeführers. Es kann nicht festgestellt werden, was die Ursache für den Tod von XXXX war. Insbesondere kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass XXXX von Taliban deswegen ermordet wurde, weil er der Bruder von XXXX war.

XXXX , ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers, hat in der Vergangenheit für Ausländer gearbeitet, wobei XXXX für Warentransporte zuständig war. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass XXXX während dieser Zeit für den Tod von hochrangigen Taliban verantwortlich war.

Nach seiner Tätigkeit für Ausländer war XXXX als Offizier für afghanische Sicherheitskräfte tätig, wobei er auch an Kampfhandlungen mit Taliban teilnahm. Bei diesen Kampfhandlungen wurden unter seiner Verantwortung als Offizier auch Taliban getötet. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, wie viele Taliban unter seiner Verantwortung getötet wurden bzw. ob es sich dabei um "hochrangige" Taliban handelte.

XXXX wurde am 30.01.2018 bei einem Überfall nach einem Einsatz gegen Taliban getötet.

Der Beschwerdeführer berichtete über keine sicherheitsrelevanten Vorfälle betreffend seine Familie seit dem Zeitpunkt, als sein Bruder XXXX getötet wurde.

Davor wurde das Haus der Familie des Beschwerdeführers, in dem auch sein Bruder XXXX und dessen eigene Familie wohnten, mehrmals beschossen. Der letzte Angriff ereignete sich ca. zwei Monate, bevor der BF Afghanistan verließ.

Fahrzeuge, welche eindeutig seinem Bruder XXXX zuzurechnen waren, waren mehrfach Ziel von Anschlägen, indem einerseits sowohl Sprengsätze am Fahrzeug selbst angebracht wurden, als auch ein Sprengsatz bei einem Speedbreaker vergraben wurde, der in jenem Zeitpunkt detonierte, als das Auto von XXXX diese Stelle passierte. Bei einem Anschlag auf ein Fahrzeug von XXXX entdeckte der Beschwerdeführer einen Sprengsatz am Fahrzeug und konnte sich jedoch nur so in Sicherheit bringen, dass er bei der Detonation trotzdem verletzt wurde.

Der Beschwerdeführer selbst wurde individuell nie direkt von Taliban angegriffen oder persönlich von ihnen bedroht.

Sowohl der Vater des Beschwerdeführers als auch vier seiner Brüder und zahlreiche Neffen leben nach wie vor in Ghazni.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und im Stande auch in Afghanistan einer Beschäftigung nachzugehen. Festgestellt wird, dass die Familie des Beschwerdeführers überwiegend in Ghazni aufhältig ist.

Der Vater des Beschwerdeführers, der ihn vor seiner Ausreise aus Afghanistan finanziell unterstützt hat, könnte den BF auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan wieder finanziell unterstützen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von asylrelevanter Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Familie XXXX , wegen seiner Nationalität oder wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer nach Afghanistan bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer anderen sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung oder einer ihm unterstellten politischen Gesinnung bedroht wäre. Es kann insbesondere auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Taliban gesucht wird.

Es ist zu befürchten, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht. Ihm stehen jedoch mit den größeren Städten in Afghanistan, insbesondere mit Mazar-e Sharif, Herat und eingeschränkt auch mit Kabul innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung. Diese Städte verfügen jeweils über einen international erreichbaren Flughafen, sodass die Anreise in diese Städte auch weitgehend gefahrfrei erfolgen kann. Allenfalls stünden nach Angaben der dem BVwG zugänglichen Länderinformationen zu Afghanistan auch andere friedlichere Regionen in Afghanistan als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Bezugsperson. Er lebt in keiner Beziehung. Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig bis zum 11.11.2018 im Bundesgebiet.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 31.01.2019):

Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen.

Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch dieses Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.06.2018; vgl. TH 10.06.2018, Tolonews 09.06.2018).

Am Samstag dem 26.01.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.01.2019; vgl. NYT 28.01.2019, CNN 27.01.2019, Tolonews 28.01.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, FP 29.01.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.01.2019; vgl. FP 29.01.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.01.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.01.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.01.2019; vgl. WP 30.01.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.01.2019; vgl. FP 29.01.2019).

Sicherheitslage in Afghanistan:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 07.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.01.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 07.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.01.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21.10.2018 wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 07.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 07.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).

Bild kann nicht dargestellt werden

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 07.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden:

Bild kann nicht dargestellt werden

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht:

Bild kann nicht dargestellt werden

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

Zivile Opfer:

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.02.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.02.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben; 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.02.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.02.2019).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.02.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.01.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.01.2018; vgl. DW 21.01.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.01.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.01.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.01.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.01.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.01.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.01.2018; vgl. Reuters 24.01.2018, TG 24.01.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.01.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.01.2018).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.01.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.01.2018; vgl. NYT 28.01.2018).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.04.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.04.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Pajhwok 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 01.05.2018; vgl. AJ 30.04.2018, APN 30.04.2018). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.04.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Focus 30.04.2018, IM 30.04.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.04.2018; vgl. Tolonews 30.04.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 09.05.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 09.05.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 09.05.2018; vgl. Tolonews 09.05.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.05.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.05.2018; vgl. Tolonews 13.05.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.05.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.05.2018).

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.05.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.05.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.05.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.05.2018; vgl. Gandhara 30.05.2018)

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

* Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

* Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.01.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.01.2019; vgl. NYT 21.01.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019, Tolonews 21.01.2019).

* Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.01.2019; vgl. IM 22.01.2019).

* Des Weiteren detonierte am 14.01.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.01.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019, RFE/RL 14.01.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019).

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.05.2018; vgl. DW 06.05.2018, AJ 06.05.2018, Tolonews 06.05.2018, Tolonews 29.04.2018, Tolonews 22.04.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 06.05.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 06.05.2018; vgl. Tolonews 06.05.2018, AJ 06.05.2018).

* Am 22.04.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.04.2018; vgl. NZZ 22.04.2018).

* Am 22.04.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.04.2018; vgl. Slate 22.04.2018).

Zwischen 14.04.2018 und 27.07.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.09.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.06.2018 bzw. 14.06.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 02.07.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.09.2018). Am 25.09.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt.

Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Millionen (AAN 09.10.2018; vgl. IEC o.D.). Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 09.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 01.01.2018 und 30.06.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.07.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 09.10.2018).

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.04.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen. In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemel

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten