TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/9 W158 2187564-1

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Veröffentlicht am 09.04.2019
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Entscheidungsdatum

09.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs6
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W158 2187564-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , vertreten durch XXXX alias XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlingsdienst- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 3 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz. Die gesetzlichen Vertreter brachten für den BF keine eigenen Fluchtgründe vor.

I.2. Mit Bescheid vom XXXX , der gesetzlichen Vertreterin am XXXX zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die Behörde aus, dass seine Eltern für den BF keinen Sachverhalt vorgebracht haben, der eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten rechtfertigen würde. Zu Spruchpunkt II. führte die Behörde aus, dass dem BF eine Rückkehr nach Kabul möglich und zumutbar sei. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Hinsichtlich Art. 8 EMRK führte das BFA eine Abwägung durch und kam dabei zum Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei, da seine in Österreich befindlichen Familienangehörigen ebenfalls von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien.

I.3. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.4. Am XXXX erhob der BF Beschwerde in vollem Umfang. Es wurde beantragt, dem BF den Status des Asylberechtigten zu gewähren; in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und ihm ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei; in eventu den Bescheid an das BFA zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen; und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Begründend wurde ausgeführt, dem BF sei Asyl zu gewähren, da das Vorbringen der Eltern im Gegensatz zur Ansicht des BFA glaubhaft sei. Zudem seien sie als Hazara Verfolgung ausgesetzt. Jedenfalls habe das BFA unvollständige Länderfeststellungen getroffen. Hätte das BFA vollständige Länderfeststellungen getroffen, hätte es erkennen müssen, dass den BF eine Rückkehr nach Afghanistan weder möglich noch zumutbar sei. Aufgrund der guten Integration der BF sei jedoch jedenfalls die Rückkehrentscheidung unzulässig.

I.5. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.6. Am XXXX und am XXXX wurden mehrere Integrationsunterlagen vorgelegt.

I.7. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine zur gemeinsamen Behandlung der Verfahren W158 2187517-1, W158 2187561-1, W158 2187564-1, W158 2187568 und W158 2187572-1 anberaumte öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die Geschwister des BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF;

-

Einsicht in die Verfahrensakten seiner Familienangehörigen.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Der BF ist der minderjährige Sohn der XXXX , geb. XXXX , der mittels Erkenntnis vom heutigen Tage der Status der Asylberechtigten im Wege des Familienverfahrens zuerkannt wurde (W158 2187517-1).

Weiters befinden sich im Bundesgebiet sein Vater XXXX (W158 2187561-1) und seine Geschwister XXXX (W158 2187568-1) und mj. XXXX (W158 2187572-1), mit denen er im gemeinsamen Haushalt lebt.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen ergeben sich allesamt unstrittig aus den Verfahrensakten der Familie und wurden im Wesentlichen auch bereits vom BFA seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es haben sich daher keine Zweifel daran ergeben. Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

Nach § 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Z 3).

Nach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Der BF ist als lediges minderjähriges Kind unzweifelhaft Familienangehöriger seiner Mutter, der im Wege des Familienverfahrens der Staus der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Bestimmung des § 34 AsylG ist nach seinem Absatz 6 Z 2 auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Abschnitt über Familienverfahren zuerkannt wurde, nicht anwendbar, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Da es sich beim BF um ein minderjähriges lediges Kind handelt, war dem BF daher nach § 34 Abs. 2 iVm Abs. 6 AsylG ebenfalls der Status des Asylberechtigten zu gewähren.

Da der BF auch nicht straffällig wurde und gegen seine Mutter kein Verfahren zur Aberkennung ihres Asylstatus anhängig ist, war dem BF im Wege des Familienverfahrens der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, sodass eine Prüfung eigener Fluchtgründe entfallen kann (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Dem BF war daher in Stattgabe der Beschwerde der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, dies ist gemäß § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung zu verbinden, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2187564.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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