TE Bvwg Beschluss 2019/4/3 G306 2208151-1

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Entscheidungsdatum

03.04.2019

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G306 2208151-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch RA Dr. Peter PHILIPP, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen .

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Regionaldirektion Niederösterreich, vom 4.7.2018, wurde die Beschwerdeführerin (BF) zwecks "Prüfung des Aufenthaltes" geladen.

Aufgrund dieser Ladung gab die BF mit Schreiben vom 19.07.2018, eingelangt beim BFA am 23.07.2018, eine Stellungnahme - durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter (RV) - mit gleichzeitiger Vollmachtsbekanntgabe, ab. In der Stellungnahme wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Ehegatte der BF - ein österreichischer Staatsangehöriger - selbständiger Unternehmer sei und auch mit seiner Firma in Ungarn ein Baugewerbe betreibe. Aufgrund dessen wäre der Ehegatte als EWR - Bürger zu betrachten und gelte die Freizügigkeitsrichtlinie. Also wäre die BF als auch ihre Kinder als Angehörige - ex lege - zum Aufenthalt berechtigt.

Die BF wurde vom BFA mit Ladungsbescheid vom 26.07.2019 - unter Androhung der Vorführung bei Nichterscheinen - zur niederschriftlichen Einvernahme geladen.

Die BF wurde am 28.08.2018 - im Beisein ihres Gatten - niederschriftlich einvernommen.

Mit oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem RV der BF zugestellt am 21.09.2018, wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen die BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien zulässig ist sowie der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 2 Wochen zur freiwilligen Ausreise zuerkannt.

Mit per Postsendung am 16.10.2018 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob die BF vermittels ihres RV Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dabei wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die gänzliche Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde, beantragt.

Die Beschwerde sowie die bezughabenden Unterlagen wurden vom BFA vorgelegt und langten beim Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zur Zurückverweisung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG). Der VwGH hat nun zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des für die Entscheidung jeweils maßgebenden Sachverhaltes durch das Bundesasylamt als Asylbehörde erster und nunmehr auch letzter administrativbehördlicher Instanz durchzuführen ist.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft:

Wie in der vorliegenden Beschwerde zutreffend vorgebracht, liegt seitens der belangten Behörde eine mangelhafte Verfahrensführung vor.

Die BF bzw. ihre ausgewiesene RV hat bereits in der - noch vor der niederschriftlichen Einvernahme - beim BFA eingelangte Stellungnahme, auf das Vorliegen eines Sachverhaltes beim Ehegatte der BF, welcher darauf schließen könnte, dass die BF gegenständlich in den Genuss einer Freizügigkeit für Unionsbürger - als Angehörige, komme, hingewiesen. Bei der niederschriftlichen Einvernahme der BF vor dem BFA, war auch ihr Ehegatte zu gegen. Der Ehegatte wurde weder einvernommen noch wurden Fragen zur Firma des Ehegatten gestellt bzw. Fragen gestellt ob der Ehegatte sein Freizügigkeitsrecht dadurch in Anspruch nimmt, weil er in Ungarn "auch" eine Firmenniederlassung hat. Auch in ihrem bekämpften Bescheid ist die belangte Behörde mit keinen Wort darauf eingegangen. Sämtlich diesbezüglich vorgebrachte wurde schlicht und einfach ignoriert.

Was bedeutet "Freizügigkeit der Unionsbürger":

Die Freizügigkeit bedeutet zum einen, dass jeder Unionsbürger grundsätzlich das Recht hat, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen, in jeden anderen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Dieses Recht ist in Artikel 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert.

Neben dieser aufenthaltsrechtlichen Komponente bedeutet Freizügigkeit im Binnenmarkt,sich in jedem Mitgliedstaat wirtschaftlich betätigen zu können, also unselbständig oder selbständig, dauerhaft oder vorübergehend tätig zu sein.

Voraussetzungen und Umfang des Freizügigkeitsrechts von Unionsbürgern richten sich nach europäischem Recht: Artikel 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestimmt, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, "sich im

Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ... frei zu bewegen und

aufzuhalten."

Die Ausübung des Freizügigkeitsrechts steht unter den Bedingungen und Beschränkungen der Durchführungsvorschriften, in erster Linie der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, der sogenannten Freizügigkeitsrichtlinie. Sie fasst Rechte und Pflichten von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bei Einreise und Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten zusammen.

Die Freizügigkeitsrichtlinie wird durch das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) in nationales Recht umgesetzt. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU schließlich enthält bindende Vorgaben für die Verwaltung zur Anwendung des Gesetzes.

Daneben garantiert das europäische Recht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Artikel 45 AEUV), das freie Niederlassungsrecht in der Union (Artikel 49 AEUV) sowie die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 56 AEUV).

Im Einklang mit der Freizügigkeitsrichtlinie benötigen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten nur einen gültigen Personalausweis oder Reisepass (Paragraph 2 Absatz 5 Freizügigkeitsgesetz/EU).

Für ein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten müssen bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sein: Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind nach Paragraph 2 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU:

* Arbeitnehmer sowie Unionsbürger, die sich - für eine gewisse Zeit - zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,

* Selbstständige sowie Erbringer von Dienstleistungen,

* nicht erwerbstätige Unionsbürger, sofern sie über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügen,

* Unionsbürger, die nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben,

* sowie die Familienangehörigen dieser Unionsbürger, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.

