Entscheidungsdatum
04.04.2019Norm
BVergG 2006 §12 Abs1 Z3Spruch
W123 2216573-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über den Antrag der XXXX , vertreten durch CMS Reich Rohrwig Heinz Rechtsanwälte GmbH, Gauermanngasse 2, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Beschaffung von Ohrmarken zur Rinderkennzeichnung und deren Auslieferung an österreichische Betriebe, Los 1" des Auftraggebers Agrarmarkt Austria (AMA), Dresdner Straße 70, 1200 Wien, vom 27.03.2019, beschlossen:
A)
Dem Antrag, "das Bundesverwaltungsgericht möge nach Verständigung der Antragsgegnerin über den gegenständlichen Antrag mittels einstweiliger Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags untersagen", wird gemäß §§ 350 Abs. 1, 351 Abs. 1, 3 und 4 BVergG 2018 stattgegeben.
Der Auftraggeberin ist für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 27.03.2019 stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren in Verbindung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 18.03.2019 zugunsten der XXXX . Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung brachte die Antragstellerin insbesondere vor, dass die Auftraggeberin zu Unrecht das Vorlegen zwingender Ausscheidensgründe im Angebot der Antragstellerin angenommen habe. Das Angebot der Antragstellerin wäre bei Beurteilung anhand der Zuschlagskriterien erstgereiht und müsste bei rechtmäßiger Vorgehensweise daher die Zuschlagsentscheidung auf ihr Angebot lauten sowie ihrem Angebot der Zuschlag erteilt werden. Zur Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung wiederholte die Antragstellerin im Wesentlichen ihr bereits im Verfahren zu W123 2216005-1 erstattetes Vorbringen.
Die gegenständliche Zuschlagsentscheidung sei auch bereits mangels Erfüllung der gesetzlichen Begründungserfordernisse rechtswidrig. Ferner sei beim Angebot der Antragstellerin keine Bewertung entsprechend den festgelegten Zuschlagskriterien vorgenommen worden, da das Angebot der Antragstellerin ausgeschieden worden sei. Gemäß ständiger Rechtsprechung sei jedoch ein Bieter, solange ein Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der sein Angebot betreffenden Ausscheidungsentscheidung anhängig ist, als im Vergabeverfahren verbliebener Bieter anzusehen. Auch für die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung und ihre Begründung gegenüber der Antragstellerin würden daher die Anforderungen gemäß § 143 Abs. 1 BVergG gelten. Eine "Zweite-Klasse Begründungspflicht" gebe es nach dem BVergG 2018 nicht. Hätte die Auftraggeberin eine Erleichterung hinsichtlich ihrer Mitteilungs- und Begründungspflicht in Anspruch nehmen wollen, hätte sie jedenfalls den Ausgang des zur GZ W123 2216005-1 anhängigen Nachprüfungsverfahrens betreffend das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin abwarten müssen.
2. Am 01.04.2019 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zur einstweiligen Verfügung wurde vorgebracht, dass eine andauernde einstweilige Verfügung es der Auftraggeberin unmöglich machen würde, die gemeinschaftlichen Vorgaben einzuhalten. Jedoch habe die Auftraggeberin bei der Vorbereitung und der Terminplanung der Ausschreibung bewusst die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren einkalkuliert. Daher spreche sich die Auftraggeberin in diesem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A)
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit des Antrages
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.
Auftraggeber iSd § 2 Z 5 BVergG ist die Agrarmarkt Austria. (AMA). Die AMA ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 BVergG. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Lieferauftrag gemäß § 6 BVergG. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert beim gegenständlich angefochtenen Los 1 ca. EUR 779.456,00 (ohne Ust.), sodass der relevante Schwellenwert gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG jedenfalls überschritten wird und es sich daher um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.
Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs. 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs. 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.
Inhaltliche Beurteilung des Antrages
Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Gemäß § 351 Abs. 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs. 1 BVergG 2018 sowie auch in Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin beabsichtigt ist, den Zuschlag an die XXXX zu erteilen, dieser Umstand jedoch bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin selbst für den Zuschlag in Betracht kommen würde, wodurch ihr aufgrund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Diese Nachteile können aber nur durch vorläufiges Untersagen der Zuschlagserteilung abgewendet werden, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (zB BVA 18.01.2012, N/0004-BVA/10/2012-EV19).
Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (zB BVA 14.05.2010, N/0038-BVA/10/2010-EV19), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs. 1 BVergG 2006 von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVA 05.02.2010, N/0007-BVA/10/2010-EV12). Ein solches ist für das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht zu erkennen, zumal auch die Auftraggeberin kein besonderes öffentliches Interesse an einer unverzüglichen Zuschlagserteilung behauptet hat.
Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138; 30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 01.03.2007, 2005/04/0239; 27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 29.09.2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ausscheidensentscheidung, Ausscheidensgründe, Begründungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W123.2216573.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.06.2019