TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 W124 2143489-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W124 2143489-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX sowie am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005

iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 55, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste als unbegleiteter Minderjähriger unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am

XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an und stamme aus XXXX in der afghanischen Provinz Ghazni. Er habe sieben Jahre die Schule besucht und spreche Dari bzw. Farsi. Zu seiner Familie gab er an, im Herkunftsstaat würden noch seine Mutter, seine Schwester und sein vierzehnjähriger Bruder leben. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, sein Vater habe bis vor sechs bis sieben Monaten Geldüberweisungen gemacht. Dann sei er von den Taliban im Bezirk XXXX ermordet worden. Da er viel Geld bei sich getragen habe, hätten die Taliban vermutet, dass er für die Regierung arbeite. Die Mutter des BF habe das Haus verkauft und den Leuten das Geld zurückbezahlt. Seine Familie habe noch Schulden in der Höhe von 11 Lakh. Er habe dann beschlossen, dass er mit seinem Bruder Afghanistan verlasse. Seine Mutter und sein jüngerer Bruder seien bei seiner Schwester in XXXX geblieben. Im Iran an der Grenze zur Türkei sei sein älterer Bruder von iranischen Soldaten erschossen worden. Im Fall seiner Rückkehr fürchte er sich vor den Leuten, denen sie noch Geld schulden würden.

2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt).

Im Zuge der Einvernahme wurden folgende Dokumente in Vorlage gebracht:

-

Empfehlungsschreiben;

-

Konvolut an Teilnahmebestätigungen samt Lichtbild.

Eingangs gab der BF an, er habe im Zuge der Erstbefragung als Geburtsdatum den XXXX angegeben. Aufgrund eines Protokollierungsfehlers sei dann das Datum XXXX niederschriftlich festgehalten worden. Laut Dolmetscher entspreche das erstgenannte Datum dem XXXX .

Der BF brachte zu seinem Leben in Österreich vor, er besuche einen Deutschkurs und sei in einem Volleyball- sowie in einem Fußball-Club. Er sei gesund, nehme keine Medikamente und sei in Österreich unbescholten.

Zu seinem Leben im Herkunftsstaat gab er an, er habe die siebte Klasse abgeschlossen und habe keinen Beruf erlernt. Er habe seiner Mutter im Haushalt und auf den Feldern geholfen. Als sein Vater noch gelebt habe, habe er ihm in seinem Geschäft geholfen. Es sei ein Hawala-Geschäft gewesen. Sein Vater habe mit Geld, Währungen und Geldtransfers gearbeitet. Auch der ältere Bruder des BF habe dort gearbeitet.

Zu seiner Familie habe er zuletzt vor seiner Ausreise Kontakt gehabt. Hinsichtlich seiner Angehörigen wiederholte er die Daten, die er bereits in der Erstbefragung angegeben hatte. Ergänzend führte er aus, seine ältere Schwester sei verheiratet und habe in Kabul gelebt, als sie von ihrem Dorf weggegangen seien. Ob seine Mutter und sein Bruder noch immer bei ihr leben würden, könne er nicht sagen. Er sei nur drei oder vier Tage in Kabul gewesen und wisse auch nicht, wo seine Schwester genau wohne. Nach dem Tod seines Vaters habe seine Familie noch Geld gehabt, von dem sie gelebt hätten. Dann seien sie ausgereist. Vor dem Tod seines Vaters sei die wirtschaftliche Situation der Familie gut gewesen. Neben seiner Kernfamilie habe er noch einen Onkel mütterlicherseits, der jedoch drogenabhängig sei und nur ab und zu arbeite. In einem europäischen Land habe er keine Angehörigen.

Die Flucht habe 300.000 Afghani gekostet. Sie hätten alles verkauft, sowohl ihr Haus, als auch das Grundstück und das Geschäft seines Vaters.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, sein Vater sei beruflich immer nach XXXX gefahren, um das Geld dort zu überstellen. Eines Tages, als er von XXXX nachhause gefahren sei und auch andere Personen im Auto gewesen seien, seien sie in XXXX von Taliban angehalten worden. Da sein Vater sehr viel Geld bei sich gehabt habe, hätten die Taliban geglaubt, er sei Bankangestellter und hätten ihn getötet. Das Geld und das Auto hätten sie mitgenommen. Ein paar Tage später hätten Leute das Geld gefordert, welches ihnen sein Vater geschuldet habe. Sie hätten kein Geld gehabt und hätten daher das Haus sowie das Grundstück verkauft. Den Leuten hätten sie ein bisschen Geld gegeben, wobei sie die ganze Summe nicht begleichen hätten können. Daraufhin hätten ihnen die Gläubiger gedroht, sie würden sie an die Taliban ausliefern, sollten sie das Geld nicht aufbringen. Da sie die ausständige Summe von 1.1 Millionen Afghani nicht begleichen hätten können, seien sie ausgereist.

