TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W192 2202305-1

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Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55 Abs1a

Spruch

W192 2202305-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zahl: 751750704/170944928, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA VG i. d. g. F., §§ 52, 55 Abs. 1a FPG i.d.g.F. und § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte am 14.08.2017 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich seiner am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung führte er im Wesentlichen aus, er sei Angehöriger der georgischen Volksgruppe, orthodoxen Glaubens und ledig. Er sei illegal eingereist. Der Beschwerdeführer habe 2003 in Deutschland, 2006/2007 in Österreich, 2008 in Belgien und 2010 in der Schweiz jeweils Asylanträge gestellt und positive Entscheidungen erhalten. Er sei 2011 freiwillig nach Georgien zurückgekehrt und habe sich dort bis Juli 2017 aufgehalten. Durch Eurodac-Treffermeldungen sind Asylantragstellungen des Beschwerdeführers 2008 in Belgien und 2010 in der Schweiz dokumentiert. Der Beschwerdeführer habe den Herkunftsstaat verlassen, weil er wegen einer Beziehung zu einer mit einem Polizeibeamten verheirateten Frau von Polizeibeamten bedroht und geschlagen worden sei. Weiters habe der Beschwerdeführer gesundheitliche Probleme (Diabetes und Hepatitis C) und wolle medizinische Hilfe in Österreich.

Nach Stellung entsprechender Auskunftsersuchen auf Grundlage der Dublin III-VO teilten die Schweizer Behörden mit Nachricht vom 30.08.2017 mit, dass der Beschwerdeführer dort am 08.07.2010 einen Asylantrag gestellt hatte und er nach Einholung der Zustimmung der niederländischen Behörden am 20.01.2011 auf Grundlage der Dublin III-VO in die Niederlande überstellt wurde.

Die belgischen Behörden teilten mit Nachricht vom 20.09.2017 mit, dass der Beschwerdeführer dort am 23.09.2008 einen Asylantrag gestellt hatte und im Oktober 2008 untergetaucht sei. Der Beschwerdeführer sei auch von den schwedischen Behörden registriert worden. Die niederländischen Behörden teilten mit Nachricht vom 11.10.2017 mit, dass der Beschwerdeführer dort nach Übernahme aus der Schweiz einen Asylantrag gestellt hat, der am 20.09.2011 abgelehnt wurde, worauf der Beschwerdeführer am 22.03.2012 mit Unterstützung von IOM in den Herkunftsstaat zurückgekehrt sei. Daher werde einem österreichischen Wiederaufnahmegesuch nicht entsprochen. Die deutschen Behörden teilten mit Nachricht vom 08.09.2017 mit, dass der Beschwerdeführer dort nicht bekannt sei.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 15.06.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht wohl fühle. Er nehme Medikamente gegen Hepatitis C, Zucker, nehme Psychopharmaka, stehe in einer Substitutionstherapie und ersuche um Verschiebung. Der Beschwerdeführer sei wegen seiner Krankheiten nach Österreich gekommen und es gebe kein anderes Fluchtvorbringen. Die Einvernahme wurde verschoben.

Aus einem vorgelegten Arztschreiben eines Landesklinikums vom 02.05.2018 geht hervor, dass für den Beschwerdeführer bei Diagnosen von chronischer Virushepatitis C, Diabetes mellitus Typ II, durchgemachte Hepatitis B, laufender Substitutionstherapie mit Methadon eine antivirale Therapie empfohlen werde.

Am 18.06.2016 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Er gab an sich wohl zu fühlen und in der Lage zu sein, Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er stamme aus einem Region in Zentralgeorgien, wo er bis zur Ausreise in einem eigenen Haus gelebt habe. Er habe dort auch Glashäuser und Rinder. Diese würden durch einen Nachbarn betreut.

