TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 W194 2182798-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
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Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W194 2182798-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Daniela Sabetzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zl. 1099953701 - 152043455, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Hierbei wurde das oben genannte Geburtsdatum des Beschwerdeführers vermerkt.

2. Am 09.10.2017 übermittelte der Vertreter des Beschwerdeführers unter Beilage mehrerer Arztbriefe eine Stellungnahme zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

3. Am 28.11.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein seines Vertreters und seiner Vertrauensperson im Rahmen einer Einvernahme vor der belangten Behörde näher befragt. Der Beschwerdeführer führte dabei zusammengefasst an, dass er in Pakistan geboren sei. Er habe mit seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Geschwistern dort illegal gelebt. Die Lage für Hazara sei dort sehr schlecht gewesen. Bei einer "Rückverbringung" nach Afghanistan befürchte er, dass er dort nicht zurechtkomme, da er dort niemanden habe. Außerdem würde er bei einer Rückkehr aus Europa als "Ungläubiger" angesehen und getötet werden. Weiters führte er an, dass seine psychischen Probleme ua. darin begründet seien, dass er eine Explosion in XXXX , bei der viele Menschen schwer verletzt und getötet worden seien, "hautnah" miterlebt habe.

4. Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 15.12.2017 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.12.2018 (Spruchpunkt III.).

Zu Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde begründend insbesondere aus, dass es glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer sein Leben in Pakistan verbracht und sich nie in Afghanistan aufgehalten habe. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keiner persönlichen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Zur Erteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wurde begründet, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Minderjährigkeit, der Tatsache, dass er sich nie in Afghanistan aufgehalten habe und aufgrund der aktuellen prekären Sicherheitslage, gegenwärtig nicht zumutbar sei.

Der Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 18.12.2017 zugestellt.

Die belangte Behörde stellte dem Beschwerdeführer weiters mit Verfahrensanordnung vom 18.12.2017 einen Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite.

5. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 10.01.2018, am 11.01.2018 bei der belangten Behörde eingelangt, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 15.12.2017 durch seinen Vertreter Beschwerde. Begründend führte er aus, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, auf die Verfolgung von Personen mit psychischen Krankheiten einzugehen. Auch würde der Beschwerdeführer als Hazara und Schiit keine entsprechende Behandlung bekommen und auch nicht bezahlen können. Zudem zähle der Beschwerdeführer als schiitischer Hazara zu einer besonders vulnerablen Gruppe.

6. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit hg. am 15.01.2018 eingelangter Beschwerdevorlage den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt und beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

7. In der Zeit vom 27.02.2018 bis 07.06.2018 wurden dem Bundesverwaltungsgericht verschiedene Polizeiberichte betreffend den Beschwerdeführer übermittelt.

8. Am 25.04.2018 übermittelte die belangte Behörde ein Urteil des zuständigen Landesgerichtes vom 06.04.2018 betreffend den Beschwerdeführer.

9. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.06.2018, Zl. 1099953701-180294793, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt (Spruchpunkt I.), diesem die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), ein Einreiseverbot auf die Dauer von 10 Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.), keine Frist für die freiwillige Ausreise erlassen (Spruchpunkt VII.) sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.07.2018, GZ W176 2182798-2/5E, in teilweiser Erledigung der Beschwerde, dass der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides stattgegeben und Spruchpunkt VIII. behoben werde. Festgehalten wurde zudem, dass der Beschwerde somit die aufschiebende Wirkung zukomme.

10. Am 27.09.2018 übermittelte die zuständige Justizanstalt eine Haftbestätigung betreffend den Beschwerdeführer.

11. Mit Schreiben vom 02.10.2018 und 11.10.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladungen zur Verhandlung sowie die im Beschwerdefall als relevant erachteten Berichte zur Lage in Afghanistan.

12. Am 30.10.2018 übermittelte das zuständige Landesgericht ein Urteil vom 29.06.2018 betreffend den Beschwerdeführer sowie das Urteil des Oberlandesgerichtes vom 11.09.2018 über die Berufungsentscheidung in diesem Verfahren.

13. Am 31.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, vorgeführt durch die zuständige Justizanstalt, und sein Vertreter teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Dari beigezogen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung fern. Sie hatte am 05.10.2018 mitgeteilt, dass eine Teilnahme aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung zu seiner Person und seiner Herkunft, seinem bisherigen Leben und seinen Fluchtgründen befragt. Zudem wurden die im Beschwerdefall vom Bundesverwaltungsgericht als relevant erachteten Länderberichte erörtert. Der Beschwerdeführer und dessen Vertreter verzichteten auf Ausführungen zu den Berichten.

Die Niederschrift der Verhandlung samt den vorgelegten Unterlagen (Vollzugs- und Sicherheitsinformation betreffend den Beschwerdeführer) wurde der belangten Behörde im Anschluss an die Verhandlung zur Kenntnis übermittelt.

14. Am 12.11.2018 reichte der Vertreter des Beschwerdeführers mehrere Arztberichte betreffend den Beschwerdeführer nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Zu seinem bisherigen Leben:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und führt den oben angeführten Namen sowie das angeführte Geburtsdatum. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX in Pakistan geboren und lebte dort gemeinsam mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise nach Europa im Jahr 2015. Er besuchte in Pakistan drei Jahre die Schule und arbeitete dort. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bei einem Arbeitsunfall verstorben als der Beschwerdeführer noch ein Kind war. Die Mutter des Beschwerdeführers und seine beiden jüngeren Geschwister leben weiterhin in Pakistan. Der Beschwerdeführer hatte zuletzt vor seiner Haft Kontakt mit ihnen.

Am 22.12.2015 stellte der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährige Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Zeitpunkt dieser Entscheidung ist der Beschwerdeführer nunmehr volljährig.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich die Prüfung Deutsch A2 absolviert. Im Jahr 2018 hatte er - abgesehen von Haftaufenthalten - keinen festen Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer bis zum 15.12.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer ua. der Status des subsidiär Schutzberechtigten wieder aberkannt sowie der Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2018 wurde der Spruchpunkt über die aufschiebende Wirkung aufgehoben und festgehalten, dass der Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.12.2018 die aufschiebende Wirkung zukomme (vgl. I.9.). Dieses Verfahren wird vom Bundesverwaltungsgericht in einem getrennten Verfahren zu der GZ W176 2182798-2 geführt und ist noch nicht abgeschlossen.

1.1.2. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer leidet an schweren Ein- und Durchschlafstörungen und Stimmungsschwankungen auf der Basis eines posttraumatischen Belastungssyndroms und einer Anpassungsstörung. Er zeigt selbstverletzendes Verhalten, indem er sich Schnittwunden oder Brandwunden zufügt. In den Jahren 2016 und 2017 bis war er deswegen mehrfach in stationärer Behandlung. Anfang April 2017 war der Beschwerdeführer aufgrund eines massiven Schlafdefizites, einer suizidalen Gefährdung und Desorientiertheit in zweitägiger stationärer Behandlung. Darauffolgend war der Beschwerdeführer bis Ende Mai 2017 für knapp zwei Monate in stationärer Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgrund einer psychischen Störung und Verhaltensstörung durch Cannabinoide, einer psychotischen Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Von XXXX bis XXXX war der (bis dahin minderjährige) Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankung in einer kleinen sozialpsychiatrisch betreuten Wohngemeinschaft untergebracht.

Dem Beschwerdeführer wurden bei seinen Krankenhausaufenthalten verschiedene Psychopharmaka verschrieben, ua. zumeist XXXX .

Während seiner Haftaufenthalte sind zwei Selbstverletzungen des Beschwerdeführers (Brand- und Schnittverletzungen), die letzte im XXXX , dokumentiert.

Als Grund für seine psychischen Schwierigkeiten nennt der Beschwerdeführer in der Verhandlung eine schwere Explosion, welche er in Pakistan aus der Nähe miterlebt habe. Weiters zeigt er in der Verhandlung seine - infolge Selbstverletzungen - verwundeten Arme.

1.1.3. Zu den Verurteilungen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist in Österreich zweimal rechtskräftig verurteilt worden.

Mit Urteil vom 06.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vom zuständigen Landesgericht wegen der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten (bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren) verurteilt (die Tatbegehungen erfolgten im Zeitraum XXXX ).

Mit Urteil vom 29.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vom zuständigen Landesgericht wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB (Tatbegehung am XXXX ) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die mit Urteil vom 06.04.2018 gewährte bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen. Mit Urteil des zuständigen Oberlandesgerichtes wurde die Freiheitsstrafe auf neun Monate angehoben.

