TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/16 W224 2159008-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2019
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Entscheidungsdatum

16.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2159008-1/13E

Schriftliche Ausfertigung des am 27.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017, Zl. 1138126508-170114695, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Syriens, reiste am 26.01.2017 legal mit einem Touristenvisum in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.01.2017 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe Syrien und seitdem in Dubai gelebt. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte sie aus, sie habe etwa neun Jahre in Dubai gelebt, aber ihr Visum sei dort an eine Arbeitserlaubnis gekoppelt gewesen. Diese laufe ab und aus diesem Grund bestehe die Gefahr, dass sie ins Kriegsgebiet nach Syrien zurückmüsse.

2. Am 08.03.2017. Wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Sie sei Christin.

Auf die Frage nach ihren Fluchtgründen in Bezug auf Syrien gab die Beschwerdeführerin an, die Wohnung der Familie XXXX sei ständig unter Beschuss gestanden. Ihre Familie sei dann nach XXXX aufs Land geflüchtet. Dort habe es Bedrohungen und Bombenangriffe der Al Nusra Front gegeben. Es gebe dort keine medizinische Versorgung. Sie habe eine Schwester in XXXX gehabt, aber es gebe keinen sicheren Ort für die Beschwerdeführerin in Syrien. Sie selbst sei zum letzten Mal im März 2016 in Syrien zu Besuch bei ihrer Schwester gewesen. Sie habe von 2007 bis Jänner 2017 in Dubai gelebt. Zu jenem Zeitpunkt, als sie ihre Schwester besuchte, sei alles noch halbwegs gewesen. Sie sei einmal jährlich in Syrien zu Besuch gewesen. Sie habe Dubai verlassen, weil sie gekündigt wurde und keine andere Arbeit mehr gefunden habe. Aus diesem Grund sei ihr Aufenthaltstitel nicht mehr verlängert worden. Auf die Frage, ob sie die Lage der Christen schildern könne bzw. ob sie eine individuelle Bedrohung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit beschreiben könne, führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe die Sorge, auf dem Weg zur medizinischen Untersuchung nach XXXX entführt oder getötet zu werden, weil sie Christin sei. Ein näher bezeichneter Bruder sei wegen Drohungen und Übergriffen nach Schweden geflüchtet. Im Fall einer Rückkehr fürchte sie, entführt oder getötet zu werden. Christen würden als Außenseiter oder Spione der Regierung betrachtet und aus diesem Grund von den Leuten gehasst werden.

3. Das BFA wies mit Bescheid vom 31.03.2017, Zl. 1138126508-170114695, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe glaubhaft angegeben, Syrien wegen der allgemeinen Folgen des Bürgerkriegs verlassen zu haben, um in Österreich sicher zu leben und sich hier weiterzubilden. Es könne somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe.

Die Beschwerdeführerin sei zuletzt im März 2016 in Syrien gewesen, habe aber von 2007 bis 2017 in Dubai gelebt. Ihre Ausreise im Jahr 2007 sei nicht durch äußere Umstände erzwungen gewesen, sondern dadurch begründet, dass sie einen Arbeitsplatz in Dubai angenommen habe. Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aufgrund ihres christlichen Glaubens sei nicht anzunehmen im Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin, da dieses Gebiet unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehe. Die Befürchtungen, welche die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit einer Rückkehr nach Syrien darlegte, seien nicht durch individuelle Merkmale gekennzeichnet.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde machte sie die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführerin drohe eine Verfolgung durch islamistische Gruppierungen bei der Wiedereinreise nach Syrien aufgrund ihres christlichen Glaubens.

5. Am 27.03.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher Folgendes auszugsweise erörtert wurde:

"[...]

R: Sind Sie legal in das Bundesgebiet eingereist?

BF: Ja.

R: Sie hatten ein Touristenvisum?

BF: Ja.

R: Haben Sie zu Ihrer Familie in Syrien noch Kontakt?

BF: Nicht mehr, nachdem ich nach Österreich gekommen bin.

R: Wo haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat gelebt bevor Sie ausgereist sind?

BF: In XXXX , das ist ein Bezirk in XXXX . Danach in XXXX , das ist auch ein Bezirk in XXXX .

R: Unter wessen Kontrolle steht die Stadt momentan?

BF: XXXX war von der syrischen Regierung belagert, weil die Opposition sich dort befand. XXXX wurde befreit, aber niemand darf wieder in den Bezirk zurück. Und XXXX steht unter Kontrolle der syrischen Regierung.

Es wird in die folgende Internetseite Einsicht genommen

https://syria.liveuamap.com/

Es geht hervor, dass das Regime in XXXX und Umgebung die Kontrolle hat.

R: Wie sind Sie aus Syrien ausgereist?

BF: 2005 habe ich Syrien legal verlassen. Ich bin nach Dubai gegangen und habe dort gearbeitet, danach war ich nur auf Besuch in Syrien.

R: Wann waren Sie zum letzten Mal in Syrien?

BF: 2016.

R: Wo waren Sie da?

