TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/9 W210 2192636-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2019
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Entscheidungsdatum

09.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W210 2192636-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 21.02.2019 verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.01.2016 (damals als Minderjähriger) gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt. Sein Geburtsdatum wurde hier mit XXXX festgehalten. Als Fluchtgrund führte er den Krieg und die Ermordung seines Vaters durch die Taliban an.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren seine Tazkira im Original vor, aus welcher sich als Geburtsjahr das Jahr XXXX ergab.

3. Der (damals minderjährige) Beschwerdeführer wurde am 01.12.2017 vor dem BFA im Beisein seines gesetzlichen Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz und allfälligen Rückkehrbefürchtungen einvernommen. Als Fluchtgründe führte er hier Grundstücksstreitigkeiten, eine Entführung durch die Taliban und eine Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit an.

Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor. Dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurden aktuelle Länderinformationen zu Afghanistan zur Kenntnis gebracht; es erfolgte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Länderinformationsblatt.

4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

5. Mit Schreiben vom 28.02.2018 erhob der (mittlerweile volljährige) Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid.

Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und verzichtete unter einem auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

6. Mit Eingaben vom 16.07.2018 und 28.09.2018 legte der Beschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen vor.

7. Der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, sowie Vertreter der belangten Behörde wurden zur mündlichen Verhandlung am 21.02.2019 geladen. Unter einem wurde den Parteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: 08.01.2019) übermittelt.

8. Am 12.02.2019 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zur Situation in Afghanistan ein und legte weitere Integrationsunterlagen vor.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.02.2019 in Anwesenheit des ausgewiesenen Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinen Beweggründen hinsichtlich der Ausreise aus Afghanistan und allfälligen Rückkehrbefürchtungen befragt wurde.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Integrationsunterlagen vor.

Zudem wurden in der mündlichen Verhandlung Aktualisierungen zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan per 22.01.2019 und 31.01.2019, die EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 in das Verfahren eingebracht. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers verzichtete auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündete die Richterin das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilte eine Rechtsmittelbelehrung.

Eine Ausfertigung der Niederschrift vom 21.02.2019 samt Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG wurde nach Ende der mündlichen Verhandlung dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter persönlich ausgefolgt und der belangten Behörde am 22.02.2019 übermittelt.

10. Am 05.03.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses vom 21.02.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hg. Akt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Beschwerdeführer, durch Einsicht in die diesem Erkenntnis zu Grunde gelegten Länderberichte sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, seinem Leben in Afghanistan und Österreich und seinen Fluchtgründen:

Der (im Entscheidungszeitpunkt) volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Provinz Daikundi, Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Er lebte an keinem anderen Ort in Afghanistan. Der Beschwerdeführer besuchte in Daikundi sieben Jahre die Schule und arbeitete auf der familieneigenen Landwirtschaft mit. Eine darüberhinausgehende Berufserfahrung oder Berufsausbildung hat er nicht.

Die Mutter des Beschwerdeführers verstarb, als der Beschwerdeführer noch im Kindesalter war. Nach dem Tod seiner Mutter lebte der Beschwerdeführer bei seinem Vater, seinem Onkel väterlicherseits sowie dessen Frau und Sohn. Der Vater des Beschwerdeführers ist mittlerweile ebenfalls verstorben; der genaue Todeszeitpunkt kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Heimatland weder vorbestraft, noch wurde er dort jemals inhaftiert. Er hatte nie Probleme mit den afghanischen Behörden, war in Afghanistan nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan im Sommer 2015 und reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 12.01.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seither hielt er sich durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er besuchte mehrere Deutschkurse (zuletzt B1, erster Teil), erwarb Sprachzertifikate bis zum Niveau A2 und ist aktuell für den zweiten Teil des B1-Kurses angemeldet. Er spricht etwas Deutsch. Er nahm an einem Erste-Hilfe-Grundkurs sowie an einem Basisbildungskurs teil und schloss im Juni 2018 die Übergangsstufe an einer BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch ab. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer regelmäßig Fußball und wurde für die kommende Frühjahrssaison 2019 als Spieler im oberösterreichischen Fußballverband angemeldet. Er engagierte sich in der Gesellschaft durch ehrenamtliche Hilfstätigkeiten und legte diverse Unterstützungsschreiben vor.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörige. Es besteht auch keine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers zu einer in Österreich aufhältigen Person.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohenden Krankheit, nimmt keine Medikamente und benötigt keine medizinische Behandlung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat keiner gegen ihn gerichteten Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen), ausgesetzt.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - Afghanistan:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformationen bis 31.01.2019 - LIB 31.01.2019, S.48).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 31.01.2019, S.48).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 31.01.2019, S.51).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 31.01.2019, S.59).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 31.01.2019, S.52).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 31.01.2019, S. 52). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 31.01.2019, S.53 ff.).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister (LIB 31.01.2019, S. 335 f.)

Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Daikundi:

Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom. Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt und grenzt an die Provinzen Uruzgan im Südwesten, Bamyan im Osten, Ghor im Norden, Ghazni im Süden und Helmand im Nordosten. Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Nieli/Nili, Ashtarly, Khijran/Kajran, Khedir/Khadir, Kitti/Kiti, Miramor, Sang Takh/Sang-e Takht, Shahristan/Shahrestan. Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 475.848 geschätzt (LIB 31.01.2019, S. 99).

Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit kleinen Dörfern, die über unasphaltierte Straßen verbunden werden. In den letzten 17 Jahren wurden in der Provinz nur zehn Kilometer an Straßen gebaut. Dennoch sind Projekte für die Implementierung des Straßenbaus im Gange (LIB 31.01.2019, S. 99).

Daikundi ist eine sichere Provinz. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz drei sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 43 zivile Opfer (16 getötete Zivilisten und 27 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten (LIB 31.01.2019, S. 100).

Im März 2017 wurden in Daikundi 31 Aufständische durch die ANSF getötet. In den letzten 17 Jahren sind in Daikundi keine ausländischen Streitkräfte ums Leben gekommen. Ende Dezember 2017 wurde Daikundi als ruhige Provinz beschrieben (LIB 31.01.2019, S. 100).

Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist. Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet. Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben. Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi gemeldet (LIB 31.01.2019, S. 101).

Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 31.01.2019, S. 91 f.). Mazar-e Sharif ist auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 31.01.2019, S. 247). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 31.01.2019, S. 92, 250). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO Country Guidance, Seite 102).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 31.01.2019, S. 92).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (LIB 31.01.2019, S. 93). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert; im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 31.01.2019, S. 94).

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich wie im Rest von Afghanistan als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.

Zur Provinz Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (LIB 31.01.2019, S. 128). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (LIB 31.01.2019, S. 128, 250). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 31.01.2019, S.128 f.)

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 31.01.2019, S. 129 und 131).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 31.01.2019, S.129).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 31.01.2019, S. 129 und 130).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 31.01.2019, S. 130).

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich wie im Rest von Afghanistan als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.

Wirtschaft

Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 31.01.2019, S. 342).

Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 31.01.2019, S. 342 ff.; UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 31.01.2019, S. 355).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 31.01.2019, S. 356 f.)

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 31.01.2019, S. 357 f.). Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 31.01.2019, S. 359).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 31.01.2019, S. 359 f.).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 31.01.2019, S. 360).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 31.01.2019, S. 360).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 31.01.2019, S. 303).

Die Hazara-Gemeinschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 31.01.2019, S. 306).

Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch stehen ihnen Bildungsmöglichkeiten offen. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (LIB 31.01.2019, S. 308). Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB 31.01.2019, S. 306 f.).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangs-rekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 31.01.2019, S. 309). Dennoch existieren keine Berichte über Verfolgung durch den Staat, Angehörige der Hazara sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance, Seite 61).

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten und 10-15% Schiiten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 31.01.2019, S. 293 und 296;).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört (LIB 31.01.2019, S. 294).

Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 31.01.2019, S. 296 f.).

Angehörige der Schiiten sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance, Seite 62).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Leben in Afghanistan und Österreich:

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren seine Tazkira im Original vor (BFA-Akt, AS 143). Daraus ergibt sich sowohl der Name als auch die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers. Auch das Geburtsjahr des Beschwerdeführers resultiert aus der vorgelegten Tazkira. Sowohl der im Spruch angeführte Name als auch das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum wurden zudem bereits dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt, was in der Beschwerde nicht beanstandet wird.

Die weiteren Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, sohin zu seiner Staatsangehörigkeit, Muttersprache, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu seinem Familienstand, gründen auf den gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 1 und 147; BVwG-Akt, OZ 9, S. 3 f.).

Die Feststellungen zur Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers in Afghanistan basieren ebenso auf dessen konsistenten Angaben im Verfahren (BFA-Akt, AS 1; BVwG-Akt, OZ 9, S. 5).

Dass der Beschwerdeführer neben seiner Herkunftsprovinz an keinem anderen Ort Afghanistans gelebt hat, ergibt sich aus der diesbezüglichen Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach er in XXXX geboren sei und dort sein gesamtes Leben verbracht habe (BVwG-Akt, OZ 9, S. 5).

Dass seine Eltern verstorben seien, gab der Beschwerdeführer bereits in seiner Erstbefragung an (BFA-Akt, AS 3). Vor dem BFA konkretisierte er, dass seine Mutter gestorben sei, als er noch ganz jung gewesen sei (BFA-Akt, AS 149); dies wiederholte er auch in der mündlichen Verhandlung (BVwG-Akt, OZ 9, S. 7). Vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er zudem konsistent an, dass sein Vater in Kabul verstorben sei (BFA-Akt, AS 149; BVwG-Akt, OZ 9, S. 6). Hinsichtlich des Sterbejahres seines Vaters divergieren die Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht (BFA-Akt, AS 152; BVwG-Akt, OZ 9, S. 7) jedoch, sodass eine Negativfeststellung hinsichtlich des Todeszeitpunktes zu treffen war.

Dass der Beschwerdeführer in Afghanistan über keine Familienangehörigen verfügt, resultiert aus dessen konsistenten Angaben im Verfahren. Vor dem BFA erklärte er, dass alle Verwandten im Iran seien (BFA-Akt, AS 149). Die Frage der erkennenden Richterin, ob er noch Verwandte in Afghanistan habe, verneinte der Beschwerdeführer ebenfalls (BVwG-Akt, OZ 9, S. 5).

Der Beschwerdeführer verneinte vor dem BFA, in seinem Heimatland vorbestraft oder inhaftiert gewesen zu sein, politisch tätig gewesen zu sein und einer politischen Partei angehört zu haben. Zudem gab er vor dem BFA selbst zu Protokoll, keine Probleme mit den Behörden in seinem Heimatland gehabt zu haben (BFA-Akt, AS 149).

Der Ausreisezeitpunkt des Beschwerdeführers aus Afghanistan entspringt dessen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, umgerechnet durch die anwesende und beeidete Dolmetscherin (BVwG-Akt, OZ 9, S. 6).

Die Feststellungen zum Leben und zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich gründen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (BVwG-Akt, OZ 9, S. 11) in Zusammenschau mit den im Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen (BFA-Akt, AS 63-75; BVwG-Akt, OZ 3 und OZ 4, Beilagenkonvolut ./1 zum Verhandlungsprotokoll vom 21.02.2019). Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und nicht erwerbstätig ist, ergibt sich zudem aus den eingeholten Speicherauszügen der GVS-Datenbank.

Der Beschwerdeführer verneinte vor dem Bundesverwaltungsgericht explizit, Verwandte in Österreich zu haben (BVwG-Akt, OZ 9, S. 6). Zudem erklärte er, weder verheiratet noch verlobt zu sein und auch keine Freundin zu haben (BVwG-Akt, OZ 9, S. 5).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung (BVwG-Akt, OZ 9, S. 3).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ist dem Verfahrensakt zu entnehmen. Die hg. eingeholte Strafregisterauskunft (BVwG-Akt, OZ 8) ergab, dass eine Person mit den in der Anfrage angeführten Daten des Beschwerdeführers im Strafregister nicht verzeichnet ist. Es sind im gesamten Verfahren keinerlei Hinweise auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers hervorgekommen.

2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers:

Voranzustellen ist, dass es Aufgabe des Asylwerbers ist, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Kann ein Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht durch Bescheinigungsmittel untermauern, ist es umso wichtiger, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007). Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).

Im vorliegenden Verfahren hat der (damals noch minderjährige) Beschwerdeführer zunächst in seiner Erstbefragung und sodann in einer ausführlichen Einvernahme vor dem BFA im Beisein seiner gesetzlichen Vertretung Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen. Aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA geht hervor, dass die belangte Behörde Rückfragen tätigte und dem Beschwerdeführer Gelegenheit gab, sein Vorbringen zu konkretisieren. Die erkennende Richterin konnte zudem im Zuge der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom (bereits volljährigen) Beschwerdeführer gewinnen und sich von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens ein eigenes Bild machen. Der Beschwerdeführer hatte somit ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Er wurden mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Die erkennende Richterin berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme vor dem BFA (mündiger) Minderjähriger war. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen bedarf es einer besonders sorgfältigen Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen (vgl. etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020, 16.04.2002, 2000/20/0200 und 14.12.2006, 2006/01/0362). Die Dichte dieses Vorbringens darf nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden (vgl. dazu auch die UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 8 - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009, Rz 4). Im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung und seiner Einvernahme im Rahme der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war der Beschwerdeführer jedoch bereits volljährig.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist unter diesen Gesichtspunkten zu würdigen und ist hierzu Folgendes auszuführen:

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine Verfolgung seiner Person in seinem Herkunftsstaat glaubwürdig darzulegen. In seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer dazu befragt an, wegen des Krieges geflohen zu sein. Zudem hätten die Taliban seinen Vater umgebracht. Da sein Leben in Gefahr gewesen sei, sei er aus Afghanistan ausgereist (BFA-Akt, AS 9). Hierzu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit diesen Angaben bei erster Gelegenheit zur Darlegung seiner Fluchtgründe keine individuell gegen seine Person gerichtete Bedrohung oder Verfolgung geltend gemacht hat.

Vor dem BFA führte der Beschwerdeführer sodann als Fluchtgrund gänzlich neu Grundstücksstreitigkeiten und eine Entführung durch die Taliban an (BFA-Akt, AS 149 f.). Hierzu erklärte er in freier Erzählung seiner Fluchtgeschichte im Wesentlichen, dass sein Vater und sein Onkel mit einer weiteren Person Grundstücksstreitigkeiten gehabt hätten. Nachdem sein Vater umgebracht worden sei, sei der Streit mit dem Onkel fortgesetzt worden. Nachdem sein Onkel Afghanistan verlassen habe, sei der Beschwerdeführer bedroht und ihm das Grundstück weggenommen worden. Zudem sei er eines Tages gemeinsam mit elf anderen Personen von den Taliban mitgenommen worden. Die Taliban hätten von seinem Onkel Geld verlangt und ihn danach wieder frei gelassen. Vor dem BFA explizit danach befragt, ob er noch weitere Fluchtgründe habe, führte der Beschwerdeführer - vor Rückübersetzung seiner Niederschrift - lediglich seine Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara an. Nach Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls vermeinte er sodann, auf die Frage nach weiteren Fluchtgründen angegeben zu haben, dass die Taliban ihn umbringen würden (BFA-Akt, AS 150).

