TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W132 2190121-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2190121-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am 21.02.2015 einen bis 31.05.2017 befristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH eingetragen sowie die Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", "Der Beschwerdeführer ist Träger von Osteosynthesematerial" und "Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Ausweises gem. §29b StVO" vorgenommen.

Dieser Entscheidung wurde das auf persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers basierende Sachverständigengutachten Dris. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, vom 06.05.2015 zu Grunde gelegt.

2. Der Beschwerdeführer hat am 05.07.2017 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, und Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 17.01.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH bewertet wurde.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde unter Darstellung der unfallbedingten Krankengeschichte des Beschwerdeführers im Wesentlichen vorgebracht, durch einen unfallchirurgischen und einen neurologischen Sachverständigen sei festgestellt worden, dass beim Beschwerdeführer pseudoarthrotisch verheilter Berstungsbruch des 4.

Brustwirbelkörpers mit unfallbedingtem Kyphosewinkel von 20 Grad, Knöchern verheilter Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers ohne morphologische Verformung, Verschmächtigung der Paravertebralmuskulatur der Brust- und der Lendenwirbelsäule mit Bewegungseinschränkung und Verminderung der axialen Belastbarkeit des Rumpfes, Narben im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule mit operativ bedingtem Weichteilschaden, Narbe im Bereich des rechten Schlüsselbeines und geringgradige Verschmächtigung der rechten Trapezmuskulatur, geringfügige Hypästhesie des Körpers unterhalb der Brustwarzen mit minimaler Störung der Ausscheidung des Stuhls und leichten Beeinträchtigungen der Vita Intima, angedeutete minimal spastische Paraparese der Beine mit leichten Koordinationsunsicherheiten und minimalen Gangstörungen sowie Belastungsschwäche der Beine vorlägen. In Zusammenfassung dieser Sachverständigengutachten sei eine Dauerinvalidität objektiviert worden, wobei eine Gesamtwertminderung von 35%, eine Minderung des Armwertes rechts um 2,5%, eine Beinwertminderung rechts um 20% und eine Minderung des Beinwertes links um 20% erhoben worden seien. Tatsächlich bestehe unter Berücksichtigung der Spät- und Dauerfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 %. Auch werde im neurologischen Sachverständigengutachten ein Hilfsbedarf von 5 Stunden pro Monat beschrieben und festgehalten, dass keine schweren Tätigkeiten, wie das Tragen von Kübeln und dergleichen, ausgeübt werden dürfen. Somit könne dem Beschwerdeführer auch das Tragen von Koffern nicht zugemutet werden und sei dem Beschwerdeführer daher die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Insgesamt liege eine Beeinträchtigung der Beine vor, die das Zurücklegen längerer Strecken und das Tragen von schweren und mittelschweren Lasten verunmögliche. Es werde die Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Unfallchirurgie und Neurologie beantragt. Der Beschwerdeführer spreche sich ausdrücklich gegen die Bestellung der bisher tätig gewesenen Sachverständigen aus.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

3.1. Mit dem - im Bundesverwaltungsgericht am 23.03.2018 eingelangten - Schreiben vom 23.03.2018 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

3.2. Im Zuge der Ladung zur persönlichen Untersuchung vom 07.06.2018 wurde der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Vertretung darauf hingewiesen, dass gemäß § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

3.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.07.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH bewertet wurde.

3.4. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemein-und Ernährungszustand gut. Thorax symmetrisch. 12 cm Narbe rechtes Schlüsselbein. Am Rücken 20cm Narbe BWS, 4x 5cm Narbe LWS.

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 55-0-55, F 15-0-15, KJA 1 cm, Reklination 16 cm. Verstärkte Brustkyphose, BWS-drehung 15-0-15,

Ott: 30/32cm, Schober Zeichen 10/ 14 cm, FKBA 15 cm, Seitneigung bis 15 cm ober Patella.

Obere Extremitäten: Schultern in S 40-0-170, F 180-0-50, R 80-0-80, Ellbogen 0-0-130, Handgelenke 50-0-60, Faustschluss beidseits möglich.

Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.

Untere Extremitäten: Hüftgelenke in S 0-0-110, F 35-0-30, R 30-0-10, Kniegelenke in S 0-0-130, bandfest, reizfrei. Sprunggelenke 15-0-45. Lasegue beidseits negativ.

Gangbild/Mobilität im Zuge der persönlichen Untersuchung: Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe etwas unharmonisch, leicht spastisch möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand möglich.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Restbeeinträchtigung der Beine mit vor allem erhöhtem Muskeltonus und Belastungsschwäche, leichte Stuhlentleerungsstörung und Gefühlsstörung ab Brustbereich nach Rückenmarksverletzung 09/2014 Mittlerer Rahmensatz, da keine ausgeprägten Lähmungen vorliegen.

04.03.01

30 vH

02

Posttraumatische Funktionseinschränkung der Wirbelsäule nach Brüchen Th 3- 5 und L1 Wahl der Position, da Kyphose Brustwirbelsäule bei Keilwirbel Th 4 mit Belastungsdefizit. Unterer Rahmensatz, da mäßige funktionelle Einschränkung.

02.01.02

30 vH

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH, da Leiden 1 durch Leiden 2 wegen ungünstiger Leidensbeeinflussung aber auch bei Leidensüberschneidung um eine Stufe erhöht wird.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten und Beweismittel:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist auch in Zusammenschau mit den durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen. Der Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt.

Die vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Dr. XXXX begründet die Beurteilung von Leiden 1 überzeugend damit, dass keine ausgeprägten Lähmungen vorliegen. Er führt nachvollziehbar und im Einklang mit der Einschätzungsverordnung aus, dass die Heranziehung von Richtsatzposition 04.03.02 erst bei Ausfall mehrerer Muskelgruppen, dem Vorliegen höhergradiger Lähmungen der oberen oder unteren Extremitäten und dem Erfordernis eines Hilfsmittels bei Fortbewegung, zur Anwendung kommt, derart schwere Funktionsdefizite beim Beschwerdeführer jedoch nicht vorliegen. Diese Beurteilung basiert auf dem erhobenen und unwidersprochen gebliebenen klinischen Befund. Das Gangbild zeigte sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung ohne Gehbehelfe nur etwas unharmonisch, leicht spastisch, der Zehen- und Fersenstand waren möglich.

Auch erläutert der Sachverständige, dass zwar die vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten nach anderen Kriterien erstellt wurden, im Endergebnis aber die darin dargestellten Funktionsdefizite der nach der Einschätzungsverordnung getroffenen Beurteilung entsprechen.

Die Beurteilung des Wirbelsäulenleidens begründet Dr. XXXX überzeugend damit, dass bei Kyphose der Brustwirbelsäule mit Keilwirbel nur mäßige funktionelle Einschränkungen mit Belastungsdefizit bestehen. So konnten eine Brustwirbelsäulendrehung von 15-0-15, Ott von 30/32 cm, Schober Zeichen von 10/14 cm und ein Fingerkuppen-Boden-Abstand von 15 cm objektiviert werden. Er beschreibt schlüssig, dass es - nach dem auslösenden Unfallgeschehen - im Laufe der Heilungsbewährung zu einer Besserung dieses Leidens gekommen ist, da sich die Funktion der Wirbelsäule nach Entfernung der Implantate maßgeblich gebessert hat. Es handelt sich um einen kompensierten vorläufigen Endzustand. Schmerzmittel werden keine genommen. Nachvollziehbar erörtert der Sachverständige, dass eine höhere Einschätzung dieses Leidens nach der Einschätzungsverordnung nicht möglich ist, da zur Heranziehung von Richtsatzposition 02.01.03 neben den beim Beschwerdeführer vorliegenden deutlichen radiologischen Veränderungen, die dauernde Einnahme von starken Schmerzmittelen, neurologische Defizite wie Blasen- und Mastdarmstörungen, schweres Wirbelgleiten und relevante motorische Defizite vorliegen müssten.

Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht - auch in Zusammenschau mit den im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten - mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten Dris. XXXX , nämlich weder dem erhobenen klinischen Befund, noch den daraus gezogenen Schlussfolgerungen bzw. der Beurteilung der Funktionseinschränkungen, sind die Verfahrensparteien jedoch nicht entgegengetreten. Vielmehr wurde dessen Inhalt im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als nun eine neuerliche persönliche Untersuchung durch einen Facharzt für Unfallchirurgie erfolgte. Das Beschwerdevorbringen war jedoch nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 40 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche. Die vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen.

Da ein Grad der Behinderung von vierzig (40) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Soweit in der Beschwerde die Befassung eines Sachverständigen der Fachrichtung Neurologie beantragt wird, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114). Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das eingeholten Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG für die Berufungsbehörde die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht hat. (VwGH vom 11.11.1991, Zl. 90/19/0505)

Diese Judikatur ist auf die Begrenzung des Beschwerdegegenstandes der Verwaltungsgerichte übertragbar.

"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. (VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; 17.02.2017, Ra 2017/11/0008)

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Ein im Beschwerdeverfahren vorgebrachtes Begehren, welches den Gegenstand des angefochtenen Verfahrens überschreitet, kann den zulässigen Beschwerdegegenstand nicht darüber hinaus erweitern.

Bezüglich jener Einwendungen des Beschwerdeführers, welche offensichtlich auf die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln" in den Behindertenpass abzielen, wird daher festgehalten, dass die entsprechende Zusatzeintragung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides - welcher lediglich über den Grad der Behinderung abspricht - ist.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde sowohl im behördlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich durch Fachärzte der Fachrichtungen Orthopädie, Neurologie und Unfallchirurgie untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell und auch Gegenstand des Verfahrens sind. Es resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Im Übrigen wurde eine mündliche Verhandlung vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer nicht beantragt, worin ein konkludenter Verzicht zu sehen ist. (VwGH vom 14.09.2016, Zl. Ra 2016/08/0137)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W132.2190121.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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