TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/22 98/17/0133

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Veröffentlicht am 22.02.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. R und Dr. T, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 23. März 1998, Zl. 2-GI-G1938/2-1997, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung i. A. Vorschreibung eines Kostenbeitrages für Anliegerleistungen, (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit insgesamt vier Bescheiden vom 5. August 1996 schrieb die mitbeteiligte Stadtgemeinde dem Beschwerdeführer den Kostenbeitrag für Anliegerleistungen vor. Jeder dieser Bescheide wurde dem Beschwerdeführer gesondert und nachweislich mittels RSb am 14. August 1996 zugestellt.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer mit einem Schriftsatz Berufung, stellte gleichzeitig den Antrag auf Stundung und Akteneinsicht "durch Übermittlung einer kompletten Aktenfotokopie".

Im vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich die Niederschrift über die Berufungsausschusssitzung vom 17. Oktober 1996, in der zur Klärung weiterer Fragen der Tagesordnungspunkt 4 (Berufung des Beschwerdeführers gegen die genannten Bescheide) vertagt wurde. Ein Beschluss des Gemeinderates über die Erledigung der Berufungen ist dem Akt nicht angeschlossen.

Mit vier getrennt abgefassten Bescheiden jeweils vom 2. Dezember 1996 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung gegen die genannten Bescheide ab, bestätigte die angefochtenen Bescheide und "lehnte" den Antrag auf Stundung "ab".

Im vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Dezember 1996, Zl. 120-290280/1995, in einfacher Ausfertigung. Dieser Bescheid wurde nachweislich mittels RSb dem Beschwerdevertreter als Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 23. Dezember 1996 zugestellt. Die weiteren drei Bescheide befinden sich im vorgelegten Akt in zweifacher Ausfertigung, ein Zustellnachweis ist diesen Bescheiden nicht angeschlossen.

Der Beschwerdeführer erhob mit einem vom Beschwerdevertreter verfassten Schriftsatz Vorstellung "gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neusiedl am See vom 2.12.1996", die am 3. Jänner 1997 in der mitbeteiligten Gemeinde einlangte. Die Angabe der Geschäftszahl fehlt in der Vorstellung. In der Vorstellungsbegründung, in der die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung des Kostenbeitrages für eine Anliegerleistung bekämpft wird, ist teils von einem Bescheid teils auch von mehreren Bescheiden die Rede.

Die zuständige Vorstellungsbehörde entschied über diese Vorstellung nicht. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an die belangte Behörde.

Mit Bescheid vom 23. März 1998 wies die belangte Behörde die Vorstellung als unzulässig zurück. Dies mit der Begründung, die Vorstellung benenne weder die Anzahl der Bescheide, gegen die sie sich richte, noch nenne sie deren Geschäftszahl. Benannt werde lediglich das Datum der Entscheidung des Gemeinderates. Da jedoch zu diesem Datum in dieser Angelegenheit vier Bescheide vom Gemeinderat an den Beschwerdeführer erlassen worden seien, sei dies für eine entsprechende Bezeichnung nicht ausreichend. Insbesondere auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine Vorstellung einleitend gegen "den Bescheid" des Gemeinderates richte und im Punkt 5 von "den angefochtenen Bescheiden" spreche, um im Punkt 6 wieder in der Einzahlform mit den Worten "der angefochtene Bescheid" fortzusetzen, sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, ob alle vier Bescheide oder - verneinendenfalls - welcher der vier Bescheide bekämpft werde. Selbst wenn man das Erfordernis der Bezeichnung des Bescheides nicht zu streng auslege und der Nichtanführung der Geschäftszahlen der Bescheide keine Bedeutung beimesse, komme die Behörde zu dem Ergebnis, dass nicht erkennbar sei, gegen welchen der vier Bescheide - gegebenenfalls gegen alle vier Bescheide - sich diese Vorstellung richte. Dies insbesondere deshalb, weil der Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sei und ihm daher die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Vorstellung zugemutet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf meritorische Entscheidung und Vorschreibung der Abgaben nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Beschwerdevorbringen sei dem Beschwerdeführer nur ein Bescheid zugestellt worden, die anderen drei Bescheide vom 2. Dezember 1996 seien ihm nicht zugekommen. Demnach könne sich die Vorstellung nur gegen den zugestellten Bescheid richten.

Gemäß § 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustellG obliegt es der Behörde im Zweifel, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen.

Im Beschwerdefall liegt ein Nachweis der Zustellung der drei genannten Bescheide nicht vor. Die Darstellung der Gemeinde, alle vier Bescheide hätten sich in dem nur mit einer Aktenzahl gekennzeichneten, dem Beschwerdeführer zugestellten Kuvert befunden, ist eine bloße Behauptung aber kein Nachweis der Zustellung aller vier Bescheide. Dies zumal der nachweislich zugestellte Bescheid sich nur einfach und die übrigen Bescheide sich jeweils zweifach im Verwaltungsakt befinden.

Ermittlungsergebnisse darüber, dass sich allenfalls tatsächlich vier Bescheide in einem Kuvert befunden haben könnten und dem Beschwerdeführer alle vier Bescheide zugestellt worden sind, finden sich im Akt nicht. Allein aus der Vorstellungsformulierung abzuleiten, der Beschwerdeführer habe alle vier Bescheide erhalten, hält einer Prüfung nicht stand, weil in der Vorstellung nie zum Ausdruck kommt, dass er auch tatsächlich vier Bescheide erhalten hätte und diese auch bekämpfen möchte. Nach dieser Sachlage kann somit nur dem Beschwerdevorbringen gefolgt werden, wonach dem Beschwerdeführer nur ein einziger Bescheid vom 2. Dezember 1996 zugestellt wurde.

Gemäß § 77 Abs. 2 Burgenländische Gemeindeordnung ist die Vorstellung schriftlich oder telegraphisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten.

Das Fehlen der Bezeichnung des bekämpften Bescheides stellt einen nicht verbesserbaren inhaltlichen Mangel dar, der zur sofortigen Zurückweisung der Vorstellung zu führen hat. Eine derart mangelhafte Vorstellung ist daher auch keiner Verbesserung im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zugänglich

(vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0173).

Die Behörden sind verpflichtet, auf Grund knapper Angaben in einem Rechtsmittel bzw. einer Vorstellung Ermittlungen dahingehend durchzuführen, welcher Bescheid vom Vorstellungswerber gemeint sein könnte. Sofern die eindeutige Bezeichnung der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, der Rechtssache, Geschäftszahl und des Datums des Bescheides nicht gegeben ist, kann ein Fehlen einer der Angaben, die die eindeutige Bestimmtheit gewährleisten, nur dann nicht schaden, wenn auf Grund der im Rechtsmittel enthaltenen Angaben in Verbindung mit den üblicherweise bei Behörden geführten Aufzeichnungen eine Bestimmung des angefochtenen Bescheides möglich ist. Die bloße Angabe eines Datums eines Bescheides erfüllt dieses Kriterium jedenfalls dann nicht, wenn die bescheiderlassende Behörde auf Grund der Angaben des Vorstellungswerbers tatsächlich nicht in der Lage ist, zweifelsfrei zu erkennen, welcher Bescheid Gegenstand des Vortellung ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0063).

Ist es ungeachtet einer mangelhaften Bezeichnung für die Behörde ein leichtes, den bekämpften Bescheid festzustellen, so hat sie derartige geringfügige Ermittlungsschritte zu setzen. Erst dann, wenn solche geringfügigen Ermittlungsschritte erfolglos bleiben, weil die vom Berufungswerber gemachten Angaben allzu mangelhaft sind, wird eine Zurückweisung der Berufung in Betracht gezogen werden können (vgl. hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/06/0145).

Der Bescheid war in der Vorstellung mit dem Datum angeführt, es war auch die Behörde bezeichnet und der Gegenstand "Anliegerleistungen". Es wäre für die Gemeindebehörde, an die die Vorstellung auch adressiert war, leicht gewesen, den bekämpften Bescheid festzustellen, wenn sie nicht verkannt hätte, dass nur ein Bescheid vom 2. Dezember 1996 betreffend Vorschreibung des Kostenbeitrages für Anliegerleistungen an den Beschwerdeführer zugestellt war. Hinsichtlich der übrigen Bescheide war keine Zustellung erfolgt, sodass diese daher gar nicht existent geworden sind.

Der vom Beschwerdevertreter - einem Rechtsanwalt, dem die gesetzliche Verpflichtung der Bezeichnung eines Bescheides in einer Vorstellung auch mit der Geschäftszahl bekannt sein müsste - verfasste Schriftsatz bezeichnete den bekämpften Bescheid wegen Fehlens der Bescheidzahl zwar nur mangelhaft, auf Grund der weiteren Angaben in der Vorstellung war aber im Fall der Zustellung und rechtlichen Existenz nur eines Bescheides vom 2. Dezember 1996 betreffend Vorschreibung eines Kostenbeitrages für Anliegerleistungen an den Beschwerdeführer für die Abgabenbehörde nur unschwer erkennbar, gegen welchen Bescheid Vorstellung erhoben worden war.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abgabenbescheide durfte im Hinblick auf den Gegenstand des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung der Vorstellung) nicht erfolgen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998170133.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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