TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/10 W277 2117694-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2019
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Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W277 2117694-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.04.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 03.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 04.12.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu den Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, dass er Angst vor al Shabaab habe und sich "in die Luft jagen sollte".

2. Ein Sachverständigengutachten betreffend das Alter des BF wurde erstellt (datiert 13.02.2015, AS 77 ff.). Daraus ergibt sich als fiktives Geburtsdatum der XXXX . Der BF behauptet weiterhin am XXXX geboren zu sein (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung; in der Folge: NSV S.7).

3. Am 04.03.2015 und 09.06.2015 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen an, dass er eines Tages von fünf Männern von der Werkstatt seines Vaters abgeholt und zu einem al Shabaab Stützpunkt gebracht worden sei. Dort hätte man ihn geschlagen und mit einer Gewehrspitze am linken Arm und im Bereich der rechten Hüfte verletzt. Die Wunde hätte sich entzündet und er sei zum Arzt gebracht worden. Er sei aus dem Behandlungszimmer geflohen. Die Mitarbeit bei der al Shabaab bestehe aus verschiedenen Tätigkeiten und sie würden von ihren Mitarbeitern verlangen, dass sie Sprengstoffanschläge ausführen. Wenn er sich ihnen angeschlossen hätte, hätte er sich später in die Luft sprengen sollen.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt. Weiters wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.11.2016 erteilt.

Folgende Feststellungen wurden im Wesentlichen dem Bescheid zugrunde gelegt: Die Identität des BF stehe nicht fest. Er sei als Hilfskraft bei seinem Vater in der Werkstatt im Bezirk Halgan, in der Stadt Beledweyne (gemeint: Belet Weyne), beschäftigt gewesen und habe zuletzt mit seinen Eltern und vier Geschwistern ebendort gewohnt. Er sei ein gesunder, lediger, kinderloser Staatsangehöriger Somalias.

In der Beweiswürdigung betreffend der Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nicht glaubhaft und seine Angaben widersprüchlich gewesen seien.

Der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass keine Gründe vorlägen, die eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten rechtfertigen können.

5. Das BFA stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

6. Mit Schriftsatz vom 16.11.2015 (eingebracht am selben Tag) erhob der BF durch seinen Rechtsberater binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte dabei knapp formuliert im Wesentlichen vor, dass er bei der Erstbefragung vor der Polizei ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass er die Fluchtgründe in einer weiteren Einvernahme detailliert schildern könne. In der Erstbefragung sei es ausschließlich um die Eruierung seiner Daten und der Reiseroute gegangen.

7. Mit Beschwerdevorlage vom 20.11.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) vor, in der sie angab auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2018 wurde das Verfahren eingestellt, da für den BF ab 19.10.2017 keine aufrechte Wohnsitz- bzw. Obdachlosenmeldung im Bundesgebiet vorlag. Mit Beschluss vom 03.10.2018 wurde das Verfahren wieder fortgesetzt, da der Beschwerdeführer seit 19.04.2018 wieder über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet verfügt.

9. Mit Bescheid des BFA vom 25.09.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 09.11.2020 erteilt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.04.2019 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somali durch, an welchem der BF sowie seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das BFA ist nicht erschienen. Der BF wurde ausführlich zu seiner Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den ins Verfahren eingeführten und ihm mit der Ladung zugestellten Länderberichten Stellung zu nehmen.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist ein volljähriger, somalischer Staatsangehöriger, sunnitisch, muslimischen Glaubens. Er gehört dem Clan der Sheikal, Subclan Lobogi an.

Er stammt aus Hiraan, Distrikt Halgan in der Stadt Belet Weyne und wohnte bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern, den drei Brüdern und einer Schwester in einem Haus. Die Mutter arbeitete als Schneiderin auf einem Marktstand, der Vater hatte eine Garage und war Reifenmonteur. Er hat die Garage von seinem Vater übernommen, der Vater ist in den Ruhestand getreten. Er ist das älteste Kind und kam als solches für den Lebensunterhalt der Familie auf

Er hat keinen Kontakt zu seiner Familie.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu dem Fluchtvorbringen des BF:

Der BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt.

