TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 W144 2155096-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W144 2155082-1/13E

W144 2155096-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter über die Beschwerden 1. des XXXX , XXXX geb., und 2. des XXXX , XXXX geb., beide StA. von Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 07.04.2017, Zlen. XXXX (ad 1.) und XXXX (ad 2.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. und IV. wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Den Beschwerdeführern wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 1 AsylG idgF jeweils ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die gegenständlichen Verfahren der Beschwerdeführer wurden aufgrund der Gleichgelagertheit der Fälle zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

I. Verfahrensgang:

Der 1.-Beschwerdeführer (1.-BF) ist der Bruder des 2.-Beschwerdeführers (2.-BF), beide sind nunmehr volljährige, männliche, ledige Staatsbürger von Afghanistan und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken und des sunnitischen Glaubens. Die BF verließen ihren eigenen Angaben bei der Erstbefragung zufolge im September 2015 ihr Heimatland und begaben sich schlepperunterstützt über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Kroatien und Slowenien im November 2015 nach Österreich, wo sie als damals unbegleitete Minderjährige am 03.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Zu den BF liegen keine Eurodac-Treffermeldungen vor.

Den Beschwerden liegen folgende Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf ihrer Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die LPD Steiermark vom 03.11.2015 gaben die damals minderjährigen 1.- und 2.-BF neben ihren Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen und gleichlautend an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan aufgrund der Taliban stark beeinträchtigt gewesen sei. Sie hätten sich dort nicht frei bewegen können; aus diesem Grund hätten sie ihr Heimatland verlassen. Die Taliban seien immer wieder gekommen, um junge Leute mitzunehmen. Im Falle einer Rückkehr hätten sie Angst von den Taliban mitgenommen oder gar getötet zu werden.

In Österreich befänden sich Bezugspersonen, konkret ihr älterer Bruder XXXX , dessen Ehegattin XXXX und deren gemeinsame Kinder XXXX und XXXX .

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 07.10.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der 1.-BF im Wesentlichen an, dass er in der Provinz Herat geboren und aufgewachsen sei, wo er gemeinsam mit seinen Eltern, seinem jüngeren Bruder (dem 2.-BF) und einer Schwester gelebt habe; er sei nicht verheiratet. Bei der Ausreise habe ihn sein älterer Bruder ( XXXX ) samt dessen Familie und sein jüngerer Bruder (der 2.-BF) begleitet. Im Heimatland sei er damit beschäftigt gewesen, Schafe und Rinder zu hüten, die Familie habe von den Tieren ihr Leben finanzieren können; die finanzielle Lage des Vaters sei gut gewesen. Ausreisegrund sei gewesen, dass sie Probleme mit den Taliban im Dorf gehabt hätten. Diese hätten einmal im Monat, oder wenn sie etwas gebraucht hätten auch öfters, von den Dorfbewohnern Geld verlangt. Für ihn persönlich sei es nicht möglich gewesen, das Haus zu verlassen, denn wenn junge Männer in seinem Alter unterwegs seien, würden die Taliban diese Männer mitnehmen. Wenn man von den Taliban aufgefordert werde mitzukommen, müsse man entweder mitgehen oder man werde getötet. Ein junger Nachbar habe von unterwegs Holz nach Hause bringen wollen, sei von den Taliban gefunden und vergewaltigt worden. Wenn er hinausgegangen wäre, werden ihm dieselben Sachen passiert. Er habe Vieles erlebt, er habe Angst getötet zu werden. Er habe dies alles durch die Dorfbewohner mitbekommen. Persönlich bedroht worden sei er niemals, nach seiner Ausreise sei jedoch sein Vater gefragt worden, warum er seine Familie nach Europa geschickt habe. Die Taliban wüssten genau, wer wie viele Kinder habe und hätten viele Informationen, die über andere Bewohner ausgetauscht würden. Man wisse oft nicht, wer im Dorf ein Talib sei oder nicht. Andere Städte habe er in Afghanistan nicht bzw. nur, wenn dies nicht zu vermeiden gewesen sei, besucht. Etwa für ärztliche Zwecke hätten sie nach Herat-Stadt und schnell wieder zurückkehren müssen. Zudem wolle er vorbringen, dass er gerne zechne und in Afghanistan nicht geduldet werde, dass man Gesichter male. Er könne sich auch kein Leben in einer anderen Stadt wie etwa Kabul aufbauen, da diese Probleme auch in anderen Städten existieren würden. Die Tochter eines Nachbarn sei etwa in Herat verloren gegangen. Er lebe hier von staatlicher Unterstützung, er habe einen Deutschkurs besucht und viele Freunde gefunden. Er betätigte sich sportlich (Floorball) und habe Kurse beim BFI absolviert. Er wolle eine Ausbildung absolvieren und studieren.

