TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/8 G310 2216217-1

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Veröffentlicht am 08.04.2019
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Entscheidungsdatum

08.04.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7

Spruch

G310 2216217-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt III. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX2019 in XXXX bei einer Arbeit ohne Beschäftigungsbewilligung betreten, und zwar beim Putzen einer Auslagenscheibe in einem Einkaufszentrum in Arbeitskleidung, und in weiterer Folge festgenommen. Der BF wurde am selben Tag vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots vernommen.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Nach der Zustellung des Bescheides wurde der BF am 06.03.2019 nach Serbien über den Luftweg abgeschoben.

Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt III. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, den Spruchpunkt III. des gegenständlichen Bescheides ersatzlos aufzuheben, in eventu den Spruchpunkt III. des Bescheides dahingehend abändern, dass die Dauer des Einreiseverbots reduziert werde, in eventu den Spruchpunkt III. aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde zurückzuverweisen. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass es sich beim BF um einen serbischen Staatsangehörigen handle, welcher der in Serbien lebenden bulgarischen Volksgruppe angehöre. Er arbeite und lebe als Fahrschullehrer in Serbien, unweit der Grenze zu Bulgarien. Er habe einen Zweitwohnsitz in Bulgarien, sei im Besitz eines bulgarischen Aufenthaltstitels und befinde sich im Verfahren zur Erlangung der bulgarischen Staatsbürgerschaft. Die Ehefrau des BF sei als Professorin bzw. Lehrerin beschäftigt. Der BF habe sich mit einem gerichtlich beurkundeten Vertrag verpflichtet, seine Eltern bei sich wohnen zu lassen, sowie finanziell und sonst zu unterstützen. Im Gegenzug erhalte er die in den der Beschwerde beigelegten Unterlagen näher bezeichnete Liegenschaft und sonstiges Vermögen seiner Eltern. Er sei in das Bundesgebiet gereist, um seinen Schwager zu besuchen. Auf Bitte des Schwagers habe er bei Reinigungsarbeiten geholfen, da die Arbeiter des Schwagers nicht zur Verfügung gestanden seien. Er sei nicht mit der Absicht in das Bundesgebiet einzureisen um zu arbeiten, sondern habe er unentgeltlich ausgeholfen. Der BF stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, jedenfalls keine solche, die ein Einreiseverbot in der verhängten Dauer rechtfertigen würde.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 20.03.2019 einlangten.

Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger und verheiratet. Seine Frau und seine zwei Kinder leben in Serbien, wie auch seine Eltern und eine Schwester. Eine weitere Schwester lebt in Deutschland. Er ist in Serbien als Fahrlehrer tätig und seine Frau als Professorin an einer technischen Schule. Seine Schulausbildung erfolgte in Serbien. Seine Muttersprache ist Serbisch. Deutschkenntnisse können nicht festgestellt werden.

Der BF ist abgesehen von seinem Bluthochdruck, welcher medikamentös behandelt wird, gesund und arbeitsfähig.

Zuletzt ist der BF am 17.02.2019 nach Österreich eingereist und wurde am 06.03.2019 über den Luftweg nach Serbien abgeschoben.

Am XXXX2019 wurde der BF in XXXXbei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in einem Einkaufszentrum in Arbeitskleidung bei der Verrichtung von Reinigungsarbeiten ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung angetroffen. Eigentümer der Putzfirma ist der Schwager des BF, welcher den BF gebeten hat, aufgrund von mangelndem Personal auszuhelfen.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten und ging bislang in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine österreichische Aufenthaltsgenehmigung, hat auch noch nie einen diesbezüglichen Antrag gestellt. Seit XXXX2018 weist er eine Nebenwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich. Der BF hat einen bulgarischen Aufenthaltstitel und ist auch ein Verfahren zur Verleihung der bulgarischen Staatsbürgerschaft anhängig. Doch weder zu Bulgarien noch zu den anderen Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, können familiäre, soziale oder gesellschaftliche Bindungen des BF festgestellt werden.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Identität des BF wird durch seinen dem BVwG in Kopie vorliegenden Reisepass belegt, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht. Die Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft und Erwerbstätigkeit in Serbien naheliegend und können deshalb auch festgestellt werden, weil eine Verständigung mit dem vom BFA beigezogenen Dolmetsch für diese Sprache problemlos möglich war. Aufgrund der Angaben des BF in der Einvernahme, den Ausführungen in der Beschwerde und den mit dieser vorgelegten Unterlagen konnte das in Serbien bestehende Familienleben, seine gesundheitliche Situation, der Besitz eines bulgarischen Aufenthaltstitels, das Verfahren zur Erlangung der bulgarischen Staatsbürgerschaft sowie die Erwerbstätigkeiten von ihm und seiner Ehefrau festgestellt werden.

Dass der BF bei einer Beschäftigung betreten wurde, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, ergibt sich aus dem Bericht der PI XXXX vom 03.04.2019. Der BF stellte anlässlich seiner Einvernahme nicht in Abrede, seinem Schwager geholfen zu haben. Dass dies unentgeltlich erfolgte konnte nicht festgestellt werden, gab der BF doch in seiner Einvernahme auch an, sich Geld ausborgen zu wollen, da er ein krankes Kind in Serbien hat. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Schwager ihm das Geld als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung gegeben hätte.

Die Feststellungen hinsichtlich der gerichtlichen Unbescholtenheit, des Fehlens eines Aufenthaltstitels und der bislang nicht erfolgten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Straf- bzw. Fremdenregister, dem Sozialversicherungsdatenauszug sowie seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA.

Rechtliche Beurteilung:

Die BF ist als Staatsangehörige von Serbien Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an einen Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs. 2 Z 7 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern seine privaten und familiären Interessen der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Für die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG bedarf es der Feststellung der nach dem AuslBG nicht zulässigen Beschäftigung aufgrund einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Das BFA ist vor diesem Hintergrund zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Tatbestand hier erfüllt ist, zumal der BF am XXXX2019 im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Kontrolle bei einer Beschäftigung (Reinigungsarbeiten in Arbeitskleidung) ohne die dafür erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG betreten wurde.

Eine vorsätzliche Vorgehensweise ist keine Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands nach § 53 Abs. 2 Z 7 FPG. Auf die subjektive Sicht des BF kommt es nicht an. Von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Drittstaatsangehörigen muss verlangt werden, sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Durch den in der Beschwerde geschilderten Personalengpass lag zwar eine schwierige Situation vor, die jedoch die unerlaubte Erwerbstätigkeit des BF weder erklärt noch entschuldigt. Auch akuter, unvorhergesehener Personalmangel berechtigt nicht zur Missachtung von fremden- und arbeitsmarktrechtlichen Vorschriften. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt. Umstände, die im vorliegenden Fall gegen diese Annahme sprechen könnten, sind nicht hervorgekommen (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Bei der Erlassung eines Einreiseverbots iSd § 53 FPG ist unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK die Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Wird dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ist es nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, zumal in § 53 Abs. 2 und 3 FPG in Bezug auf die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots die Abwägung nach Art 8 EMRK angesprochen wird (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Bei der demnach für die Entscheidung über die Erlassung und die Dauer eines Einreiseverbots vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Lebensmittelpunkt des BF in Serbien liegt, wo er familiäre Anknüpfungspunkte hat und auch einem Beruf nachgeht. Es bestehen auch sonst keine Anzeichen einer tiefer gehenden sozialen Verwurzelung des BF in Österreich oder Bulgarien. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremden- und arbeitsmarktrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Aufgrund der diesen Vorschriften widersprechenden Erwerbstätigkeit des BF sowie seiner familiären und sozialen Verwurzelung in Serbien überwiegt dieses öffentliche Interesse sein privates Interesse an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten. Daher sind auch allfällige Konsequenzen auf das Verfahren zur Verleihung der bulgarischen Staatsbürgerschaft in Kauf nehmen.

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots sind daher grundsätzlich erfüllt.

Die Dauer des Einreiseverbots ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf zwei Jahre zu reduzieren, weil dies dem Fehlverhalten des gerichtlich unbescholtenen BF und der von ihm ausgehenden Gefährdung entspricht. Dadurch bleibt eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der BF aufgrund seines Berufes als Fahrlehrer und der mit seinen Eltern getroffenen Vereinbarung nicht mittellos ist, die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer einhielt, nur kurz aushilfsweise bei seinem Schwager arbeitete, sich kooperativ verhielt und sich wieder in Serbien aufhält.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Davon ist keine weitere Klärung dieser Angelegenheit zu erwarten, zumal auch bei einem positiven Eindruck von ihm bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Reduktion oder gar ein Entfall des Einreiseverbots möglich wäre.

Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessenabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung, Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2216217.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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