BF: Ich blieb bei meiner Schwester, sie hat in XXXX gelebt. Sie ist mittlerweile in Österreich.

R: Haben Sie einen syrischen Reisepass?

BF: Ja.

R: haben Sie den zufällig da?

BF: Nein.

R: Ist dieser Reisepass noch gültig?

BF: Nein, der ist entweder im April 2017 oder im April 2018 abgelaufen. Ich glaube 2018.

[...]

R: Schildern Sie Ihre Fluchtgründe, also die Gründe, aus denen Sie die Syrien verlassen haben, abschließend.

BF: 2005 oder 2016?

R: Sie haben in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ich bitte Sie, dass Sie die entsprechenden Gründe dafür schildern.

BF: Erstens wegen der allgemeinen Lage der Christen in Syrien. Wir sind die Minderheit, deshalb wurden wir unter Druck gesetzt. Und zweitens, weil mein Bruder und meine Schwester Probleme hatten und das Land verlassen haben.

R: Würden Sie das vielleicht näher ausführen?

BF: Es gab schon Diskriminierung wegen unserer Religion. Aus diesem Grund hat mein Vater uns arabische und keine christlichen Namen gegeben. Mein Bruder hat auch zwei Kinder, er hat ihnen auch arabische Namen gegeben. Nach dem Bürgerkrieg wurden die Christen mehr unter Druck gesetzt, mein Bruder hat ein Kreuz und auch ein Foto von Maria im Auto gehabt, wenn er das jetzt machen würde, würde er sofort entführt und ermordet werden. Mein Bruder, der in Schweden ist, hat in XXXX in XXXX einen Lagerraum bewachen müssen, das war sein Job. Seine Kollegen haben Gruppierungen bewachen müssen und sie haben dort Waffen versteckt. Mein Bruder wurde von der syrischen Regierung festgenommen. Diese hat behauptet, dass er die Rebellen unterstützt hat, aber die Rebellen glauben, dass er sie verraten hat. Beide Seiten haben ihn verfolgt.

R: Aber was ist Ihr Fluchtgrund?

BF: Ich habe Angst, wenn ich wieder nach Syrien zurückkehren müsste, von der syrischen Regierung festgenommen und befragt zu werden, weil mein Bruder, der in XXXX gelebt hat, hätte zu einer Befragung durch die syrische Regierung erscheinen sollen. Er sollte wegen meinem Bruder, der jetzt in Schweden lebt, befragt werden. Er lebt momentan in der Stadt XXXX , weil er Angst hat zurück nach XXXX zu gehen, obwohl er dort ein Haus hat.

R: Wann hätte Ihr Bruder zu dieser Befragung gehen sollen?

BF: Das war 2017. Er war bei einer Befragung. Er war 3 Tage in Untersuchungshaft, dann wurde er entlassen. Mein zweiter Grund ist, dass wir die Minderheit sind und die Befreiungsarmee die Christen verfolgt, weil sie glauben, dass wir die syrische Regierung unterstützen. Mein Bruder traut sich nicht, sich in Syrien alleine zu bewegen, weil er Angst hat entführt zu werden. Die meisten Personen die entführt wurden sind Christen, aus Sicht der Befreiungsarmee ist es nämlich erlaubt, Christen zu töten.

R: Aber in XXXX ist ja zurzeit keine Befreiungsarmeeangehörige und oder andere Islamisten.

BF: Ich habe niemanden mehr in XXXX , aber in den Orten in der Nähe von XXXX , vor allem in XXXX . Dort sind die Radikalen. Ein Freund meines Cousins hat ihm gesagt, dass es erlaubt ist uns umzubringen, weil wir Christen sind. Aber auch vor dem Krieg wurden wir Diskriminiert und Kinder haben uns auf der Straße ausgelacht. Eines Tages war ich mit einer Freundin von mir im XXXX Bezirk, das ist ein christlicher Bezirk in Syrien, unterwegs und hatte plötzlich das Gefühl, dass etwas warm auf meiner Hose ist. Jemand hatte Säure auf uns geschüttet und ich musste eine neue Hose kaufen.

R: Sie konnten ja zwischen 2011 und 2016 immer wieder nach Syrien zurückkommen und wieder ausreisen. Somit hat sich doch keine Verfolgung für Sie ergeben?

BF: Man kann nicht garantieren, wie die syrische Regierung mit den Personen umgeht, vielleicht wegen meines Bruders (der in Schweden ist) hätte mich jemand verraten und man hätte mich bei der Einreise festgenommen. Ich kann nicht mehr zurück nach XXXX , weil die Kollegen meines Bruders wissen wo wir wohnen. Sie glauben, dass mein Bruder sie verraten hat.

R: Wann ist Ihr Bruder nach Schweden ausgereist bzw. wann war der Vorfall, den Sie geschildert haben?

BF: Der Vorfall ist 2016 passiert. Er hat das Land Anfang 2016 verlassen.

R: Aus dem Verfahren des BFA geht hervor, dass Sie im März 2016 auf Besuch in Syrien waren. Ich finde es nicht plausibel, dass Sie im März 2016 nochmal in Syrien auf Besuch waren, wenn Ihrem Bruder bereits Verfolgung droht.

BF: Ich habe damals meine Schwester für 9 Tage besucht.

R: Außerdem haben Sie dieses ganze Vorbringen mit Ihrem Bruder im Verfahren vor dem BFA nicht geschildert, weshalb dieses Vorbringen aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtet bleiben muss.

BF: Vor der Behörde bei der Einvernahme, hat mich der Referent befragt ob meine Familie bedroht wurde oder nicht. Ich habe ihm geantwortet, aber er hat mich nicht näher befragt.

R: Laut Ihrer Aussage beim BFA, haben Sie am 08.03.2017 angegeben, dass Ihr Bruder schon seit 2,5 Jahren in Schweden ist, das wäre 2015. Kann das stimmen?

BF: Ja, er hat das Land Ende 2015 verlassen, das war anderthalb Jahre vor meiner Ausreise. Ich habe die Lage der Christen erwähnt, aber auch wie der Rest meiner Familie in XXXX lebt. Mit meiner Beschwerde wollte ich Beweise über die Lage in XXXX -Land, in der Nähe vom Ort XXXX , vor allem wo die Christen leben. Dort befinden sich auch Radikale die die Christen verfolgen. Ich habe überall recherchiert und ich wollte Beweise vorlegen, dass die Christen dort verfolgt werden. Ich habe aber nichts gefunden, was nicht die Realität ist.

R: Aber, wenn die Christen in dem kleinen Ort verfolgt werden, können Sie auch woanders leben, wo Christen nicht verfolgt werden.

BF: Ja, aber die Christen leben dort. Sie müssen auch arbeiten gehen, die Kinder in die Schule schicken, zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen.

R: Aus dem bisherigen Verfahren geht hervor, dass Sie bis März 2016 regelmäßig von Dubai nach Syrien und retour nach Dubai gereist sind. Dabei wurden Sie offensichtlich nicht asylrelevant bedroht, sonst wären sie wohl nicht immer wieder nach Syrien zurückgekehrt. Im Jahr 2017 ist Ihr Visum und Ihre Arbeitserlaubnis für Dubai abgelaufen und Sie haben noch vor Ablauf mit einem Touristenvisum Ihre Reise nach Österreich angetreten und hier einen Asylantrag gestellt.

BF: In Dubai durfte ich noch 6 Monate bleiben um eine neue Arbeit zu suchen. Ich konnte es mir nicht vorstellen wieder zurück nach Syrien zu gehen und dort zu leben, weil ich Christin bin Ich möchte meine Religion weiter praktizieren. Ich möchte kein Kopftuch tragen müssen. Ich wohne seit 12 Jahren im Ausland und die Freiheit meine Religion auszuüben hat sich in den letzten Jahren geändert.

R: Inwiefern hat sich das geändert?

BF: In den Orten, an denen ich in Syrien war, durfte ich nicht weiter westlich kleiden wie damals.

R: Wann? Während des Krieges?

BF: Das hat sich nach dem Krieg geändert.

R: Aber wieso sind Sie immer wieder hingefahren, wenn Sie Angst haben?

BF: Es ist etwas Anderes, wenn man nur 9 Tage dort bleibt oder ob man für immer dortbleibt. Wir, die christlichen Araber, sind noch am Leben, weil unsere Urgroßeltern damals Geld bezahlt haben, damit uns nichts passiert.

R: Haben Sie in Dubai ein Kopftuch getragen?

BF: Nein, aber ich kann nicht zurück nach Dubai. Ich brauche eine Arbeitsbewilligung.

R: Wie üben Sie Ihre Religion in Österreich aus?

BF: In Salzburg habe ich in einer Unterkunft für Theologiestudenten gewohnt. Ich besuche die Kirche regelmäßig, vor allem die Messe. Ich bin auch ein Mitglied beim Kirchenchor.

R: Wie können Sie im Chor singen, wenn Sie kein Deutsch können?

BF: Alle Studenten, die diese Kirche besuchen, benutzen in der Kirch die aramäische Sprache. Die meisten sind Christen-Araber, Türken oder Inder. Wenn wir beten benutzen wir die Sprachen aramäisch oder Englisch. Ich helfe in der Kirche regelmäßig und könnte diesbezüglich ein Empfehlungsschreiben bringen.

R: Wie haben Sie in Syrien Ihre Religion ausgeübt?

BF: Vor dem Krieg haben wir regelmäßig die Kirche besucht. Aber während des Krieges sagten mir meine Geschwister, dass sie Angst hatten die Kirche zu besuchen, weil viele Kirchen angegriffen wurden.

R: Wo leben Ihre Eltern?

BF: In XXXX -Land. Im Internet gibt es Beweise, dass die Orte in der Nähe von Mihardeh nicht sicher sind. Aber das was im Internet steht ist nur auf Arabisch. Da steht auch, dass die christlichen Dörfer ein Ziel für die Radikalen sind.

Es wird in die folgende Internetseite Einsicht genommen

https://syria.liveuamap.com/

Es geht hervor, dass das Regime in XXXX und Umgebung die Kontrolle hat.

BF: XXXX -Land ist in der Nähe von XXXX -Land und wie gesagt, in den Nachrichten steht nicht, dass es dort Kampfhandlungen gibt.

R: Die Internetseite https://syria.liveuamap.com/ wird von internationalen Organisation und von Militäreinrichtungen stundenaktuell mit den entsprechenden Daten bestückt. Als wenn da von Kampfhandlungen nichts hervorgeht, kann ich Ihnen nicht einfach so glauben, insofern Sie mir auch keine gegenteiligen Unterlagen vorlegen.

BF: Ich habe den Beweis, aber auf Englisch. Ich habe ihn nicht mit.

BF sucht in ihrem Smartphone, aber es gibt offenbar keine Internetverbindung.

R an RV: Möchten Sie eine Stellungnahme abgeben?

RV: Ja. Dem Vorhalt bezüglich Neuerungsverbot wird folgendes entgegnet: Die BF hat in der Einvernahme geschildert, dass ihr Bruder XXXX verfolgt worden und deswegen geflüchtet ist. Da ihr in der Einvernahme weder fragen dazu gestellt wurden, noch ihr Gelegenheit zum schildern dieser Bedrohung geboten wurde, nutzte die BF die Beschwerde zur vertiefenden Darstellung der Verfolgung ihres Bruders. Im Abgleich mit den zugrunde gelegten LIB ergibt sich das Bild, dass die Schwelle vom Regime als auch Oppositionell wahrgenommen zu werden sehr niedrig ist. Notorisch ist, dass Personen bei einer Wiedereinreise nach Syrien kontrolliert werden. Personen die verdächtig erscheinen, sind stark gefährdet verhört, inhaftiert, misshandelt oder gar willkürlich hingerichtet zu werden. Die BF ist Familienangehörige ihres Bruders, der vom Regime bereits als oppositionell wahrgenommen wurde und geflüchtet ist. Danach wurde sogar ihr anderer Bruder ( XXXX ) vom syrischen Regime geladen und verhört. Die der BF bei Wiedereinreise drohende unverhältnismäßige Behandlung wird insbesondere durch den Umstand verschärft, dass die BF denselben Nachnamen führt wie ihre Brüder.

R: Dazu muss ich erneut festhalten, dass die BF nach der Ausreise ihres Bruders XXXX abermals, offenbar ohne Probleme, nach Syrien ein- und wieder ausreisen konnte.

R: Ich habe zu Ihrem Verfahren vorerst keine weiteren Fragen.

R an BF und RV: Wollen Sie noch etwas Ergänzendes vorbringen oder Beweisanträge stellen?

BF: Mein Bruder Samir wurde 2017 von der syrischen Regierung verhört. Das letzte Mal war ich 2016 in Syrien. Es besteht die Gefahr, wenn ich zurückkehren müsste, dass ich auch von der syrischen Regierung geladen und verhört werde. Wir Christen sind die Minderheit in Syrien. Als die Befreiungsarmee den, für Christen heiligen Ort, XXXX angegriffen hat, hatte die syrische Regierung die Möglichkeit die Befreiungsarmee zu stoppen. Das hat sie aber nicht getan. Sie wollten den Medien einfach zeigen, dass sie später gekommen sind um XXXX zu befreien.

R fragt die BF, ob sie den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht."

In der mündlichen Verhandlung verkündete die zuständige Richterin gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG, dass die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wird.

Am 11.04.2019 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, dass eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses ergehen möge.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige, syrische Staatsangehörige. Sie gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie lebte von 2007 bis Jänner 2017 in Dubai, wobei sie sich seit 2011 einmal jährlich nach Syrien zu einer ärztlichen Untersuchung begab. Das letzte Mal war sie im März 2016 in Syrien. Danach reiste die Beschwerdeführerin wieder problemlos nach Dubai aus. Die Beschwerdeführerin reiste in Österreich mit einem Touristenvisum ein und stellte am 26.01.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sie reiste unter Verwendung ihres syrischen Reisepasses aus Syrien aus.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Heimatstaat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens auf Grund der instabilen Sicherheitslage und des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe Syrien auf Grund des Krieges und der damit in Zusammenhang stehenden schlechten Sicherheitslage verlassen, ist glaubwürdig und wird der Beurteilung zu Grunde gelegt. Eine drohende asylrelevante Verfolgung ist aus dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht hervorgekommen, auch nicht aus amtswegiger Wahrnehmung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt wird, weil sie Angehörige des röm.-kath. Glaubens ist und ihr aus diesem Grund oppositionelle Gesinnung vom Regime oder eine sonstige feindliche Gesinnung von Seiten islamistischer Gruppierungen unterstellt würde.

Es ist vor diesem Hintergrund nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in Syrien asylrelevant verfolgt wird.

Alle sonstigen Gründe, die vorgebracht wurden ergeben sich auf Grund der aktuellen Bürgerkriegssituation in Syrien, auf Grund derer der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Eine individuelle Verfolgung brachte die Beschwerdeführerin nicht vor.

Es kann festgestellt werden, dass der letzte Herkunftsort der Beschwerdeführerin, der in XXXX und in XXXX , XXXX -Land/Syrien, liegt, unter Kontrolle des Regimes steht. Dieses Ermittlungsergebnis wurde der Beschwerdeführerin auch in der mündlichen Verhandlung durch Einsichtnahme in die Karte https://syria.liveuamap.com/ vorgehalten und sie ist diesem auch nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich ihrer Ausreise droht der Beschwerdeführerin keine Verfolgung bzw. Bestrafung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch das Regime in Syrien, auch nicht im Zuge der Einreise. Denn die Beschwerdeführerin ist legal ausgereist. Ein anderer Grund, aus dem man der Beschwerdeführerin eine oppositionell-politische Gesinnung unterstellen sollte, ist nicht hervorgekommen.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 28.01.2018; aktualisiert im August 2018):

1. Folter und unmenschliche Behandlung

Seit Beginn des Aufstands setzten die Sicherheitskräfte zehntausende Menschen willkürlichen Verhaftungen, ungesetzlicher Haft, dem Verschwindenlassen, Misshandlungen und Folter in einem breiten Netzwerk von Haftanstalten aus. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016).

Freigelassene Gefangene und MitarbeiterInnen der Sicherheitskräfte, die sich abgesetzt haben ("defectors"), berichten von einer Anzahl von Foltermethoden, die von den syrischen Sicherheitskräften verwendet werden. Dazu zählen langes Schlagen - oft mit Schlagstöcken und Drähten - schmerzhafte Stresspositionen, Elektroschocks, sexuelle Angriffe, das Ziehen von Fingernägeln und Scheinhinrichtungen. (HRW 21.1.2014)

Bewaffnete Oppositionsgruppen begehen in wachsendem Ausmaß schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Folter. Ausländische Kämpfer und jihadistische Gruppen sind unter den schlimmsten Tätern. (HRW 21.1.2014) Aber auch die Freie Syrische Armee foltert einem Überläufer zufolge - manchmal mit tödlichem Ausgang. (UK 11.09.2013)

Von den Aufständischen gefangengenommene syrische Sicherheitskräfte oder ihre angeblichen UnterstützerInnen machen unter Folter Geständnisse. Dazu gibt es viele Videoaufzeichnungen, welche Gefangene mit Zeichen physischer Misshandlungen zeigen. (UK 11.09.2013)

Vergewaltigungen, meist von Frauen, aber auch von Männern und Buben, sind zu einer Kriegswaffe geworden. Laut Menschenrechtsgruppen werden die meisten Vergewaltigungen von Gruppen begangen, die den Regimekräften zuzuordnen sind. (FH 23.1.2014)

Regierungskräfte verhafteten, folterten und töteten Hunderte von Angestellten des Gesundheitsbereichs und PatientInnen. Sie griffen absichtlich Fahrzeuge an, die PatientInnen und Vorräte transportierten. (HRW 21.1.2014) Ambulanzfahrer, Krankenschwestern, ÄrztInnen und Helfer würden attackiert, verhaftet oder verschwinden. Auch Schwerverwundete wurden aus Krankenhäusern entführt, weil ihre Verletzungen als Beweise für oppositionelle Unterstützung gewertet wurden. Die extremsten Beispiele lieferte ein Militärkrankenhaus in Homs. Dort wurden Verletzte gefoltert und ÄrztInnen befohlen, die Opfer am Leben zu erhalten, um sie weiter verhören zu können. (ARD 16.9.2013)

2. Risikoprofile

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofilen wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind (siehe Absatz 39). Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Personen, die eine oppositionelle Einstellung haben oder denen eine solche unterstellt wird: Die Regierung wendet für die Definition von oppositioneller Einstellung sehr breite Kriterien an: So kann jede Form von Kritik, Opposition oder mangelnde Loyalität der Regierung gegenüber, in welcher Art auch immer ausgedrückt, zu ernsthaften Konsequenzen für die Person führen. Viele Protestierende, Aktivisten/Aktivistinnen, Wehrdienst-verweigerer, Deserteure, partizipative (Bürger-) Journalisten/Journalistinnen ("citizen journalists"), Ärzte/Ärztinnen und Personen, die humanitäre Hilfe leisten, und denen eine oppositionelle Haltung unterstellt wurde, wurden willkürlich verhaftet, gefoltert, misshandelt und standrechtlich hingerichtet. Viele wurden unter Anti-Terrorismusgesetzen verurteilt, die schwere Strafen vorsehen, wobei "Terrorismus" in diesem Gesetz sehr vage und breit definiert wird. Die meisten Gefangenen werden nie angeklagt. Tausende Zivilisten/Zivilistinnen wurden vor Strafgerichten, dem Anti-Terrorismus-Gericht in Damaskus und Militärgerichten in Verfahren verurteilt, die keine internationalen Fairness-Standards einhalten; häufig nach mehrmonatiger Haft in Untersuchungshafteinrichtungen, die von Sicherheitsbehörden geführt werden, und auf Basis von erzwungenen Geständnissen. Strafen sind Berichten zufolge hart. Die Regierung überwacht politische Treffen, die Post und Onlineaktivitäten. Unzählige Personen wurden verhaftet, weil sie auf social media Fotos oder Videos "geliked" oder geteilt haben, die oppositionelle Meinungen vertreten oder unterstützen. Die sog. Syrische Elektronische Armee hackt Websites und social media Seiten von oppositionellen Gruppen, westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen.