Der Beschwerdeführer legte weitere Arztschreiben und Bestätigungen vor, woraus sich ergibt, dass am 10.01.2018 Rahmen einer Gastroskopie eine chronische Gastritis ohne Anhalt für Malignität festgestellt wurde, weiters dass der Beschwerdeführer seit August 2017 bis Dezember 2017 Beratungsgespräche bei einem Verein für Suchtberatung geführt hat.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er keine Verwandten in Österreich habe. Im Herkunftsstaat würde ein Cousin leben, mit dem er keine Kontakte habe. Er habe im Herkunftsstaat den Lebensunterhalt aus seiner Landwirtschaft bestritten. Seine Lebensumstände seien schlecht gewesen. Es fehle in Georgien an Lebensqualität und man könne sich Behandlungen nicht leisten. Der Beschwerdeführer habe gesehen, dass sein Leben gesundheitlich in Gefahr gewesen sei. Er habe seit fast 20 Jahren Hepatitis und chronische Magenprobleme. Das wichtigste Problem seines Lebens sei die Drogenabhängigkeit seit dem 16. Lebensjahr. Die bei der Erstbefragung angesprochenen Probleme mit einem Polizisten seien kein Fluchtgrund. Die wichtigen Probleme seien die gesundheitlichen. Auf Nachfrage zu den vorgelegten Bestätigungen gab der Beschwerdeführer an, dass er derzeit nicht mehr vom genannten Verein für Suchtberatung betreut werde. Der Beschwerdeführer habe in Georgien versucht, sich behandeln zu lassen, aber es sei alles sehr teuer. Der Beschwerdeführer verneinte auf Befragen, dass er im Herkunftsstaat Probleme mit Behörden gehabt hätte oder in Haft gewesen sei. Er lebe in Österreich von der Bundesbetreuung, habe keine Verwandte oder sonstige Kontakte sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer religiösen Vereinigung.

Dem Beschwerdeführer wurden Feststellungen über die Möglichkeit der Behandlung von Hepatitis C im Herkunftsstaat und über den Zugang zur Behandlung von psychischen Erkrankungen zur Kenntnis gebracht. Er führte dazu aus, dass die Behandlung nur auf dem Papier kostenlos sei, in Wirklichkeit nicht. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung von Länderfeststellungen über die Situation in Georgien.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt(Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass dessen Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, beim Beschwerdeführer, dessen Identität feststehe, handle es sich um einen der Mehrheitsethnie angehörigen Georgier orthodoxen Glaubens. Dieser habe keine Anknüpfungspunkte in Österreich und lebe von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat dargetan. Er leide an Hepatitis C, nicht insulinabhängiger Diabetes Typ II, einer chronischen Gastritis ohne Anhalt für Malignität und stehe im Drogen-Ersatzprogramm mit Methadon. In psychologischer Behandlung stehe er derzeit nicht. Es liege somit keine lebensbedrohende Erkrankung vor, welche einer Rückkehr nach Georgien entgegenstehen würde. Ihm stehe bei einer Rückkehr nach Georgien die Möglichkeit offen, sich wie vor der Ausreise im georgischen Gesundheitssystem behandeln zu lassen.

Die Behörde traf Feststellungen über die Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, darunter auch insbesondere zum Bestehen einer staatlich finanzierten medizinischen Grundversorgung.

Eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung liege im Herkunftsstaat nicht vor.

Da es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat handle, sei einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen.

3. Gegen den dargestellten Bescheid richtet sich die durch den nunmehrigen gewillkürten Vertreter mit Schreiben vom 17.07.2018 fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt habe. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er im Herkunftsstaat für die notwendige Medikation für Hepatitis C als auch für psychiatrische Behandlung nicht die nötigen Mittel aufbringen habe können. Aus den Länderfeststellungen über die Behandlung von Hepatitis C gehe nicht hervor, ob sämtliche Kosten gedeckt seien. Der Beschwerdeführer könne die Kosten des in Österreich für die Therapie eingesetzten Medikamentes jedenfalls nicht aufbringen.

Die Behörde habe festgehalten, dass der Beschwerdeführer derzeit nicht in psychologischer Behandlung sei und zuletzt im Dezember 2017 einen Termin bei einem Verein für Suchtberatung gehabt habe. Mittlerweile stehe der Beschwerdeführer jedoch wieder in psychiatrischer Betreuung.

Hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid angesprochenen familiären Bindungen im Herkunftsstaat habe die Behörde nicht ermittelt, ob der Cousin des Beschwerdeführers überhaupt in der Lage sei, den Beschwerdeführer zu unterstützen.

Eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien werde das reale Risiko bergen, notwendige medizinische Behandlungen nicht rechtzeitig fortsetzen zu können und sich die notwendigen Medikamente nicht leisten zu können. Dies führe im vorliegenden Fall zur Notwendigkeit der Gewährung von subsidiärem Schutz.

Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

4. Mit Aktenvermerk vom 07.08.2018 hielt die damals zuständige Gerichtsabteilung fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vorlägen.

5. Am 25.09.2018 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Georgien abgeschoben. Seit dem 26.09.2018 liegt keine behördliche Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde das gegenständliche Verfahren der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dem vorgebrachten Fluchtgrund:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien, Angehöriger der georgischen Volksgruppe sowie der christlich-orthodoxen Religionsgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist im Sommer 2017 auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist und hat am 14.08.2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Ort in Zentralgeorgien, wo er zuletzt sein eigenes Haus bewohnt hat. Er hat seinen Lebensunterhalt in Georgien durch einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb (Glashäuser und Viehhaltung) bestritten, wobei der Betrieb in Abwesenheit von einem Nachbarn betreut wird. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos verfügt in Georgien über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte.

1.1.2. Beim Beschwerdeführer liegen folgende gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor: Chronische Virushepatitis C (seit 20 Jahren), nicht insulinpflichtige Diabetes mellitus Typ II, chronische Gastritis ohne Anzeichen für Malignität, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, Abhängigkeitssyndrom durch Opioide mit Drogenersatzbehandlung durch Methadon. Der Beschwerdeführer hat kostenlos Zugang zu dem nach den Länderfeststellungen bestehenden Programm zur Behandlung von an Hepatitis C erkrankten Personen mit teuren amerikanischen Medikamenten. Weiters hat der Beschwerdeführer Zugang zum staatlichen Programm für die Behandlung psychische Erkrankung und für die Behandlung von Drogensucht einschließlich der Verabreichung von Substitutionsmedikamenten.

Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass ihm eine benötigte Behandlung im Herkunftsstaat in der Vergangenheit verweigert worden

Der Beschwerdeführer war in Österreich nicht in stationärer Krankenbehandlung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, seinen Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund des Wunsches nach medizinischer Behandlung verlassen zu haben und keine darüber hinausgehenden Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Der Beschwerdeführer hat keine Furcht vor individueller Verfolgung behauptet und insbesondere die bei der Erstbefragung zunächst angesprochene behauptete Bedrohung durch Polizeiangehörige im weiteren Verfahren negiert und auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.

Es kann auch von Amts wegen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

1.1.4. Es besteht für den Beschwerdeführer in Georgien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die wirtschaftliche Situation des Genannten - auch unter Berücksichtigung künftig notwendig werdender Behandlungs- und Medikamentenkosten - als derart desolat erwiesen hätte, als dass der Beschwerdeführer, welcher im Herkunftsstaat einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb hat, Gefahr liefe, in Georgien in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

1.1.5. Der Beschwerdeführer bestritt seinen Lebensunterhalt während seines Aufenthalts in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung und verfügte über keine aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen oder sonstige enge soziale Bezugspersonen im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, ist keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und war in keinem Verein Mitglied. Er hat keine Aspekte einer Integration in das österreichische Bundesgebiet dargetan.

Er wurde vom zuständigen Bezirksgericht wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (Wegnahme von Parfüms in einem Drogeriemarkt in zwei Fällen im Dezember 2017 und im März 2018) zu einer Geldstrafe von € 250 und für den Fall der Uneinbringlichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 25 Tagen sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Zufolge dem Abschlussbericht der zuständigen Landespolizeidirektion an die zuständige Staatsanwaltschaft wurde der Beschwerdeführer am 03.07.2018 in einem Drogeriemarkt bei der Wegnahme einer Packung Damenparfum betreten.

1.1.6. Der Beschwerdeführer wurde am 25.09.2018 auf dem Luftweg in den Herkunftsstaat abgeschoben, es liegt keine aufrechte behördliche Wohnsitzmeldung seiner Person im Bundesgebiet vor.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1. Politische Lage

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

Quellen:

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Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018

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EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018

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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round

-

Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018

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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians

In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018

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Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018

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Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).

Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018

-

Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018

-

EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018

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GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018

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Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018

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Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018

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Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,

https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).

Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).

Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018

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Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018

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Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018

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EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018

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JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350, Zugriff 7.6.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html, Zugriff 7.6.2018

4. Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).

Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).

Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die nationale und internationale Aufmerksamkeit für Straflosigkeit hat zugenommen (USDOS 20.4.2018).

Georgien verfügt nicht über einen wirksamen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden. Wenn Ermittlungen eingeleitet werden, führen sie häufig zu Anklagen, die geringere, unangemessene Sanktionen wie Amtsmissbrauch nach sich ziehen und selten zu Verurteilungen führen. Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).

Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 18.4.2018

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Eurasianet (5.7.2017): Georgia: Are the Police Backsliding? https://eurasianet.org/s/georgia-are-the-police-backsliding, Zugriff 18.4.2018

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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 17.4.2018

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NDI/CRRC - National Democratic Institute/Caucasus Research Resource Centers (4.2017): Public attitudes in Georgia Results of a April 2017 survey carried out for NDI by CRRC Georgia, https://www.ndi.org/sites/default/files/NDI_April_2017_political%20Presentation_ENG_version%20final.pdf, Zugriff 18.4.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 23.5.2018

5. Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln (Artikel 14 ff.) postuliert. Mit dem Ombudsmann für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten zur Untersuchung von Vorgängen, greifen viele Themen auf und sind öffentlich sehr präsent. Mit Reformen haben in den letzten Jahren auch Staatsanwaltschaft und Gerichte in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen und werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, so dass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Der vom Parlament eingesetzte Ombudsmann ist jedoch sehr aktiv. Er greift Einzelfälle auf und spricht Missstände aller Art regelmäßig öffentlich an (AA 10.12.2017).

Während des gesamten Jahres 2017 waren Fälle von Misshandlungen von Bürgern durch Polizeibeamte und die Untersuchung dieser Vorkommnisse die größten Herausforderungen. Auch die Rechte schutzbedürftiger Gruppen wurden verletzt. Diesbezügliche Fälle wurden nicht wirksam untersucht. Ungeachtet der bedeutenden Änderungen in der Gesetzgebung bestehen nach wie vor wichtige Herausforderungen in Bezug auf die Identifizierung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Menschenrechtsverletzungen gegen religiöse Minderheiten und LGBTQ-Personen auch im Jahr 2017 unzureichend untersucht. Die verschiedenen Gewalttaten gegen diese Gruppen bleiben ungestraft, was im Widerspruch zu der positiven Verpflichtung Georgiens steht, einen angemessenen Schutz und die Sicherheit von Minderheiten zu gewährleisten. Der von den Regierungsvertretern angeblich ausgeübte Druck auf die Medien setzte sich auch im Jahr 2017 fort. Ein unabhängiger Ermittlungsmechanismus zur Untersuchung von Straftaten der Strafverfolgungsbehörden wurde auch im Jahr 2017 nicht geschaffen (HRC 2018).

Im Jahr 2017 ist die Zahl der durch religiöse Intoleranz motivierten Gewalttaten zurückgegangen, was auf eine rückläufige Tendenz bei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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