TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/4 W119 2145390-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.04.2019
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Entscheidungsdatum

04.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2145390-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2017, Zl. 14- 1049100703 / 140323859, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.04.2018 und am 07.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 24.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.12.2014 gab er an, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören und sunnitischen Bekenntnisses zu sein. Er sei in " XXXX " in Afghanistan geboren, ledig und Analphabet und habe zuletzt als Verkäufer gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, wegen des Krieges und der Taliban ausgereist zu sein. Er wolle hier ein besseres Leben führen. Er habe keine weiteren Fluchtgründe.

In weiterer Folge wurde im Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) am 24. März 2015 ein gerichtsmedizinisches Gesamtgutachten erstellt, welches beim Beschwerdeführer ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 19 Jahren ergab. Das vom Beschwerdeführer angegebene Alter konnte aufgrund der Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht belegt werden.

Am 16. August 2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zunächst an, gesund zu sein und legte eine Deutschkursbestätigung sowie Bestätigungen über die Verrichtung gemeinnütziger Arbeiten vor. Seine Tazkira habe er aus Afghanistan angefordert, sie sei allerdings noch nicht eingetroffen. Sein Führerschein, der ihm vor fünf Jahren vom Verkehrsamt in XXXX ausgehändigt worden sei, befinde sich noch in der Heimat. Ein Reisedokument habe der Beschwerdeführer nie besessen. Bei der Erstbefragung habe er keine Probleme gehabt, es sei alles in Ordnung gewesen. Der Beschwerdeführer erklärte, in XXXX in Pakistan geboren und afghanischer Staatsangehöriger, Paschtune und sunnitischen Glaubens sowie verheiratet zu sein. Dass er sich bei der Erstbefragung als Minderjähriger ausgegeben habe, begründete er damit, dass ihm der Schlepper dies so geraten habe. Bis Bulgarien habe er eine Kopie seiner Tazkira gehabt und diese auf Anraten des Schleppers hin weggeworfen. Da er Analphabet sei und nicht in der Lage sei die Tazkira zu lesen, könne er sein richtiges Geburtsdatum nicht nennen. Auf Vorhalt, er habe bei der Erstbefragung angegeben, in Afghanistan geboren zu sein, bestritt er dies. Weiters vorgehalten, vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgebracht zu haben, er wäre ledig, erwiderte der Beschwerdeführer, auch dies hätte ihm der Schlepper geraten, damit er nicht abgeschoben werde.

Nunmehr erklärte der Beschwerdeführer, in seinem Heimatland seine ca. 28 Jahre alte Ehefrau, sowie zwei Söhne im Alter von ca. vier und ca. drei Jahren, seine Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder zu haben. Diese würden in seinem Heimatdorf im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX leben, zudem gebe es noch Onkel und Tanten in der Heimat. Die Familie besitze ein Haus sowie ein Grundstück im Dorf. Ca. einmal wöchentlich telefoniere der Beschwerdeführer mit seiner Familie. Wenn sich seine Ehefrau in XXXX bei ihren Eltern aufhalte, stünden sie auch über Facebook in Kontakt, in seinem Heimatort gebe es kein Internet. Außerhalb des Heimatlandes habe er noch einen Cousin mütterlicherseits in Belgien. Der Beschwerdeführer selbst sei Analphabet und hätte vor ca. viereinhalb Jahren für drei Jahre in XXXX als Bodyguard gearbeitet und gelebt. Ansonsten sei er in der eigenen Landwirtschaft tätig gewesen und habe Obst und Gemüse in XXXX verkauft.

Geboren sei der Beschwerdeführer zwar in XXXX , Pakistan, aufgewachsen jedoch gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in seinem Heimatdorf in Afghanistan. Sein Vater habe die Familie versorgt, als die Kinder noch klein gewesen seien. Später hätten diese selber in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Der Beschwerdeführer habe vor ca. 7 bis 8 Jahren seine Cousine väterlicherseits, deren Familie in XXXX lebe, traditionell geheiratet. In Pakistan sei er deshalb geboren, weil seine Mutter dort ihren Arzt gehabt habe. Nach ca. einem Monat hätten sie in Afghanistan gelebt. Der Familie sei es finanziell gut gegangen.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, bei einem Cousin seines Vaters, der Vertreter im Provinzrat gewesen sei, als Bodyguard gearbeitet zu haben, weswegen er von den Taliban bedroht und gezwungen worden wäre, diese Tätigkeit aufzugeben. Zudem sei einer seiner Brüder bei der Armee gewesen und für ein paar Tage nach Hause gekommen. Der Beschwerdeführer sei gerade unterwegs gewesen und habe bei der Rückkehr gesehen, dass sein Bruder von den Taliban erschossen worden wäre. Danach habe er auf den eigenen Feldern gearbeitet, aber die Taliban hätten die Familie nicht in Ruhe gelassen, den Beschwerdeführer immer wieder aufgesucht und verlangt, dass er sich ihnen anschließe; er hätte zuvor schon für die andere Seite gearbeitet und jetzt sollte er für sie tätig werden. Sie hätten angekündigt, dass ihm das gleiche wie seinem Bruder passieren würde, wenn er nicht tue, was sie von ihnen verlangten. Daraufhin habe sein Vater die Flucht organisiert.

