TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/3 W272 2198767-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.04.2019
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Entscheidungsdatum

03.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W272 2198769-1/9E

W272 2198775-1/9E

W272 2198767-1/9E

W272 2198740-1/8E

W272 2198773-1/8E

W272 2198765-1/8E

W272 2198771-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX geb. am XXXX , 2.

XXXX , geb. am XXXX , 3. XXXX , geb. am XXXX , 4. XXXX , geb. am

XXXX , 5. XXXX , geb. am XXXX , 6. XXXX , geb. am XXXX , 7. XXXX , geb. am XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, jeweils vom 25.05.2018, Zahl XXXX (ad 1.) Zahl XXXX (ad 2.), Zahl XXXX (ad 3.), Zahl XXXX (ad 4.), Zahl XXXX (ad 5.), Zahl XXXX (ad 6.) und Zahl XXXX (ad 7.) zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde des XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis 04.04.2020 erteilt.

III. Die Beschwerde der XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

IV. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis 04.04.2020 erteilt.

V. Die Beschwerde des XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

VI. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis 04.04.2020 erteilt.

VII. Die Beschwerde der XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

VIII. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis 04.04.2020 erteilt.

IX. Die Beschwerde der XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

X. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis 04.04.2020 erteilt.

XI. Die Beschwerde des XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

XII. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis 04.04.2020 erteilt.

XIII. Die Beschwerde des XXXX wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

XIV. Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis 04.04.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1) reiste gemeinsam mit seiner Frau der Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge BF 2) und seinen fünf Kinder (BF 3 - BF 7) spätestens am 08.11.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG. Die Eltern stellten den Antrag für die minderjährigen Kinder.

Zu ihren Fluchtgründen befragt führte der BF1 begründend bei der Erstbefragung aus, dass sie in Afghanistan nichts hatten. In Europa sei es besser. Er wolle, dass seine Kinder in die Schule gehen und eine bessere Zukunft haben. Nach Ungarn wolle er nicht zurück, da er nicht medizinisch versorgt worden sei. Solange Krieg in Afghanistan sei, habe er Angst vor den Taliban. Sobald Friede herrsche, werde er mit seiner Familie wird selbständig nach Afghanistan gehen. Die BF 2 gab ident dieselben Fluchtgründe an, weiters gab sie an, dass sie an Kopf- und Nierenschmerzen leide. Die Kinder wurden von den Eltern vertreten.

2.

Mit Bescheiden vom 03.03.2017, Zahl 1. 1134403109-161514975, Zahl

2.

1134406002-161514991, Zahl 3. 1134404400-161515084, Zahl 4. 1134404509-161515033, Zahl 5. 1134404204-161515050, Zahl 6. 1134404607-161515068, Zahl 7 1134404803-161515041 des Bundesamtes für Fremdenwesen wurde die Abschiebung nach Ungarn als zulässig erklärt. Mit Erkenntnissen W239 2150302-1/6E, W239 2150294-1/6E, W239 2150286-1/6E, W239 2150297-1/6E, W239 2150291-1/6E, W2392150289-1/6E und W239 2150295-1/6E vom 09.06.2017 wurde den Beschwerden stattgegeben und das Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben.

3. Die Beschwerdeführer (BF) reisten nach Deutschland weiter, wurden jedoch am 26.03.2018 wird nach Österreich überstellt.