Näher befragt führte er aus, ein Bankangestellter in Afghanistan sei Beamter der Regierung. Sein Vater sei nicht bei einer Bank angestellt gewesen. Den anderen Leuten im Auto sei nichts passiert. Diejenigen, die die Leiche seines Vaters gebracht hätten, hätten von dem Vorfall berichtet. Zwei Personen, XXXX und XXXX , hätten die Leiche im Dorf übergeben, woraufhin sein Vater begraben worden sei. Weitere Fluchtgründe habe der BF nicht. Nach dem Tod des Vaters seien täglich Leute gekommen und hätten das Geld gefordert. Sie hätten ihnen nach ungefähr viereinhalb Monaten eine fünfzehntägige Frist gesetzt, binnen welcher sie die Schulden zahlen sollten. Beim Verlassen des Dorfes sei die Frist noch nicht abgelaufen gewesen, sie hätten noch zwei bis drei Tage gehabt. Die Gläubiger hätten gedroht, nach Ablauf würden sie den BF und seinen Bruder den Taliban übergeben oder sie würden selbst mit ihnen etwas machen. Sie wären bereit gewesen den Taliban zu sagen, dass seine Familie auch für die Regierung arbeiten würde. Die Geldforderungen seien nicht unberechtigt gewesen, sein Vater habe es den Leuten tatsächlich geschuldet. Die Familie des BF habe auch in Kabul Angst gehabt, gefunden zu werden. Der BF habe Angst vor den Leuten, denen seine Familie das Geld schulde. Sein Bruder sei tot und er sei der einzige, von dem das Geld gefordert werden könne. Auf Nachfrage gab der BF an, vor anderen Leuten, außer jenen, denen seine Familie Geld schulde, habe er nicht Angst. Ob die Leute nach seiner Ausreise die Taliban verständigt hätten, wisse er nicht.

Zum Tod seines Bruders gab der BF an, sie seien mit circa 350 anderen Menschen im Grenzgebiet zwischen dem Iran und der Türkei gewesen. Der Stacheldrahtzaun sei vor ihnen gewesen, als sie von schräg hinten beschossen worden seien. Er habe nicht erkennen können, wer geschossen habe, da es dunkel gewesen sei. Es sei ein großes Durcheinander gewesen und er habe seinen Bruder verloren. Für die Gruppe von 350 Menschen habe es zwei Schlepper gegeben, die er nach der Schießerei nicht mehr gesehen habe. Als er am nächsten Tag in der Türkei gewesen sei, hätten sie einen neuen Schlepper gehabt, dem er das Foto seines Bruders gezeigt habe. Dieser habe erklärt, sein Bruder zähle zu den Getöteten. Woher der Schlepper das gewusst habe, wisse der BF jedoch nicht.

3. Mit Stellungnahme vom XXXX beantragte der BF im Wege seiner Vertreter sein Geburtsdatum zu berichtigen und brachte nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen vor, die Länderinformationen seien unvollständig, zumal sie nur wenig Informationen zur Lage von Minderjährigen enthielten. Dem BF drohe Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, da es sich bei der beschriebenen Bedrohung um eine "Sippenhaftung" handle. Die Schilderung der Verfolgung finde in zahlreichen Länderberichten Deckung und sei in diesem Zusammenhang auf die Indizwirkung herkunftsländerbezogener Empfehlungen zu verweisen. Familienmitglieder von Personen, die mit der Regierung assoziiert werden, würden nach den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 eine eigene Risikogruppe darstellen. Ferner wurde auf einen ACCORD-Bericht vom 05.11.2014 betreffend die gezielte Tötung von Bankangestellten verwiesen. Zur Asylrelevanz des Vorbringens wurde auf die UNHCR-Richtlinien sowie auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dem BF drohe Verfolgung, da aufgrund der Tätigkeit seines Vaters auch ihm seitens der Taliban eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Die Taliban würden auch nicht davor Halt machen, Kinder von vermeintlichen Gegnern zu entführen oder zu töten. Ergänzend wurde ein von ACCORD im Juni 2016 veröffentlichtes Expertengespräch zwischen Thomas Ruttig und Michael Daxner zum Thema Blutrache auszugsweise wiedergegeben.

Ferner wurde ausgeführt, dass dem BF auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Hierzu wurden verschiedene Berichte zitiert, welche sich im Wesentlichen auf das Jahr 2015 beziehen. Ergänzend wurden das in den UNHCR-Richtlinien dargestellte Risikoprofil von Angehörigen ethnischer Minderheiten im Allgemeinen und von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara im Besonderen auszugsweise wiedergegeben. In weiterer Folge wurde ausgeführt, dass der afghanische Staat nicht schutzfähig oder schutzwillig sei. Folglich sei dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Unabhängig davon sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren. Die allgemeine Sicherheitslage habe sich verschlechtert, wie dies aus den wiedergegebenen Auszügen aus dem Jahresbericht 2015 der UNAMA, aus den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 sowie aus einem Bericht des ORF aus dem Jahr 2015 hervorgehe. Insbesondere die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni sei äußerst volatil. Eine Rückkehr sei dem BF nicht zumutbar, da er sich im Herkunftsstaat keine Existenz aufbauen könnte. Er verfüge auch nicht über eine höherwertige Berufsausbildung, sondern habe bisher die Schule besucht. Zur Unzumutbarkeit einer Rückkehr wurde auch auf einen Auszug eines im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2014 erstatteten Gutachtens im Verfahren zu W114 1426836, verwiesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Vater des BF verstorben sei und er nur mehr eine Schwester in Afghanistan habe, zu der er keinen Kontakt pflege. Den Aufenthaltsort der übrigen Angehörigen kenne er nicht. Ein soziales Netzwerk stehe ihm sohin im Herkunftsstaat nicht zur Verfügung und sei auch die besondere Vulnerabilität von Minderjährigen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte stehe ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Im Übrigen könne er seine Herkunftsprovinz nicht sicher erreichen.

4. Mit Schreiben vom XXXX beantragte der BF im Wege seiner ausgewiesenen Vertreter seinen Namen von XXXX auf XXXX zu berichtigen.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt und wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

6. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vollinhaltlich angefochten und unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Zunächst richtete sich die Beschwerde gegen die Feststellungen des Bundesamtes, wonach der BF über Angehörige im Herkunftsstaat verfüge, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten könne und wirtschaftlich ausreichend abgesichert sei. Dem wurde entgegnet, dass der BF nicht wisse, was nach seiner Ausreise mit seinen Angehörigen passiert sei, da er keinen Kontakt mehr gehabt habe. Er wisse nicht, ob sie sich noch immer dort aufhielten oder unter welchen Umständen sie leben würden, sodass das Bestehen eines sozialen Netzwerkes nicht angenommen werden könne. Ferner habe seine Familie für die Flucht alle Besitztümer verkauft. Selbst wenn er seine Angehörigen auffinden würde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese ohne Unterstützung seines Vaters oder seines älteren Bruders ihm irgendeine finanzielle Unterstützung leisten könnten. Der BF sei überdies nicht in der Lage, im Fall seiner Rückkehr seine Grundbedürfnisse eigenständig zu befriedigen. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter welchen eine Rückkehr zumutbar wäre, wurde auf diverse Entscheidungen des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten wurde auf die Ausführungen in der Stellungnahme vom XXXX verwiesen. Abschließend wurde ausgeführt, dass der BF in Afghanistan über kein soziales Netzwerk verfüge, die Sicherheitslage in Ghazni volatil sei und ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Mit der Beschwerde wurde zudem ein Suchantrag des Roten Kreuzes betreffend die Suche nach den Angehörigen des BF in Vorlage gebracht.

7. Die Beschwerdevorlage langte am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Am XXXX erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Dari und eines landeskundlichen Sachverständigen.

Folgende Dokumente wurden im Zuge der Verhandlung in Vorlage gebracht:

-

Schreiben vom Roten Kreuz vom XXXX sowie vom XXXX betreffend den gestellten Suchantrag;

-

Empfehlungsschreiben vom XXXX vom XXXX ;

-

Referenzschreiben der Diakonie vom XXXX ;

-

Schreiben der Diakonie vom XXXX betreffend Basisbildungskurs;

-

Schreiben der BHW vom XXXX betreffend Basisbildungs-Schulung;

-

Schreiben vom XXXX von der XXXX .

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

(...) Eingangs gab der BF zu seinem Gesundheitszustand und allfälligen Gründen, die der Teilnahme an der Verhandlung entgegenstehen, an, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen würden. Der BF sei in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen. Er sei gesund und könne antworten.

(...)

Zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich

R (auf Deutsch): Sprechen Sie Deutsch?

BF (auf Deutsch): Ja.

R (auf Deutsch): Verstehen Sie Deutsch?

BF (auf Deutsch): Ja.

R (auf Deutsch): Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

BF (auf Dari): Das habe ich nicht verstanden.

R: (Fragewiederholung auf Dari).

BF (auf Dari): Ich wohne beim XXXX und bekomme davon Unterstützung.

R: (Frage auf Dari): Sind Sie in der Grundversorgung?

BF (antwortet auf Dari): Ja.

R: (Frage auf Deutsch): Wieviel Unterstützung bekommen Sie vom XXXX monatlich?

BF (auf Deutsch): In der Woche bekomme ich 55,-- Euro vom XXXX .

R (auf Deutsch): Bekommen Sie darüber hinaus noch eine Unterstützung?

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Deutsch): Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?

BF (auf Deutsch): Volleyballspielen, Laufen, Handball spielen, Fußball spielen und Karate. Manchmal gehe ich in den Park.

R (auf Deutsch): Sind Sie in einer Organisation/Verein/Kirche oder dergleichen engagiert?

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Deutsch): Haben Sie in Österreich einen Freundeskreis?

BF (auf Deutsch): Unklare Antwort.

R: (Fragewiederholung auf Dari).

BF (auf Dari): Ich habe Freunde in Österreich. Freundin habe ich nicht.

R (auf Dari): Haben Sie eine Lebensgefährtin in Österreich?

BF (auf Dari): Nein.

R (auf Deutsch): Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF (auf Deutsch): Verstehe ich nicht.

R (Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Dari): Ich kenne eine österreichische Familie, aber eine Familie aus Afghanistan nicht.

R (auf Deutsch): Haben Sie Geschwister, Tanten, Onkeln, Cousins in Österreich)

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Deutsch): Gehören Ihrem Freundeskreis auch Österreicher an?

BF (auf Deutsch): XXXX ?

R (Fragewiederholung auf Dari):

BF: Ja.

R (auf Deutsch): Wie heißen Ihre zwei besten Freunde mit Familiennamen?

BF (auf Deutsch): Mein Freund ist im Volleyballteam. Er heißt XXXX . Seinen Vornamen kenne ich nicht.

R (auf Deutsch): Ist er Österreicher?

BF (auf Deutsch): Ja, er ist Österreicher.

R (auf Deutsch): Wo wohnt XXXX ?

BF (auf Deutsch): Er wohnt in XXXX , ich weiß nicht, wo er in XXXX wohnt. Er ruft mich an und ich rufe ihn an.

R (auf Deutsch): Haben Sie Verwandte in der Europäischen Union?

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Deutsch): Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten? Waren Sie schon wegen einer schweren Krankheit irgendwann einmal im Krankenhaus?

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Deutsch): Müssen Sie irgendwelche Medikamente einnehmen?

BF (auf Deutsch): Nein, ich nehme keine Medikamente. Ich bin ganz gesund.

R (auf Dari): Sind Sie gerichtlich vorbestraft?

BF (auf Dari): Ich habe keine Straftat begangen.

R (auf Deutsch): Ist ein Strafverfahren gegen Sie anhängig?

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Dari): Haben Sie eine schwere Verwaltungsübertretung begangen, wie zum Beispiel Fahren mit Alkohol am Steuer?

BF (auf Deutsch): Nein.

R (auf Deutsch): Wollen Sie zu Ihrer Integration noch etwas sagen?

BF (auf Deutsch): Ich verstehe nicht.

R (Fragewiederholung auf Dari):

BF (auf Dari): Ich gehe zur Schule und mache einen Basisbildungskurs. Ich will den Hauptschulabschluss beenden und in Zukunft als Tischler arbeiten.

Weitere Befragung mit Dolmetscher.

Zur Beschwerdeerhebung

R: Schreiben Sie mir bitte Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum auf.

BF: Ich heiße XXXX und bin am XXXX geboren.

R: Halten Sie die Angaben, die Sie bei der Polizei bzw. dem BFA gemacht haben aufrecht und entsprechen diese der Wahrheit?

BF: Ja.

R: Sie haben einen Bescheid bekommen, in dem alle Spruchpunkte als negativ entschieden wurden und im Wesentlichen Ihr Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft erachtet. Warum haben Sie inhaltlich eine Beschwerde erhoben?

BF: Ich habe niemanden mehr in Afghanistan. Ich will hierbleiben. Ich kann dort nicht mehr leben.

R: Warum haben Sie inhaltlich eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA erhoben?

BF: Sie haben nicht den Grund geschrieben, warum sie mir einen negativen Bescheid geschickt haben. Es wurde nicht begründet.

R: Die Gründe, warum Ihre Entscheidung negativ entschieden wurde, ist ausführlich begründet worden.

BF: Erstens konnte ich das nicht selber lesen und keiner hat mir das vorgelesen. Außerdem steht hier nur, dass ich als Polizist gearbeitet habe und dass ich die Schule fertiggemacht habe. Das habe ich nicht gemacht.

R: Wo sollte stehen, dass Sie als Polizist gearbeitet haben?

BF: Mir wurde das so gesagt. Ich weiß nicht, wo das steht.

R: Haben Sie mit Ihren seinerzeitigen Vertretern beim Verfassen der Beschwerde über Ihr Problem gesprochen?

BF: Ein bisschen haben sie mit mir gesprochen, ob ich Kontakt mit meiner Familie habe oder nicht.

R: Haben Sie über Ihr Fluchtvorbringen mit Ihren Vertretern gesprochen?

BF: Wir haben darüber gesprochen, aber ich habe den Grund nicht verstanden, warum meine Entscheidung negativ war.

Zur Herkunft des BF und zu den Lebensumständen in Afghanistan

R: Wo sind Sie geboren? Geben Sie mir bitte genau Dorf, Distrikt und Provinz an.

BF: In der Provinz Ghazni, Distrikt XXXX im Dorf XXXX .

R: Wo haben Sie von Ihrer Geburt an bis zu Ihrer Ausreise aus Afghanistan gelebt? Geben Sie mir bitte chronologisch an in welchen Dörfern/Städten Sie in welchem Zeitraum gelebt haben.

BF: Ich war die ganze Zeit in XXXX . Ich habe in XXXX gelebt. Dort habe ich sieben Klasse Schule absolviert. Ich habe nur Zuhause meiner Mutter geholfen.

R: Jetzt haben Sie in XXXX gelebt? Wie lange waren Sie dort?

BF: Ich bin von dort nach Kabul gegangen. Drei, vier Tage lang bin ich dortgeblieben. Dann bin ich ausgereist und hierhergekommen.

R: Woher stammt Ihre Familie?

BF: Wir sind Hazara.

R (Fragewiederholung):

BF: Aus der Provinz Ghazni.

R: Bitte genauer.

BF: Ghazni, XXXX und XXXX .

R: Wie heißen Ihre Großväter mütterlicherseits und väterlicherseits?

BF: Väterlicherseits XXXX , mütterlicherseits XXXX .

R: Wie haben Ihre Großväter ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Der Großvater väterlicherseits hat dort gelebt. Ich habe ihn nicht gesehen. Er ist vor meiner Geburt verstorben.

R (Fragewiederholung):

BF: Er hat Grundstücke gehabt und hat in der Landwirtschaft gearbeitet. Er hat auch ein Geschäft gehabt und mein Vater hat das dann geerbt.

R: Wer hat die Grundstücke geerbt?

BF: Mein Vater war der einzige Sohn und hat auch die Grundstücke bekommen.

R: Wer bewirtschaftet jetzt die Grundstücke?

BF: Die Grundstücke wurden verkauft.

R: Wie hat Ihr Großvater mütterlicherseits den Lebensunterhalt bestritten?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wie heißen die unmittelbar angrenzenden Dörfer von XXXX ?

BF: XXXX .

SV: Wie weit sind die von Ihnen jetzt genannten Dörfer von Ihrem Heimatdorf entfernt?

BF: Ca. eine Stunde sind sie von meinem Heimatdorf entfernt. Dann kommen andere Dörfer.

SV merkt an, dass der BF angemerkt hat, dass die von ihm genannten Dörfer Distrikte sind.

R: Nennen Sie mir die unmittelbar angrenzenden Dörfer von XXXX .

BF: XXXX und XXXX .

R: Wieweit sind die von Ihnen jetzt genannten Dörfer von Ihrem Heimatdorf entfernt?

BF: 10 Minuten.

R: Mit dem Auto, zu Fuß, mit dem Fahrrad?

BF: Mit dem Auto.

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Heimatadresse alleine gelebt?

BF: Ich mit meiner Familie.

R: Aus welchen Mitgliedern besteht Ihre Familie?

BF: Mein Vater, meine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester.

R: Wie alt sind Ihre beiden Brüder?

BF: Einer ist 21 und der andere ist 15. Meine Schwester ist 24.

R: Wo halten sich Ihre Geschwister auf?

BF: Meine Schwester ist verheiratet und lebt in Kabul. Damals, als ich ausgereist bin, war sie in Kabul. Meine Mutter und mein jüngerer Bruder sind auch in Kabul bei meiner Schwester. Mein Vater ist verstorben.

R: Wo hält sich Ihr älterer Bruder auf?

BF: Er ist auch verstorben.

R: Wo wohnt Ihre Schwester in Kabul?

BF: Sie wohnt in Kabul. Ich habe dort nicht gelebt. Ich weiß nicht, wo sie lebt. Ich kenne mich in Kabul nicht aus.

R: Wie sind Sie dann zu Ihrer Schwester gekommen?

BF: Meine Mutter kennt sich aus und mein älterer Bruder.

R: Sind Sie alle gemeinsam zu Ihrer Schwester in Kabul gezogen?

BF: Ja, die zwei Brüder und ich und meine Mutter.

R: Was macht Ihr Schwager beruflich?

BF: Er ist Hilfsarbeiter.

R: Was macht Ihre Schwester?

BF: Sie ist Zuhause und arbeitet nicht.

R: Wie lange haben Sie sich in Kabul aufgehalten?

BF: Zwei, drei Tage.

R: Wieso haben Sie sich dort nicht länger aufgehalten?

BF: Wir hatten Angst. Wir waren dort nicht sicher. Ich bin mit meinem Bruder weggegangen.

R: Wo ist Ihre Mutter bzw. Ihre Schwester verblieben?

BF: Mein jüngerer Bruder und meine Mutter sind bei meiner Schwester geblieben.

R: Wissen Sie, in welchem Stadtteil Ihre Schwester lebt?

BF: Ich kenne mich dort nicht gut aus.

R: Sie haben sieben Jahre die Schule besucht. In welchem Stadtteil hat Ihre Schwester gelebt?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wie geht es Ihrer Mutter bzw. wie geht es Ihrer Schwester?

BF: Wir haben keinen Kontakt.

R: Wieso nicht?

BF: Seitdem ich ausgereist bin, hatte ich keinen Kontakt. Sie haben kein Handy.

R: Hat Ihr Schwager bzw. Ihre Schwester ein Telefon?

BF: Nein, ich hatte auch die Nummer nicht. Ich hatte auch kein Handy.

R: Haben Sie jetzt ein Handy?

BF: Ja.

R: Haben Sie Kontakt nach Afghanistan?

BF: Nein.

Die Verhandlung wird um 10:08 Uhr unterbrochen und um 10:27 Uhr fortgesetzt.

Zur Frage, ob der BF bei einem Verein ist, merkt der BFV an, dass der BF bei der Feuerwehr in XXXX engagiert ist. Er hat auch einen Schlüssel von der Feuerwehr.

R: Sie haben heute gesagt, Sie haben sieben Jahre die Schule in Afghanistan besucht. In welchem Zeitraum haben Sie die Schule besucht?

BF: Ich war neun Jahre alt, als ich die Schule begonnen habe. Ich habe diese bis zum 16. Lebensjahr besucht.

D und SV merken an, dass BF von einer islamischen Schule gesprochen hat und dann darüber aufgehört hat zu reden.

R: Was meinen Sie mit der islamischen Schule?

BF: Im Winter gehen wir drei Monate lang zur Koranschule, dies ist während der Schulzeit.

BFV: Wir haben das Gefühl, dass der BF nicht regelmäßig die Schule besucht hat und Sie nicht gut verstanden hat. Denn er ist im Heim sehr schwach. Er findet sich nicht so zurecht, wie die anderen.

SV gibt an, dass in Afghanistan die Schüler mit dem 6. oder 7. Lebensjahr die Schule beginnen.

R: Warum haben Sie mit dem neunten Lebensjahr die Schule begonnen, wenn es in Afghanistan üblich ist, dass Schüler mit dem 6. oder 7. Lebensjahr die Schule beginnen?

BF: Die Schule war etwas entfernt von uns. Mein Vater hat gemeint, dass wir noch zu klein sind und wir müde werden würden.

R: Wie weit war die Schule von Ihrem Elternhaus entfernt? Wie lange hat man dorthin gebraucht?

BF: 20 Minuten zu Fuß. Damit wir nicht so schnell müde sind, damit wir den Stoff gut verstehen, sind wir später zur Schule gegangen.

R: Wie hat die Schule geheißen, die Sie da besucht haben?

BF: XXXX .

R: Waren die Klassen von Mädchen und Buben dort getrennt oder sind Sie in einer gemischten Klasse unterrichtet worden?

BF: Man konnte dort bis zur 10. Klasse die Schule besuchen und es waren gemischte Klassen, Mädchen und Buben.

R: Waren es gemischte Klassen für Mädchen und Buben von der ersten bis zur 10. Klasse?

BF: Bis zur 10. Klasse sind sie zusammen. Dann gehen sie in eine andere Schule und dort sind sie getrennt.

R: Wie hat die ethnische Zusammensetzung in Ihrem Dorf ausgeschaut und wie waren die Proportionen zueinander?

BF: Dort, wo wir gewohnt haben, war ein kleines Dorf. Es waren dort alle Hazara, aber rund herum waren auch Paschtunen.

R: Waren rundherum auch Hazara?

BF: Nicht viele.

R: Wie haben die paschtunischen Dörfer geheißen?

BF: In XXXX waren Paschtunen.

R: Was ist XXXX ?

BF: XXXX ist ein Distrikt.

R: Die Frage war nicht nach dem Distrikt, sondern wie die paschtunischen Dörfer geheißen haben.

BF: In unserem Dorf gab es keine Paschtunen.

R (Fragewiederholung): In unserem Dorf nicht.

R: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie?

BF: Keine Berufsausbildung.

R: Wie haben Sie in Afghanistan Ihren Lebensunterhalt geschrieben?

BF: Mein Leben hat mein Vater finanziert.

R: Wie haben Sie zum Erwerb beigetragen?

BF: Ich habe kein Einkommen gehabt. Ich habe nur meiner Mutter geholfen.

R: Haben Sie Ihren Vater in der Landwirtschaft unterstützt?

BF: Ich habe ihm ein bisschen geholfen. Ich habe meiner Mutter geholfen und auf den Grundstücken auch.

R: Was haben Sie auf den Grundstücken gemacht?

BF: Ich habe beim Bewässern geholfen. Jeder ist einmal dran. Als wir an der Reihe waren, habe ich geholfen.

R: Was heißt, jeder ist einmal dran?

BF: Es gibt nicht so viel Wasser, dass alle gleichzeitig Wasser bekommen. Die Leute versammeln sich und treffen eine Regel, wer wann dran ist, dass die Grundstücke bewässert werden.

R: Was haben Sie da genau gemacht?

BF: Ich habe die Grundstücke bewässert. Ab und zu bin ich auch ins Geschäft zu meinem Bruder gegangen.

R: Was haben Sie dort getan?

BF: Wir haben dort Lebensmittel verkauft. Dann habe ich geholfen. Ich habe schwere Sachen wie zum Beispiel Mehl getragen.

R: Wie hat Ihr Vater seinen Lebensunterhalt bestritten?

BF: Mein Vater war "Hawala dar" und hat ein Geschäft gehabt.

R: Was verstehen Sie unter "Hawala dar"?

BF: Zum Beispiel jemand arbeitet im Iran und schickt das Geld nach Afghanistan für die Familie.

R: Können Sie mir genau erklären, wie das abläuft?

BF: Wir haben dort ein Geschäft. Wenn das Geld geschickt wird, ... mein Vater bringt das Geld von XXXX ins Geschäft. Dann kommen die Leute, welche ein Losungswort haben und nehmen das Geld.

R: War es ausschließlich die Aufgabe Ihres Vaters Geld von XXXX in Ihr Heimatdorf zu bringen?

BF: Ja, er hat von XXXX das Geld gebracht und wieder zurückgegeben.

R: An wen hat er das Geld zurückgegeben?

BF: Die Leute, die gekommen sind.

R: Welche Leute sind gekommen?

BF: Es sind viele Leute gekommen, die ich schon genannt habe.

R: Hat jeder, der gekommen ist, einfach Geld bekommen, ohne etwas dazu zu tun?

BF: Die Leute sind gekommen und haben den Namen genannt, der das Geld geschickt hat und noch einen Namen genannt, der das Geld abgeholt hat.

R: Was meinen Sie damit, es ist noch ein Namen genannt worden, der das Geld abgeholt hat?

BF: Es ist so wie bei einem Sender und Empfänger. Wer das Geld schickt und wer das Geld abholt.

R: Woher wusste Ihr Vater das Losungswort?

BF: Mein Vater hat ein Nokia gehabt. Er wurde vom Iran aus angerufen. Ihm wurde gesagt, wer das Geld dort abgegeben hat und wer das Geld bekommen soll.

R: Von wem wurde er aus dem Iran aus angerufen?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wie war Ihr Vater an diesem Geschäft beteiligt? Wie hat er damit seinen Lebensunterhalt bestritten?

BF: Ich weiß davon nichts. Ich habe mich nicht darum gekümmert.

R: Wie konnte Ihre Familie von dem Geschäft Ihres Vaters leben?

BF: Wir haben davon gut gelebt.

R: Seit wann hat Ihr Vater diese Tätigkeit ausgeübt?

BF: Genau kann ich das nicht sagen, aber lange Zeit.

R: Was verstehen Sie unter einer langen Zeit?

BF: Das kann ich nicht sagen.

R: Hat Ihr Vater das Geschäft schon ausgeübt, als Sie mit der Schule begonnen haben?

BF: Wir haben dort das Geschäft gehabt, aber das mit "Hawala" hat er lange gemacht, aber uns nicht gesagt, dass er es macht.

R: Wie haben Sie dann gewusst, dass Ihr Vater "Hawala" macht, wenn er Ihnen das nicht gesagt hat?

BF: Zwei Jahre lang, als ich im Geschäft war, habe ich von meinem Bruder mitbekommen, dass wir auch "Hawala" machen.

R: Wo hat sich das Geschäft genau befunden, in dem auch "Hawala" gemacht wurde?

BF: Es waren 15 bis 16 andere Geschäfte dort. Wir haben das dort Bazar genannt. Es war in unserem Ort.

R: War das Geschäft, in dem "Hawala" gemacht wurde, auch dort, wo Ihr Vater, Ihr Bruder bzw. Sie Lebensmittel verkauft haben?

BF: Ja, im selben Geschäft. Wir haben nur das eine Geschäft gehabt.

R: Wer außer Ihrem Vater hat in diesem Geschäft noch gearbeitet?

BF: Mein Vater und mein Bruder.

R: Wer noch?

BF: Ich, sonst niemand.

R: Waren Sie in Ihrer Heimatregion die Einzigen, die das "Hawala"-Geschäft betrieben haben?

BF: "Hawala dari" haben nur wir gemacht.

R: Wieviel Geld hat Ihr Vater in etwas mit diesem "Hawala"-Geschäft verdient?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wer bestreitet das "Hawala"-Geschäft heute?

BF: Niemand.

R: Wurde das "Hawala"-Geschäft verkauft?

BF: Ja.

R: An wen wurde das "Hawala"-Geschäft verkauft?

BF: Er war ein Fremder von draußen.

R: Was meinen Sie mit, er war ein Fremder von draußen?

BF: Von unserem Dorf wollte keiner die Grundstücke kaufen. Es war jemand anderer aus einem anderen Ort.

R: Sie haben gesagt, das "Hawala-Geschäft" wurde verkauft. An wen wurde das verkauft?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Warum sind Sie nicht länger in Ihrem Heimatdorf geblieben, wenn es Ihnen dort sehr gut gegangen ist?

BF: Nach dem Tod meines Vaters ging es uns nicht mehr gut.

Zum Tod seines Vaters

R: An was ist Ihr Vater verstorben?

BF: Er wurde von den Taliban getötet.

R: Wann wurde Ihr Vater getötet?

BF: Das Datum weiß ich nicht.

R: Wann ungefähr? Das ist doch ein einschneidendes Erlebnis, dass Ihr Vater getötet wurde.

BF: Vor ca. zwei Jahren und zwei Monaten.

R: Wo wurde Ihr Vater getötet?

BF: In XXXX .

R: Von wem wurde Ihr Vater getötet? Kennen Sie die Täter, die Ihren Vater getötet haben?

BF: Ich weiß es nicht genau. Die, die mit ihm waren, haben gesagt, dass die Taliban sie angehalten haben.

R: Wohin war Ihr Vater an diesem Tag unterwegs?

BF: An dem Tag war er von XXXX nach Hause unterwegs.

R: Mit was war Ihr Vater unterwegs?

BF: Mit seinem Auto. Er hat das Geld gebracht und auch Menschen.

R: Was hat Ihr Vater in XXXX genau gemacht?

BF: Geld abholen.

R: Von wo?

BF: Das Geld wurde vom Iran geschickt. Er wollte das Geld von XXXX nach Hause bringen.

R: Sie haben gesagt, er war mit Leuten unterwegs. Was heißt, er war da auch mit Leuten unterwegs?

BF: Mein Vater hat immer auch Fahrgäste mitgenommen, sowohl hin als auch retour, welche dafür Geld gezahlt haben.

R: Wieviel Fahrgäste waren an dem Tag, als Ihr Vater getötet wurde, mit Ihrem Vater unterwegs?

BF: Er hat ein kleines Auto gehabt, vier bis fünf Personen, genau weiß ich es nicht.

R: War Ihr Vater, als er Geld von XXXX geholt hat, immer alleine unterwegs? Hat er da auch einen engeren Begleiter gehabt, außer den Fahrgästen?

BF: Nein, er ist immer alleine gegangen, er hat keinen Geschäftspartner gehabt.

R: Ist Ihr Vater von Ihrem Bruder begleitet worden?

BF: Nein, er ist im Geschäft geblieben.

R: Wo hat sich Ihr Bruder an diesem Tag aufgehalten?

BF: Es war an einem Freitag. An einem Freitag haben die Geschäfte nur bis Mittag offen. Mein Bruder war im Geschäft und mein Vater war das Geld holen.

R: Wie weit ist XXXX von Ihrem Heimatdorf entfernt?

BF: Ca. fünf bis sechs Stunden.

R: Mit dem Auto oder zu Fuß?

BF: Mit dem Auto.

R: Hat Ihr Vater, als er Geld von XXXX geholt hat, irgendwelche Vorkehrungen getroffen?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Haben Sie, wie Ihr Vater nach XXXX gefahren ist, gesehen, wie Ihr Vater das Auto vorbereitet, wenn er dort hinfährt?

BF: Nein, ich habe das nicht gesehen. Er ist in der Früh um vier Uhr losgefahren.

R: Hat Ihr Vater eine Waffe besessen?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Woher haben Sie eigentlich erfahren, dass Ihr Vater von den Taliban getötet worden sein soll?

BF: Die Personen, die mit ihm unterwegs waren. Sie haben ihn uns gebracht.

R: Was heißt, sie haben uns ihn gebracht?

BF: Sie waren mit meinem Vater dort. Mein Vater wurde getötet. Sie haben dann den Leichnam gebracht.

R: Was heißt, sie waren mit meinem Vater dort?

BF: Ich habe gesagt, dass mein Vater Fahrgäste mitgenommen hat. Die Personen sind mitgefahren. Die Taliban haben sie angehalten. Die Taliban haben sie alle durchgesucht. Mein Vater hat sehr viel Geld bei sich gehabt und Rechnungen von der Bank mitgehabt. Die Taliban haben gesagt, dass er bei der Bank arbeitet und dass er Beamter der Regierung ist. Wegen des Geldes und der Rechnungen haben sie ihn getötet, weil er so viel Geld bei sich hatte.

R: War Ihr Vater für seine Tätigkeit in dieser Gegend bekannt?

BF: Ja, viele Leute haben ihn gekannt.

R: Wie haben die Personen geheißen, die den Leichnam Ihres Vaters gebracht haben?

BF: Die Fahrgäste kenne ich nicht, aber es ist dort so, wenn jemand stirbt, dann sammeln sich viele Leute und zwei von ihnen gehen zu der Familie und benachrichtigen sie.

R: Von wem haben Sie die Information, was dort genau vorgefallen ist?

BF: Von XXXX und XXXX .

R: Waren diese bei diesem Vorfall dabei?

BF: Das weiß ich nicht, aber sie haben die Nachricht überbracht.

R: Woher haben die die Information gehabt.

BF: Die Personen, die mit meinem Vater unterwegs waren, haben das denen gesagt.

R: Wer waren die Personen, mit denen Ihr Vater unterwegs war?

BF: Das weiß ich nicht.

Zu den Fluchtgründen

R: Hatten Sie selbst Probleme in Afghanistan?

BF: Hatte ich nicht, aber nach dem Tod meines Vaters schon.

R: Weshalb?

BF: Nachdem mein Vater verstorben ist, hat er sehr viel Geld von den anderen mitgehabt. Mit diesen habe ich Probleme gehabt.

R: Inwiefern?

BF: Sie haben das Geld verlangt und wir haben das Geld nicht gehabt.

R: Was ist da genau passiert? Können Sie mir das bitte genau schildern?

BF: Einige Zeit später, nach dem Tod meines Vaters, sind die Leute zu uns gekommen und haben das Geld von mir und meinem Bruder verlangt. Sie haben gesagt, dass wir die älteren Söhne meines Vaters sind und das Geld bezahlen müssten. Diesen Betrag, den sie verlangt haben, hatten wir nicht. Sie hatten sehr viel Geld gehabt. Wir haben das Haus, das Geschäft und die Grundstücke verkauft, trotzdem war es zu wenig. Viereinhalb Monate lang sind wir dortgeblieben. Danach haben wir eine Frist von 15 Tagen bekommen. Sie sagten, entweder wir zahlen das Geld innerhalb der Frist oder sie werden uns an die Taliban übergeben. Sie würden sagen, dass wir die Söhne von der getöteten Person seien. Dann hätten die Leute gesagt, dass sie bei den Taliban angeben, dass wir für die Regierung arbeiten.

R: Wieso hätten die Leute angeben sollen, dass Sie für die Regierung arbeiten, nachdem Sie noch nie für die Regierung gearbeitet haben?

BF: Sie meinten, wenn mehrere Personen dies sagen würden, dann würden die Taliban das glauben.

R: Wieso sollten die Taliban das glauben, nachdem die Taliban sehr gut vernetzt sind und Informationen haben?

BF: Dort, wo wir wohnen, sind die Leute von der Regierung präsent. Vielleicht deswegen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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