Unter einem legte der 1.-BF nachstehende Unterlagen vor:

* Bestätigung des FBV (Floorballverein) XXXX vom 03.10.2016

* Bestätigung über die Teilnahme an einem Sprachtraining vom 06.10.2016, XXXX * Teilnahmebestätigungen vom 05.04., 07.06. und 05.10.2016 für den Lehrgang Berufsorientierung vom 21.03.2016 bis 31.08.2016, bfi XXXX

* Ärztlicher Entlassungsbrief LKH XXXX vom 25.11.2015, "guter AZ, keine thorakalen Beschwerden, Cor Pulmo unauffällig"

* Laborbefunde LKH XXXX

* Aufenthaltsbestätigung LKH XXXX vom 21.11.2015 bis 22.11.2015 und Kurzarztbrief

Der 2.-BF erstattete im Rahmen seiner Einvernahme vom 07.10.2016 im Wesentlichen gleichlautende Angaben wie der 1.-BF und ergänzte, dass die Familie neben Schafen und Rindern auch Grundstücke besessen habe und landwirtschaftlich tätig gewesen sei. Nachts sei es unmöglich gewesen das Haus zu verlassen. Wenn die Taliban gekommen seien, hätten sie sich immer verstecken müssen. Persönlichen Kontakt zu den Taliban habe auch er nicht gehabt. Die Familie habe den Taliban Geld gegeben, damit er und sein Bruder nicht mitgenommen worden wären. Wenn sie krank gewesen seien, hätten sie nach Herat fahren müssen. Auf die Frage, warum seine Angehörigen in Afghanistan leben könnten, erklärte der 2.-BF, dass die Taliban junge Leute bräuchten, damit sie weiterkämpfen könnten, mit älteren Leuten hätten die Taliban nichts zu tun. Im Falle seiner Rückkehr würde er von den Taliban verfolgt werden, weil diese mittlerweile informiert seien, dass sie das Land verlassen hätten. Sie würden gefragt werden, warum sie dies getan hätten. Er lebe von staatlicher Unterstützung in einem Asylwerberquartier in XXXX , besuche einen Deutschkurs und betreibe Sport. Er habe auch viele österreichischen Familien kennengelernt. Er wolle studieren, in Afghanistan habe er immer in Angst gelebt.

Unter einem legte der 2.-BF nachstehende Unterlagen vor:

* Obsorgebeschluss des BG XXXX vom 04.10.2016, wonach dem älteren Bruder XXXX XXXX die Obsorge über den 2.-BF übertragen wurde

* Bestätigung des FBV (Floorballverein) XXXX vom 03.10.2016

* Bestätigung des IBC XXXX , undatiert

* Bestätigung über die Teilnahme an einem Sprachtraining vom 06.10.2016, XXXX

* 3 Fotos über seine Integration (sportliche Aktivitäten, Brauchtumspflege, integrative Aktivitäten)

Mit Bescheiden jeweils vom 07.04.2017 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit "14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zusammengefasst zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass das Vorbringen der BF zu den behaupteten Verfolgungsgründen fragwürdig sei, sie niemals einer persönlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen seien und demgemäß eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht worden sei. In Bezug auf Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass den BF keine Verfolgung drohe und zudem eine innerstaatliche Fluchtalternative bezogen auf die Städte Herat, Kabul und Mazar-e-Sharif zur Verfügung stünde. Diese Städte könnten sicher erreicht werden und seien die allgemeinen Lebensverhältnisse nicht dergestalt, dass die BF in eine ausweglose Lebenssituation geraten würden. Zu Spruchpunkt III. wurde erwogen, dass die BF zwar ihre Brüder im Bundesgebiet hätten, diese jedoch nicht zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt seien und damit kein schützenswertes Familienleben vorliege. Im Hinblick auf das Privatleben der BF führte das BFA nach einer Abwägung der relevanten Aspekte (Dauer des Aufenthalts, Spracherwerb, Beschäftigung, Selbsterhaltungsfähigkeit Freizeitaktivitäten, Freundeskreis, Dauer des Verfahrens, Bindungen zum Herkunftsstaat, etc.) die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegen würden als ihre Interessen am Verbleib in Österreich, weshalb nicht unverhältnismäßig in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingegriffen werde.