Der BF ist aufgrund seiner Clanzugehörigkeit keinen intensiven Übergriffen durch andere Bevölkerungsteile ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Aus den ins Verfahren eingeführten, im LIB 2018 zitierten Länderberichten zur Lage in Somalia ergibt sich Folgendes:

1.3.1. Politische Lage:

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO-European Asylum Support Office, Somalia Security Station 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA-Auswärtiges Amt:

Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS-Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA: Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - 4.2017a; vgl. UNSC- UN Security Council; 5.9.2017: Report of the Secretary-General on Somalia), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHCR - UN Human Rights Council 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g.

Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse?). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

1.3.2. Zum Bundesstaat HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)

Im Bundesstaat Hirshabelle kam es bereits kurz nach der Gründung, nämlich im August 2017, zu ersten politischen Spannungen. Das Regionalparlament wollte den Präsidenten absetzen (UNSC 5.9.2017). Bislang ist die Macht der Regierung von HirShabelle ohnehin auf Teile von Middle Shabelle bzw. Jowhar beschränkt. Sie hat Einfluss entlang der Straße von Jowhar nach Mogadischu (BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM).

Die Grenze zum Gebiet der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) bildet Matabaan. Im nordöstlichen Hiiraan werden einige Ortschaften östlich von Belet Weyne von der Macawuusley genannten Miliz kontrolliert. Im Grenzgebiet zu Äthiopien ist die äthiopische Liyu Police aktiv. Dies betrifft in erster Linie einen 30-40 Kilometer breiten Grenzstreifen westlich von Belet Weyne. In diesem Bereich verfügt al Shabaab nur über eine geringe Präsenz (BFA 8.2017). Buulo Barde, Jalalaqsi und Belet Weyne befinden sich unter Kontrolle von AMISOM (DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017): South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016). Dies gilt auch für Jowhar, Warsheikh, Balcad und Cadale sowie andere größere Städte in Middle Shabelle (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017). In Hiiraan befinden sich zusätzlich in mehreren kleineren Städten Stützpunkte von AMISOM, der äthiopischen Armee, der Liyu Police und der somalischen Armee. In Middle Shabelle befinden sich Truppenteile der somalischen Armee die auch tatsächlich unter Kontrolle der Armeeführung in Mogadischu stehen (BFA 8.2017). Große Teile des ländlichen Raumes werden von al Shabaab kontrolliert. Zwar ist die al Shabaab in Hiiraan nicht mehr so aktiv, wie zuvor (DIS 3.2017). Trotzdem verfügt sie dort über den Großraum westlich der Hauptverbindungsstraße sowie über das Gebiet zwischen Maxaas und Adan Yabaal; sowie nördlich nahezu bis zur Straße von Belet Weyne nach Dhusamareb. Der Raum zwischen Adan Yabaal und der Küste kann hingegen als ‚bandits country' mit geringer Präsenz der al Shabaab bezeichnet werden (BFA 8.2017).

In Belet Weyne gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Die zuvor in Belet Weyne ausgetragenen Clan-Konflikte wurden durch gemeinsame Sicherheitsoperationen der Regierungskräfte und von AMISOM aus der Stadt verdrängt. Nunmehr werden diese außerhalb ausgetragen (BFA 8.2017). In Belet Weyne gibt es Stützpunkte dschibutischer AMISOM-Truppen, der äthiopischen Armee sowie von einer Brigade der somalischen Armee. Die in Belet Weyne vorhandene AS-Präsenz scheint kaum relevant, es kommt zu wenigen Vorfällen (BFA 8.2017).

Bis ca. Mitte 2016 war die Lage in der Region Middle Shabelle verhältnismäßig ruhig. Seither ist die Zahl der Zwischenfälle angestiegen. Dies hängt einerseits mit der Einrichtung des Bundesstaates HirShabelle zusammen. Dabei gilt Jowhar als relativ ruhig. Von dort kommen keine relevanten Meldungen zu Aktivitäten der al Shabaab (BFA 8.2017). Doch trägt vermutlich auch die Dürre zur Eskalation von Konflikten bei. Im zweiten Quartal 2017 gab es sowohl im Raum Balcad als auch im Raum Jowhar einige Gefechte zwischen Clans, vor allem zwischen Subclans der Abgaal, auch Shiidle waren involviert. Bei den Kämpfen, die sich durchwegs abseits der Hauptverbindungsstraße ereigneten, waren ca. 100 Tote zu verzeichnen. Auch im nördlichen Hiiraan kommt es zu Clan Auseinandersetzungen, etwa im Juni 2017 zwischen Hawadle-Milizen sowie zwischen Hawadle und Habr Gedir (BFA 8.2017) bzw. im Bezirk Belet Weyne zwischen unterschiedlichen Hawiye-Subclans (DIS 3.2017). Insgesamt war der Großteil der zivilen Opfer des zweiten Trimesters 2017, welche bei Clankonflikten zu Schaden kamen, den Konflikten zwischen Galja'el und Jejele in Hirshabelle sowie jenem zwischen Duduble und Ayr in Galgaduud zuzurechnen. Alleine im Bereich Banyaley kam es im Juni 2017 zu schweren Clan-Auseinandersetzungen um Ressourcen (mindestens 50 Tote); die Verwaltung von Hirshabelle hat interveniert und einen Waffenstillstand vermittelt (UNSC 5.9.2017). Bereits im Jahr 2016 kam es in und um Belet Weyne zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Galja'el und Jejele (USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016).