Nachgefragt, in welcher Form der Beschwerdeführer konkret bedroht worden sei, erklärte er zunächst, sie seien bei ihnen zu Hause gewesen und hätten mit seinem Vater gesprochen. Konkret seien das die Taliban gewesen, wer genau, wisse er nicht. Persönlich habe ihn nie jemand angesprochen. Das Ganze sei ca. eineinhalb Jahre nach Beginn seiner Tätigkeit als Bodyguard passiert, ca. 2011. Sie hätten seinem Vater mitgeteilt, dass sein Sohn nicht mehr für die Regierung arbeiten dürfe, ansonsten würde er irgendwo seine Leiche finden. Daraufhin habe ihm sein Vater - wie den Taliban zugesagt - geraten, seine Arbeit als Bodyguard aufzugeben und wieder in der eigenen Landwirtschaft zu arbeiten, was der Beschwerdeführer auch getan hätte. Aber auch dann hätten ihn die Taliban nicht in Ruhe gelassen. Insgesamt seien sie dreimal bei ihnen zu Hause gewesen. Das erste Mal im Jahr 2011, das zweite Mal wisse er nicht, das dritte Mal ca. sechs Monate vor seiner Ausreise. Jedes Mal sei nur sein Vater zu Hause gewesen, niemals der Beschwerdeführer. Sie hätten von seinem Vater verlangt, dass sich der Beschwerdeführer ihnen anschließe. Was konkret gesprochen worden sei, könne er nicht angeben. Daraufhin habe sein Vater beschlossen, dass der Beschwerdeführer die Heimat verlassen solle. Nachgefragt, warum die Taliban ihn noch zweimal aufgesucht hätten, nachdem er den Job als Bodyguard aufgegeben habe, erklärte der Beschwerdeführer schließlich, sie hätten ihn beim zweiten Besuch mitgenommen und erst nach Zahlung einer Lösegeldsumme wieder gehen lassen. Beim dritten Mal hätten sie verlangt, dass er für sie arbeiten solle, was seine Pflicht wäre, weil er zuvor schon für die andere Seite gearbeitet hätte. Da es Nacht gewesen sei, habe er nicht mitbekommen, wohin sie ihn gebracht hätten. Aufgefordert, den genauen Ablauf zu beschreiben, erklärte der Beschwerdeführer, er sei zu Hause gewesen, als sie zu ihnen gekommen seien und ihn mit Gewalt mitgenommen hätten. Sie hätten ihm die Augen verbunden und auf einem Motorrad transportiert. Mehr könne er dazu nicht erzählen. Nachgefragt, was die Taliban konkret zu ihm gesagt hätten, gab der Beschwerdeführer an, er sei erst beim dritten Mal entführt worden. Sie hätten gesagt, dass sie ihn aufgefordert hätten, zu Ihnen zukommen und ihn gefragt, warum er dies nicht getan habe. Dann hätten sie ihm seine Augen verbunden und ihn geschlagen und von seinem Vater 1 Million pakistanische Rupien für seine Entlassung gefordert. Diese Summe habe ihnen sein Vater nach Verkauf eines Grundstücks am Abend gebracht. Wo die Übergabe stattgefunden habe, könne der Beschwerdeführer nicht sagen. Auf Vorhalt, dass dies nicht glaubwürdig sei, erwiderte er, er hätte geglaubt, gefragt worden zu sein, wo man ihn hingebracht habe. Das Geld hätte sein Vater vor der Haustür der Familie überreicht und zwar ca. einen Monat nach der Entführung.

Insgesamt sei der Beschwerdeführer einen Monat lang festgehalten worden. Er hätte sich in einem Raum befunden, nachts wäre er manchmal rausgebracht und in dieser Zeit auch mit einem Stock geschlagen worden. Am Ende hätten sie verlangt, dass er sich in einer Woche bei ihnen melden solle, was er akzeptiert habe. In dem Raum, in dem er gewesen sei, wären etwa zehn Leute festgehalten worden, aber er habe auch Stimmen aus anderen Räumen gehört. Bei seiner Freilassung hätten sie ihn nach Hause gebracht, das Geld von seinem Vater entgegengenommen und seien wieder gegangen. Der Aufforderung, sich binnen einer Woche nach der Festnahme bei den Taliban zu melden, sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Seine früheren Angaben vorgehalten, nie zu Hause gewesen zu sein, als die Taliban zu ihnen gekommen wären, danach behauptet zu haben, beim zweiten Besuch mitgenommen worden zu sein und kurze Zeit später erklärt zu haben, dies wäre beim dritten Mal gewesen, erwiderte der Beschwerdeführer, er wäre nicht zu Hause gewesen, als die Taliban die ersten beiden Male bei ihnen gewesen wären. Beim dritten Mal hätten sie ihn mitgenommen. Er habe sie nicht gezählt, er schätze jedoch, dass es ca. 25 Taliban gewesen seien, die sie aufgesucht hätten. Dass es sich um Taliban gehandelt hätte, wisse er deshalb, weil sie dort Präsenz zeigen würden und ständig unterwegs wären. Man sehe sie einfach. Nach Wiederholung der Frage, brachte der Beschwerdeführer schließlich vor, dass sie sich als Taliban-Vertreter vorgestellt hätten. Wo die Taliban genau aufhältig wären, wisse er nicht, aber sie seien ständig bei ihnen im Dorf unterwegs. Persönlich habe der Beschwerdeführer keinen von ihnen gekannt. Es sei nicht nur er, sondern auch andere im Dorf von ihren Bedrohungen betroffen gewesen. Nachgefragt, warum dann seine Familie unbehelligt im Dorf habe weiterleben können, gab der Beschwerdeführer an, dass nur er bedroht worden sei, weil er für den Abgeordneten gearbeitet habe. Ausgereist sei der Beschwerdeführer etwa sechs Monate nach ihrem letzten Besuch.

Sein Bruder sei deshalb von den Taliban getötet worden, weil er für die Armee gearbeitet habe. Sie hätten ihn ca. 30 m vom Haus der Familie entfernt erschossen. Der Beschwerdeführer sei in XXXX gewesen und als er am späten Nachmittag zurückgekehrt sei, wäre es bereits passiert gewesen. An der Stelle habe man noch Blut gesehen. Vorgehalten, er hätte vorher angegeben, selbst gesehen zu haben, wie man seinem Bruder erschossen hätte, erklärte er, er habe gemeint, dass der Bruder zu diesem Zeitpunkt bereits erschossen gewesen sei. Gesehen habe der Beschwerdeführer niemanden, aber niemand außer den würde in dieser Weise vorgehen. Seine Familie habe keine Feinde. Mehr könne er dazu nicht sagen. Anschließend hätten sie seinen Bruder begraben, ansonsten jedoch nichts unternommen. Nochmals nachgefragt, brachte der Beschwerdeführer vor, sie hätten bei der Distriktverwaltung Anzeige erstattet, jedoch sei die Polizei nicht in der Lage, gegen die Taliban etwas auszurichten. Alle im Dorf hätten von dem Vorfall gewusst, jedoch Angst gehabt. Sein früherer Arbeitgeber hätte z.B. über 20 bewaffnete Leute gehabt, könne jedoch aus Angst nicht zu seinem Haus im Dorf zurückkommen.

Der Beschwerdeführer habe versucht, sich in XXXX bei seinem Onkel väterlicherseits in Sicherheit zu bringen, aber dieser habe erklärt, dass die Taliban auch dort hinter ihm her seien. Nochmals nachgefragt, wie lange nach seiner Festnahme sich der Beschwerdeführer noch in Afghanistan aufgehalten habe, erklärte er, noch dreieinhalb Monate in Afghanistan und danach zweieinhalb Monate auf der Flucht gewesen zu sein. Auf Vorhalt, er hätte vorher erklärt, dass er erst sechs Monate nach dem letzten Besuch der Taliban von Zuhause geflüchtet sei, erklärte er, dies falsch verstanden zu haben. Zuletzt habe er sich bei seinem Onkel väterlicherseits aber auch bei seinem Schwiegervater in XXXX aufgehalten. Dort hätte er auf seine Ausreise aus Afghanistan gewartet, sein Vater habe in dieser Zeit den Schlepper organisiert. Der Aufenthalt in XXXX sei für den Beschwerdeführer ohne Probleme gewesen. Bei einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, von den Taliban getötet zu werden.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen an, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft darstellen können, dass er seitens der Taliban bedroht und daraufhin entführt und gefoltert worden wäre. Auch habe er die Tötung seines Bruders durch die Taliban nicht glaubhaft darlegen können. Der Beschwerdeführer habe im Laufe des Verfahrens kein einheitliches homogenes Vorbringen an den Tag gelegt, sich immer wieder in Widersprüche verstrickt und auf viele Fragen keine klaren Antworten geben können.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Bruder des Beschwerdeführers sei von den Taliban ermordet worden, weil er für die Regierung gearbeitet habe. Er selbst wäre als Bodyguard für einen Vertreter im Provinzrat tätig gewesen, weshalb die Taliban seinen Vater mehrfach aufgesucht und ihm mitgeteilt hätten, dass der Beschwerdeführer nicht mehr für diese Person arbeiten dürfe sondern für die Taliban tätig werden müsse. Sie hätten immer mit seinem Vater gesprochen. Er selbst sei weder von ihnen entführt, noch wäre von seinem Vater für seine Freilassung Lösegeld bezahlt worden. Der Beschwerdeführer habe die Einvernahme in der Sprache Paschtu durchgeführt, jedoch habe der Dolmetscher nur sinngemäß übersetzt und es wären am Ende der Einvernahme nur die ersten drei Seiten des Protokolls rückübersetzt worden, weshalb der Beschwerdeführer nicht gewusst habe, dass dort etwas von Entführung bzw. Lösegeld gestanden wäre. Die angeführten 1 Million pakistanische Rupien seien nicht das Lösegeld, sondern die Kosten, die der Beschwerdeführer für seine Flucht nach Europa bezahlt habe, gewesen.