Die Bescheide wurden den BF am 12.04.2017 rechtswirksam zugestellt.

Gegen diese Bescheide erhoben die BF fristgerecht Beschwerden, in welchen im Wesentlichen gerügt wurde, dass sie sehr wohl asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht hätten, da Zwangsrekrutierung von jungen Männern durch die Taliban ein drängendes Problem in Afghanistan sei, wie sich aus diversen Länderberichten ergebe. Die Angaben der BF stünden mit den allgemeinen Gegebenheiten überein und schließe der Umstand, dass die BF bisher nicht persönlich bedroht worden seien, nicht aus, dass dies im Falle einer Rückkehr erfolgen würde. Ein Abwarten sei den BF nicht zumutbar gewesen und habe sich die Sicherheitslage im Heimatland mittlerweile noch verschärft.

In einer schriftlichen Stellungnahme zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan vom 02.04.2019 führten beide BF gleichlautend im Wesentlichen zusammen gefasst aus, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan von 2016 bis 2019 verschlechtert habe. Es sei zu einer Zunahme der Kämpfe im Norden gekommen, auch Nordosten und Westen. Die Taliban hätten ihre Taktik verändert und würden auch Angriffe vermehrt in großen Städten durchführen, sodass Zivilpersonen sehr stark gefährdet seien. Die Sicherheitslage habe sich etwa auch in Kabul stark verschlechtert und seien durch die Zunahme von Selbstmordanschlägen vermehrt zivile Opfer zu beklagen. Die Taliban und die Terrormiliz islamischer Staat seien in der Lage auch in den von der Regierung kontrollierten Städten wie etwa Kabul verheerende Anschläge zu begehen und sei die Opferzahl so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Zudem seien Jugendlichen zwischen 13 und 25 Jahren besonders von Zwangsrekrutierungen durch die Taliban betroffen und drohe den BF aus diesem Grund asylrelevante Verfolgung, zumal die Taliban Personen, die sich ihnen verweigern eine missliebige politische Gesinnung unterstellen. Der Staat Afghanistan sei diesbezüglich nicht in der Lage bzw. nicht gewillt entsprechenden Schutz zu gewähren. Zusätzlich sein Rückkehrer aus Europa der Gefahr ausgesetzt, dass diesen unterstellt werden würde, sie seien "verwestlicht". Sie unterlägen dem Verdacht, dass sie sich der europäischen Kultur und Lebensweise angepasst hätten. Schon die Flucht nach Europa sei ein Akt des politischen Widerstandes und sei davon auszugehen, dass ein Europaaufenthalt in der Herkunftsgemeinschaft jedenfalls bekannt sei bzw. werde. Zum Privatleben der BF in Österreich wurde ausgeführt, dass diese ihren bisherigen Aufenthalt im besonderen Maße für ihre Integration in Österreich genützt hätten.

Unter einem wurden nachstehende Urkunden vorgelegt:

Betreffend den 1.-BF:

* Zeugnis über die Ablegung der Integrationsprüfung mit Sprachniveau B1, ÖIF vom 27.07.2018

* Teilnahmebestätigung Maßnahme "externer Pflichtschulabschluss", bfi vom 04.03.2019

* Teilnahmebestätigung Beruforientierung, bfi vom 05.04.2016

* Teilnahmebestätigung ÖRK vom 07.12.2017, Erste-Hilfe-Grundkurs

* Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz, XXXX , seit 14 Monaten vom 08.03.2019, dabei im Jahr 2018 558 Stunden Dienst geleistet (Rettungsauto); Ausbildung zum Rettungssanitäter