Syrer_innen, die im Ausland in regierungsgegnerische Proteste verwickelt waren, wurden systematisch überwacht, eingeschüchtert und teilweise physisch durch Botschaftsangestellte und andere angegriffen. Familienangehörige von Syrer_innen, die sich im Ausland an Protesten oder ähnlichen Aktivitäten beteiligen, wurden in Syrien befragt, bedroht, verhaftet, körperlich misshandelt oder sogar getötet.

Die echte oder unterstellte regierungsgegnerische Einstellung einer Person wird häufig auch Personen in ihrem Umfeld zugeordnet, wie Familienangehörigen, Nachbarn oder Kollegen/Kolleginnen. Familienangehörige von Aktivisten/Aktivistinnen, Mitgliedern von Oppositionsparteien, Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern wurden Ziel von willkürlichen Verhaftungen, Folter, Misshandlungen, auch sexueller Gewalt und standrechtlicher Exekution. In Fällen, in denen eine gesuchte Person, der eine oppositionelle Haltung unterstellt wird, nicht gefunden werden kann, werden Familienangehörige verhaftet und misshandelt, um zu erfahren, wo die Person ist, damit sie sich stellt, oder um ihre Handlungen zu bestrafen. Weibliche Familienangehörige werden Berichten zu Folge auch zum Tausch bei Gefangenenaustauschen mit regierungsgegnerischen bewaffneten Gruppen verwendet. Nachbarn, Freunde und Kollegen waren ebenfalls Ziele solcher Praktiken.

Aus Angst wird häufig Abstand genommen, sich über eine Verhaftung zu beschweren; stattdessen werden Bestechungsgelder bezahlt, um einen Verhafteten verlegen zu lassen oder freizubekommen. Präsidentielle Amnestien ermöglichten auch Bestechungen von Richtern/Richterinnen. In besonders schweren Fällen wurden ganze Familien von Oppositionellen oder Deserteuren verhaftet oder ermordet, zB während einer Hausdurchsuchung.

Personen, die leicht von den syrischen Behörden als regierungskritisch wahrgenommen werden, oder die Sympathisanten sind oder Verbindungen zur Opposition haben, werden wahrscheinlich internationalen Schutz wegen ihrer auch nur unterstellten politischen Gesinnung benötigen. Der reine Verdacht einer solchen Haltung reicht aus, um eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auszulösen.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie andere Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder von Parteien, die der Regierung verbunden sind; tatsächliche und vermeintliche Mitglieder von Streitkräften der Regierung sowie Zivilbürger, von denen angenommen wird, dass sie mit Streitkräften der Regierung zusammenarbeiten; Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsnahen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen ISIS de facto die Kontrolle oder Einfluss ausübt.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner bewaffneter oppositioneller Gruppen sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen diese Gruppen de facto die Kontrolle ausüben.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von PYD/YPG sind und sich in Gebieten aufhalten, in denen PYD/YPG de facto die Kontrolle ausüben.

* Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;

Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;

Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich vermögend oder einflussreich sind.

* Mitglieder religiöser Gruppen, einschließlich Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen und Jesiden.

* Personen, die vermeintlich gegen die Scharia verstoßen und in Gebieten leben, die unter der Kontrolle oder dem Einfluss extremistischer islamistischer Gruppen stehen.

* Angehörige ethnischer Minderheiten, einschließlich Kurden, Turkmenen, Assyrer, Tscherkessen und Armenier.

* Frauen, insbesondere Frauen ohne Schutz durch Männer, Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, von Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden, oder einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

* Kinder, insbesondere Kinder, die in der Vergangenheit festgenommen wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind; sowie Kinder, die Opfer von Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten, sexueller und häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Menschenhandel und systematischer Verweigerung des Zugangs zu Bildungsangeboten wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

* Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität.

* Palästinensische Flüchtlinge.

Prinzipiell können Syrer_innen unter Verwendung ihrer Pässe (oder ID-Karten für den Libanon) das Land über jeden Grenzposten, der in Betrieb ist, verlassen. Personen, die ohne gültige Ausweise, nicht über offizielle Grenzübergänge oder ohne Genehmigung ein- oder ausreisen, können mit Haft- oder einer Geldstrafe belegt werden.

Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte/Beamtinnen (von ihrem Ministerium/ihrer Dienststelle); Berufssoldaten (die, die ohne Genehmigung das Land verlassen, werden wie Deserteure behandelt); Kinder (benötigen die schriftliche Zustimmung des Vaters); Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 42 (benötigen die Zustimmung der Einrichtung, die Einberufungen vornimmt. Nach Informationen des UNHCR betrifft diese Genehmigungspflicht auch Personen, die eine Ausnahmegenehmigung haben; nach Ablauf der Ausnahmegenehmigung wird erwartet, dass sie zum Militärdienst antreten, andernfalls werden sie als Wehrdienstverweigerer angesehen).

3. Religionsfreiheit

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, und dass die islamische Rechtsprechung eine Hauptquelle des Gesetzes darstellt (USDOS 15.8.2017). Die Behandlung von Angelegenheiten des Personenstandsrechtes erfordert die Zugehörigkeit jedes Bürgers zum Christentum, Islam oder Judentum, und die Personen fallen unter die jeweilige Gesetzgebung ihrer religiösen Gruppe in Fällen von Eheschließungen oder Scheidung (USDOS 15.8.2017; vgl. Eijk 2013). Die Religionszugehörigkeit einer Person wird nicht auf der Identitätskarte vermerkt, muss jedoch beim Zivilregister registriert werden. Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu haben. Atheisten existieren in Syrien nicht, zumindest nicht laut dem Zvilregister (Eijk 2013). Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet auch "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften" (SWP 5.2014; vgl. USDOS 15.8.2017). Ein zum Islam konvertierter Erwachsener kann außerdem nicht zu seinem ursprünglichen Glauben zurück konvertieren (Eijk 2013).

Am Beginn des Konfliktes waren Angriffe auf Minderheiten kein zentraler Bestandteil des Krieges, wobei manche Minderheiten der Gewalt mehr ausgesetzt waren als andere. Die Handlungen von Seiten des Regimes haben jedoch dazu beigetragen, dass die konfessionelle Dimension des Konfliktes eskalierte, was zu willkürlichen Angriffen gegen Zivilisten, auf Basis ihrer Identität und wahrgenommenen Verbindung mit der Regierung oder der Opposition, führte (MRG 12.7.2016; vgl. Welt 4.4.2016). Auch die vermehrte Beteiligung von internationalen Akteuren verstärkte die konfessionellen Spannungen (MRG 12.7.2016).

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder von bestimmten Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen den bewaffneten Aufstand von oppositionellen Gruppierungen niederzuschlagen. Laut mehreren Beobachtern des Konfliktes wandte das Regime Taktiken an, die darauf abzielten die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass dieser als ein Konflikt gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte Berichten zufolge auf Städte und Nachbarschaften mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizierten und eine Unterstützerbasis haben, die fast ausschließlich aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt existierten. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei (USDOS 15.8.2017). Auch der IS ist für Menschenrechtsverletzungen Sunniten gegenüber verantwortlich (USDOS 2.6.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

4. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).

Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).

Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).

4.1. Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).

4.2. Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF)

Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF), sind das größte Netzwerk von Milizen in Syrien (CMEC 2.3.2015; vgl. DIS 26.2.2015). Das Netzwerk verfügt über eine 2013 gegründete Dachorganisation für verschiedene, mit dem Regime alliierte Milizen und paramilitärische Gruppierungen. Die genaue Mannstärke der NDF ist nicht bekannt, Schätzungen reichen jedoch von 60.000 bis 100.000 Mitgliedern. Kämpfer der NDF gelten als dem Regime loyaler als die Wehrdienstleistenden in der Armee. Die Vorgehensweise der NDF variiert stark zwischen den einzelnen Gebieten. In manchen Gebieten sind Gruppierungen der NDF disziplinierter und in anderen agieren sie eher wie bewaffnete und gewalttätige Banden (FIS 23.8.2016).

In den NDF sind auch Gruppen organisiert, die auf religiöser Zugehörigkeit basieren. So gibt es zum Beispiel eigene Gruppen für Alawiten oder Christen. Manchmal findet die Rekrutierung zu den NDF auf Stammesbasis statt. Rekrutierung durch den Stamm ist vor allem in ländlichen Gegenden wichtig (FIS 23.8.2016). Die NDF sind unter Provinzkommandeuren organisiert (CMEC 2.3.2015). Indem man den NDF beitritt, kann man den Wehrdienst bei der syrischen Armee vermeiden und den eigenen Einsatzort besser beeinflussen und entscheiden, um in der Nähe der eigenen Familie stationiert zu werden. Dies macht den Dienst bei den NDF für jene attraktiver, die sich weigern, zur Armee zu gehen, weil sie dann von zu Hause weggeschickt würden (FIS 23.8.2016).

Der Beitritt zu den NDF ist grundsätzlich freiwillig und anders als in der Armee kann man einen Vertrag unterschreiben, um eine begrenzte Zeit bei den NDF zu dienen. Junge Menschen treten den NDF bei, um in der Nähe ihrer Familien bleiben zu können, um Geld zu verdienen oder eine Waffe zu bekommen. Die Bevölkerung traut diesen Gruppen mehr als der Armee, ihr Fundament sind regionale und lokale Netzwerke. Obwohl generell der Beitritt zu den NDF freiwillig geschieht, kann auch sozialer Druck herrschen, den NDF beizutreten (FIS 23.8.2016).

Milizen der NDF sollen auch Kinder zwangsrekrutiert haben (USDOS 30.6.2016). Es gab Fälle in denen junge Männer von 16 oder 17 Jahren rekrutiert wurden, da die NDF nicht dem Gesetz unterstehen. Rekruten der NDF bekommen einen Identitätsausweis. Als dezidiert Freiwillige sind Angehörige der NDF bei Rebellen verhasster, als reguläre Soldaten - die unter Umständen zwangsrekrutiert worden sind, weshalb diese in noch größere Gefahr laufen, bei Gefangennahme getötet zu werden (FIS 23.8.2016).

4.3. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind der bewaffnete Flügel der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (FIS 23.8.2016). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kommt es zu Zwangsrekrutierungen, sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen, oder zu rechtlichen Konsequenzen (KurdWatch 30.6.2016; vgl. SEM 21.12.2015). Das Grundproblem dieses Gesetzes besteht zum einen darin, dass es nicht von einer dazu legitimierten staatlichen Instanz beschlossen wurde, sondern von einem von der PYD eingesetzten Gremium. Beim bewaffneten Arm der PYD, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), handelt es sich nicht um eine quasistaatliche Armee, sondern um eine Parteimiliz. Zum anderen sieht das Gesetz keine Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vor (KurdWatch 5.2015).

4.4. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).

5. Behandlung nach Rückkehr

Laut der International Organization for Migration (IOM) sind zwischen Januar und Juli 2017 602.759 vertriebene Syrer in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. 93 Prozent davon sind Binnenvertriebene gewesen und 7 Prozent kehrten aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien und dem Irak nach Syrien zurück. Rückkehrer aus der Türkei und Jordanien kehrten hauptsächlich in die Provinzen Aleppo und Hassakah zurück (IOM 11.8.2017). Am Beginn des Jahres kam es zur Rückkehr von etwa 150.000 Personen (Zeitraum Januar-April 2017) nach Ost-Aleppo, wobei die Dauerhaftigkeit dieser Rückkehr fragwürdig ist, da die Zahl der beschädigten Unterkünfte in Ost-Aleppo sehr hoch ist (IDMC 2017).

Die Hauptfaktoren, die die Entscheidung zurückzukehren, beeinflussen, sind primär die Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern, den Zustand des eigenen Besitzes/Grundstücks zu prüfen und in manchen Fällen auch die tatsächliche oder wahrgenommene Verbesserung der Sicherheitslage in Teilen des Landes (UNHCR 30.6.2017 und IOM 11.8.2017). Andere Rückkehrgründe können eine Verschlechterung der ökonomischen Situation am Zufluchtsort oder soziokulturelle Probleme sein (Die Presse 14.8.2017, vgl. IOM 11.8.2017).

Das Konzept von Binnenvertriebenen ist jedoch viel weiter gefasst, als jenes von Flüchtlingen. Binnenvertriebene sind all jene, die ihr Zuhause verlassen haben und dabei sehr kurze oder auch weite Entfernungen zurückgelegt haben. Kürzere Distanzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr. Beispielsweise kehren viele IDPs aus West-Aleppo nach Ost-Aleppo zurück, oder viele IDPs aus den Vorstädten von Damaskus kehrten in die Vororte Qabun oder Qudsaya zurück, nachdem diese von der syrischen Armee wieder erobert wurden. Das hauptsächliche Hindernis bei der Rückkehr bleibt das Fehlen von Sicherheit, wobei diese Einschätzung von der geographischen Herkunft, sozioökonomischen Lage und einer potentiellen Beteiligung im Widerstand gegen das syrische Regime beeinflusst wird (WI 7.7.2017).

Geschätzte 67 Prozent der Rückkehrer (405.420 Personen) kehrten in die Provinz Aleppo zurück, 27.620 nach Idlib, 75.209 nach Hama,

45.300 nach Raqqa, 21,346 nach Damaskus-Umland und 27.861 in andere Provinzen. Berichten zufolge kehrten 97 Prozent der Vertriebenen zu ihrem eigenen Haus zurück, 1,8 Prozent leben bei Gastgebern, 1,4 Prozent in verlassenen Häusern, 0,14 Prozent in informellen Siedlungen und 0,03 Prozent in gemieteten Unterkünften. Der Zugang zu Nahrung und Haushaltsgegenständen der Rückkehrer liegt dieser Studie zufolge bei 80 und 83 Prozent, der Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung nur bei 41 und 39 Prozent, weil die Infrastruktur des Landes durch den Konflikt extrem beschädigt wurde. Im Jahr 2016 lag die Zahl der Rückkehrer bei 685,662. Von diesen Rückkehrern wurden jedoch geschätzte 20.752 im selben Jahr und 21.045 im Jahr 2017 erneut vertrieben. Während die Zahl der Rückkehrer in Syrien steigt, ist die Zahl der Vertreibungen weiterhin hoch. So wurden von Januar bis Juli 2017 geschätzte

808.661 Personen aufgrund des Konfliktes vertrieben, viele davon

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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