Am 18.4.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei nicht teilnahm.

Dabei gab der Beschwerdeführer zunächst an, in Afghanistan in seinem Heimatdorf im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX gewohnt zu haben und der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören. In seiner Heimat würden zwei Onkel und zwei Tanten väterlicherseits, sowie acht Onkel mütterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits - alle in XXXX - leben. Zudem gebe es noch entfernte Verwandte in Kabul; dabei handle es sich um zwei Stiefcousins seines Vaters, zu denen er in Kontakt gestanden sei. Wenn es Feste oder Todesfälle gegeben habe, seien die Beiden zu ihnen gekommen, er persönlich hätte sie aber nie aufgesucht. Seine Familie wäre vor ca. einem Jahr nach Pakistan gezogen, seine Ehefrau lebe aber schon zwei bis zweieinhalb Jahre dort. In ihrem Heimatdorf habe Krieg geherrscht, weil die Daesh dort hingekommen wären. In Pakistan würden seine Brüder Gemüse verkaufen und auch für die Eltern des Beschwerdeführers sorgen. Seine Ehefrau habe bei ihrem Bruder gelebt, der auch für sie gesorgt habe. Mittlerweile sei seine Familie auch zu ihnen gezogen und seine Brüder würden auch für die Ehefrau (mit) sorgen.

Geboren sei der Beschwerdeführer in Afghanistan, in XXXX . Vorgehalten, er habe vor dem Bundesamt angegeben, in XXXX , Pakistan geboren zu sein, bestritt er dies. Auf weiteren Vorhalt, dass laut seinem Vorbringen seine Mutter wegen seiner Geburt in Pakistan zum Arzt gegangen und er dort geboren wäre, räumte der Beschwerdeführer ein, dies gesagt zu haben. Nachgefragt, ob er den Widerspruch erkenne, meinte der Beschwerdeführer, seine Mutter sei krank gewesen und zu einer Operation nach Pakistan gegangen, wo er auf die Welt gekommen sei, er hätte aber sein ganzes Leben in Afghanistan verbracht. Er selbst habe nicht die Schule besucht, seine beiden Brüder jedoch schon, auch seine Schwestern wären "ein wenig" zur Schule gegangen. Nachgefragt, warum er keine Schule besucht habe, antwortete der Beschwerdeführer, er sei zur Schule gegangen, es habe dort einen Streit gegeben, bei dem er eine Gehirnerschütterung erlitten hätte. Da er sich deswegen lange Zeit in Behandlung befunden hätte, sei er der Schule ferngeblieben. Vorgehalten, dass er dies noch zu keinem Zeitpunkt erzählt hätte, meinte der Beschwerdeführer, er sei vielleicht zwei Monate zur Schule gegangen, und habe es deshalb nicht erwähnt.

Zu seinem beruflichen Werdegang gab der Beschwerdeführer an, zu Beginn Gemüse von Feldern geerntet und verkauft zu haben, das sein Vater zum Teil nach Pakistan geschickt habe. Es hätte sich sowohl um familieneigene als auch um fremde Felder gehandelt. Als seine Brüder größer geworden seien, habe der Beschwerdeführer begonnen, für drei Jahre (von 2008 bis 2011) im Stadtteil XXXX in XXXX als Leibwächter zu arbeiten. Er sei Wachmann vor dem Gästeeingang des Hauses seines Arbeitgebers gewesen. Manchmal habe er ihn auch als Chauffeur von einem Ort zum anderen gefahren. Bei seinem Arbeitgeber habe es sich um einen Parlamentsabgeordneten, der der Cousin seines Vaters (der Sohn des Onkels väterlicherseits) sei, gehandelt. Er sei schätzungsweise ca. 40 Jahre alt. Nachgefragt, für welches Parlament diese Person tätig gewesen wäre, erklärte der Beschwerdeführer, sein Arbeitgeber hätte im afghanischen Parlament gearbeitet. Dieses befinde sich in XXXX . Auf Nachfrage der erkennenden Richterin hin korrigierte der Beschwerdeführer das dahingehend, dass das zentrale afghanische Parlament in Kabul wäre, sein Arbeitgeber jedoch in XXXX tätig sei. Auf weiteres Nachfragen hin, um welches Parlament es sich handle, erklärte der Beschwerdeführer, sein Arbeitgeber würde XXXX im Parlament vertreten, dort sei er gewählt worden. Sein Arbeitsplatz wäre in XXXX . Nachgefragt, wo sich das Parlament von XXXX befinde, erwiderte der Beschwerdeführer, sein Büro wäre in XXXX . Aufgefordert, dies zu konkretisieren, gab er an, die genaue Adresse nicht nennen zu können, es sei aber ein großes Gebäude. Dort befänden sich viele staatliche Büros, auch andere Vertreter hätten dort ihren Arbeitsplatz. Nachgefragt, in welchem Stadtteil von XXXX sich das Parlament befinde, erklärte der Beschwerdeführer, es gebe zwei solche Amtsgebäude, eines sei in der Nähe von XXXX , das andere auf dem Weg nach XXXX bzw. XXXX . Den Job habe der Beschwerdeführer durch seine Verwandten erhalten, sein Vater habe den Kontakt aufgenommen und gebeten, dem Beschwerdeführer eine Arbeit zu geben. Insgesamt seien sie acht Leibwächter gewesen. Der Beschwerdeführer habe seinen Arbeitgeber auch zu Distriktleitungen chauffiert, damit dieser von den Schwierigkeiten der Bevölkerungen erfahre.

