Entscheidungsdatum
11.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W260 2166665-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 21.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 28.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Bei der Erstbefragung am 29.06.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe Afghanistan aufgrund eines persönlichen Problems verlassen. Zu seinen allgemeinen Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er sei Analphabet und habe keine Ausbildung absolviert. Seine Eltern leben noch in Afghanistan. Der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz Uruzgan. Er habe sich vor ungefähr sechs Jahren für ca. drei bis vier Jahre im Iran aufgehalten. Vor rund eineinhalb Monaten habe er Kabul verlassen und sei mittels Schlepper nach Österreich gelangt.
3. Aufgrund von EURODAC-Treffern zu Norwegen und Dänemark wurden Konsultationen mit diesen Ländern geführt.
Einem Schreiben der dänischen Asylbehörden vom 17.07.2015 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Dänemark am 29.05.2009 einen Asylantrag gestellt hat, unmittelbar danach verschwunden ist und Dänemark vermutlich am 30.05.2009 wieder verlassen hat. Das Verfahren wurde am 25.08.2009 eingestellt.
Einem Schreiben der norwegischen Asylbehörden vom 28.07.2015 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Norwegen am 07.06.2009 einen Asylantrag gestellt hat. Der Asylantrag wurde in letzter Instanz am 16.09.2010 abgewiesen und der Beschwerdeführer am 13.10.2014 nach Afghanistan rücküberführt.
4. Laut Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 21.09.2015 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, da der Beschwerdeführer die Unterkunft der Betreuungseinrichtung ohne Angabe einer weiteren Unterkunft verlassen hat.
5. Der Beschwerdeführer wurde am 16.10.2015 von Norwegen nach Österreich überstellt.
6. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 17.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") im Beisein seines Vertreters sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer legte die Kopie seiner Tazkira sowie Integrationsunterlagen vor.
Es habe Magenprobleme und müsse Tabletten nehmen. Psychisch gehe es ihm auch nicht gut. Derzeit sei er deswegen aber nicht in Behandlung. Seine Eltern seien bereits verstorben. Er habe keine Geschwister und sei ledig. Der Beschwerdeführer habe sechs Jahre lang in Norwegen gelebt, sei dann nach Afghanistan zurückverbracht worden, habe sechs Monate in Kabul in einer Pension gewohnt und sei dann nach Österreich gereist. Er habe als Friseur und in Norwegen auch als Fliesenleger gearbeitet.
Der Beschwerdeführer gab an, dass er seit ungefähr neun bis zehn Jahren ohne religiöses Bekenntnis sei.
Zu seine Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater bei einer Gruppe namens "Sepah" gearbeitet habe und Feinde, die "Mujahedin" gehabt habe. Sie hätten den Vater und die Mutter des Beschwerdeführers getötet. Deshalb könne der Beschwerdeführer nicht in Afghanistan leben. Er sei damals im Alter von elf oder zwölf Jahren auch persönlich von den "Mujahedin" bedroht worden und sei dann in den Iran und weiter nach Norwegen geflüchtet. Außerdem werden in Afghanistan Menschen im Namen der Religion getötet. Eine Frau namens "Farkhander" sei getötet worden, weil sie einen Koran verbrannt habe. Für den Beschwerdeführer gäbe es keinen Gott und keinen Koran. Das sei alles Lüge. Er habe deshalb mit drei religiösen Leuten gestritten und sei mit einem Messer gestochen worden. Die Stichverletzung habe er bei seinem letzten Aufenthalt in Kabul davongetragen. Deshalb sei er geflüchtet. Außerdem werden Hazara in Afghanistan getötet.
7. Der Beschwerdeführer erstattete am 28.11.2016 namens seines bevollmächtigten Rechtsvertreters eine Stellungnahme.
8. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 21.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Der Beschwerdeführer sei trotz Nachfragen nicht dazu in der Lage gewesen, konkrete Tatumstände zu nennen, sondern habe sich auf die Schilderung von vagen Allgemeinplätzen beschränkt. Er habe seine Angaben auch durch keinerlei Beweise untermauern können. Ihm drohe auch auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische oder physische Gewalt. Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei zusammengefasst davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage gedrängt werde, die eine solche Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse; seine Grundversorgung sei gewährleistet.
9. Der Beschwerdeführer erstattete namens seines bevollmächtigten Vertreters fristgerecht Beschwerde und führte darin begründend zusammengefasst aus, dass er aus religiösen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe asylrelevant verfolgt werde. Er sei ohne Bekenntnis und daher sowohl verbal als auch tätlich angegriffen worden. Er habe begründete Angst, wegen seiner Ablehnung von jeglicher Religion in Afghanistan getötet zu werden. Mangels Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der heimatlichen Behörden habe er flüchten müssen. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes sei nicht nachvollziehbar, zumal nur selektiv Aussagen des Beschwerdeführers herangezogen worden seien. Die Befragung sei zudem äußert kurz gewesen. Der Beschwerdeführer zitierte Ausschnitte aus einer UNHCR Richtlinie. Bereits daraus gehe hervor, dass eine Verfolgungssituation glaubwürdig erscheine. Der Beschwerdeführer sei auch aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes in intensiver Gefahr, als "verwestlicht" angesehen zu werden. Hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz führte der Beschwerdeführer aus, dass er im Herkunftsstaat kein familiäres und soziales Netz aufweisen könne und die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan sehr instabil sei. Er zitierte diverse Berichte (z.B. EASO). Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich intensiv um eine Integration bemüht.
10. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 04.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 29.11.2017 anberaumt.
12. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 27.11.2017 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den Beschwerdeführer keine Verurteilungen aufscheinen.
13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines bevollmächtigten Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.
Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen, eine Kopie der Tazkira, einen Artikel über seine Heimatregion und eine Bestätigung des Magistrates der Stadt Wien von 24.11.2017 über den Religionsaustritt des Beschwerdeführers vor, die als Beilagen ./I bis ./IV zum Akt genommen wurden.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017, welche dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurde; Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachtens vom 5.3.2017; Auszug aus gutachterlicher Stellungnahme des Ländersachverständigen Dr. RASULY vom 17.02.2016 im zur Zl. W119 2012211-1 protokollierten Verfahren zur Frage der Situation der Hazara in Afghanistan; Auszug aus UNHCR-Richtlinen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender samt Begleitschreiben von 04.05.2016; Auszug aus UNHCR-Richtlinen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender samt Begleitschreiben von 19.04.2016, Konversion vom Islam; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, Afghanistan Christen, Konvertiten, etc.; ACCORD Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 [a-10159], Situation der Apostaten etc.
Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
14. Der Beschwerdeführer erstattete namens seines bevollmächtigten Vertreters am 19.12.2017 eine Stellungnahme, verwies auf die Asylrelevanz seines Vorbringens und zitierte disbezüglich UNHCR-Richtlinien zu "Potentiellen Risikoprofilen". Hinsichtlich den Länderfeststellungen zu Afghanistan verwies der Beschwerdeführer auf den UNHCR-Bericht vom Dezember 2016. Weiters wurde Stellung genommen zum Gutachten von Mag. Mahringer. Insgesamt lasse die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan eine Rückkehr nicht zu. Der Beschwerdeführer habe zudem kein adäquates Auffangnetz in Afghanistan. Er habe lange Zeit im westlichen Ausland verbracht und sei in Afghanistan entwurzelt.
Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme.
15. Einem Schreiben des AMS Wien Esteplatz vom 13.10.2017, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 09.02.2018, ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 eine befristete Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 08.01.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen, sowie etwaige Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.
17. Der Beschwerdeführer erstattete namens seines bevollmächtigten Vertreters am 05.02.2019 eine Stellungnahme und führte zusammengefasst aus, die aktuellen Berichte belegen deutlich die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage in Afghanistan sowie die mangelnde Effizienz der Zentralbehörden, jemanden wie den Beschwerdeführer zu beschützen. Die Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 zeigen, dass sich der Beschwerdeführer von der Masse der Bevölkerung abhebe und kein sicheres Leben in Afghanistan führen können. Kabul und Herat können als innerstaatliche Fluchtalternative nicht herangezogen werden, da sich die Situation dort verschlechtert habe. Mazar-e Sharif sei von der mangelden Nahrungsmittelversorgung ebenfalls schwer getroffen. Die Arbeitsmarktlage sei dort für insbesondere für Rückkehr sehr schlecht. Hinsichtlich der Situation von jungen Männern werde auch auf das Gutachten von Stahlmann vom 28.03.2018 verwiesen. Eine asylrelevante Verfolgung sei auch aus dem Grund der Blutrache und der "Verwestlichung" des Beschwerdeführers anzunehmen.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
18. Mit Schreiben vom 28.03.2019 übermittelte der bevollmächtigte Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ein Empfehlungsschreiben, Deutschkursbestätigungen sowie Bestätigungen über eine geringfügige Beschäftigung in den Monaten November 2017 bis Jänner 2018.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , in der Provinz Uruzgan. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Dari.
Der Beschwerdeführer wuchs in der Provinz Uruzgan auf. Er besuchte keine Schule und absolvierte keine Berufsausbildung.
Er hat keine Familienangehörigen im Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer ist Zivilist.
Nach einem Aufenthalt im Iran lebte der Beschwerdeführer ungefähr von Juni 2009 bis Oktober 2014 als Asylwerber in Norwegen. Der Asylantrag wurde abgelehnt und der Beschwerdeführer nach Afghanistan rücküberstellt, wo er sich rund sechs Monate in Kabul aufhielt.
Der Beschwerdeführer hat Berufserfahrung als Frisör in Norwegen und als Fliesenleger im Iran.
Der Beschwerdeführer reiste 2015 von Afghanistan aus und über den Iran, die Türkei, Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er illegal einreiste und am 28.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer stellte am 28.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, aufgrund der Ermordung seiner Eltern verfolgt zu werden, konnte nicht glaubhaft gemacht werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines behaupteten Abfalles vom muslimischen Glauben psychischer und oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre noch, dass dies einer der Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen ist. Personen, die sich - ohne Zuwendung zu einer anderen Religion - lediglich nicht für den Islam interessieren und etwa nicht in die Moschee gehen, sind keiner maßgeblichen Gefahr ausgesetzt. Der Beschwerdeführer geht aktiv keiner (neuen) religiösen Überzeugung nach.
Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund einer "Verwestlichung" in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan auch keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Uruzgan aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat in Afghanistan zwar keine Schulbildung oder Berufsausbildung absolviert, ist aber mobil und anpassungsfähig und hat bereits Berufserfahrung als Frisör und als Fliesenleger in Norwegen und im Iran gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.
Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Juni 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer Fußball. Der Beschwerdeführer war einige Monate lang bei der MA 48 geringfügig beschäftigt. Er hat ehrenamtlich als Friseur gearbeitet.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben losen Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.5.1. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.1.1. Herkunftsprovinz Uruzgan
Die Provinz ist auch unter den Namen Rozgan oder Uruzganis bekannt und liegt in Zentralafghanistan. Sie grenzt nördlich an die Provinz Daikundi, südlich an Zabul und Kandahar, südwestlich an Helmand und östlich an Ghazni. Die Provinz-Hauptstadt ist Tarinkot (Pajhwok o. D.a). Sie besteht aus folgenden Distrikten:
Shahid-e-Hassas/Charchino, Dehrawud, Tarinkot/Tirinkot, Chora/Chinarto, Khasuruzgan und Gizab. Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, fällt nun unter die Verwaltung von Uruzgan. Eine Abzweigung der Ring Road, die sogenannte Kandahar- Uruzgan-Autobahn, führt durch die Provinz. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
362.253 geschätzt. Uruzgan ist mehrheitlich von Paschtunen und ihren Teilstämmen Popalzi, Achakzai, Noorzai, Barakzai, Alkozai, Durrani bewohnt. Weitere in der Provinz lebende Ethnien sind Hazara und Kuchi (Pajhwok o.D.b).
Uruzgan war 2017 die Provinz mit der viert-höchsten Opium-Produktion Afghanistans. Die Regierung plant das Anlegen von Pistazien-Feldern in Kandahar, Uruzgan und Helmand, um den lokalen Bauern eine Alternative zur Opium-Produktion zu bieten. Die Provinz Uruzgan soll 140 Felder bekommen.
Der Provinz Uruzgan - lange Zeit eine der umstrittensten Provinzen im Süden des Landes - wird nachgesagt, der Geburtsort des Talibangründers Mullah Omar zu sein. Im Jahr 2001 war sie Ort einer Guerillaoperation - geführt vom ehemaligen Präsident Karzai - um die Taliban zu vertreiben. Die Provinz hat somit für beide Seiten des Konfliktes symbolischen Wert. Sowohl im Dezember 2017, als auch im Jänner und März 2018 zählte Uruzgan Berichten zufolge zu den volatilen Provinzen im Süden Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen sind in einer Anzahl von Distrikten aktiv. Auch zählt Uruzgan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 170 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Uruzgan 575 zivile Opfer (87 getötete Zivilisten und 488 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 26% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Uruzgan gehört zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge im Jahr 2017.
Die afghanischen Sicherheitskräfte sowie die afghanische Armee führen hartnäckig Anti- Terrorismus Operationen in der Provinz durch, um die Aktivitäten von Aufständischen und Terroristen zu verringern. Insbesondere in den unruhigen Distrikten der Provinz werden regierungsfeindliche bewaffnete Kräfte bekämpft.
Die Provinz Uruzgan zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte.
1.5.1.2 Provinz Balkh
Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
1.5.2. Sichere Einreise
Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.
1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).
1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif
Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.
1.5.4. Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.5.5. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
1.5.6. Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten und etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten.
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung.
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll lautislamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte.
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert.
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert; so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion. Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze.
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert. Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen.
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet.
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen.
1.5.7. Rückkehrer
In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
Afghanische Flüchtlinge im Iran
Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben.
Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps. Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anm.) Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen.
Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Namen, Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der mangelnden Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens und ist seine Identität für dieses Verfahren hinreichend geklärt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Dänemark und in Norwegen Asylanträge gestellt hat, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt (vgl. dort AS 75ff) befindlichen Schreiben der dänischen und norwegischen Asylbehörden.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösende Ereignisse im Wesentlichen vor, dass seine Eltern vor vielen Jahren von einer feindlichen Gruppierung getötet worden seien und der Beschwerdeführer Afghanistan deshalb verlassen habe müssen. Außerdem gehöre er keiner Religion an bzw. sei vom islamischen Glauben abgefallen und könne daher nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren. Weiters würde er aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara in Afghanistan umgebracht werden.
2.2.2. Die belangte Behörde kommt im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte und ist aus folgenden Gründen im Recht:
2.2.2.1. Zunächst ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, befragt zu seinen Fluchtgründen, angegeben hat, er habe Afghanistan aufgrund eines persönlichen Problems verlassen (vgl. AS 19). Von den in weiterer Folge geschilderten Fluchtgründen (Ermordung der Eltern, Religionsaustritt, Volksgruppenzugehörigkeit) war in der Erstbefragung keine Rede.
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung "insbesondere
der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden ... und
hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen" (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12). Diese Regelung bezweckt den Schutz der Asylwerber davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind, weshalb an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (vgl. auch VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189 mwN). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Es ist dem Beschwerdeführer aber sehr wohl vorzuwerfen, dass er seine angeblichen Fluchtgründe nicht zumindest erwähnt hat. Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird daher bereits durch diesen Umstand massiv geschmälert.
Noch dazu ist besonders hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vorgebracht hat, dass er - entgegen seinem späteren Vorbringen - schiitischer Moslem sei (vgl. AS 9).
Bei der hier im Blickfeld der Beweiswürdigung stehenden Aussage zum eigenen Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers handelte es sich aber nicht um die Darstellung des - bei der Erstbefragung nicht im Vordergrund stehenden und im Detail auszubreitenden - Fluchtgrundes, sondern die Religionszugehörigkeit gehört, neben Geburtsdatum, Geburtsort, Beruf und Ausbildung, zu den Merkmalen der Identität, die bei der Erstbefragung gerade im Zentrum stehen, ermittelt und festgehalten werden sollen.