Mit diesen Angaben, welche der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt hat, steigerte er sein Fluchtvorbringen mehrfach. Dieses geänderte und - im Hinblick auf die nunmehr behauptete persönliche Bedrohung - gesteigerte Vorbringen erweckte den Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Auch der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Dabei wird - unter Berücksichtigung der damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers - nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12) und die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Reiseroute und der Identitätsfeststellung des Antragstellers dient. Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss vielmehr den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN). Dazu befragt, weshalb er dieses Vorbringen nicht bereits früher erstattet habe, vermeinte der Beschwerdeführer lebensfremd, damals gedacht zu haben, dass das nicht so wichtig sei und erklärte, damals nicht verstanden zu haben, dass es um seinen Fluchtgrund gegangen sei (BFA-Akt, AS 152). Auch wenn dem Beschwerdeführer aufgrund seiner damaligen Minderjährigkeit eine gewisse Unschärfe im Aussageverhalten zuzubilligen ist, war der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung augenscheinlich trotzdem in der Lage, Angaben zu seinem Fluchtgrund zu machen, führte er bei dieser Gelegenheit doch sowohl den Krieg als auch die Tötung seines Vaters an und erklärte, dass er aus Angst um sein Leben ausgereist sei. Dass er die Bedeutung der Frage nach seinem Fluchtgrund - wie vor dem BFA behauptet - damals nicht verstanden haben will, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht.

Zu unkonkret waren in diesem Zusammenhang auch die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner behaupteten Entführung durch die Taliban. So erklärte er vor dem BFA in freier Erzählung lediglich, dass die Entführung auf dem Rückweg von der Schule "irgendwo zwischen den Bergen" passiert sei (BFA-Akt, AS 150). Zum Entführungszeitpunkt befragt gab er an: "Es war 2015. Ich weiß den Monat nicht" (BFA-Akt, AS 152). Über Nachfrage, wie viele Täter an der Entführung beteiligt gewesen seien, konkretisierte er zwar, dass es acht Taliban gewesen seien (BFA-Akt, AS 153). Danach befragt, was mit den anderen Entführungsopfern passiert sei, erklärte der Beschwerdeführer jedoch wiederum, es nicht zu wissen und spekulierte, dass manche mit Ablösegeld befreit und manche verschwunden seien. Dem Beschwerdeführer wäre jedoch auch als damals Minderjährigem zuzutrauen gewesen, genauere Angaben zu einem derart einschneidenden und einprägsamen Erlebnis, wie es eine Entführung zweifelsohne darstellt, zu machen. Doch selbst in der mündlichen Verhandlung blieben die Ausführungen des (damals bereits volljährige) Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Entführung äußerst oberflächlich. So sei er "eine Woche oder eineinhalb Wochen" festgehalten worden. Zum Ort der Anhaltung bemerkte er abermals bloß, dass es "noch in XXXX , im Gebirge" gewesen sei (BVwG-Akt, OZ 9, S. 9). Weitere Konkretisierungen folgten nicht. Dass es dem Beschwerdeführer weder aus eigenem noch über mehrfaches Nachfragen gelungen ist, ausführliche Angaben zur vorgebrachten Entführung zu machen, spricht - zusätzlich zur Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens infolge dessen erst nachträglicher Erstattung - gegen die Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine Entführung durch die Taliban erlebt habt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, in seiner Heimatprovinz von einer achtköpfigen Talibangruppierung entführt worden zu sein, stellt sich nicht zuletzt deshalb als unglaubwürdig dar, weil es nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten in der Herkunftsprovinz übereinstimmt. Gemäß den getroffenen Länderfeststellungen ist die Anzahl der Taliban in der Provinz Daikundi nämlich gering und sind in dieser Provinz auch keine Aktivitäten des IS verzeichnet.

Auch die weiteren Zeitangaben des Beschwerdeführers, etwa hinsichtlich der behaupteten Bedrohungssituation aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten und der Ausreise seines Onkels aus Afghanistan, stellen sich äußerst vage dar und beschränken sich jeweils nur auf die Angabe der Jahreszahl (BFA-Akt, AS 152). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der aus Furcht um sein Leben sein Heimatland verlassen hat, versucht, von sich aus detailliert, umfangreich und lebensnah die ihm widerfahrenen Bedrohungssituationen zu schildern. Die insgesamt sehr rudimentär gehaltenen Schilderungen des Beschwerdeführers erwecken hingegen nicht den Eindruck, dass dieser das Geschilderte tatsächlich in dieser Form erlebt hat.

Gänzlich widersprüchlich sind die zeitlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund, dass er eingangs seiner Befragung vor dem BFA im Zusammenhang mit seiner Ausreise aus Afghanistan zu Protokoll gegeben hat, sein Vater habe ihn bis nach Kabul begleitet (BFA-Akt, AS 148). An anderer Stelle behauptete der Beschwerdeführer, dass ein Teil seiner Ausreisekosten von seinem Vater bezahlt worden sei (BFA-Akt, AS 148), wobei er den Entschluss zur Ausreise ca. fünf Monate vor seiner Ausreise gefasst haben will (BFA-Akt, AS 148). Gemäß der zeitlichen Einordnung des Beschwerdeführers soll sich aber sowohl das Bedrohungsszenario im Rahmen der Grundstücksstreitigkeiten als auch die behauptete Entführung durch die Taliban erst nach dem Tod seines Vaters ereignet haben (BFA-Akt, AS 149 f.). Zu diesem Zeitpunkt will der Beschwerdeführer aber bereits aus Afghanistan ausgereist gewesen sein. Auch im Beschwerdevorbringen findet sich hierzu keine Begründung. Ferner stimmen die zeitlichen Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Todes seines Vaters in sich nicht überein. Abgesehen davon, dass sich auch diese lediglich auf die Nennung einer Jahreszahl beschränken und jegliche Konkretisierung vermissen lassen, weichen die diesbezüglichen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung voneinander ab. Gab der Beschwerdeführer vor dem BFA noch an, dass sein Vater im Jahr 2015 gestorben sei (BFA-Akt, AS 152), erklärte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, sein Vater sei Ende 2014 verstorben (BVwG-Akt, OZ 9, S. 7). Über Vorhalt dieser Widersprüchlichkeit behauptete der Beschwerdeführer beharrlich, vor dem BFA "2014" angegeben zu haben (BVwG-Akt, OZ 9, S. 7). Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass sowohl dem Beschwerdeführer als auch seiner damals anwesenden gesetzlichen Vertretung nach wortwörtlicher Rückübersetzung der Niederschrift ausdrücklich die Möglichkeit zur Richtigstellung und Ergänzung der Angaben gegeben wurde. Sowohl der Beschwerdeführer als auch dessen gesetzliche Vertretung erklärten damals, dass die Einvernahme richtig und vollständig protokolliert worden sei (BFA-Akt, AS 152 f.). Wird in der mündlichen Verhandlung nun vorgebracht, dass die Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA unrichtig erfasst worden seien, ist dies als reine Schutzbehauptung zu werten. Es wird dabei wiederum nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Antragstellung und Erstbefragung - wo er weder eine Entführung durch die Taliban noch Grundstücksstreitigkeiten erwähnt hat - noch minderjährig war. Es ist dem Beschwerdeführer aber als im Antragszeitpunkt mündigem Minderjährigem zuzumuten, zeitliche Abfolgen einheitlich zu schildern. Eine schlüssige Chronologie durfte vom Beschwerdeführer spätestens in der mündlichen Verhandlung erwartet werden, ist dem zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Beschwerdeführer aber wiederum nicht gelungen.

Letztlich decken sich auch die Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA zur Finanzierung seiner Reise, wonach einen Teil der Reise sein Vater und den anderen Teil der Freund seines Vaters bezahlt habe (BFA-Akt, AS 10), weder mit dem in der mündlichen Verhandlung angegebenen Sterbejahr des Vaters (2014) noch mit dem Vorbringen, dass sämtliche fluchtauslösende Ereignisse nach dem Tod des Vaters stattgefunden haben sollen. Die Erklärung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, dass das Geld seines Vaters nach dessen Tod bei dem Freund gewesen sei, und sein Vater in diesem Sinn die Hälfte zu den Reisekosten beigetragen habe, überzeugte nicht. Der Beschwerdeführer führte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung eine Geschäftsbeziehung seines Vaters mit seinem Freund an, die er bislang im Verfahren nicht erwähnt hat (BVwG-Akt, OZ 9, S. 10). Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer - ohne jedwede wirtschaftliche Verflechtung mit einem Freund des Vaters - an, sein Vater habe ein Lebensmittelgeschäft und sein Onkel eine Landwirtschaft gehabt (BFA-Akt, AS 148). In der mündlichen Verhandlung gab er anderslautend zu Protokoll, sein Vater habe zwei Geschäfte, nämlich eines mit seinem Freund und eines mit seinem Onkel, sowie eine Landwirtschaft gehabt. Darauf angesprochen, erklärte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, diese Unstimmigkeit resultiere aus der unterschiedlichen Fragestellung zwischen dem BFA und der mündlichen Verhandlung, das BFA habe lediglich nach der Arbeit des Vaters gefragt (BVwG-Akt, OZ 9, Seite 10). Diese Begründung erwies sich aber angesichts der tatsächlichen Fragestellung vor dem BFA (BFA-Akt, AS 148: "Womit haben Sie und Ihre Familie den Lebensunterhalt bestritten?") ebenfalls als nicht nachvollziehbar.

In einer Gesamtschau entstand für die erkennende Richterin - unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme vor dem BFA und unter Berücksichtigung des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer - aufgrund der Steigerungen und der zahlreichen Unstimmigkeiten im Vorbringen der Eindruck, dass das geschilderte Fluchtvorbringen insgesamt nicht glaubwürdig ist.

Zur vorgebrachten Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Religionszugehörigkeit ist unter Verweis auf die eingeführten Länderberichte zu Afghanistan festzuhalten, dass eine Gruppenverfolgung - im Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von schiitischen Hazara in Afghanistan nicht zu gewärtigen ist (vgl. die Feststellungen unter II.1.2.). Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich weder in seinen Einvernahmen noch in der Beschwerde eine individuelle Bedrohung dargetan, sondern vielmehr allgemein gehalten auf Probleme im Zusammenhang mit seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit verwiesen ("Wir haben in ganz Afghanistan diese Probleme.") und behauptet, es sei in Afghanistan eine Straftat, Hazara zu sein (BVwG-Akt, OZ 9, S. 11). Zudem darf nicht übersehen werden, dass Hazara gerade in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Daikundi, mit einem Anteil von 86% der Bevölkerung die ethnische Mehrheit bilden und es sich bei der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers um das zweitgrößte Siedlungsgebiet dieser Volksgruppe handelt. Eine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara konnte somit ebenfalls nicht glaubwürdig dargelegt werden (vgl. die Ausführungen unter II.3.2.1.).

Andere Anhaltspunkte, die eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen, sind im gesamten Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer verneinte zudem explizit, in seinem Heimatland eine Straftat begangen zu haben, politisch tätig gewesen zu sein oder einer politischen Partei angehört zu haben. Zudem gab er vor dem BFA selbst zu Protokoll, keine Probleme mit den Behörden in seinem Heimatland gehabt zu haben.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf objektives, in das Verfahren eingebrachte und dem Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebrachte Berichtsmaterial. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Diese Berichte sind nach wie vor als hinreichend aktuell anzusehen und setzen sich aus Informationen aus regierungsoffiziellen und nichtregierungsoffiziellen Quellen zusammen. Die entsprechenden Fundstellen sind in den Klammern neben den Absätzen ersichtlich.

Der Beschwerdeführer hat zu den gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten Berichten mit Eingabe vom 12.02.2019 Stellung genommen. Es wurden jedoch keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers Zweifel aufkommen ließen. Die vom Beschwerdeführer im Verfahren eingebrachten Berichte zum Herkunftsstaat zeichneten kein, mit den hier herangezogenen Berichten nicht ohnedies in Einklang stehendes Bild der Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers. Auf eine Stellungnahme zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen verzichtete die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ausführlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Der gegenständlich bekämpfte Bescheid wurde am 22.02.2018 rechtswirksam zugestellt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vom 28.02.2018, bei der belangten Behörde eingelangt am 20.03.2018, erweist sich als rechtzeitig und zulässig, sie ist jedoch nicht begründet:

3.2. Zu Spruchpunkt A) - Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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