4. Nach der Überstellung erfolgte am 05.04.2018 eine niederschriftliche Einvernahme des BF 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der BF 1 berichtigte die Geburtsdaten der Kinder, damit diese in die richtige Schule gehen können. Der BF 1 gab an, dass er in Kunduz geboren sei, 38 Jahre alt und seit 16 Jahre verheiratet. Er habe in XXXX ein eigenes Haus gehabt, 4000 m² Landwirtschaft und noch 15 Jirib Land, jedoch ohne Wasser. Er habe alles für die Reise nach Europa verkauft. Zu seinen Brüdern im Iran habe er noch Kontakt. Zu drei Tanten mütterlicherseits, welche in Takhar leben würden, habe er nun keinen Kontakt mehr. Er habe auch bei der lokalen Polizei Arbaki gearbeitet. Er könne nicht lesen und schreiben. Er habe psychische Probleme wegen seines Sohnes, welcher verschollen sei. Er habe nun fünf Kinder. Aufgefordert dezidiert seine Fluchtgründe zu schildern, brachte der BF1 zusammengefasst vor, dass er in Afghanistan bei der Polizei gearbeitet habe und ein Talibankommandant habe seinen Sohn Nizam entführt. Er sei aber mit der Polizei nach Takhar gegangen und habe erst drei Tage später erfahren, dass sein Sohn entführt worden sei. Dieser sei entführt worden, da der Talibankommandant meinte, dass er (BF 1) dessen Bruder getötet habe. Man habe den BF 1 gesagt, er solle sich den Taliban stellen. Sein Polizeikommandant habe jedoch gesagt, dass die Taliban ihn umbringen würden und den Sohn sowieso. Sie hätten danach ihr Dorf gegen die Taliban wieder zurückgewonnen. Der BF 1 sei dann drei Monate im Heimatdorf gewesen und habe sein Grundstück und sein Haus verkauft und sei dann mit der Familie nach Arabqaqul gegangen. Er sei dann dort drei Monate gewesen und habe nach seinem Sohn gefragt. Die Leute hätten geglaubt, dass die Taliban seinen Sohn getötet hätten. Da die Leute in Arabqaqul mit den Taliban zusammengearbeitete haben, seien sie nach Europa geflüchtet. Die Familie habe keine anderen Fluchtgründe.

Am 10.04.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der BF 2. Sie gab an, dass sie 32 Jahre alt sei, fünf Kinder habe und mit ihrem Mann seit 16 Jahren verheiratet sei. Sie habe drei Brüder und zwei Schwestern. Zwei Brüder und eine Schwester seien im Iran. Eine Schwester und ein Bruder seien in Takhar. Sie würden noch in ihrer Ortschaft leben. Sie würden auf dem Bauernhof arbeiten. Sie habe keinen Kontakt zu ihrer Familie. Ihr Mann habe bei der Polizei gearbeitet und sei in Kunduz stationiert gewesen. Er habe aber auch hin und wieder woanders arbeiten müssen. Sie können nicht lesen und schreiben, und habe ein kleines Kind und sie habe Kopfschmerzen. Sie habe auch einen Psychologen besucht, besuche diesen jetzt nicht mehr, da er weit weg sei und sie Rückenschmerzen habe. Zu den Fluchtgründen gab sie zusammenfassend an. Ihr Mann sei bei der Polizei als Arbaki gewesen und er habe gegen die Taliban gekämpft und den Bruder des Talibankommandanten erschossen. Die Taliban hätten dann den Sohn entführt. Dies sei in der Nähe von Kunduz gewesen. Sie habe in der Ortschaft Dan Qeshlaq gelebt, dies sei eine halbe Stunde von Kunduz entfernt. Die Taliban seien ins Haus gekommen und hätten den Sohn entführt. Ihr Mann sei zu dieser Zeit nicht zuhause gewesen. Die Taliban hätten von ihr verlangt, dass sich ihr Mann stelle. Ihr Mann sei nach Hause gekommen und sie habe ihm alles erzählt. Er habe dann mit den Dorfältesten gesprochen, es sei aber schon alles zu spät gewesen, da ihr Sohn ermordet worden sei. Sie hätten 6 Monate gewartet, er sei aber nicht zurückgekommen. Sie hätten nach drei Monaten alles verkauft und seien nach Takhar gegangen, wo ihr Mann gearbeitet habe. Es war dort sehr laut und sie hätten dann eine Nachricht von den Taliban bekommen und diese hätten gesagt, dass sie alle umbringen werden. Der Polizeikommandant habe zu ihrem Mann gesagt, sie sollen das Land verlassen. Sie hätten dann alles verkauft, da auch in Takhar viele Taliban leben, haben sie nicht dortbleiben können.

Vorgelegt wurden:

Aufenthaltsbestätigung von BF 1 14.06.2017 - 15.06.2017, absichtliche Verletzung durch andere Person.