* Bestätigung der Lebenshilfe XXXX vom 08.03.2019 über eine Tätigkeit im Ausmaß von 22 Stunden/Monat

* Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung vom 11.02.2019, Neue Mittelschule XXXX

* Empfehlungsschreiben des Bürgermeistersvon XXXX vom 14.03.2019

* 9 diverse private Empfehlungsschreiben

* Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Rettungssanitäter

* Lebenslauf

Betreffend den 2.-BF:

* Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung vom 11.02.2019, Neue Mittelschule XXXX

* Teilnahmebestätigung Maßnahme "externer Pflichtschulabschluss", bfi vom 04.03.2019

* Teilnahmebestätigung Maßnahme " XXXX ", bfi vom 04.03.2019

* Zeugnisse des ÖIF über das Sprachniveau A1 sowie A2

* ÖSD Zertifikat A2

* Diverse private Empfehlungsschreiben

Am 09.04.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher die BF zu ihren Fluchtgründen, zu ihren Lebensumständen in Österreich sowie in Afghanistan befragt, und eine innerstaatliche Fluchtalternative in einer der großen Städte wie Mazar-e-Sharif, Herat oder allenfalls auch Kabul (vor dem Hintergrund der Berichte: LIB der BFA-Staatendokumentation zu Afghanistan vom Juni 2018, Stand November 2018, sowie UNHCR-Guidelines vom August 2018) erörtert wurde, wo keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden könne, dass die BF einer Bedrohung durch zwangsrekrutierende Taliban ausgesetzt sein würden. Beide BF entgegneten, dass sie sicherlich von den Taliban bedroht werden würden, Afghanistan könne nicht als sicheres Land bezeichnet werden, sie hätten vor kurzem ein Video gesehen, in dem berichtet worden sei, dass 50 % von Afghanistan von den Taliban beherrscht werde. Sie hätten überdies sehr schlechte Erfahrungen mit Muslimen gemacht, es seien sehr viele junge Leute von den Taliban vergewaltigt worden. Ein Mädchen sei bei ihrer Hochzeit entführt worden und dies sei in der Stadt Herat passiert. Außerdem hätten sie in Afghanistan niemanden mehr, da sich ihre Eltern und die Schwester in den Iran begeben hätten, nachdem die Taliban den Vater bedroht und ihm vorgeworfen hätten, warum er seine Söhne ins Ausland geschickt habe.

Zu seiner Integration im Bundesgebiet führte der 1.-BF aus:

Er lebe seit 11/2 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder, dem 2.-BF, in XXXX in einer Wohnung der Caritas. Zuvor hätten sie gemeinsam mit ihrem älteren Bruder (der bereits anerkannter Flüchtling im Bundesgebiet ist) in XXXX gewohnt,. Die Wohnung werde von der Caritas finanziert. Er habe vormals eine Freundin gehabt, doch sei ihr Vater gegen die Beziehung gewesen, es bestehe aber immer noch ein freundschaftlicher Kontakt. Er habe die Integrationsprüfung mit dem Sprachniveau B1 abgeschlossen und sei ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig. Dort habe er im Jahr 2018 558 Stunden gearbeitet. Er habe sich auch für den Rettungssanitäterkurs angemeldet, der im nächsten Monat beginne. Er lerne jedoch jetzt schon den medizinischen Teil, dann "sei es leichter beim Kurs". Seine Tätigkeit beim Roten Kreuz sei, dass er dort als Dritthelfer im Rettungswagen mitfahre, er arbeite dort in unterschiedlichem Ausmaß, je nachdem wie viel Zeit er habe. Vor dem Pflichtschulabschluss sei er öfter mitgefahren, währenddessen habe er weniger Zeit gehabt. Er bekomme dort € 0,30 (in Worten: 30 Cent!) pro Stunde. Er werde zunächst die Rettungssanitäterprüfung machen und bei der Rettung arbeiten, anschließend möchte er die Matura oder die Studienberechtigungsprüfung ablegen und als Lehrer für Biologie und Islam tätig sein. Seinen Lebensunterhalt finanziere er durch Geld von der Caritas, zudem arbeite er 22 Stunden pro Monat bei der Gemeinde, wodurch er €110,- ins Verdienen bringe. Er habe weiters zwei Monate lang einen behinderten Mann aus Niederösterreich betreut. In seiner Freizeit spiele er Floorball, Volleyball und zuvor in XXXX Tischtennis, weil es dort keine andere Möglichkeit gegeben habe. Er habe einen regen Kontakt zu seinem älteren Bruder und dessen Familie, konkret würden sie einander jeden Tag ein bis zwei Mal sehen, die Familie seines Bruders wohne nur zehn Gehminuten entfernt. Er habe auch einen sehr engen Kontakt zu seinem Neffen und zu seiner Nichte. Oftmals treffe er sich mit zwei Freundinnen aus XXXX , die Kinder haben, sodass er mit seiner Nichte und/oder dem Neffen und die Freundinnen mit den Kindern gemeinsam zum Spielplatz oder zum Schwimmen gehen. Er habe auch Kontakt zur Einheimischen, u. a. eine Dame, die er als "Ersatzmutter" bezeichne, die ihm bei der Integration geholfen habe. Diese Person sehe er mittlerweile ca. einmal pro Woche. Er verbringe auch Zeit beim Volleyballspielen mit Studenten und Pensionisten und habe viele Freunde. Zudem engagiere er sich bei einem Projekt, wie sich Afghanen in Österreich besser integrieren könnten. Diesbezüglich gibt es Kontakte in XXXX mit Leuten vom österreichischen Integrationsfond und Seminare.