Da der "Religionsaustritt" in weiterer Folge zudem als einer der Gründe für eine drohende Verfolgung in Afghanistan vorgebracht wurde und der Beschwerdeführer in der Einvernahme bei der belangten Behörde am 29.06.2015 angab, bereits seit neun bis zehn Jahren ohne Religionsbekenntnis zu sein (vgl. AS 183), ist es völlig unverständlich, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung eine Zugehörigkeit zum Islam bejaht hat. Bereits diese Widersprüche und Unstimmigkeiten lassen nur den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer - wie in weiterer Folge noch näher ausgeführt - keine asylrelevante Verfolgung aufgrund religiöser Gründe in Afghanistan zu befürchten hat.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung unter Punkt 5. ("Angaben über Familienangehörige im Herkunftsland oder anderen Drittstaaten") seinen Vater und seine Mutter erwähnt hat (vgl. AS 13), obwohl er in weiterer Folge erzählte, dass seine Eltern bereits vor vielen Jahren getötet worden seien und dieser Vorfall ein Grund für seine Ausreise aus Afghanistan gewesen sei.
Auch dieser Umstand trägt zusammenfassend ausgeführt nicht zur Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers als Person bei.
2.2.2.2. Zum vorgebrachten Fluchtgrund, dass die Eltern des Beschwerdeführers ermordet worden seien, ist zunächst einmal zu sagen, dass der Beschwerdeführer dies erstmals in der Einvernahme bei der belangten Behörde vorgebracht hat. Er gab an, dass sein Vater einer Gruppe namens "Sepah" angehört habe und es Differenzen mit den feindlichen "Mujahedin" gegeben habe. Der Vater und die Mutter seien von diesen getötet worden (vgl. AS 179f). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigte er - im Rahmen der Befragung zu seiner Identität, Herkunft und den persönlichen Lebensumständen - diese Angaben und erklärte ergänzend, dass sein Vater und sein Onkel Mitglieder von "Sepah" gewesen seien. Es sei zu einer militärischen Auseinandersetzung gekommen und sein Vater sei im Kampf getötet worden. Seine Mutter sei in derselben Nacht zu Hause getötet worden. Der Onkel habe den Beschwerdeführer zuvor abgeholt und in den Iran gebracht. Der Beschwerdeführer habe erst im Iran vom Tod der Eltern erfahren. Unterlagen, die den Mord an seinen Eltern belegen, könne er nicht vorlegen (vgl. S 12f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017). Der Beschwerdeführer legte lediglich einen Artikel vor, der bestätigen soll, dass sein Onkel väterlicherseits damals ein Kommandant gewesen sei und sein Vater ebenfalls für diese Gruppe gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Richter aufgefordert zu schildern, was diesem Artikel zu entnehmen sei. Der Beschwerdeführer erklärte, dass die Schrift auf dem Dokument, bis auf die Überschrift, unleserlich sei: "Parteien Afghanistans". Die Parteien seien Mehrzahl. Für ihn sei noch leserlich, dass die Schrift über dem ersten Foto in der Mitte "Iwaz Ali Etemadi" sei. Das sei der Name des Mannes auf dem Foto in der Mitte. Der Dolmetscher ergänzte die Aussage, wonach auf einer kleinen Überschrift im Kopf des Dokumentes "Gründung Wahadat" stehe. Dabei könnte es sich laut Dolmetscher um eine Partei handeln. Der Beschwerdeführer gab in diesem Zusammenhang wenig nachvollziehbar an, dass ihm das Originaldokument auf dem Seeweg in Eile mit seinem Pass ins Wasser gefallen sei. Er habe ein Foto von diesem Dokument in seinem Handy gehabt und das Foto hier entwickeln lassen (vgl. S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.11.2017).
Zu der vom Dolmetscher genannten "Wahadat" Partei sagte der Beschwerdeführer, der Artikel handle von dieser Partei. Manche Mitglieder der Partei seien auf dem Foto abgebildet. Wie der Dolmetscher laut gelesen habe, von der Person namens Rahimi, stehe auch ein Foto darauf. Darunter auch das Foto seines Onkels väterlicherseits namens Haji Samad. Der Beschw