In den beiden Regionen Hiiraan und Middle Shabelle lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,04 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 54 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 39 dieser 54 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 62 derartige Vorfälle (davon 44 mit je einem Toten).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF

Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und dem festgestellten Geburtsdatum (AS 77) Verfahrensidentität vorliegt.

Die Feststellungen zu Staats-, Religions- und Clanzugehörigkeit des BF sowie seiner somalischen Herkunft gründen sich auf seine insoweit glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Erstbefragung am 04.12.2014, der Einvernahme vor dem BFA am XXXX , auf seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 05.04.2019 bzw. seinen Sprachkenntnissen der somalischen Sprache.

Seine Angaben zu den Wohn- und Lebensbedingungen vor der Ausreise aus dem Herkunftsland Somalia sind glaubhaft und wurden widerspruchsfrei dargelegt. So konnte er nachvollziehbar darlegen, dass er als ältester Sohn die Garage des Vaters übernommen hat, weil dieser schon betagt war, und der BF folglich den Lebensunterhalt der Familie bestreiten musste.

Hinsichtlich der Feststellung, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie im Herkunftsland hat besteht keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Angaben des BF zu zweifeln, zumal er diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erläutern konnte, dass der letzte, fernmündliche Kontakt mit der Mutter einmalig nach seiner Einreise in Österreich stattgefunden hat und die Nummer jetzt nicht mehr funktioniert, weil es damals einen Mobilfunkanbieter namens "Like" gab, die Nummer jedoch jetzt nicht mehr vergeben ist (NSV S. 10).

Die Feststellung, dass der BF strafgerichtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

Die Feststellung, dass der BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt ist, ergibt sich daraus, dass er weder bei seinem Vorbringen bei der Erstbefragung, bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und der Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG dies angegeben hat.

So gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zwar an, Angst zu haben, dass er von Männern der al Shabaab getötet werde, konnte aber nicht angeben, wer ihn zum jetzigen Zeitpunkt bedrohen oder verfolgen würde. So führte er auch aus, dass er nicht wisse ob die Männer der al Shabaab, welche ihn damals zum Stützpunkt der al Shabaab mitgenommen hätten, noch leben würden. Er konnte auch nicht angeben, ob im Heimatland nach ihm von der al Shabaab gesucht werde (NSV S. 20).

Das Vorbringen, dass Männer der al Shabaab in seine Garage gekommen sind hat der BF widerspruchsfrei zu den Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme darlegen können. Widersprüche ergeben sich jedoch in Bezug auf die behauptete Entführung durch die al Shabaab, zumal er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA angab, an der rechten Hüfte verletzt worden zu sein (AS 121), in der Verhandlung vor dem BVwG jedoch angab Verletzungen am Unterarm und im Gesicht sowie am Hinterkopf und an der Brust gehabt zu haben (NSV S. 15).

Auch das weitere Vorbringen bezüglich des Fluchtverlaufes ist widersprüchlich zu den Angaben vor dem BFA. So gab er bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, dass der ihn behandelnde Arzt kurz rausgegangen sei, er alleine im Behandlungszimmer gewesen sei und fliehen konnte (AS 127). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG hingegen gab er an, dass eine Mitarbeiterin einer Apotheke seine Wunden versorgt und diese ihm geraten habe, dass er flüchten soll (NSV S. 17). Weiters gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, dass bei der vermeintlichen Entführung fünf Männer in seine Arbeitsstelle gekommen seien (AS 123), in der Verhandlung vor dem BVwG jedoch gab er an, dass er nur sehen konnte wieviele Männer es "ungefähr" gewesen seien und er glaube, dass es vier Männer gewesen wären.