Nachgefragt, wann er den Führerschein gemacht habe, erklärte der Beschwerdeführer zunächst, vor sieben oder acht Jahren und korrigierte sich dann auf das Jahr 2008, als er mit der Arbeit begonnen hätte. Laut Dolmetscherin stand auf diesem vorgelegten Dokument das Ausstellungsdatum 14. 6.1391, somit der XXXX . Dazu gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe ihm das Papier per Post geschickt, es handle sich um den zweiten Führerschein. Nachgefragt, warum der Beschwerdeführer einen Führerschein vorlege, der nach Ablauf seiner Tätigkeit als Bodyguard bzw. Chauffeur erstellt worden sei, erwiderte er, der erste sei zu Hause verloren gegangen. Weiters befragt, von welcher Institution der von ihm vorgelegte Dienstausweis stamme, nannte der Beschwerdeführer den Namen des Cousins seines Vaters. Vorgehalten, dass sich darauf auch die englische Übersetzung befinde, die das Provinzparlament von XXXX zum Inhalt habe, und der Aussteller nicht sein damaliger Vorgesetzter gewesen sei, meinte der Beschwerdeführer, er habe für diese Person gearbeitet, der Mitarbeiter des Parlaments gewesen wäre und ihm den Ausweis verschafft hätte. Nachgefragt, warum in der englischen Fassung ein anderer Name als der des Beschwerdeführers stünde, erklärte er, dies sei der Name seines Vaters. Auf den Vorhalt hin, dass auf seiner vorgelegten Identitätskarte das Geburtsdatum XXXX (laut Dolmetscherin XXXX ) stehe, der Beschwerdeführer jedoch laut Führerschein im Jahr 1995 (somit neun Jahre später) geboren wäre, meinte dieser, das Geburtsdatum des Führerscheins sei der Tazkira entnommen worden. Nachgefragt, welche Erklärung er dafür habe, warum im Dienstausweis ein anderes Geburtsdatum zu finden sei, meinte der Beschwerdeführer, dieses werde in Afghanistan nicht ernst genommen. In weiterer Folge übersetzte die Dolmetscherin das auf dem Dienstausweis befindliche Datum mit XXXX gültig bis XXXX .

Nach Beendigung der Tätigkeit als Bodyguard bzw. Chauffeur sei der Beschwerdeführer zu Hause gewesen und habe seinen Brüdern auf den Feldern bzw. beim Verkauf von Gemüse geholfen. Danach hätten ihn die Taliban mitgenommen. Später habe sein Vater gewollt, dass der Beschwerdeführer nach Dubai gehe. Damit sei er nicht einverstanden gewesen und hierhergekommen.

Sein Bruder XXXX habe bis zur dritten oder vierten Klasse die Schule besucht und für das Militär gearbeitet. Die Armee nehme auch ungebildete Personen auf. Er sei als Soldat an verschiedene Orte geschickt worden, sein ständiger Standort sei Helmand gewesen. Genaueres wisse der Beschwerdeführer nicht. Auch könne er nicht genau sagen, was sein Bruder gemacht habe, habe aber beim Bundesamt dessen Dienstkarte und Bankkarte zurückgelassen. Der Beschwerdeführer könne sich nicht mehr daran erinnern, wann sein Bruder getötet worden sei. Er wäre von der Arbeit nach Hause gekommen und in der Nähe des Hauses umgebracht worden. Nachgefragt, ob der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch immer Chauffeur und Leibwächter gewesen sei, bejahte er dies ausdrücklich. Nachgehakt, ob er ganz sicher sei, korrigierte er sich dahingehend, dass er nicht für diese Person gearbeitet, sondern seinen Brüdern beim Gemüseverkaufen geholfen habe. Weiters nachgefragt, ob er die Zeit vor oder nach seiner Tätigkeit als Bodyguard meine, erklärte er, sein Bruder wäre davor gestorben.

Vorgehalten, dass das Ausstellungsdatum des Militärbuchs seines Bruders 19.2.2013 laute, der Beschwerdeführer jedoch angegeben habe, von 2008 bis 2011 als Bodyguard bzw. Chauffeur gearbeitet zu haben, meinte er, er habe alles nicht mehr so genau im Kopf und wisse nicht, ob sein Bruder vor oder nach dieser Tätigkeit verstorben sei.