Der Beschwerdeführer war vom XXXX in Untersuchungshaft und vom XXXX in Strafhaft.

Vom XXXX verbüßte der Beschwerdeführer mehrere Ersatzfreiheitsstrafen als Verwaltungsstrafhäftling in einem Polizeianhaltezentrum.

1.1.4. Zur drohenden Verfolgung in Afghanistan:

Der Beschwerdeführer war noch nie in Afghanistan.

Die Eltern des Beschwerdeführers haben Afghanistan vor dessen Geburt gemeinsam verlassen und sind nach Pakistan gezogen. Es kann weder festgestellt werden, aus welcher Provinz Afghanistans die Eltern stammen, noch ob sie Afghanistan aufgrund konkreter Bedrohungen verlassen mussten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer in Afghanistan durch staatliche Organe oder Private physische oder psychische Gewalt, Strafverfolgung oder Bedrohungen von erheblicher Intensität, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, zu erwarten hätte; dies insbesondere weder aufgrund seiner psychischen Krankheit, seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, seiner Religionszugehörigkeit als Schiit, seines Aufenthaltes in Europa, seines fehlenden wirtschaftlichen und sozialen Netzes im Heimatstaat und/oder mangelnder Sicherheit in seinem Heimatstaat.

1.2. Zur Lage in Afghanistan:

Im Verfahren wurden folgende Quellen herangezogen:

* Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der ISLAMISCHEN REPUBLIK AFGHANISTAN (Stand Mai 2018) vom 31.05.2018,

* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Hazara als Talibankämpfer, vom 21.02.2017,

* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Behandelbarkeit v. Anpassungsstörungen/Insomnie/Cephalea, Verfügbarkeit und Kosten von Deanxit, Pregabalin und Dominal bzw. Alternativmedikation, vom 03.08.2018,

* Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Medikamente gegen psychotische Störung und Depressionen, vom 08.06.2017

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, sowie die Kapitel Neueste Ereignisse, Sicherheitslage, Religionsfreiheit, Ethnische Minderheiten, Hazara, Medizinische Versorgung, Rückkehr.

Auf der Grundlage dieser Quellen wird im Beschwerdefall festgestellt:

1.2.1. Schiiten (wörtlich entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018):

"Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017)."

1.2.2. Ethnische Minderheiten, Hazara:

1.2.2.1. Wörtlich entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018:

"Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017)."

1.2.2.2. Wörtlich entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 bzw. den Kurzinformationen bis 23.11.2018:

"Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018)."

1.2.3. Taliban und Zwangsrekrutierung (wörtlich entnommen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Hazara als Talibankämpfer, vom 21.02.2017):

"Einem Bericht von EASO [11.2016] zum Thema Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppierungen in Afghanistan ist zu entnehmen, dass es auch zu Rekrutierungen von Hazara durch die Taliban kommt und es in Bamyan und Daikundi einige höherrangige Kommandanten der Hazara unter den Taliban gibt, wobei anzunehmen ist, dass es sich dabei um lokale Talibaneinheiten handelt. Auch das Interesse daran, sich den Taliban anzuschließen, ist lokal begrenzt. Somit existiert zwar eine Zusammenarbeit zwischen Taliban und Hazara, eine Rekrutierung von Hazara durch Taliban ist aber nicht weit verbreitet. Angeführt werden einige Dörfer in Ghazni, wo es aktive Talibankämpfer gab und 2012 etwa ein Dutzend Hazara für die Taliban gekämpft haben. Es gab dem Bericht zufolge aber keine Hinweise darauf, dass es sich um Zwangsrekrutierung gehandelt hat zumal der Kontakt zu den Taliban von der örtlichen Gemeinschaft ausging. Warum oder wie die Taliban Hazara oder Schiiten zwangsweise rekrutieren sollten, sei nicht bekannt zumal die Taliban diesen ja auch trauen müssten. Angeführt werden noch sunnitische Hazara in Bamyan und Parwan - wo in einigen Gemeinden Hazara Funktionen innerhalb der Taliban oder deren ziviler Schattenverwaltung übernommen haben. Dem Bericht zufolge handelt es sich dabei um Einzelfälle.

Aus dem von ACCORD dokumentierten Expertengespräch vom 04.05.2016 geht folgendes hervor: [...] Dass Hazara rekrutiert werden für die Taleban, ist eher eine Ausnahme, allerdings habe ich oben bereits die sunnitischen Hazara angesprochen. Von denen ist bekannt, dass einige von ihnen in den Taleban-Strukturen mitkämpfen. Bei den schiitischen Hasaras ist es eher eine Ausnahme, es gibt aber bestimmte alte Überreste schiitischer Mudschaheddin-Führer in relativ entlegenen Gegenden, die in so einer Art Allianz mit den Taleban sind. [...]"

1.2.4. Rückkehrer aus Europa (wörtlich entnommen dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der ISLAMISCHEN REPUBLIK AFGHANISTAN (Stand Mai 2018) vom 31.05.2018):

"Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO berichtet hierzu nur von unbestätigten Einzelfällen. Laut EASO liegen aber Berichte über versuchte Entführungen aufgrund der Vermutung, der Rückkehrer sei im Ausland zu erheblichem Vermögen gekommen, vor."

1.2.5. Personen mit psychischen Krankheiten:

1.2.5.1. Wörtlich entnommen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Behandelbarkeit v. Anpassungsstörungen/Insomnie/Cephalea, Verfügbarkeit und Kosten von Deanxit, Pregabalin und Dominal bzw. Alternativmedikation, vom 03.08.2018:

"Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es in Afghanistan in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat medizinische Einrichtungen gibt, die Anpassungsstörungen mit Ängsten, Schlaflosigkeit und Cephalea behandeln. Behandlungen in öffentlichen Spitälern sind offiziell kostenlos, inoffizielle private Zahlungen könnten jedoch verlangt werden. Medikamente müssen während stationärer Behandlungen immer selbst bezahlt werden. In privaten Spitälern fallen zusätzliche Kosten für Aufnahme und Behandlungen an (siehe Einzelquelle).

Die Medikamente Deanxit (Wirkstoffe: Flupenthixol + Melitracen Kombination) und Lyrica (Wirkstoff: Pregabalin) sind in Afghanistan und insbesondere in den Städten Kabul, Mazar-e- Sharif und Herat verfügbar. Dominal forte (Wirkstoff: Prothipendyl) ist in Afghanistan nicht verfügbar, von Ärzten werden jedoch in der Regel Bromazepam, Lorazepam und Alprazolam verschrieben. Für den Kauf dieser Medikationen sollte eine Verschreibung durch einen Spezialisten ausgestellt werden.

Es gibt keine Unterstützung, wenn der Patient die Kosten für die Medikamente, Arztbesuche und Nachkontrollen nicht decken kann.

Es sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um allgemeine Aussagen handelt, aus denen keinesfalls Garantien für Einzelfälle ableitbar sind.

IOM berichtet in einer Anfragebeantwortung vom 31.7.2018, dass, eine Behandlung von Anpassungsstörungen mit Ängsten, Schlaflosigkeit und Cephalea in den größeren Städten Afghanistans (wie Kabul, Herat oder Mazar e Sharif) möglich ist. Dort stehen spezialisierte Ärzte für psychische Gesundheit sowie begrenzte Kapazitäten in einigen öffentlichen Krankenhäusern zur Verfügung.

Eine Behandlung wird dem Schweregrad der Erkrankung angepasst. So kann bei einem geringeren Grad der Erkrankung mit Hilfe der Psychotherapie geholfen werden, die Symptome zu lindern. Schwerere Formen benötigen jedoch über eine Psychotherapie hinaus, auch eine medikamentöse Behandlungsform, welche eine kostenintensive Langzeitbehandlung darstellt.

In den kleineren Städten oder Dörfern ist eine Behandlung der angeführten Erkrankungen nicht möglich.

Von IOM wird angemerkt, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan für Menschen, die unter Anpassungsstörungen mit Ängsten, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen leiden, generell nicht förderlich sei.

Aufgrund geringer Kapazitäten für psychiatrische Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern müssen Patienten in der Regel private Spezialisten aufsuchen, doch gibt es auch einige öffentliche Krankenhäuser mit psychiatrischen Abteilungen.

Aufgrund geringer Kapazitäten für psychiatrische Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern müssen Patienten in der Regel private Spezialisten aufsuchen, doch gibt es auch einige öffentliche

Krankenhäuser mit psychiatrischen Abteilungen:

Kabul: Karte Sae Nervenklinik (öffentliches Krankenhaus), Sae Rahi Allauddin PD 6 Kabul; Sayed Jamaluddin private psychiatrische Klinik (Privatkrankenhaus), Khoshal mina Abschnitt 1 PD-5.

Mazar-i-Sharif: Regionalkrankenhaus [Anmerkung d.

Staatendokumentation: öffentliches Krankenhaus], nordwestlich von Rauza A62. Das Krankenhaus verfügt über einen Neuropsychiater zur Behandlung von psychiatrischen Patienten einschließlich Anpassungsstörungen.

Herat: Regionalkrankenhaus [Anmerkung d. Staatendokumentation:

öffentliches Krankenhaus], Zentrum der Stadt, PD-2. Es handelt sich hierbei um ein Mehrzweckkrankenhaus mit Psychiatern zur Behandlung von Anpassungsstörungen. Mehraban-Krankenhaus (Privatkrankenhaus),

Das Krankenhaus verfügt auch über Behandlungsmöglichkeiten (Nachfolgebehandlungen) bei psychischen Problemen. Allerdings sind die Behandlungskosten in privaten Krankenhäusern sehr hoch.

In öffentlichen Krankenhäusern, in welchen die Kosten der stationären Behandlung vom Staat übernommen werden, sollte eine Behandlung kostenlos erfolgen. Es kann jedoch sein, dass Patienten gebeten werden, inoffizielle Zahlungen an das medizinische Personal zu richten um bessere und/oder schnellere Leistungen zu erhalten.

In privaten Krankenhäusern beträgt die ärztliche Visitengebühr 300 Afghanistan Afghani (AFA) (3,46 EUR) pro Behandlung. Die Aufnahmegebühren betragen 2.000 AFA (23,37 EUR) für ein Mehrbettzimmer, bei Aufnahme in ein Einzelzimmer oder auf die Intensivstation sind bis zu 10.000 AFA (116,88 EUR) zu bezahlen."

1.2.5.2. Wörtlich entnommen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Medikamente gegen psychotische Störung und Depressionen, vom 08.06.2017:

"Nachfolgend zitierter Quelle ist zu entnehmen, dass das Medikament Trittico retard 150mg verfügbar ist. Die weiteren Medikamente Escitalopram 20mg, Zayprexa und Gladem 50 mg sind zwar nicht als solche verfügbar, dennoch sind Generika bzw. Alternativmedikamente verfügbar.

Die in der Frage aufgeführten Medikamente bzw. ihre Generika (weitere Details sind aus der Antwort auf Frage 3 zu entnehmen) sind in größeren Städten in Afghanistan wie Kabul, Mazare-Sharif und Herat verfügbar. Der Zugang zu diesen Medikamenten bzw. ihren Generika hängt von der Region ab, in der der Patient lebt. Wenn ein Patient in einem ländlichen Gebiet wohnt, ist es aufgrund der Sicherheitssituation und der Transportkosten schwierig in größere Städte zu reisen.

Die Preise der Medikamente in Afghanistan: 10 Tabletten von Trittico retard 150mg kosten 235 AFA (3.05 EUR)."

1.2.5.3. Wörtlich entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018:

"Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).

Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5.2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5.2018).

Beispiele für Behandlung psychischer erkrankter Personen in Afghanistan

In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben (AA 9.2016; vgl. AP 18.8.2016). Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 5.2018).

Krankenhäuser in Afghanistan

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).

[...]

Beispiele für Nichtregierungsinstitutionen vor Ort

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

Médecins sans Frontières (MSF) ist in verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Afghanistan tätig: im Ahmad Shah Baba Krankenhaus und im Dasht-e Barchi Krankenhaus in Kabul, in der Entbindungsklinik in Khost, im Boost Krankenhaus in Lashkar Gah (Helmand) sowie im Mirwais Krankenhaus und anderen Einrichtungen in Kandahar (MSF o. D.).

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 2017 bis März 2018 wurden Berichten zufolge insgesamt 48 Zwischenfälle in 13 Provinzen registriert. Nach mehreren Angriffen mit Todesfolge auf Mitarbeiter des ICRC, hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes 2017 einen erheblichen Teil seines Personals im Land abgezogen (AA 5.2018). Trotzdem blieb im Laufe des Jahres 2017 das ICRC landesweit aktiv. Tätigkeiten des Komitees zur Förderung der Gesundheitsfürsorge waren z.B. der Transport von Kriegsverwundeten in nahe liegende Krankenhäuser für weitere medizinische Versorgung, die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung zur Unterstützung einiger staatlicher Krankenhäuser, die Bereitstellung von medizinischer Unterstützung für das Mirwais Krankenhauses in Kandahar, die Unterstützung von Gesundheitsdienstleistungen in zwei Gefängnissen (Kandahar und Herat) usw. (ICRC 28.1.2018).

International Psychosocial Organization (IPSO) in Kabul

IPSO bietet landesweit psychosoziale Betreuung durch Online-Beratung und Projektfeldarbeit mit insgesamt 280 psychosozialen Therapeuten, wovon die Hälfte Frauen sind. Die Online-Beratung steht von 8-19 Uhr kostenfrei zur Verfügung; angeboten werden ebenso persönliche Sitzungen in Beratungszentren der Krankenhäuser. Einige der Dienste dieser Organisation sind auch an Universitäten und technischen Institutionen verfügbar. Unter anderem ist IPSO in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Herat, Bamyan, Badakhshan, Balkh, Jawzjan und Laghman tätig (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Medica Afghanistan in Kabul

Medica Afghanistan bietet kostenfreie psychosoziale Einzel- und Gruppentherapien an. Die Leistungen sind nur für Frauen zugänglich und werden in Kabul in unterschiedlichen Frauenhäusern und -gefängnissen sowie Jugendzentren angeboten. Auch werden die Leistungen der Organisation in drei Hauptkrankenhäusern, im "Women's Garden, im Ministeirum für Frauenangelegenheiten (MoWA) und an weiteren Standorten in Kabul angeboten (BFA Staatendokumentation 4.2018).

PARSA Afghanistan

Parsa ist seit 1996 als registrierte NGO in Afghanistan tätig. Die Organisation spezialisiert sich u.a. auf psychologische Leistungen und Ausbildung von afghanischem Fachpersonal, das in sozialen Schutzprogrammen tätig ist und mit vulnerablen Personen arbeitet. Zu diesen Fachkräften zählen Mitarbeiter in Zentren für Binnenvertriebene, Frauenhäusern und Waisenhäusern sowie Fachkräfte, die in lokalen Schulen am Projekt "Healthy Afghan Girl" mitarbeiten und andere Unterstützungsgruppen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Weitere Projekte

Das Telemedizinprojekt des Mobilfunkanbieters Roshan, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialisten im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden mittellose Patienten auf dem Land von Fachärzten diagnostiziert. Unter anderem bietet die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie afghanischen Ärzten die Möglichkeit, ihre medizinischen Kenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen (GI 17.12.2016; vgl. NCBI 23.3.2017)."

2. Beweiswürdigung:

Im Beschwerdefall ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung und der Einvernahme vor der belangten Behörde minderjährig war. Seine Schilderungen und Eindrücke erfolgten insoweit aus dem Blickwinkel eines Jugendlichen. Dass der Beschwerdeführer bis dahin minderjährig war, wurde auch von der belangten Behörde letztlich nicht bezweifelt (vgl. deren Ausführungen im angefochtenen Bescheid zum subsidiären Schutz unter I.4.).

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich dazu Folgendes (VwGH 06.09.2018, Zl. Ra 2018/18/0150 mwN):

"Zu der Berücksichtigung der Minderjährigkeit in der Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass in einem Fall, in dem das fluchtauslösende Ereignis im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren erlebt wurde und diesem Ereignis eine mehrjährige Flucht nachfolgte, eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich ist und die Dichte dieses Vorbringens nicht mit ‚normalen Maßstäben' gemessen werden darf. Es muss sich aus der Entscheidung erkennen lassen, dass solche Umstände in die Beweiswürdigung Eingang gefunden haben und dass darauf Bedacht genommen wurde, aus welchem Blickwinkel die Schilderung der Fluchtgeschichte erfolgte (Hinweis E vom 14. Dezember 2006, 2006/01/0362). Auf die Tatsache, dass ein Asylwerber seinen Heimatstaat als Minderjähriger verlassen hat, ist in der Entscheidung einzugehen (Hinweis E vom 16. April 2002, 2000/20/0200). Im Lichte dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ersichtlich, dass es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bedarf."

Im Beschwerdefall ist demnach darauf Bedacht zu nehmen, dass der Beschwerdeführer im Alter von 15 Jahren Pakistan und seine Familie verlassen hat und nach Österreich gekommen ist. Hinzu tritt im konkreten Fall auch eine zu berücksichtigende psychische Erkrankung des Beschwerdeführers (vgl. II.1.2.).

Zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und im Zeitpunkt dieser Entscheidung ist der Beschwerdeführer nunmehr volljährig.

In der Verhandlung hinterließ der Beschwerdeführer einen glaubwürdigen Eindruck. Es war für das Bundesverwaltungsgericht zu erkennen, dass er unter Müdigkeit leidet. Seine Schilderungen waren jedoch in sich schlüssig und konsistent.

2.1. Zu den zum Beschwerdeführer getroffenen Feststellungen (II.1.1.):

2.1.1. Zu seinem bisherigen Leben (II.1.1.1.):

Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Familienstand, seiner Familie und seinem Leben in Pakistan sind unstrittig und gründen sich auf die glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren. Es besteht kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln, weil diese im Laufe des gesamten Verfahrens weitgehend gleichgeblieben sind und auch in der Verhandlung spontan und ohne Zögern dargetan wurden.

Zur Volksgruppenzugehörigkeit seiner Eltern hat der Beschwerdeführer in der Verhandlung angegeben, dass seine Mutter der Ethnie Hazara angehöre und sein Vater der Ethnie Sadat angehört habe (vgl. Seite 8 der Niederschrift). Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren immer darauf verwiesen, dass er selbst der Volksgruppe der Hazara angehöre und auch sein Fluchtvorbringen darauf gestützt (siehe dazu weiter unten II.2.1.4.), weswegen diese Zugehörigkeit auch festgestellt werden konnte.

Dass der Beschwerdeführer in Pakistan zur Schule gegangen ist und gearbeitet hat, hat er in der Verhandlung glaubhaft und authentisch dargelegt (vgl. die Seiten 9 und 13 der Niederschrift). Die Feststellungen, dass der Vater des Beschwerdeführers verstorben ist und die übrige Familie weiterhin in Pakistan lebt, konnten aufgrund der nachvollziehbaren und spontanen Schilderungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung getroffen werden (vgl. die Seiten 9f der Niederschrift).

Dass der Beschwerdeführer am 22.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte, ist dem entsprechenden Polizeibericht im Verwaltungsakt der belangten Behörde zu entnehmen.

Die Feststellung zur absolvierten Deutschprüfung des Beschwerdeführers beruht auf der vorgelegten Prüfungsbestätigung und den Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung (vgl. Seite 6 der Niederschrift). Dass der Beschwerdeführer im Jahr 2018 keinen festen Wohnsitz hatte, hat er in der Verhandlung glaubwürdig geschildert (vgl. die Seiten 11f der Niederschrift).

Dass der Beschwerdeführer (prinzipiell) bis zum 15.12.2018 über den Status des subsidiär Schutzberechtigten verfügte, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid. Die weiteren Feststellungen zum noch offenen Verfahren über die Aberkennung dieses Status ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht zur GZ W176 2182798-2 geführten Verfahrensakt.

2.1.2. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (II.1.1.2.):

Die Feststellungen dazu gründen sich auf die im Verfahren vorgelegten zahlreichen ärztlichen Berichte, Arztbriefe und Arztmitteilungen sowie die darin angeführten Diagnosen und Medikationen. In der Verhandlung hat der Beschwerdeführer auch angegeben, dass er in der Haft über den Tag verteilt insgesamt sieben Tabletten einnehme und einmal wöchentlich ärztlich betreut werde (vgl. die Seiten 3f der Niederschrift).

Dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erkrankung in einer sozialpsychiatrisch betreuten Wohngemeinschaft untergebracht war, ergibt sich aus dem Vorbringen des Vertreters des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 09.10.2017 an die belangte Behörde.

Die Feststellungen zu den Selbstverletzungen des Beschwerdeführers während seiner Haftaufenthalte beruhen einerseits auf der in der Verhandlung vorgelegten Vollzugs- und Sicherheitsinformation vom 25.10.2018 und andererseits auf der Information der Landespolizeidirektion vom 21.02.2019. Weiters zeigte der Beschwerdeführer in der Verhandlung seine - infolge der Selbstverletzungen - verwundeten Arme.

Die Feststellungen zum

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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