Notfallkarte BF 1 und 2 aus Deutschland, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Abortkürettage

Psychologische Stellungnahme vom 05.01.2018 (Sachsen-Anhalt) der BF 2 und 26.01.2018 des BF 1

Ambulanzbefund 17.03.2017, 24.03.2017 und 11.04.2017 über die BF 2

3. Mit Bescheiden vom 25.05.2018 wurden ihm Rahmen eines Familienverfahrens gem. § 34 AsylG 2005 die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieser Bescheide wurde der Antrag der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer ihre Fluchtgründe nicht glaubhaft haben machen können. Das Vorbringen zu ihren Fluchtgründen werde den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt und könne nicht festgestellt werden, dass die BF zu befürchten hätte in Afghanistan verfolgt zu werden. Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer auffallend vage und zudem nicht schlüssig sei. Ferner seien seine Schilderungen unplausibel. Das Bundesamt folgerte, dass unschwer zu erkennen sei, dass den Angaben des Beschwerdeführers jegliche Nachvollziehbarkeit und jegliche Glaubhaftigkeit entbehre. Zudem weise das Vorbringen der Beschwerdeführer Steigerung auf und haben die Beschwerdeführer auch betreffend die Situation im Fall ihrer Rückkehr weder eine individuelle Verfolgung noch eine individuelle Gefahr glaubhaft machen können.

Auch eine Rückkehr sei möglich, da sie noch Verwandte in Afghanistan hätten, welche sie auch bei einer Rückkehr unterstützen können. Zwar sei die Region Kunduz eine volatile Region, eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif sei jedoch zumutbar. Eine Unterstützung durch RESTART II bzw. durch IOM wäre möglich.

4. Mit Schriftsatz vom 13.06.2018 und Stellungnahme vom 30.01.2019 erhoben die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhaften Ermittlungsverfahren, Verletzung von Verfahrensvorschriften und verlangten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Zusammengefasst wurde vorgebacht, dass bei der Ersteinvernahme mit Masse Fragen über die Identität und Reiseroute gestellt wurden und nicht näher auf die Fluchtgründe einzugehen war, wobei der Krieg in Afghanistan auch als Fluchtgrund vorgebracht wurde Die genaue Darstellung der Fluchtgeschichte erfolgte durch den BF 1 ex ante und durch BF 2 ex post, wodurch es zu anscheinend widersprüchlichen Aussagen gekommen sei, welches jedoch nicht richtig ist. Dass die Eltern nicht über die Bestattung des Sohnes gesprochen haben, ist aus der psychologischen Situation, in welcher sich die beiden BF befinden, klar, zumal sie schwer traumatisiert sind. Weiters reicht die Glaubhaftmachung. Weiters ist die Sicherheitslage in Afghanistan volatil und da ein familiäres oder soziales Netzwerk nicht besteht ist auch eine Rückkehr nicht zumutbar. Die Lage in Kabul ist unsicher. Auch würden die Mädchen der Familie einer Verfolgung ausgesetzt sein. Die Behandlung von psychisch Kranken ist nicht gesichert, zumal auch 80 Prozent der Kosten für Medikamente selbst getragen werden müssen.

5. Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Beschwerdeführern und der Vertretung die aktuellen Länderinformationen vorab übermittelt.

6. Am 14.03.2019 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt und folgende Unterlagen vorgelegt:

* Mutterkindpass (BF 2 ist im achten Monat schwanger, der Geburtstermin ist jedoch der 01.07.2019

* Befund für BF 2 vom 17.07.2018

* Deutschkursbestätigung von XXXX

* Schulbesuchsbestätigung vom BF 3, 4 und 5

* Kursbesuchsbestätigung Basisausbildung 2018/19 BF 1

* Werte- und Orientierungskurs von BF 1

* Vier Arbeitsnachweise für Einzeltage gemeinnützige Tätigkeit vom Juli, August und September 2018

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Der BF 1 führt den Namen XXXX , geb. am XXXX und ist verheiratet mit der BF 2 XXXX , geb. am XXXX . Ihre minderjährigen Kinder sind der BF 3 XXXX , geb. am XXXX , die BF 4 XXXX , geb. am XXXX , die BF 5 XXXX , geb. am XXXX , der BF 6 XXXX , geb. am XXXX und die BF 7 XXXX , geb. am XXXX .

Sie sind allesamt Staatsangehörige Afghanistans, sprechen Dari, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam aus Afghanistan aus, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 08.11.2016 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz. Die BF beherrschen die Sprache Dari.

Die BF lebten in der Provinz Kunduz im Dorf Don Qeshlaq. Sie heirateten vor 17 Jahren. Der BF 1 und die BF 2 können nicht lesen und schreiben. Der BF 1 hat noch einen Bruder und einen Onkel in Takhar/Afghanistan. Mit seinem Bruder hat er noch Kontakt. Die BF 2 hat keinen Kontakt nach Afghanistan. Die BF lebten von der Landwirtschaft.

Die BF 3 - 7 sind ihren Alter entsprechend entwickelt.

Die BF sind in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, waren dort nie inhaftiert, waren kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, sie haben sich nicht politisch betätigt und hatten keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Die unbescholtenen BF leben gemeinsam in einem Haushalt in Österreich und haben in Österreich ansonsten keine Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Der BF 1 besucht einen Deutschkurs. Die BF 4 und 5 besuchen die Volksschule. Der BF 3 die NMS.

Die BF sind körperlich und geistig gesund und leiden an keiner chronischen oder akuten Krankheit oder anderen Leiden oder Gebrechen. Sie haben wenig bis keinen Kontakt zu anderen Österreichern. Der BF 1 und die BF 2 sprechen kein Deutsch.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 gesund und arbeitsfähig sind.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF 3 - 7 vermochten im Zuge des Verfahren keine eigenen Fluchtgründe geltend zu machen.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Beschwerdeführer zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten der Taliban als auch durch den afghanischen Staat bzw. aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie ausgesetzt war. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater von den Taliban bedroht wurde.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt gewesen wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den minderjährigen Mädchen BF4, BF 5 und BF 7 wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der afghanischen Frauen individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die BF einer konkreten Verfolgung ausgesetzt sind oder eine solche für die BF im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan, zu befürchten wäre.

Die BF konnte keinen in Österreich gesetzten Nachfluchtgrund glaubhaft darlegen.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland:

Nicht festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. ihrer politischen Gesinnung einer Gefährdung ausgesetzt wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihres in Österreich ausgeübten Lebensstils oder auf Grund ihres Aufenthalts in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wären.

Den Beschwerdeführern würde bei ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz Kunduz in Afghanistan, aufgrund der dort herrschenden volatilen Sicherheitslage ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem BF steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr grundsätzlich in die Städte Mazar-e-Sharif, Kabul oder Herat zur Verfügung, obwohl in diesen Städten eine angespannte Situation vorherrschen. Es ist ihnen jedoch nicht zumutbar ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Den BF würde bei ihrer Rückkehr in eine dieser Städte ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen. Selbst die Möglichkeit der Inanspruchnahme von finanzieller Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe reicht nicht aus, um die mit maßgebender Wahrscheinlichkeit bestehende Gefahr der existenzbedrohenden Situation zu verhindern.

Den BF 1 und der schwangeren BF 2 ist es nicht möglich mit fünf minderjährigen Kindern in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Die BF 1- 2 konnten aufgrund der volatilen Situation, sorgepflichtig für fünf, bald sechs minderjährigen Kindern zu sein, einen individuellen gefahrenerhöhenden Umstand aufzeigen, welcher unter Beachtung ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umstand eine Gewährung von subsidiären Schutz auch bei einem niedrigen Grad willkürlicher Gewalt angezeigt ist.

Zur Situation in Afghanistan und zur Situation von Angehörigen der Sunniten und der Tadschiken ergibt sich unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen Folgendes:

1.4. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt inkl. deren

Quellenangaben:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformation:

KI vom 01.03.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4. 2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Zivile Opfer:

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und

Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demonstration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheliegenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b)

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288.

Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen:

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009- 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komple

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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