TE Bvwg Beschluss 2019/4/10 W158 2190976-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W158 2190976-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AslyG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen seiner tags darauf erfolgten Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, er sei aus Afghanistan geflüchtet, da seine Eltern verstorben seien und sein einziger Verwandter sein Onkel sei. Dieser sei drogenabhängig und habe drei Mal mit dem Messer auf ihn eingestochen.

I.3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gab der BF auf das Wesentlichste zusammengefasst wiederum an, er sei von seinem drogenabhängigen Onkel mit dem Messer gestochen worden.

I.4. Mit Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gegen den BF wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VIII.). Zudem wurde festgestellt, dass der BF sein Aufenthaltsrecht mit XXXX verloren habe (Spruchpunkt IX.).

I.5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, die mit Erkenntnis vom 07.06.2018 zu W231 2190976-1/20E in Bezug auf die Spruchpunkt I. bis V. und VII. und VIII. als unbegründet abgewiesen wurde. In Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wurde das Einreiseverbot auf sieben Jahre herabgesetzt und in Spruchpunkt IX. wurde das Datum mit dem der BF sein Recht zum Aufenthalt verloren habe mit XXXX festgesetzt.

I.6. Am XXXX stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

I.7. Am XXXX wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien dazu niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, er halte seine bisher gemachten Angaben aufrecht.

I.8. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

I.9. Am XXXX wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari, seiner Rechtsberaterin und einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Dort brachte der BF vor, er wolle in Österreich bleiben, in Afghanistan sei Krieg. Er habe Angst vor seinem Onkel, der ihn bedroht habe und umbringen wolle.

In der Folge wurde mittels mündlich verkündeten Bescheid, der im Protokoll beurkundet wurde, der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Begründend führt das BFA dazu aus, der BF, dessen Identität nicht feststehe, sei afghanischer Staatsangehöriger, jung gesund und in einem erwerbsfähigen Alter. Er sei viermal strafrechtlich verurteilt worden. Der BF habe sich im gegenständlichen Verfahren auf die Gründe aus dem Erstverfahren berufen. Da sich daraus kein neuer Sachverhalt ergebe, werde der Antrag des BF wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Es könne unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Ebenfalls könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 8 EMRK erkannt werden.

I.10. Am XXXX legte das BFA die Akten amtswegig zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des faktischen Abschiebeschutzes vor. Mit Schreiben vom XXXX wurde das Einlangen der Akten gemäß § 22 Abs. 10 BFA-VG bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den den BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Die Identität des BF kann nicht festgestellt werden, die im Spruch genannte ist lediglich seine Verfahrensidentität. Er ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung an. Er wurde in Kabul geboren, hat keine Schulausbildung und arbeitete als Straßenverkäufer.

Der BF stellte am XXXX einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er von seinem drogenabhängigen Onkel verfolgt werde und auch bereits einmal von ihm angegriffen worden sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gegen den BF wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VIII.). Zudem wurde festgestellt, dass der BF sein Aufenthaltsrecht mit XXXX verloren habe (Spruchpunkt IX.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.06.2018 zu W231 2190976-1/20E in Bezug auf die Spruchpunkt I. bis V. und VII. und VIII. als unbegründet abgewiesen wurde. In Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wurde das Einreiseverbot auf sieben Jahre herabgesetzt und in Spruchpunkt IX. wurde das Datum mit dem der BF sein Recht zum Aufenthalt verloren hat mit XXXX festgesetzt. Das Erkenntnis gelangte am XXXX in den elektronischen Verfügungsbereich des damaligen Rechtsvertreters des BF.

Am XXXX stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu führte er aus, er habe Angst vor seinem Onkel, der ihn bereits bedroht habe und ihn umbringen wolle. Die Fluchtgründe des BF haben sich seit dem ersten Verfahren nicht geändert.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF, insbesondere in der Herkunftsprovinz des BF Kabul, sind gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. In Afghanistan befinden sich Familienangehörige und Freunde des BF. Der BF ist bis auf Hämorrhoiden gesund. Diese werden medikamentös behandelt.

Der BF befindet sich seit Abschluss seines Vorverfahrens durchgehend in Strafhaft. Eine Betreuerin des BF unterstützt diesen auch während seiner Haft. Er ist finanziell nicht von ihr abhängig.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX zu XXXX am XXXX wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB, der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, sowie des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten (bedingt) verurteilt. Die Probezeit wurde mit 3 Jahren bemessen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX zu XXXX am XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon ein Monat bedingt, verurteilt. Die Probezeit wurde mit 3 Jahren bemessen. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu XXXX des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wurde abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Am XXXX wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX zu XXXX erneut wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG verurteilt und zu einer Haftstrafe in der Dauer von sechs Monaten (unbedingt) verurteilt.

Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX am XXXX zu XXXX wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a 2. Fall und Abs. 3 SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 53 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 494a Abs. 1 Z 4 StPO wurde die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Hingegen wurde vom Widerruf der bedingten Nachsicht des Urteils zu XXXX abgesehen.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF, zur Herkunft des BF und seiner Schulbildung und Berufserfahrung sowie dass der BF über Familie und Freunde in Afghanistan verfügt, wurden bereits vom BFA und vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz festgestellt. Es haben sich daran im zweiten Verfahren keine Zweifel ergeben, zumal der BF diese Angaben anlässlich seiner Befragungen im Folgeverfahren bestätigte.

II.2.3. Die Feststellungen zum ersten Verfahren auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.06.2018.

II.2.4. Die Feststellung zur neuerlichen Antragstellung sowie die vom BF vorgebrachten Gründe beruhen ebenso auf dem unzweifelhaften Akteninhalt. Der BF bestätigte anlässlich seiner Befragung am XXXX selbst, dass es sich dabei um dieselben Gründe wie bereits im ersten Verfahren handle (AS 297). Diesem Vorbringen steht jedoch die Rechtskraft des ersten Verfahrens entgegen (siehe dazu näher die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung).

II.2.5. Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren dazu getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, gründet darauf, dass sich das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.06.2018 auf das Länderinformationsmaterial vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018, stützt. Aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden aktuellen Herkunftsstaatsinformationen ergibt sich, dass sich die Lage, insbesondere in der Herkunftsprovinz des BF Kabul, nicht maßgeblich verändert hat. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom Juni 2018 handelt es sich bei Kabul um eine vergleichsweise sichere und über den dortigen Flughafen gut erreichbare Stadt auch wenn es dort zu Anschlägen kommt, da sich diese gegen besondere Einrichtungen richten, während Wohngebiete davon nicht in gleicher Weise betroffen sind (S. 84ff). Eine Rückführung in diese Region war daher mit keiner ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden. An diesen Feststellungen hat sich sowohl nach den dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden aktuellen Berichten als auch nach den Aussagen des BF seit Abschluss des Verfahrens nichts entscheidungsmaßgebliches geändert, wie sich auch aus den Länderfeststellungen des BFA im Bescheid zeigt.

II.2.6. Der BF ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er ist in der Lage für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, wie es ihm auch bereits vor seiner Ausreise sowohl im Iran als auch in Afghanistan möglich war. Dass sich Familienangehörige und Freunde des BF in Afghanistan befinden, gab dieser selbst vor dem BFA in seiner Einvernahme im April 2019 an (AS 295). Es kann daher, zumal sein Vorbringen, dass er von seiner Familie verfolgt werde bereits rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt wurde, auch davon ausgegangen werden, dass dem BF in Afghanistan im Rahmen seines Familienverbandes jedenfalls zu Beginn durch seine in Afghanistan lebende Familie eine finanzielle und/oder organisatorische Unterstützung gewährt wird. Daraus folgt, dass beim BF bei einer Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht die Gefahr besteht, dass er in eine auswegslose beziehungsweise existenzbedrohende Situation geraten würde. Außerdem kann der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in den genannten Städten das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende beziehungsweise wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderinformationen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte. Umso mehr gelten diese Überlegungen für Herat, wo von deutlich weniger Anschlägen berichtet wird und die über den Luftweg sicher erreichbar ist.

II.2.7. Die Feststellungen zur Lebenssituation des BF in Österreich, insbesondere, dass er sich seit Abschluss des ersten Verfahrens in Strafhaft befindet, beruhen auf dem Akteninhalt. Die Feststellungen zu seiner Betreuerin traf bereits das BFA. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen traf ebenfalls bereits das BFA und sie ergeben sich auch zweifelsfrei aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur Gesundheit des BF beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA (AS 271f).

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Nach § 12a Abs. 2 AsylG kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, wenn er einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat, wenn

"1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Ein Folgeantrag ist nach § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen."

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Der erste Antrag des BF wurde durch Zurverfügungstellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts im elektronischen Verfügungsbereich des Rechtsvertreters des BF rechtskräftig. Bei seinem nunmehrigen zweiten Antrag handelt es sich daher um einen Folgeantrag.

II.3.2.2. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG (aufrechte Rückkehrentscheidung)

Mit Bescheid des BFA vom XXXX , der insoweit durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vollinhaltlich bestätigt wurde, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen. Gegen den BF besteht damit eine aufrechte Rückkehrentscheidung, zumal 18 Monate nicht vergangen sind und der BF das Bundesgebiet nicht verlassen hat.

II.3.2.3. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG (res iudicata):

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

"Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Antrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Im gegenständlichen Verfahren hat der BF erklärt, dass er seine Gründe des ersten Verfahrens aufrecht erhält. Er behauptet damit das Fortbestehen des bereits im ersten Verfahren erstatten Vorbringens. Dieses wurde bereits im ersten Verfahren rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt. Diesem Vorbringen steht daher die Rechtkraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684). Die Antragstellung verfolgt somit in Wirklichkeit den Zweck, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundene (rechtskräftige) Vorentscheidung zu verhindern.

Der Folgeantrag des BF wird daher voraussichtlich zurückzuweisen sein, sodass auch § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG verwirklicht ist.

II.3.2.4. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG (Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK):

Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren bzw. im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan im Sinne dieser Bestimmungen spricht:

Bei der Beurteilung betreffend einen drohenden Verstoß gegen Art. 2 oder 3 EMRK ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0482).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Die Außerlandesschaffung in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

Es sind keine erheblichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie etwa eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des BF wurde kein entsprechendes Vorbringen hiezu getätigt. Seine Erkrankung hätte der BF ebenfalls im ersten Verfahren geltend machen müssen und es handelt sich dabei auch, wie auch bereits das BFA ausführte, nicht um eine derart schwerwiegende Erkrankung, die in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen würde. Es sind im Verfahren somit keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass dem BF bei einer Rückkehr ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder die Todesstrafe droht. Vielmehr handelt es sich beim BF um einen gesunden, arbeitsfähigen, jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Insbesondere in Bezug auf seine Herkunftsprovinz Kabul stellt sich auch die Sicherheitslage nicht derartig dar, dass dem BF bei einer Rückkehr dorthin eine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK droht, zumal dort auch nach wie vor Familienmitglieder des BF leben, die ihn unterstützen können.

Auch eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK liegt nicht vor beziehungsweise ist ein Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt:

Aus Art. 8 EMRK ist keine generelle Verpflichtung abzuleiten, dem Wunsch eines Fremden, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten, nachzukommen. Unter besonderen Umständen kann sich aus Art. 8 EMRK aber eine Verpflichtung des Staates ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in Art. 8 EMRK bildet (VfGH 11.06.2018, E 343/2018 ua.).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Aus folgenden Gründen handelt es sich nicht um einen unzulässigen Eingriff in das Familen- und Privatleben des BF:

Der BF befindet sich knappe dreieinhalb Jahre im Bundesgebiet. Bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2018 wurde der Eingriff in das Privatleben des BF als verhältnismäßig angesehen, zumal er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Verfahrens auf internationalen Schutz verfügte, überwiegend von der Grundversorgung lebte, nicht selbsterhaltungsfähig war und lediglich geringe Deutschkenntnisse aufwies. Daran hat sich seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens nichts geändert, zumal er sich seitdem durchgehend in Strafhaft befindet. Auch die freundschaftliche Beziehung zu einer Betreuerin ist nicht derart ausgeprägt, dass sie eine andere Beurteilung erfordern würde, zumal es ihm - wie bereits das BFA zutreffend festhielt - offensteht den Kontakt auch aus dem Ausland mittels Brief oder über elektronische Medien aufrecht zu erhalten.

Zudem wurde der BF, wie ebenfalls bereits das Bundesverwaltungsgericht im ersten Verfahren ausführte, mehrmals einschlägig im Bereich der Suchtmittelkriminalität verurteilt. Suchtgiftdelinquenz wird als besonders verpöntes Fehlverhalten beurteilt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0541; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249, 20.12.2012, 2011/23/0554, mwN). Das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität hat einen sehr großen Stellenwert (vgl. VwGH 24.02.2011, 2009/21/0387) und spricht daher ebenfalls gegen einen weiteren Verbleib des BF im Bundesgebiet.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK darstellt beziehungsweise ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt erscheint. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG sind daher gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG hat diese Entscheidung in Form eines Beschlusses und gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu ergehen.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, öffentliches Interesse,
strafrechtliche Verurteilung, Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2190976.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten