TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/24 W131 2131029-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W131 2131029-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde der mj XXXX , geb XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch ihre Mutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2016, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die minderjährige Beschwerdeführerin (= Bf), eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 09.09.2015, vertreten durch ihre Mutter, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Ihr Antrag auf internationalen Schutz (betreffend Asyl und subsidiärem Schutz) wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2016, Zl XXXX , abgewiesen und mit gleichem Bescheid ihre Ausweisung nach Afghanistan verfügt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben.

4. Der Mutter der Bf wurde mittlerweile mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (= BVwG) vom24.04.2019, W131 2131021-1, der Asylstatus zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Bf ist afghanische Staatsangehörige und wurde am XXXX im Iran geboren. Sie ist Angehörige der Volksgruppe der Hazara (Sadat/Sayed) und bekennt sich selbst formal zum Islam schiitischer Ausrichtung.

Im Jahr 2015 reiste die minderjährige Bf gemeinsam mit ihren Eltern und minderjährigen Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Am 09.09.2015 stellte die Bf (vertreten durch ihre Mutter) den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt war die Bf minderjährig und ledig. Die Bf hält sich derzeit gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in Österreich auf.

Die Bf ist nicht straffällig geworden bzw strafunmündig.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 24.04.2019 wurde der Beschwerde der Mutter der Bf ( XXXX , W131 2131021-1) stattgegeben und ihr der Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 zuerkannt und festgestellt, dass ihr somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Im Fall der Mutter der Bf ist auch kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt der Bf und jenem ihrer Mutter (W131 2131021-1).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Im vorliegenden Fall wurde - wie sich den Feststellungen entnehmen lässt - der Mutter der Bf mit Erkenntnis des BVwG vom 24.04.2019 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihr gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die Mutter der Bf angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") aus wohlbegründeter Furcht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl das bereits weiter oben zitierte Erkenntnis des BVwG). Es liegt auch in Bezug auf die Mutter der Bf keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Gemäß § 34 Abs 2 iVm Abs 5 AsylG 2005 hat das BVwG aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Gemäß Abs 4 leg cit hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Die minderjährige Bf ist die Tochter von XXXX (W131 2131021-1) und ist daher jedenfalls als Familienangehörige iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 zu betrachten.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter der Bf gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Bf ist nicht straffällig geworden bzw strafunmündig. Gegen die Mutter der Bf ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Der Bf ist daher nach § 34 Abs 4 iVm Abs 5 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Nach den Materialien (RV 952, 22 GP, 54) dient § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband. Ziel der Bestimmungen ist, Familienangehörigen (§ 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der Bf gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Bf damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Abschließend ist an dieser Stelle der Vollständigkeit halber noch darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 09.09.2015 und somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insb § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs 24 leg cit im konkreten Fall noch keine Anwendung findet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor (Zur unproblematischen Anwendung des § 34 AsylG 2005 auch im Zusammenhang mit dem Begriff des Familienangehörigen gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 im Familienverfahren siehe etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 26.06.2007, 2007/20/0281; vom 09.04.2008, 2008/19/0205; vom 25.11.2009, 2007/01/1153; vom 24.03.2011, 2008/23/1338, sowie vom 06.09.2012, 2010/18/0398).

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W131.2131029.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten