TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/11 W142 2129070-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W142 2129070-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2016, Zl.: 1081315605-151023966, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.03.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 04.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung gab der BF an, er sei am XXXX in Maidan Wardak geboren und ledig. Seine Muttersprache sei Dari. Er sei Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe keine Schulausbildung, könne aber lesen und schreiben. Zuletzt sei er ohne Beruf und ohne Beschäftigung gewesen. Seine Eltern seien vor 10 Jahren verstorben. Ein Bruder würde in Afghanistan beim einem Onkel leben und würde von diesem versorgt werden. Er sei in Afghanistan Bettler gewesen. Die finanzielle Situation sei schlecht gewesen. Die Kosten für die Schleppung hätten ca. 6.500 USD aufgemacht.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass seine Eltern vor 10 Jahren von den Taliban getötet worden seien. Er sei zu seinem Onkel gekommen, der sie dann versorgt habe. Der Onkel sei drogenabhängig gewesen und habe ihn und seinen Bruder immer wieder geschlagen. Dadurch seien sein Bruder und er gezwungen gewesen sich selbst zu versorgen. Sie seien dann ständig in Behsud als Bettler unterwegs gewesen. Im März 2014 habe er seinen Onkel bei der Polizei angezeigt. Dieser sei für acht Monate eingesperrt worden. Bevor sein Onkel entlassen worden sei, habe er von seiner Tante erfahren, dass der Onkel ihn töten wolle. Deshalb sei er von Afghanistan geflüchtet. Bei einer Rückkehr würde ihn der Onkel sicher töten.

3. Am 17.09.2015 langte beim BFA ein Abschlussbericht einer Landespolizeidirektion ein, wonach der BF verdächtigt sei, gemeinsam mit anderen Personen einen Raub begangen zu haben.

4. Am 30.05.2016 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich in der Sprache Dari einvernommen. Der BF gab an, sich psychisch und physisch in der Lage zu sein, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er habe bis dato die Wahrheit gesagt. Es sei bei der Erstbefragung alles richtig, aber es sei ihm gesagt worden, dass er sich kurzhalten solle. Er habe nicht die Möglichkeit gehabt alles ausführlich zu schildern.

Zu seinem Leben in Afghanistan führte er ergänzend aus, zu Hause keine Angehörigen zu haben. Er habe nur einen Bruder, er wisse aber nicht, wo er sei. Er habe zweimal Kontakt zum Mann seiner Tante gehabt. Seit sechs Monaten habe er keinen Kontakt mehr, da sein Handy kaputt sei (Wasserschaden) und er die Nummern nicht mehr habe. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Er habe in Afghanistan gebettelt. Er sei schiitischer Moslem und Hazara.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF wie folgt an:

[..]

Wir hatten Probleme. Meine Eltern wurden vor ca. 10 Jahren getötet. Sie waren auf dem Weg von Kabul nach Behsud unterwegs und wurden von einer Mine getötet. Danach mussten wir bei unserem Onkel leben, der uns sehr schlecht behandelt hat. Er war selbst auch ein schlechter Mensch. Er hat uns gezwungen zu betteln und hat uns Drogen gegeben und hat uns in diese Sachen verwickelt. Dann bin ich vor drei Jahren nach Kabul gekommen um endlich ein bisschen Ruhe zu finden. Dort habe ich auch Probleme gehabt, weil ich Hazara und Schiite bin. Ich habe mich nur in Dashte Barchi aufhalten dürfen. Ich hätte auch in keine andere Provinz ziehen können, weil es überall Diskriminierungen gegen unsere Minderheit gibt. Als ich dort war, hat mich mein Onkel gefunden und mich gezwungen wieder mit ihm zu gehen. Als Strafe wurde mir mit einer Art Messer der Daumen abgeschnitten, damit ich es nicht noch einmal wage zu fliehen. Es waren danach wieder dieselben Probleme. Er hat mich zu den gleichen Sachen gezwungen. Die nächste Polizeistation ist zwölf Tage Fußmarsch entfernt. Da bin ich hin und habe eine Beschwerde eingereicht. Diese Anzeige habe ich auf der Flucht verloren. Mein Onkel war dann ca. für acht Monate im Gefängnis. Als er wieder rausgekommen ist, hat er zu dem Mann meiner Tante, den ich vorher schon erwähnte, gesagt, dass er mich umbringen werde. Aufgrund dessen hat mir dieser Mann dann zur Flucht verholfen. Dieser Mann hat zu mir gesagt, dass ich am besten das Land verlassen soll und in den Iran gehen soll. In Kabul würde ich wieder gefunden werden. Im Iran konnte ich auch nicht bleiben. Wenn die Flüchtlinge dort erwischt werden, werden sie abgeschoben. Da ich keine Möglichkeit mehr hatte bin ich nach Österreich geflüchtet. Ich hatte diese zwei großen Probleme, meine Religion und dass ich zu den Hazara gehöre. Deswegen kann ich dort nicht leben. Und das größte Problem ist mein Onkel. Bei er ersten Einvernahme habe ich das alles gar nicht sagen können.

Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?

Nein, aber es kommen immer Leute, sie heißen Kuchi, nach Behsud und plündern alles.

Wieso sind Sie nicht innerstaatlich geflüchtet?

Weil ich Hazara und Schiite bin. Beides sind Minderheiten die in Afghanistan verfolgt werden.

Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

Wenn ich zurückkehre werde ich getötet werden. Ich werde aufgrund meiner Religion verfolgt und weil ich Hazara bin. Ich werde auch von meinem Onkel verfolgt. Und auch von den Kuchi-Leuten.

Vorhalt: Den Länderinformationen zu Afghanistan ist zu entnehmen, dass Hazara entgegen Ihrer eigenen Wahrnehmung keiner gezielten Diskriminierung aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind. Was sagen Sie dazu?

Was ist mit denen die jeden Tag geköpft werden, weil sie Hazara und Schiiten sind.

Die meisten, die getötet werden sind Hazara

Des Weiteren ist zu entnehmen, dass Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten im Alltagsleben in Afghanistan selten sind.

Was geben Sie dazu an?

Die Hazara können ohne große Gefahr auf sich zu nehmen nicht von einer Provinz in die andere reisen. Wie können Sie dann so etwas sagen. Es kommt fast täglich vor, dass Hazara auf der Reise von einer Provinz in die andere getötet werden.

Wann sind Sie in den Iran geflüchtet und wie lange waren Sie dort?

Ich war ungefähr 10-15 Tage im Iran. Ich bin nicht lange dort geblieben. Es war vor ungefähr einem Jahr.

Wie hat Ihre weitere Fluchtroute ausgesehen?

Aus dem Iran bin ich weiter in die Türkei und danach nach Griechenland. Und dann bin ich über Mazedonien und Ungarn nach Österreich gekommen.

Mit mir werden nun die Feststellungen zur Situation in meinem Herkunftsland erörtert. Ich gebe dazu an:

Ich möchte nur zu diesem einen Punkt, den Sie angeschnitten haben, dass die Hazara entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung nicht diskriminiert werden, sagen, dass es nicht stimmt. Sie werden diskriminiert und sehr schlecht behandelt.

Sie haben bei der Erstbefragung angegeben, dass Ihr Bruder noch bei Ihrem Onkel ist. Woher wollen Sie wissen, dass er jetzt nicht mehr beim ihm ist.

Ich habe gesagt, dass ich zweimal Kontakt zum Mann meiner Tante hatte. Er hat mir gesagt, dass er auch meinen Bruder in den Iran geschickt hat. Ich weiß nicht wo er sich aufhält.

Wer hat Ihnen die Verletzung an Ihrem Daumen zugefügt?

Mein Onkel.

Anm. Der AW hat einen verkürzten linken Daumen.

Wollen Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen?

Wie ich vorhin schon gesagt habe. Es sind dieselben Gründe. Weil ich Hazara und Schiite bin, wegen meinem Onkel und aufgrund der Kuchi.

Sie haben schon einmal den Schutz der Behörden vor Ihrem Onkel in Ihrem Land erhalten. Wieso sollte das in Zukunft nicht möglich sein?

Er wurde ja wieder freigelassen. Er hat ja vorgenommen mich umzubringen. Es war auch keine leichte Sache zur Polizei zu gehen. Die Möglichkeiten sind sehr eingeschränkt.

Vorhalt. Aber Ihr Onkel wurde aufgrund Ihrer Anzeige bei der Polizei doch bestraft. Also können Sie sich weiter des Schutzes Ihres Landes bedienen.

Er wäre wieder freigelassen werden. Man kann nicht sein ganzes Leben von einem Ort zum anderen ziehen. Mein anderer Onkel hat zu mir gesagt ich soll das Land verlassen, damit ich ein ruhiges Leben führen kann.

[..]

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, hier keine Verwandten zu haben. Er sei kein Vereinsmitglied, aber habe sich beim Roten Kreuz angemeldet. Er dürfe am 06.06. dort anfangen (vier Mal/Woche). Er habe in Österreich nicht wirklich Probleme mit der Polizei gehabt, es habe geheißen, dass er in einen Streit verwickelt gewesen sei. Sein Betreuer habe angerufen und gesagt, dass es ein Missverständnis sei.

Nach der Rückübersetzung gab der BF an, dass der Onkel noch nicht aus dem Gefängnis draußen gewesen sei, als er gesagt habe, dass er ihn umbringen werde. Seine Tante habe ihn besucht und es ihrem Mann erzählt. Wäre der Onkel frei gewesen, dann hätte er ihn nicht bedroht, sondern direkt getötet. Er habe Afghanistan verlassen während sein Onkel im Gefängnis gewesen sei.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Bestätigung einer Deutschlehrerin über die Teilnahme an einem Deutschkurs A1.

-

Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs in einer Pfarre.

-

Bestätigung, wonach der BF Mitglied in einem Fußballteam sei, in welchem Asylsuchende mit einheimischen Jugendlichen trainieren würden und einmal im Jahr ein Wettkampf ausgetragen werde.

-

Bericht eines Flüchtlingsbetreuers (Jugend am Werk).

-

Teilnahmebestätigungen für einen A1 und A2 Deutschkurs.

-

Bestätigung über die Teilnahme an der Neigungsgruppe "Boxen" und "Fußball" bei Jugend am Werk.

-

Programmübersicht betreffend einen Erste-Hilfe-Kurs beim Roten Kreuz.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 09.06.2016 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, sich zum schiitisch-muslimischen Glauben bekenne und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Seine Identität habe nicht festgestellt werden können. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er in Afghanistan Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung drohe.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass seine Angaben, wonach seine Eltern vor etwa 10 Jahren von einer Mine getötet worden seien grundsätzlich glaubwürdig seien. Es sei auch nachvollziehbar, dass er danach bei seinem Onkel gelebt habe. Die Verfolgung und Bedrohung durch den Onkel sei allerdings gänzlich unglaubwürdig. Seine Schilderung, wonach der Onkel den BF in Kabul (einer Millionenstadt) wiedergefunden hätte, sei nicht glaubhaft. Auch die Angaben, wonach die nächste Polizeistation einen zwölf Tage Fußmarsch von seinem Wohnort entfernt sei, sei nicht glaubwürdig. Auch habe er keine Anzeigebestätigung vorlegen können. Da der BF angegeben habe, dass der Onkel acht Monate lang im Gefängnis gewesen sei zeige einen dementsprechenden Schutz seitens des Herkunftsstaates. Auch habe der BF in der Erstbefragung angegeben, dass er bereits während des Aufenthaltes des Onkels im Gefängnis das Land verlassen hätte, da er von der Tante erfahren habe, dass er ihn umbringen wolle; während er bei der niederschriftlichen Einvernahme wiederum gesagt habe, der Onkel habe erst nach der Entlassung aus dem Gefängnis die Bedrohung ausgesprochen. Dieses Mal habe der Onkel es aber nicht zur Tante, sondern zu deren Mann gesagt. Nach der Rückübersetzung habe der BF zwar seine Aussage korrigiert, die Behörde gehe aber dennoch von einer unwahren Angabe aus. Die geschilderte Verletzung am linken Daumen könne von einer Vielzahl anderer Gründe stammen. Seine Probleme aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit habe er sehr vage geschildert und habe er keine einzige konkrete und detaillierte Bedrohungssituation angegeben. Er habe immer nur von der allgemeinen Situation der Hazara und Schiiten gesprochen. Auch hinsichtlich der Kutschi habe er keine einzigen auf ihn selbst bezogenen Verfolgungshandlungen angegeben.

Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF gesund und arbeitsfähig sei. Er könne nach Kabul zurückkehren und würde dazu in der Lage sein, sich mit einer Tätigkeit ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Auch könne er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal eingereist sei und keine Familienangehörigen in Österreich habe. Er habe Deutschkurse besucht. Eine besondere Integration bestehe nicht. Er sei nicht selbsterhaltungsfähig.

6. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde. Es wurde ausgeführt, dass die Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Auch die Länderfeststellungen seien mangelhaft und teilweise veraltet. Das BFA hätte dem BF ergänzende Fragen zu seinem Onkel stellen müssen, dann hätte er ausführen können, wie es dem Onkel möglich gewesen sei den BF nach der ersten Flucht aus dem Heimatort erneut in Kabul ausfindig zu machen. Zudem wurde auf die UNHCR-Richtlinien hingewiesen und auf diverse Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan bzw. Kabul (aus den Jahren 2014, 2015 und 2016) verwiesen. Weiters wurde auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung von Februar 2016 zur Situation der Hazara sowie auf weitere Berichte betreffend die Volksgruppe der Hazara aus dem Jahr 2015 hingewiesen. Auch zum Hazara-Kutschi Konflikt wurde auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung von Oktober 2015 verwiesen. Des Weiteren sei auch die Beweiswürdigung der Behörde mangelhaft und würden nachvollziehbare beweiswürdigende Überlegungen fehlen. Auch sei die belangte Behörde in keiner Weise auf die damalige Minderjährigkeit des BF eingegangen. Der BF habe nach dem Tod der Eltern beim Onkel leben müssen, welcher ihm Drogen verabreicht habe. Der BF sei dem Onkel vor ca. drei Jahren entkommen und habe sich in Dashte Barchi (einem Viertel, in dem vorwiegend Hazara leben würden) in Kabul versteckt. Aufgrund dieser eingeschränkten örtlichen Möglichkeit für einen Hazara-Jungen in Kabul Unterschlupf zu finden, sei es dem Onkel gelungen, den BF wieder aufzuspüren. Der Onkel habe den BF in sein Heimatdorf zurückgebracht und ihm zur Strafe einen Teil des Daumens abgeschnitten. Darauf sei der BF in eine Polizeistation geflüchtet und habe den Onkel angezeigt. Als der Onkel von der Tante des BF in der Haft besucht worden sei, habe er dieser gesagt, dass er den BF töten werde. Die Tante habe dies ihrem Ehemann erzählt, welcher wiederum den BF verständigt habe und ihm von der gefährlichen Drohung erzählt habe. Der Mann der Tante habe dem BF geraten das Land zu verlassen. Der BF sei zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch Minderjährig gewesen und hätte diese diesen Umstand berücksichtigen müssen. Der BF habe den vermeintlichen Widerspruch zwischen Erstbefragung und niederschriftlicher Einvernahme nach der Rückübersetzung korrigiert. Die Heranziehung dieses Mangels als Grund für seine Unglaubwürdigkeit sei daher keinesfalls objektiv nachvollziehbar. Es handle sich um ein Missverständnis bzw. einen Übersetzungsfehler. Die Erstbefragung sei eine verkürzte Darstellung und handle es sich um eine Detailangabe, welche nicht den Kern des Fluchtvorbringens betreffe und somit nicht geeignet sei die Unglaubwürdigkeit des BF zu begründen. Für den BF bestehe auch keine IFA und könne ihm eine Rückkehr mangels gesicherter familiärer Verhältnisse nicht zugemutet werden. Der BF verfüge über keine Ausbildung und könne nicht davon ausgegangen werden, dass er in Kabul eine Arbeit finden werde. Er habe auch keine Wohnmöglichkeit in der Heimat. Der BF fürchte Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie (Verfolgung durch Onkel), seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seines Religionsbekenntnisses (Verfolgung durch Taliban, Kutschi). Es sei im Asyl, allenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Auch sei der BF hinsichtlich einer Integration in Österreich sehr bemüht und wäre die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären gewesen.

7. In weiterer Folge langte ein Abschlussbericht einer Landespolizeidirektion ein, wonach der BF verdächtigt sei Suchtmittel gewinnbringend verkauft zu haben (§ 27 Abs. 2a SMG). Zudem langte eine Meldung der Landespolizeidirektion (Aussage über Falschangaben im Asylverfahren) ein, wonach der BF angegeben habe - nicht wie im Asylverfahren angegeben - am XXXX geboren zu sein, sondern er mittlerweile bereits 27 Jahre alt sei. Er habe das falsche Geburtsdatum angegeben, da ihm mitgeteilt worden sei, dass er so leichter den Asylstatus bekomme (AS 447). Weiters wurde eine Beschuldigteneinvernahme des BF vorgelegt (AS 451ff).

8. Am 22.07.2017 wurden für den BF folgende Integrationsunterlagen in Vorlage gebracht:

-

Bestätigung, wonach der BF das Seminar "Deutsch lernen für AsylwerberInnen - A1.1" absolviert habe.

-

Bestätigung, wonach der BF einen Deutschkurs A1.1 besucht habe.

9. Weiters langte ein Urteil des XXXX ein, wonach der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde.

Mit einem weiteren Urteil des XXXX wurde der BF wegen der Vergehen der falschen Zeugenaussage nach § 288 Abs. 1 und Abs. 4 StGB sowie der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Nach Einbringung eines Rechtsmittels gegen dieses Urteil wurde die Zusatzfreiheitsstrafe mit Urteil XXXX auf fünf Monate herabgesetzt.

10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2018 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

11. Mit Beschluss XXXX wurde gegen den BF wegen des Verdachtes des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG die Untersuchungshaft verhängt.

12. Nach einem Antrag auf Fortsetzung des Asylverfahrens wurde dieses mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichtes am 12.09.2018 wieder fortgesetzt.

13. Am 04.03.2019 langte die Information einer Justizanstalt ein, wonach der BF in Strafhaft übernommen worden sei.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.03.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde aus der Strafhaft vorgeführt.

Der BF gab an, dass gesund sei, keine Medikamente einnehmen und nicht in ärztlicher Behandlung stehe.

Zudem gab der BF wie folgt an (Schreibfehler korrigiert):

"[...]

R: Wann haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: 2015.

R: Wissen Sie ein genaues Datum?

BF: April, den genauen Tag weiß ich nicht mehr.

R: Wo in Afghanistan haben Sie ständig gelebt?

BF: In Besud.

R: Adresse?

BF: XXXX .

R: In welcher Provinz ist das?

BF: Maidan Wardak im Distrikt Baisud.

R: Haben Sie noch Verwandte in Ihrem Heimatland?

BF: Nein. Ich habe einen Bruder, aber seit drei Jahren weiß ich nicht, wo er ist.

R: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF: Dari und etwas Deutsch.

R: Haben Sie eine Schule besucht?

BF: Ich war in der Moschee und habe den Koran gelesen, daher kann ich schreiben und lesen. Auch Deutsch kann ich lesen und sprechen.

R: Haben Sie Geschwister?

BF: Ich habe nur einen Bruder.

R: Wie sind Sie nach Österreich gelangt?

BF: Ich bin von Afghanistan in den Iran, von dort nach der Türkei, nach Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn und dann bin ich nach Österreich gekommen.

R: Wie lange hat Ihre Reise gedauert?

BF: Drei Monate.

R: Warum haben Sie Ihr Land verlassen?

BF: Ich hatte mit meinem Onkel Probleme. Jedes Jahr wurden viele Menschen getötet. Es gibt in Afghanistan 43 Staaten und ich kann in keinen anderen Staat gehen.

R: Wieso können Sie in keinen anderen Staat gehen?

BF: Ich bin Hazara und Schiit. In meine Stadt kommen jedes Jahr Kutschis. Diese töten immer Leute.

R: Was war der ausschlaggebende Grund Afghanistan zu verlassen?

BF: Ich hatte Probleme mit meinem Onkel väterlicherseits. Der zweite Grund ist, dass jedes Jahr die Kutschis in unser Dorf einmaschiert sind. In dem Dorf, in dem ich gelebt habe, waren nur Hazaras, sind jedes Jahr gekommen, haben unser Gut mitgenommen und Hazaras getötet.

R: Welche Probleme hatten Sie mit Ihrem Onkel?

BF: Ich habe vor 10 oder 15 Jahren meine Eltern verloren. Mein Onkel hat uns ungerecht und schlecht behandelt. Wegen dieser Probleme wollte ich auch woanders leben, in einer anderen Stadt. Aber da ich Hazara und Schiit bin, kann ich sonst nirgends in Afghanistan leben.

R: Haben Sie versucht in einer anderen Stadt zu leben?

BF: Ja, schon.

R: Wo haben Sie das versucht?

BF: In der Hauptstadt, aber nicht lange.

R: Wie lange waren Sie in Kabul?

BF: Genau weiß ich es nicht, vielleicht eineinhalb Monate.

R: Wo in Kabul haben Sie gelebt?

BF: In Dashte Bartschin. Dort leben hauptsächlich nur Hazaras. Es gibt auch immer Probleme, die Moscheen werden in die Luft gejagt und Selbstmordattentate verübt. Es werden Bombenangriffe durchgeführt und deshalb konnte ich dort nicht bleiben. Es werden nicht nur die Moscheen bombardiert, sondern auch die Straßen.

R: Was haben Sie gearbeitet in Afghanistan?

BF: Ich habe nicht gearbeitet.

[...]

R: Sie haben also Kabul auf Grund der schlechten Sicherheitssituation verlassen?

BF: Ja. Kabul ist heute auch nicht sicher. Jeden Monat sterben 100 Menschen auf den Straßen in Kabul. Viele Leute die in Kabul leben, haben Bodyguards, aber ich habe kein Geld für Bodyguards, deshalb kann ich dort nicht sicher leben.

R: Haben Sie Verwandte hier in Österreich?

BF: Nein.

R: Haben Sie Verwandte in Europa?

BF: Nein.

R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich wäre sofort tot.

R: Wer würde Sie töten?

BF: Die Taliban und die Kutschis.

R: Wieso würden die Taliban Sie töten?

BF: Die Taliban haben schon 90 Prozent Hazaras getötet. Wenn die Taliban Menschen aufgreifen, werden die Hazaras darunter getötet.

R: Sind Sie persönlich von Angehörigen der Taliban bedroht worden?

BF: Nein, ich persönlich nicht. Wenn ich in Afghanistan leben würde, würde ich allein wegen der Tatsache, dass ich Hazara bin, getötet werden.

R: Sind Sie persönlich von den Kutschis bedroht worden?

BF: Nein, persönlich bin ich nicht bedroht worden. Aber in meinem Wohnort habe ich gesehen wie die Kutschis mit anderen gekämpft haben und ich bin dann weggelaufen.

R: Wie sind Ihre Eltern umgekommen?

BF: Vor ca. 13 Jahren sind meine Eltern wieder aus Kabul nach Maidan Wardak zurückgekehrt. Die Taliban haben dort Minen und Bomben am Weg deponiert gehabt und meine Eltern sind auf einer Brücke durch einen Angriff der Taliban ums Leben gekommen.

R: Könnten Sie beispielsweise in Herat oder Mazar-e-Sharif leben?

BF: Nein.

R: Wieso nicht?

BF: Es sind andere Menschen, die dort leben. Ich bin Hazara. In den anderen Provinzen in Afghanistan werden die Hazaras getötet. Wenn ich von einer Provinz in die andere gehen würde, würde ich zu 90 Prozent getötet werden und würde die andere Provinz gar nicht erreichen.

R: Sie haben von Kabul aus Afghanistan in Richtung Europa verlassen?

BF: Ja.

R: In welchem Monat waren Sie in Kabul?

BF: Ich glaube es war im Februar 2015.

R: Können Sie sich an das Datum erinnern?

BF: Nein, an das Datum kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war aber drei Monate unterwegs und bin im Juli hierhergekommen.

R: Wenn es in Afghanistan ruhig wäre, welche Tätigkeit könnten Sie dort ausüben, was könnten Sie arbeiten?

BF: Ich hätte die Schule fertiggemacht und mir eine Zukunft aufgebaut. Ich wäre vielleicht Arzt oder Ingenieur.

R: Was könnte man in Afghanistan arbeiten, ohne Schulausbildung. Was könnten Sie arbeiten?

BF: Ich kann als Fliesenleger oder als Tischler arbeiten. Ich habe innerhalb von drei Jahren Deutsch gelernt und bin sehr lernfähig, ich kann also innerhalb kürzester Zeit vieles lernen.

R: Wie viele Onkeln und Tanten haben Sie in Afghanistan?

BF: Ich habe eine Tante und einen Onkel väterlicherseits. Meine Mutter hatte keine Geschwister. Vielleicht sind meine Tante und mein Onkel schon verstorben, ich habe seit vier Jahren keinen Kontakt zu ihnen. Es könnte sein, dass die Kutschis ihn schon getötet haben, weil diese immer wieder in unser Dorf kommen. Das ist der Onkel mit dem ich meine Probleme hatte. Genau weiß ich es nicht, ich glaube es nur.

R an RV: Haben Sie eine Frage?

RV: Wieso könnten Sie nicht in einem anderen Viertel von Kabul leben als in dem, das Sie schon angeführt haben?

BF: Ich kann deswegen nur in Dashte Bartschin leben, weil nur dort Hazaras leben und ich kann nur mit diesen zusammenleben. Aber auch dort, wo nur die Hazaras leben, gibt es täglich Bombardierungen.

R: Wie groß ist Dashte Bartschin, wie viele Hazaras leben dort, was glauben Sie?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Sind es Tausende, Zehntausende?

BF: Ich war nicht lange dort und habe auch niemanden gefragt wie viele Leute dort leben. Ich kann Ihnen das nicht sagen.

RV: Vor dem BFA haben Sie angegeben, dass Ihr Onkel Sie in Kabul gefunden hat und Sie gezwungen hat, mit ihm mitzugehen.

BF: Das war schon im Jahr 2012 oder 2013, Jahre bevor ich nach Österreich gegangen bin.

R: Das heißt, Sie waren öfters in Kabul aufhältig?

BF: Nein, nur einmal. Das erste Mal als ich hingefahren bin, ist mir mein Onkel gleich nachgekommen und hat mich wieder mitgenommen.

R: Wie alt waren Sie da?

BF: Ich war jung, vielleicht 9 oder 10 oder 11.

RV: Was hätten Sie von Ihrem Onkel konkret zu befürchten, wenn Ihr Onkel bei einer evtl. Rückkehr von Ihnen noch leben würde?

BF: Ich habe mehr Angst vor den Kutschis und den Taliban.

RV: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor und welchen Beruf würden Sie gerne hier ausüben?

BF: Ich möchte hier arbeiten. Meine Schulausbildung kann ich hier nicht mehr abschließen. Ich kann nicht mehr zur Schule gehen. Ich habe die deutsche Sprache schon gut gelernt und deswegen könnte ich gleich zum Arbeiten beginnen.

R: Was könnten Sie arbeiten?

BF: Geben Sie mir einen positiven Bescheid und ich könnte auf einer Baustelle, in einer Schlosserei oder Tischlerei arbeiten. Ich bin noch jung und kann mir ein Leben hier aufbauen.

[...]

R: Haben Sie sich über die aktuelle Situation in Ihrem Heimatland informiert?

BF: Ja.

R: Wollen Sie etwas zur Sicherheitslage in Ihrer Provinz sagen?

BF: Ich kann nur sagen, dass meine Provinz unsicher ist. In manchen Provinzen sind die Taliban stärker als die Regierung.

[...]"

Im Zuge der Verhandlung legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Teilnahmebestätigung, wonach der BF gemeinnützige Arbeit in Form einer Straßenreinigung verrichtet habe (04.08.2016 bis 04.05.2018).

-

Teilnahmebestätigungen betreffend Deutschkurse (A1 und A2).

Zudem legte der BF in der Verhandlung eine Stellungnahme vor. Es wurde darin auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 verwiesen und ausgeführt, dass Afghanistan (vor allem Herat und Mazar-e Sharif) von einer Dürre betroffen sei. Laut der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur "Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre" vom 13.09.2018 gebe es in der Provinz Herat Probleme mit der Wasserversorgung und komme es durch die Dürre zu einer weiteren Verschlechterung der Versorgungslage. Laut der Anfragebeantwortung vom 12.10.2018 würden tausende Familien ihre Häuser verlassen müssen und seien in die Stadt Herat geflüchtet. Es würde begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten und unzureichende Unterbringung geben. Auch sei eine IFA in Kabul nicht möglich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist volljährig. Sein richtiges Geburtsdatum und seine Identität konnte mangels der Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht festgestellt werden. Das angegebene Geburtsdatum ( XXXX ) dient nur zur Identifizierung als Verfahrenspartei.