Was gilt für Familienangehörige:

Grundsätzlich genießen Familienangehörige, die einen freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, ebenfalls das Recht auf Freizügigkeit. Dieses Recht gilt ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Familienangehörigen, also auch für Angehörige, die nicht selbst Unionsbürger sind.

Nach Paragraph 3 Freizügigkeitsgesetz/EU sind folgende Familienangehörige von Unionsbürgern freizügigkeitsberechtigt:

* Ehegatten oder Lebenspartner sowie Verwandte in absteigender Linie, also Kinder und Kindeskinder, von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern, ihren Ehegatten oder Lebenspartnern, welche noch nicht 21 Jahre alt sind,

* Verwandte in auf- oder absteigender Linie von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern, ihren Ehegatten oder Lebenspartnern, welchen von den Unionsbürgern, ihren Ehegatten oder Lebenspartnern Unterhalt gewährt wird.

Die belangte Behörde hat es vollkommen unterlassen festzustellen, ob der Ehegatte der BF laut dieser Bestimmungen - aufgrund seiner Tätigkeit in Ungarn - sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat und somit auch bei einer Rückkehr bzw. Aufenthaltes im Bundesgebiet dieses der Ehegattin samt Kinder zu gute kommt und somit rechtmäßig aufhalten. Wäre dies der Fall, dann wäre die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig.

Auch das Abtun jeglicher familiärer und integrativer Sachverhalte auf Seiten der BF im Rahmen der verpflichteten Interessenabwägung iSd. Art 8 EMRK, widerspricht einer adäquaten behördlichen Entscheidung. Die alleinige Tatsache, dass die BF über keinen Aufenthaltstitel verfügt, kann dabei keinesfalls als Argument für die Verneinung eines Familienlebens iSd. Art 8 EMRK, bei festgestellter aufrechter Ehe zu einen österreichischen Staatsangehörigen und einem gemeinsamen Haushalt mit diesem sowie dass auch beide Kinder hier leben und zur Schule gehen, herangezogen werden. Vielmehr stellt Art 8 EMRK einzig auf das tatsächliche Bestehen eines solchen ab (vgl. Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 852 - 862, 860ff) und erklärt § 9 BFA-VG zudem das Familienleben zu einem relevanten Moment in einem Rückkehrentscheidungsverfahren.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, auch diesbezüglich Ermittlungen hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der BF anzustrengen und dieses in ihrer Entscheidung hinreichend zu würdigen. So hätte die belangte Behörde, allenfalls unter Einbeziehung des Ehegatten, die Intensität eines tatsächlichen Familienlebens näher zu ermitteln gehabt.

Laut VwGH habe die Behörde die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Dabei dürfe diese sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. (vgl. VwGH 14.4.2010, 2007/08/0134)

Auch hätte die belangte Behörde Ermittlungen im Hinblick auf im Herkunftsstaat bestehende Bezugspunkte anzustrengen gehabt. (Peter Chvosa, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74,

858f)

Der VwGH vermeint dazu, dass im Rahmen eines Rückkehrentscheidungsverfahrens rückkehrbezogene im Herkunftsstaat gelegene Sachverhalte bei der Beurteilung des Privatlebens iSd. Art 8 EMRK Bedeutung zukomme, und diese in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen seien (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

Angesichts der damit aufgezeigten fehlenden Ermittlungsschritte sowie bestehenden Begründungsmängel, erweist sich die Entscheidung der belangten Behörde, hinsichtlich der nicht hinreichenden Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, vor dem Hintergrund der dem Verwaltungsverfahren innewohnenden Grundsätze, insbesondere jener der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit, (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren9 (2011), Rz 315ff), als mangelhaft. Der bloße Umstand, dass die BF eine Mitwirkungspflicht trifft, entbindet die belangte Behörde jedoch keinesfalls von ihrer Pflicht den Sachverhalt hinreichend zu ermitteln. (vgl. VwGH 26.6.2008, 2004/06/0060; 27.1.2011, 2009/09/0189)

Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall somit gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des BFA und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten und hinreichender Begründung somit als mangelhaft zu bewerten. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde weder als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren vor dem Bundesamt mit den oben dargestellten Mängeln behaftet. Weit reichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Bundesverwaltungsgericht zu tätigen. In Anbetracht des Umfanges der noch ausstehenden Ermittlungen würde deren Nachholung durch das erkennende Gericht ein Unterlaufen der vorgesehenen Konzeption des Bundesverwaltungsgerichtes als gerichtliche Rechtsmittelinstanz bedeuten. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und dieser damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Das Bundesamt wird in dem neuerlich zu führenden Verfahren bezughabende Ermittlungsschritte, insbesondere im Hinblick auf das mögliche Vorliegen zum Aufenthalt berechtigten Angehörigen eines die Freizügigkeit in Anspruch genommene Person sowie im Lichte des Art 8 EMRK Beachtung zukommender Sachverhalte, vorzunehmen, und den dabei erhobenen Sachverhalt, in Zusammenschau mit den Vorbringen der BF sowie der in Vorlage gebrachten Beweismittel, unter allfälliger Einvernahme des Ehegatten der BF, zu würdigen und die Rechtssache einer rechtskonformen Lösung zuzuführen haben.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2208151.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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