Widersprüchlich ist auch, dass er in der Ersteinvernahme als Fluchtgrund angab, dass er sich hätte in die "Luft jagen" sollen (AS 15), weiters vor dem BFA pauschal angab, dass die al Shabaab von ihren Mitgliedern verlange, dass sie Sprengstoffanschläge durchführen sollen (AS 131), in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wiederholend befragt jedoch sagte, dass er das damals nicht gesagt habe (NSV S. 19).

Die Angaben, dass er den Schleppern kein Geld für die Ausreise bezahlt, sondern für diese gearbeitet habe indem er für sie kochte (NSV S.18) erscheinen nicht glaubhaft und divergieren ebenfalls von den Angaben bei der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.12.2014, wonach er nicht gewusst habe, wie hoch die Kosten der Reise gewesen wären (AS 15).

Weiters gab er in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 19) gleichlautend mit den Angaben vor dem BFA (AS 123) an, dass er vor diesem Vorfall keine anderen Probleme mit der al Shabaab gehabt habe. Wiederholend befragt warum er fünf Jahre nach seiner Ausreise in Somalia verfolgt oder bedroht werden würde, gab er an, dass er es nicht wisse, ob die Männer der al Shabaab schon gestorben seien und dass er nicht wisse, was sie von ihm wollen könnten.

Den LIB 2018 ist zu entnehmen, dass sich im Herkunftsort Hiiraan in mehreren kleineren Städten Stützpunkte von AMISOM, der äthiopischen Armee, der Liyu Police und der somalischen Armee befinden. Die vom BF in der mündlichen Verhandlung angegebene nächst größere Stadt zu Hiraan ist Buulo Barde, welches sich den LIB 2018 folgend sich unter Kontrolle von AMISOM befindet. Weiters ist den LIB 2018 zu entnehmen, dass sich in der Herkunftsstadt Belet Weyne Stützpunkte dschibutischer AMISOM-Truppen, der äthiopischen Armee sowie von einer Brigade der somalischen Armee befinden, die dort vorhandene al Shabaab Präsenz kaum relevant scheint und es zu wenigen Vorfällen kommt. (LIB 2018, S. 147).

Eine Verfolgung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit hat er nicht angegeben und ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

Andere Fluchtgründe wurden vom BF weder im behördlichen Verfahren noch vor dem BVwG vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A

3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

3.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

3.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.5. Umgelegt auf den vorliegenden Fall folgt daraus, dass wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, der BF nicht substantiiert angeben konnte, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben ist. Die durch den BF konkret ins Treffen geführten Fluchtgründe beziehen sich im Wesentlichen pauschal darauf, Angst vor der al Shabaab zu haben.

Weiters sind seine pauschalen Angaben, dass die al Shabaab damals in der Stadt, in welcher er wohnte, junge Männer rekrutiert hätte und diese damals entweder Soldaten für Sie werden oder für sie arbeiten mussten (NSV S. 19), nicht geeignet darzustellen, in welchem aktuellen Zusammenhang dies zum jetzigen Zeitpunkt mit ihm steht. Auch gab er an, dass er nicht wisse, was die al Shabaab von ihm wollen könnte (vgl. NSV S. 19 und S. 20), zumal er gar nicht sicher ist, ob die Männer, welche ihn vermeintlich entführt hätten, heute noch leben. Die Angaben zur Entführung selbst sind widersprüchlich und sein Fluchtvorbringen daher auch nicht glaubhaft.

Dem Fluchtvorbringen mangelt es an der Konsistenz im Hinblick auf eine potentielle Verfolgung. Er konnte nicht konkret und glaubhaft darstellen, warum er einer ernstlichen Bedrohung ausgesetzt sei bzw. Gefahr liefe, Übergriffe zu erleiden. Es sind auch keine Hinweise hervorgekommen, dass der BF in Somalia nach objektiver Wahrscheinlichkeit solchen, ernstlichen Bedrohungen ausgesetzt wäre, die als asylrelevant zu qualifizieren sind. Er konnte ferner nicht angeben, ob aktuell nach ihm gesucht werde bzw. wer ihn verfolgen würde und weswegen.

Mangels Bestehens einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, war die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter 3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W277.2117694.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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