In der Verhandlung brachte der 1.-BF schriftlich, ergänzend zu den bereits eingebrachten Unterlagen, eine

* Bestätigung der psychosozialen Beratungsstelle XXXX vom 05.04.2019, darüber, dass er sich in psychologischer Beratung befinde und eine fachärztliche Behandlung erforderlich sei,

in Vorlage.

Der 2.-BF führte zu seiner Integration im Bundesgebiet aus:

Er lebe mit seinem Bruder, dem 1.-BF aktuell in XXXX ; er gehe keiner beruflichen Tätigkeit nach, besuche aber, nachdem er erfolgreich den Pflichtschulabschluss gemacht habe, seit einem Monat das Gymnasium in XXXX . Er sei dort außerordentlicher Schüler und bekomme für den Fall, dass er dort alles schaffe, auch ein Zeugnis. Er besuche die 5. Klasse des Bundesrealgymnasiums. Er habe einige Bewerbungen bei Firmen geschrieben, habe jedoch keine positive Antwort bekommen. Sein Leben finanziere er ebenfalls aus der Grundversorgung und von der Caritas, er arbeite zudem in der Gemeindebücherei, wo er in einem Ausmaß von 6 Stunden pro Woche Bücher einbinde. In seiner Freizeit spiele er seit drei Jahren Floorball, in den letzten Jahren in der Bundesliga bzw. internationalen Bundesliga. Auch er habe einen sehr engen Kontakt zu seinem älteren Bruder und insbesondere zu seiner kleinen Nichte. Außerdem sei er bei den vom 1.-BF angesprochenen Projekten zur Integration von Afghanen in Österreich dabei, diese Projekte würden insbesondere die Themen Bildung und Religion beinhalten, wobei er sich mehr beim Thema Bildung, sein Bruder mehr beim Thema Religion einbringe. Er wolle Ingenieur werden und eigentlich eine HTL besuchen, doch habe man in einem zweiten Semester nicht in die HTL einsteigen können. Er habe Kontakte zu Österreichern, unter anderem zu seiner ersten Deutschlehrerin (der in der Verhandlung ebenfalls einvernommenen Zeugin XXXX ).

In der Verhandlung brachte der 2.-BF schriftlich, ergänzend zu den bereits eingebrachten Unterlagen, neben weiteren Empfehlungsschreiben folgende Urkunden ein:

* Schulbesuchsbestätigung des BG und BRG XXXX vom 03.04.2019 als auerordentlicher Schüler der Klasse XXXX

* Zeugnis über die Ablegung der Integrationsprüfung mit Sprachniveau B1, ÖIF vom 06.03.2019

Schließlich wurde in der Beschwerdeverhandlung die seitens der BF stellig gemachte Zeugin XXXX , zur Integration der BF einvernommen und gab diese im Wesentlichen zu Protokoll, dass sich beide BF durch ein hohes Bildungsniveau und Interesse an den heimischen Sitten auszeichnen würden. Sie sehe die beiden durchschnittlich ca. einmal pro Woche und würden sie gemeinsam sehr viel unternehmen, wie diverse Veranstaltungen, auch Rockkonzerte, und hätten sie auch bereits 3x Weihnachten gemeinsam gefeiert.