Der BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Der BF hat keine Kinder und ist nicht verheiratet.

Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch ein wenig Deutsch.

Der BF wurde in Afghanistan in der Provinz Maidan Wardak geboren und hat auch eine Zeit lang in Kabul gelebt.

Der BF hat in Afghanistan keine offizielle Schule besucht, er hat aber in einer Moschee das Lesen und Schreiben der Sprache Dari gelernt.

Es ist nicht glaubwürdig, dass der BF über keine Angehörigen mehr in Afghanistan verfügt.

Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würden oder ihn in seiner Arbeits- oder Leistungsfähigkeit einschränken würden. Er hat während des Verfahrens keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht.

Der BF ist arbeitsfähig sowie leistungsfähig und kann bei einer Rückkehr Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.

Der BF befindet sich derzeit in Strafhaft und weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1) XXXX

§ 27 (2a) 2. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat: 20.09.2017

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

XXXX Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

ausgesprochen durch: XXXX

2) XXXX

§ 27 (2a) 2. Fall SMG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat: 24.11.2017

Freiheitsstrafe 6 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

XXXX

XXXX

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 24.04.2018, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

ausgesprochen durch: XXXX XXXX zu XXXX

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

ausgesprochen durch: XXXX 3) XXXX

§§ 288 (1), 288 (4) StGB, § 297 (1) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat: 20.09.2017

Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf XXXX 31.10.2017

Junge(r) Erwachsene(r)

XXXX Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

ausgesprochen durch: XXXX

4) XXXX

§ 27 (2a) 2. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat: 05.09.2018

Freiheitsstrafe 6 Monate

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum: 05.03.2019

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Das Vorbringen des BF, wonach er in seinem Herkunftsstaat einer Verfolgung durch seinen drogenabhängigen Onkel ausgesetzt gewesen sei, hat sich als unglaubwürdig erwiesen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seine politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Verfolgung durch die Kutschi droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. dass jeder Angehörige in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre bzw. eine solche im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hätte.

Der BF war in Afghanistan keiner Verfolgung bzw. Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt und ist im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keiner konkreten gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

Er wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder aufgrund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwo Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.

Dem BF droht individuell und konkret, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder die afghanische Regierung.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Der BF ist gesund, volljährig, anpassungsfähig, arbeits- und leistungsfähig, kinderlos und nicht verheiratet.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Rückkehr in die Städte Mazar-e Sharif oder Herat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Es ist dem BF möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif läuft er nicht Gefahr, aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder dass sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Er kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Der BF kann bei einer Rückkehr Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.

1.4. Zum (Privat) Leben des BF in Österreich:

Der BF hält sich seit etwa drei Jahren und acht Monaten im Bundesgebiet auf. Er ist in Österreich bereits viermal straffällig geworden und befindet sich derzeit in Strafhaft. Er hat seit seiner Einreise nach Österreich laufend Leistungen aus der Grundversorgung bezogen und war nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF hat in Österreich bereits Deutschkurse (bis Niveau A2) besucht, eine Bestätigung über erfolgreich abgeschlossene Deutschprüfungen hat er nicht in Vorlage gebracht. Er hat in einem Verein Fußball gespielt und 1,5 Jahre lang gemeinnützige Tätigkeiten (Straßenreinigung) ausgeübt. Zudem hat er an einer Neigungsgruppe für Boxen und Fußball teilgenommen. Der BF gehört keiner religiösen Verbindung und keiner sonstigen Gruppierung in Österreich an. Er hat in Österreich keine Schule oder sonstigen Fortbildungen besucht.

Der BF führt kein Familienleben in Österreich und hat auch sonst keine sonstigen engen sozialen Bindungen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Unter Bezugnahme auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 22.01.2019), die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 werden folgende entscheidungsrelevante, die Person des BF individuell betreffende Feststellungen zu Lage in Afghanistan getroffen:

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabu l

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der

Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018).

Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018).

Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunista

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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