Aufgefordert, noch einmal seine Probleme mit den Taliban zu beschreiben, erklärte der Beschwerdeführer, dass während seiner Tätigkeit als Bodyguard zweimal die Taliban in ihr Haus gekommen seien und ihm die Nachricht hinterlassen hätten, dass er diese Arbeit beenden solle. Nach ihrem zweiten Besuch sei er ihrer Forderung gefolgt und hätte danach mit seinen Brüdern auf den Feldern gearbeitet und das Gemüse in XXXX verkauft. Nach ca. zweieinhalb Jahren hätten ihn die Taliban festgenommen. Danach habe sein Vater zu einem von ihnen den Kontakt hergestellt und darüber gesprochen, dass der Beschwerdeführer bereits seit zehn Tagen bei ihnen sei und er wolle, dass er freikomme. Dazu habe er sich mit diesem Talib auf eine Geldsumme geeinigt. Daraufhin sei dieser Mann zum Beschwerdeführer gekommen und habe ihn aufgefordert, den Taliban zu versprechen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, indem er sie darüber informiere, wer aus dem Dorf für das Militär arbeite und wann diese Personen jeweils ins Dorf kämen. Auch hätte er den Taliban sagen sollen, dass er für sie kleine Transporte nach XXXX im Auto des Provinzabgeordneten durchführen würde. Nachdem der Beschwerdeführer all dies den Taliban versprochen habe, hätten sie ihn freigelassen. Anschließend sei der Beschwerdeführer vom Dorf nach XXXX gegangen und habe dort ca. sechs Monate verbracht. Während dieser Zeit habe sein Vater gewollt, dass er nach Dubai gehe, was der Beschwerdeführer jedoch abgelehnt habe, weil ein Freund von ihm in Belgien lebe und ihm empfohlen hätte, nach Europa zu kommen.

Das erste Mal sei er während er gearbeitet habe, vor "diesen zweieinhalb Jahren", bedroht worden. Sie seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten mit seinem Vater gesprochen. Auch das zweite Mal sei zu einem Zeitpunkt gewesen, an dem er immer noch in XXXX tätig gewesen wäre. Seine Aussage beim Bundesamt vorgehalten, wonach er beim zweiten Besuch der Taliban mitgenommen worden sei, erklärte er, er sei beim dritten Mal gewesen. Gefragt, wie lange er von den Taliban festgehalten worden sei, beantwortete er dies mit einem Monat. Vorgehalten, er hätte zuvor angegeben, zehn Tage festgehalten worden zu sein, erwiderte er, nach zehn Tagen habe sein Vater mit dem Mann gesprochen.

Während der ersten zehn Tage sei er häufig geschlagen worden und habe mit niemandem sprechen können. Nachdem dieser Mann ihm erklärt hätte, was er zu den Taliban sagen solle, sei es möglich gewesen, mit ihnen zu sprechen. Nachgefragt, wie er freigelassen worden sei, gab der Beschwerdeführer an, sie hätten ihn nach Hause gebracht. Sein Vater sei zu Hause gewesen, habe sich gefreut und am nächsten Tag die Bewohner des Dorfes zum Essen eingeladen. Der Beschwerdeführer selbst sei in der Früh nach XXXX gefahren. Nachgehakt, ob sein Vater noch weiteres unternommen hätte, verneinte der Beschwerdeführer dies. Auf Vorhalt, beim Bundesamt gesagt zu haben, dass sein Vater den Taliban einen Monat nach seiner Festnahme das Lösegeld übergeben hätte, erklärte der Beschwerdeführer, das sei richtig, sein Vater habe diesen Mann, mit dem er gesprochen habe, Geld gegeben. Weiters vorgehalten, sein Vater hätte seinen Angaben bei der belangten Behörde zufolge erst einen Monat nach seiner Freilassung das Geld übergeben, meinte der Beschwerdeführer, sein Vater habe nach seiner Freilassung das Geld bezahlt, er sei einen Monat bei den Taliban gewesen.

Aufgefordert, zu beschreiben, wie er mitgenommen worden sei, erklärte er, er wäre zu Hause gewesen, die Taliban seien mit 5 bis 6 Motorrädern mit je zwei Personen zu ihm gekommen, ihre Gesichter seien verdeckt gewesen. Sie hätten ihn von zu Hause mitgenommen und sie wären auf einem Motorrad zu dritt gefahren.

Zu seiner Rückkehrbefürchtung gab der Beschwerdeführer an, von den Taliban geflüchtet zu sein. In Afghanistan gebe es noch immer sehr viele von ihnen, insbesondere in seinem Heimatgebiet. Mittlerweile wäre auch seine Familie aus Afghanistan geflüchtet, er könne nicht zurückkehren.

In Österreich führe der Beschwerdeführer kein Familienleben und habe keine Verwandten, jedoch österreichische Freunde. Sprachzertifikat habe er keines erworben, aber einmal in der Woche einen Kurs im Heim besucht und ansonsten für die Gemeinde gearbeitet. Als er um einen ordentlichen Sprachkurs angesucht hätte, sei ihm gesagt worden, dass sein Alter fortgeschritten wäre und er keinen Kurs bekomme. Mitglied in einem Verein sei er nicht, nehme aber an Veranstaltungen der Gemeinde teil und helfe bei deren Organisation.

Am 24.4.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2018 ausgehändigten Länderfeststellungen ein.

Am 7. Jänner 2019 setzte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu die öffentliche mündliche Verhandlung fort. Dabei legte der Beschwerdeführer Bestätigungen über gemeinnützige Arbeit sowie ein Empfehlungsschreiben vor. Es gebe keine chronischen Krankheiten oder Leiden. Zu seinen Fluchtgründen erklärte er, alles gesagt zu haben. In seinem Heimatdorf würden noch sein Großvater mütterlicherseits sowie seine sechs Onkel mütterlicherseits und deren Familie leben. In Kontakt stehe er zu seinen Angehörigen nicht mehr. Zwei dieser Onkel seien bei der afghanischen Nationalarmee, die anderen würden in der Landwirtschaft arbeiten. Seine in XXXX lebende Familie könnte ihn im Falle einer Rückkehr nicht unterstützen, weil sie keinen Kontakt zueinander hätten. Nachgefragt was wäre, wenn er sich bei seinen Verwandten melden würde, meinte er: "Sie haben eine eigene Familie, wie können Sie mir helfen?" Nachgefragt, woher er wisse, dass eine finanzielle Unterstützung nicht möglich sei, erwiderte er:

"In Afghanistan kümmert sich jeder um seine eigene Familie." Zu seinen Eltern, Geschwistern und der Ehefrau habe er Kontakt, sie würden gemeinsam in Pakistan vom Gemüseverkaufen leben. Die Brüder seiner Frau würden sich auch dort befinden. Die Ehefrau würde von seinem Vater und seinen Geschwistern unterstützt. Vorgehalten, er habe bei der letzten Verhandlung angegeben, dass die Eltern von seinen Brüdern unterstützt werden würden und der Vater nicht eigenständig erwerbstätig wäre, korrigierte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass der Vater nicht arbeiten würde und er gemeint hätte, dass die Brüder Gemüse verkauften. In Afghanistan hätte der Vater die Ehefrau unterstützt, weil er auch im Gemüseverkauf gearbeitet hätte. In Pakistan täten das seine Brüder.

Nachgefragt ob seine in Pakistan lebenden Brüder ihn im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch unterstützen könnten, erklärte er:

"Meine Brüder würden mir helfen, aber ich gehe nicht nach Afghanistan zurück."

Er könne sich nicht vorstellen, in Herat oder Mazar-e Sharif zu leben, weil die Taliban überall seien. Er selbst wäre auch niemals dort gewesen.

In Österreich führe er kein Familienleben, aber habe österreichische Freunde. Nachgefragt, ob er ein Sprachzertifikat erworben hätte, brachte er vor, einen Deutschkurs besucht und die Sprache gelernt zu haben. Zudem sei er seit dreieinhalb Jahren bei der Gemeinde tätig gewesen. Mitglied in einem Verein sei der Beschwerdeführer nicht. Seitens der erkennenden Richterin wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer über durchaus nennenswerte Deutschkenntnisse verfüge.

Am 21. Jänner 2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 7.1.2019 ausgehändigten Länderinformationsmaterial ein.

Am selben Tag wurde für den Beschwerdeführer eine Bestätigung ausgestellt, nach der er ab Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung als Teilzeitkraft zu einem monatlichen Bruttoentgelt von € 752 eingestellt werden könne. Mit Schreiben vom 31.1.2019 wurden dem Bundesverwaltungsgericht zwei weitere Arbeitgeberbestätigungen für den Fall einer Erteilung eines Aufenthaltstitels vorgelegt.

Mit Schriftsatz des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5.2.2018 wurde ergänzendes Länderinformationsmaterial zu Afghanistan in das Verfahren eingeführt und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellungsstellung zu nehmen.

Die Stellungnahme des Beschwerdeführers hierzu langte am 14.2.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz XXXX , gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischen Glaubens. Er stellte am 24. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, jung, gesund und arbeitsfähig. Er wuchs in Afghanistan gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern im familieneigenen Haus auf, beherrscht eine Landessprache (Paschtu) auf muttersprachlichem Niveau, wurde in Afghanistan sozialisiert und ist in Kenntnis der dortigen Gepflogenheiten. Er arbeitete auf familieneigenen Feldern und verkaufte Gemüse, unter anderem auch in XXXX .

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr von Verfolgung durch die Taliban bedroht wäre.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass ein Bruder des Beschwerdeführers wegen seiner Tätigkeit für die afghanische Nationalarmee von den Taliban getötet wurde.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt ausgesetzt. Afghanischen Staatsangehörigen, die aus Europa nach Afghanistan zurückkehren, droht in Afghanistan allein aufgrund ihres Aufenthaltes außerhalb Afghanistans keine psychische und/oder physische Gewalt.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX in Afghanistan aufgrund der unsicheren Sicherheitslage eine Gefahr in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch möglich und zumutbar sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist zwar sehr angespannt, der Beschwerdeführer kann jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und zudem anpassungsfähig.

Er hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, weiters könnte ihn nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung seine Familie (bzw. seine Brüder) zunächst unterstützen, selbst wenn sie sich tatsächlich in Pakistan und nicht mehr in Afghanistan befinden sollte. Zudem kann er selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif unterstützen. Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers werden nach seinem eigenen diesbezüglich gleichbleibenden Vorbringen sowohl von seiner Familie, als auch seinen Schwiegereltern versorgt.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Die Stadt Mazar-e-Sharif ist von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen.

In Österreich besuchte der Beschwerdeführer einen Deutschkurs, konnte jedoch kein Zertifikat vorlegen. Er verfügt über durchaus nennenswerte Deutschkenntnisse. Im Bundesgebiet führt er kein Familienleben und hat hier auch keine verwandtschaftlichen Beziehungen, jedoch österreichische Freunde. Der Beschwerdeführer war zwar nicht Mitglied in einem Verein, ist jedoch seit dreieinhalb Jahren ehrenamtlich bei der Gemeinde tätig. Er konnte drei Einstellungszusagen für den Fall der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vorlegen, eine davon als Teilzeitkraft zu einem Bruttogehalt von € 752 monatlich, die anderen beiden ohne konkrete Gehaltsangaben.

Feststellungen zur Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Juni 2018 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler, letzte Aktualisierung vom 19. 10. 2018):

Sicherheitslage in Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS- Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN

5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte.

Sicherheitslage in Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander

in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Sicherheitslage in der Provinz Nangahar:

Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o.D.g). Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt (Xinhua 10.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.573.973 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad aus folgenden Distrikten: Ghani Khil/Shinwar, Sherzad, Rodat, Kama, Surkhrod, Khogyani, Hisarak/Hesarak, Pachiragam/Pachir Wa Agam, DehBala/Deh Balah/Haska Mina, Acheen/Achin, Nazyan, Mohmand Dara/Muhmand Dara, Batikot, Kot, Goshta, Behsood/Behsud, Kuz Kunar/Kuzkunar, Dara-e Noor/Dara-e-Nur, Lalpora/Lalpur, Dur Baba/Durbaba und Chaparhar (UN OCHA 4.2014; vgl. EASO 12.2017).

Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert (Khaama Press 2.1.2018; vgl Reuters 14.5.2018); Nangahar war seit dem Sturz des Taliban- Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, GT 22.1.2018). Begründet wird das damit, dass seit dem Fall des Talibanregimes von weniger Vorfällen berichtet worden war (Khaama Press 28.1.2018). In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 5.10.2017, GT 22.1.2018, SD 22.2.2018). Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018a). Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt (RFERL 12.3.2018) Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 1% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Nangarhar

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen ausgeführt (VoA 11.1.2018), um gewisse Distrikte von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 4.3.2018; vgl. Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 14.1.2018, Khaama 7.1.2018, Khaama Press 13.5.2017). Ebenso werden Luftangriffe durchgeführt (ABNA 16.3.2018; vgl. Khaama Press 11.3.2018, GT 22.1.2018, Khaama Press 1.3.2018, Khaama Press 14.1.2018a, Khaama Press 2.1.2018); in manchen Fällen wurden Aufständische getötet (Tolonews 26.5.2018; vgl. Khaama Press 11.3.2018, SD 22.2.2018, Khaama Press 1.3.2018, Khaama Press 2.3.2018, Khaama Press 7.1.2018, Khaama Press 13.5.2017); darunter auch IS-Kämpfer (Tolonews 31.5.2018; vgl. ABNA 16.3.2018, GT 22.1.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Nangarhar

Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in gewissen Distrikten der Provinz (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018); zu diesen werden mehrere südliche Distrikte gezählt (VoA 11.1.2018). Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren (AN 6.3.2018).

Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 12.1.2018). In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen; insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln (AN 6.3.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium (UNGASC 27.2.2018). In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden (Khaama Press 20.1.2018).

Seit dem Jahr 2014 tauchen immer mehr Berichte zu einem Anstieg von Aktivitäten des IS in manchen abgelegenen Teilen der Provinz - dazu zählt auch der Distrikt Achin (Pajhwok16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018, Khaama Press 20.1.2018). Der IS zeigte weiterhin große Widerstandsfähigkeit, wenngleich die afghanischen und internationalen Kräfte gemeinsame Operationen durchführten. Die Gruppierung führte mehrere Angriffe gegen die zivile Bevölkerung und militärische Ziele aus - insbesondere in Kabul und Nangarhar (UNGASC 27.2.2018).

Eine Anzahl Aufständischer der Taliban und des IS haben sich in der Provinz Nangarhar dem Friedensprozess angeschlossen (Khaama Press 5.10.2017; vgl. Khaama Press10.1.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Nangharhar IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen Zivilisten, Auseinandersetzungen mit den Streitkräften und Gewalt) gemeldet (ACLED 23.2.2018).

Sicherheitslage in der Provinz Balkh:

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Sh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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