Ebenfalls als Zeugen einvernommen wurden der ältere (und im Familienverfahren bezogen auf seine Gattin XXXX als Flüchtling anerkannte) Bruder der BF XXXX , sowie dessen Ehegattin XXXX Aus beiden Zeugenaussagen ergibt sich, dass die Angaben der BF zu ihrem intensiven Kontakt zur Familie der Zeugen der Wahrheit entspricht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die ledigen und nunmehr volljährigen BF sind Staatsangehörige Afghanistans, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennen sich zum sunnitischen Glauben. Die BF stammen aus der Provinz Herat. Die Eltern und eine Schwester der BF sind mittlerweile im Iran aufhältig.

Die BF verließen ihr Heimatland aus den von ihnen dargelegten Gründen, konkret deshalb, da sie befürchteten im Heimatdorf von den Taliban zwangrekrutiert zu werden.

Im Fall der Rückkehr der BF in eine der großen Provinzhauptstädte Afghanistans, wie etwa konkret Herat-Stadt oder Mazar-e-Sharif können keine Indizien dafür erkannt werden, dass die BF landesweit von den Taliban mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gesucht bzw. bedroht werden würden.

Beide BF sind arbeitsfähig und leiden an keinen akut lebensbedrohenden Erkrankungen; beide sind strafrechtlich unbescholten.

Beide BF haben die ÖSD-Integrationsprüfung (Sprachkompetenz B1 und Werte- und Orientierungskurs gem. §5 Integrationsgesetz) und auch den Pflichtschulabschluss erfolgreich abgelegt.

Der 1.-BF seit dem Jahr 2017 ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig, indem er dort im Rettungswagen als Dritthelfer mitfährt. Er hat dort allein im Jahr 2018 558 Stunden freiwilligen Dienst verrichtet. Zudem arbeitet der 1.-BF 22 Stunden pro Monat im Rahmen eines Gemeindeprojektes, wodurch er monatlich € 110,- ins Verdienen bringt.

Der etwas jüngere 2.-BF ist noch keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, besucht jedoch derzeit die 5. Klasse des Bundesrealgymnasiums XXXX , indem er als außerordentlicher Schüler registriert ist, zudem arbeitet er 6 Stundenpro Woche in der Gemeindebücherei.

Beide BF engagieren sich bei einem Projekt zur besseren Integration von afghanischen Asylwerbern im Bundesgebiet, wobei die Themen Bildung und Religion im Fokus stehen. Diesbezüglich haben die BF Kontakte zum österreichischen Integrationsfond in XXXX und besuchen bzw. veranstalten diverse Seminare.

In ihrer Freizeit sind beide BF sportlich aktiv, indem sie vereinsmäßig Floorball spielen.

Beide BF haben schließlich einen als sehr eng zu bezeichnenden Kontakt zum gemeinsamen älteren Bruder samt dessen Familie (Ehegattin und 2 Kinder), die als Flüchtlinge in Österreich anerkannt sind. Konkret besteht der Kontakt in täglichen, teilweise mehrmaligen Besuchen und essen die BF auch 3 bis 4 Mal in der Woche gemeinsam mit der Familie ihres Bruders. Zudem pflegen die BF ein intensives Naheverhältnis zu ihrer Nichte und ihrem Neffen, mit denen sie regelmäßig gemeinsam mit anderen Freunden Spielplätze oder Schwimmbäder aufsuchen. Die BF werden von ihrem älteren Bruder auch in finanzieller Hinsicht nach Möglichkeit unterstützt.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

"Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Bild kann nicht dargestellt werden .

(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

Bild kann nicht dargestellt werden .

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Bild kann nicht dargestellt werden .

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

Bild kann nicht dargestellt werden .

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden.

(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

-

Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

-

Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

-

Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

-

Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

-

Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

-

Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

-

Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

-

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

-

Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

-

Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

-

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

-

Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten