TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W263 2165248-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W263 2165251-1/11E

W263 2165248-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) der XXXX , geb. am XXXX , 2.) des XXXX , geb. XXXX , beide StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno Johannes WAGENEDER, Promenade 3, 4910 Ried/Innkreis, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2017, 1.) Zl. 1079075910-150903046, 2.) Zl. 1079073709-150903135, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Beschwerdeführerin XXXX , geb. am XXXX , (im Folgenden: BF1, W263 2165251-1) reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX , geb. XXXX (im Folgenden: BF2, W263 2165248-1), beide afghanische Staatsangehörige, in das österreichische Bundesgebiet ein, wo die BF am 21.07.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stellten. Zwischen BF1 und BF2 liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

I. Verfahrensgang:

1. Mit den BF wurde am 22.07.2015 eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes u.a. im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi durchgeführt.

1.1. Die BF1 gab zusammengefasst an, sie sei in " XXXX ", Afghanistan, geboren. Sie sei standesamtlich verheiratet, ihre Muttersprache sei Farsi, welche sie gut in Wort und Schrift beherrsche, sie gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei Muslima. Sie habe keine Ausbildung erhalten und sei Analphabetin. Ihr Ehemann sei in " XXXX " geboren.

Als Familienangehörige im Herkunftsstaat oder anderem Drittstaat gab die BF1 ihre Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern an. Der Aufenthaltsort ihrer Eltern sei ihr nicht bekannt, den Aufenthaltsort ihrer Geschwister könne sie nicht angeben. Als ihren Wohnsitz in Afghanistan gab sie XXXX , XXXX an. Sie bzw. ihre Familie besitze 30 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche. Ihre finanzielle Situation bzw. die ihrer Familie beschreibe sie als "mittel". Ihr Vater und ihre Brüder würden die landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaften und für den Lebensunterhalt sorgen.

Sie habe sich während ihrer Ausreise nach Europa zehn Tage in Pakistan und zehn Tage im Iran aufgehalten (Durchreise).

Befragt zu ihren Fluchtgründen, gab die BF1 an, in Afghanistan herrsche Krieg. Ihr Schwiegervater sei von den Taliban getötet worden. Sie habe große Angst gehabt, von den Taliban getötet zu werden.

1.2. Der BF2 gab zusammengefasst an, er sei in XXXX , Afghanistan, geboren. Er sei standesamtlich verheiratet, seine Muttersprache sei Farsi, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei Moslem. Er habe keine Ausbildung und sei Analphabet. Zuletzt habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Als Familienangehörige im Herkunftsstaat oder anderem Drittstaat gab der BF2 seine verstorbenen Eltern, vier Brüder und eine Schwester an. Wo sich seine Geschwister genau aufhalten, könne er nicht angeben. Als seinen Wohnsitz in Afghanistan gab er XXXX , XXXX an. Er bzw. seine Familie besitze 50 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche. Die finanzielle Situation seiner Familie und seine eigene in Afghanistan beschreibe er als "mittel". Sein Bruder bewirtschafte die landwirtschaftlichen Flächen und sorge damit für den Lebensunterhalt der Familie.

Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab der BF2 an, in Afghanistan herrsche Krieg. Sein Vater sei von den Taliban getötet worden. Er habe große Angst gehabt, von den Taliban getötet zu werden.

2. Im weiteren Verfahrensverlauf gaben die BF in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.04.2017 zusammengefasst weiter an:

2.1. Befragt, ob die BF1 der Sprache Farsi mächtig sei und einverstanden sei, in der Sprache Farsi einvernommen zu werden, gab die BF1 an, es mache für sie keinen Unterschied, sie könne in beiden Sprachen einvernommen werden. Befragt, ob sie psychisch oder physisch in der Lage sei, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, gab sie an, sie habe heute Stress, aber sie könne die Einvernahme durchführen. Die Volksgruppenzugehörigkeit sei bei der Erstbefragung falsch protokolliert worden, sie seien " XXXX ". Gesundheitlich gehe es ihr gut, aber sie habe Bauchschmerzen seit langem. Sie sei beim Arzt gewesen, dieser habe gemeint, dass es nicht problematisch sei. Sie nehme keine Medikamente und sei nicht in Therapie. Festgehalten wurde, dass die BF1 bei der Einvernahme ein Kopftuch trug.

Sie gab weiter an, am XXXX geboren worden zu sein. Sie habe dem Dolmetscher gesagt, dass sie XXXX Jahre alt sei und er habe das Datum aufgeschrieben. Sie sei im neuen Jahr XXXX geboren. Sie sei Analphabetin und könne das nicht umrechnen.

Sie stamme aus XXXX , dies liege in der Nähe von " XXXX ". Die BF1 gehöre der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Sie spreche Dari, ein bisschen Deutsch und könne die lateinische Schrift lesen. Ihre Tazkira sei in Afghanistan geblieben, sie könne sich diese schicken lassen. Das BFA forderte die BF1 auf, Personaldokumente innerhalb von vier Wochen vorzulegen. Befragt, ob sie in ihrem Heimatland ihre Identität nachweisen habe müssen, gab die BF1 an, nein, sie sei nie unterwegs gewesen, sodass sie sich (nicht) ausweisen habe müssen. Sie hätten in einem Dorf gelebt und seien nicht alleine rausgegangen.

Befragt, warum sie eine iranische Heiratsbestätigung habe, gab die BF1, sie wisse es nicht. Sie könne sich nicht erinnern, zu welchem Zweck die iranische Heiratsbestätigung ausgestellt worden sei. Sie hätte in ihrem Dorf XXXX am XXXX geheiratet. Befragt, warum die Heiratsbestätigung ein Jahr nach ihrer Hochzeit ausgestellt worden sei, gab die BF1 an, sie wisse es nicht, sie habe das Jahr vergessen. Sie glaube, dass sie sich beim Datum irre. Nach Vorhalt, dass ihr Ehemann ebenfalls das Datum XXXX angegeben habe, gab sie an, ihr Ehemann wisse das auch nicht genau. Sie würden immer streiten, ob es 10 oder 11 Jahre seien.

Ihr Ehemann sei XXXX Jahre alt, sein Geburtsdatum kenne sie nicht. Es sei nicht üblich dort, das Geburtsdatum aufzuschreiben. Er sei in ihrem Dorf geboren worden. Er sei ihr Cousin väterlicherseits (ihre Väter seien Brüder). Sie sei bei ihrer Hochzeit anwesend gewesen. Die Hochzeit sei arrangiert gewesen, aber sie hätten sich auch geliebt. Es sei eine traditionelle afghanische Hochzeit gewesen. Sie hätten in Afghanistan bei ihrem Schwiegervater im Haus zusammengelebt. Dort gebe es ein großes Haus und jede Familie habe ein eigenes Zimmer. In Afghanistan habe sie den Haushalt geführt. Sie habe zu Hause auch als Friseurin gearbeitet. Sie habe die Augenbrauen gezupft, die Haare geschnitten bzw. die Gesichtshaare entfernt. Als Schneiderin habe sie auch gearbeitet. Sie habe diese Arbeit bei einer Nachbarin erlernt. Befragt, ob sie Kontakte zu anderen Frauen, Verwandten etc. gehabt habe, gab sie an, ja, die Nachbarn seien aus ihrer Umgebung gekommen. Ihr Dorf sei klein. Ihr Ehemann habe sie gut behandelt und sie habe ein gutes Verhältnis zu den Schwiegereltern gehabt.

Aufgefordert, einen kurzen Lebenslauf zu schildern, gab sie weiter an, sie sei in Afghanistan nicht zur Schule gegangen. Ihr Vater habe ihr beigebracht, den Koran zu lesen. Sie habe das Heimatdorf nie verlassen und sei nie in anderen Provinzen oder Ländern gewesen. Ihre Nachbarin habe ihr beigebracht, als Friseur zu arbeiten, ihr Schwager habe ihr die Schneiderei gezeigt. Sie habe immer zu Hause gearbeitet. Sie habe etwas Geld mit ihrer Arbeit verdient. Ihr Ehemann sei Fliesenleger gewesen und habe auf der Baustelle gearbeitet. Sie wisse nicht, bis wann sie gearbeitet hätte. Ihr Dorf sei klein und es habe nicht jeden Tag Arbeit gegeben. Die Männer hätten den täglichen Einkauf in Afghanistan erledigt.

Ihre Angehörigen der Kernfamilie seien gemeinsam mit ihnen ausgereist und leben seither im Iran. Sie habe niemanden mehr in Afghanistan. Sie stehe in Kontakt mit ihren Verwandten.

Ein Onkel väterlicherseits lebe noch in Afghanistan. Sie habe einmal mit ihm gesprochen, seit sie in Österreich sei.

Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die BF1 an, sie sei nicht frei gewesen, sie habe frei sein wollen, aber sie habe keine Freiheit gehabt und deutete auf das Kopftuch. Als ihr Ehemann jung gewesen sei, sei er am Kampf gegen die Taliban beteiligt gewesen. Aufgefordert, ihre Fluchtgründe vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß zu schildern, gab sie an, ihr Ehemann und seine Familie hätten Feinde gehabt. Die BF1 habe frei sein wollen. Ihr Onkel sei von den Taliban ermordet worden. Sie hätten Angst bekommen und seien immer Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Als ihr Onkel getötet worden sei, sei ihr Ehemann nicht zu Hause gewesen. Er sei zum letzten Mal gekommen, als sie ihn begraben hätten wollen. Die Taliban hätten gesagt, sie sollten mit ihnen zusammenarbeiten und Geld bezahlen und einen Teil der Ernte abgeben bzw. vom Besitztum. Wenn sie das nicht zahlen würden, dann würden sie sie umbringen. Ihr Ehemann habe in den Schulen der Gemeinde gearbeitet. Die Taliban hätten sein Foto herumgetragen und hätten jeden gefragt, ob man ihren Ehemann kennen würde. Ihr Ehemann sei verfolgt worden. Sie seien hinter ihrem Ehemann her gewesen. Deshalb hätten sie ausreisen müssen.

Sie habe frei sein wollen, sie habe Radfahren wollen. Sie habe herkommen wollen und in Freiheit leben. Bei einer Rückkehr würden sie ihren Ehemann umbringen.

Befragt, ob sie eigene Fluchtgründe habe, gab sie an, dass sie in Freiheit leben wolle. Sie wolle frei sein. Sie sei persönlich nicht verfolgt oder bedroht worden. Ihr Ehemann sei aufgrund seiner Tätigkeit persönlich von den Taliban bedroht worden. Er habe Schulen aufgebaut, die Taliban würden dies nicht wollen. Über den Tod ihres Schwiegervaters wisse sie nichts, sie sei nicht dort gewesen. Sie wisse nicht, wie er umgebracht worden sei. Er sei auf dem Weg zum Bazar gewesen und sei dort umgebracht worden und jemand (ein Ladenbesitzer vom Bazar) sei zu ihnen gekommen und habe gesagt, dass ihr Onkel umgebracht worden sei. Sie hätten den Vorfall nicht bei der Polizei angezeigt. Sie wisse nicht, ob jemand verständigt worden sei, die Männer würden das machen.

Befragt nach ihrem Sozialleben in Afghanistan, gab die BF1 an, sie habe keine Freundin gehabt und sei in ihrer Freizeit mit ihrer Schwester und ihrer Schwägerin zusammen gesessen und habe sich unterhalten. In Österreich gehe sie meistens ein bis zweimal in der Woche mit ihren Freundinnen spazieren oder werde eingeladen. Sie habe einer afghanischen Familie Deutsch Nachhilfe gegeben und damit Geld verdient. Sie habe österreichische und afghanische, weibliche und männliche Freunde. Mit den Österreichern würde sie deutsch reden und mit den Afghanen Farsi und Dari. Wenn sie in Österreich akzeptiert werden würden, dann würden sie auch Arbeiten davon leben wollen. Ohne Arbeit sei ihnen langweilig. Sie habe in Österreich noch nicht gearbeitet, sie wolle als Friseurin oder Schneiderin arbeiten. Sie besuche ein Sprachcafé. Sie gehe derzeit keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach, aber habe Kränze gebunden. Sie gehe manchmal mit der Nachbarin oder auch alleine einkaufen.

In der Folge wurde die Tazkira der BF1 in Vorlage gebracht und eine Übersetzung eingeholt. Die Tazkira sei demnach am 28.01.1396 ausgestellt worden. Weiters wurde eine Heiratsurkunde sowie drei Deutschkursbesuchsbestätigungen, ein ÖSD Zertifikat A1 und ein ÖSD Zertifikat A2 in Vorlage gebracht.

2.2. Der BF2 gab an, er heiße XXXX und stamme aus der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX . Er gehöre der Volksgruppe der "Sayid" und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er spreche Farsi und Dari.

Er leide an XXXX . Er habe Injektionen bekommen (Anm.: nach den in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen: XXXX ); seit Weihnachten nicht mehr. Er nehme zur Zeit keine Medikamente, habe aber Kontrolluntersuchungen alle drei bis vier Monate. Die Krankheit habe er schon in Afghanistan gehabt.

Der BF2 brachte eine verkleinerte Kopie seiner Tazkira sowie eine Bestätigung des Dorfvorstehers und des Imams, dass er aus dem genannten Heimatdorfes stamme, in Vorlage. Er wisse nicht, wo das Original seiner Tazkira sei, könne aber ein Duplikat beantragen. Auf die Frage, warum er eine iranische Heiratsbestätigung habe, gab der BF2 an, sie hätten ihre Dokumente in den Iran geschickt und dort die Bestätigung ausstellen lassen.

Sein Vater habe das vor ungefähr zehn Jahren gemacht, da seien sie noch in Afghanistan gewesen.

Für die Ausreise nach Europa habe er für seine Frau und sich selbst XXXX gezahlt. Sie hätten das Geld auf Grund ihrer Ersparnisse gehabt. Der BF2 habe gearbeitet, sie würden "viel" Landwirtschaft und Ackerland besitzen.

Der BF2 sei nie zur Schule gegangen. Bis zu seinem 14. oder 15 Lebensjahr habe er als Schafhirte gearbeitet. Danach habe er als Fliesenleger in einer Steinfirma gearbeitet und als "Steinzeugverleger". Das habe er bis zu seiner Ausreise gemacht. Er sei auf der Baustelle gewesen. Er habe das Fliesenlegen in der Firma gelernt. In einer Schule in XXXX sei er als Hausmeister tätig gewesen und habe auch Fliesen verlegt.

Seine Eltern seien verstorben, sein Bruder XXXX arbeite als Fotograf und wohne in XXXX , Afghanistan, drei weitere Brüder würden im Iran auf Baustellen arbeiten. Seine Schwester sei verheiratet und lebe manchmal im Iran und manchmal auch in Afghanistan. Wirtschaftlich gehe es ihnen nicht so schlecht, alle würden arbeiten. Dem Bruder in Afghanistan gehe es auch gut. Die Ländereien der Familie in Afghanistan seien aufgelassen worden, die Nachbarn bewirtschaften diese und würden ihnen eventuell etwas abgeben. Ihr Haus sei von Leuten enteignet worden, die mächtig seien und gute Kontakte zur Regierung hätten. Drei Jahre lang sei ihr Gebiet unter der Herrschaft der Taliban gewesen und sie hätten alles verbrannt. Der BF2 stehe im häufigen telefonischen Kontakt mit seinen Brüdern. Befragt, ob seine Geschwister im Iran Vermögen wie zBsp Grundstücke oder Geldwerte hätten, bejahte der BF2, sie hätten Hab und Gut sowie Geld aus Afghanistan mitgenommen. Sein Schwager habe dort sogar eine Wohnung gekauft, aber er werde immer wieder nach Afghanistan abgeschoben. Sein Onkel mütterlicherseits sei Geschäftsmann und wohne in XXXX . Er wohne in seinem eigenen Haus und besitze auch Ackerland. Seine finanzielle Lage sei sehr gut. Er habe vor ungefähr einem Jahr Kontakt mit ihm per Telefon gehabt.

Außerhalb des Dorfes hätten sie Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Als Schiiten hätten sie sie umgebracht. Weiters sei er ein Jahr lang im Krieg gewesen. Er sei bewaffnet und daran beteiligt gewesen.

Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, er habe normal gearbeitet. Aber sein Vater habe Ackerland besessen und er sei von den Taliban bedroht worden. Er habe ein Motorrad gehabt, meistens sei er mit diesem unterwegs gewesen und sein Vater habe ihm gesagt, dass er vorsichtig sein solle. Wenn jemand ihn bedrohe, dann müsse er schnell wegfahren. Eines Tages sei sein Vater auf dem Weg zum Bazar gewesen, die Taliban hätten ihn zuerst mitnehmen wollen, aber es seien dann andere Geschäftsleute gekommen. Sie hätten ihn nicht mitnehmen können, dann hätten sie ihn erschossen. Dann sei der BF2 benachrichtigt worden, dass er ins Dorf kommen solle. Er sei am Nachmittag ins Dorf gefahren und dort habe er gesehen, dass sich die Leute versammelt hätten und die Leiche seines Vaters begraben wollten. Es sei dort üblich, dass man die Leiche am gleichen Tag begrabe. Die Leute seien neidisch gewesen, dass er bei der Schule gearbeitet habe. Die Leute hätten Kontakt zu den Taliban gehabt. Deshalb sei er auch von den Taliban bedroht worden, daher habe er sich entschlossen sein Heimatland zu verlassen. Die Taliban hätten ihre Fotos gehabt und unterwegs auf dem Weg zum Dorf nach XXXX seien alle Autos kontrolliert worden, auch auf dem Weg in die Stadt XXXX . Die Taliban hätten ihre Bilder gezeigt und es sei nach ihnen gesucht worden, anhand von den Fotos.

Bei einer Rückkehr werden sie ihn umbringen. Wenn er zurückkehre, müsse er in der Schule wieder als Fliesenlegerarbeiten arbeiten und das wäre dann gefährlich. Eines Tages habe er ein Waschbecken in der Moschee montieren wollen und die Leute, denen die Moschee gehört habe, hätten eine Pistole auf ihn gerichtet und ihn gefragt, warum er dort arbeiten würde. Er solle in seinem eigenen Dorf arbeiten und nicht dort. Sie hätten ihn wegen einer Waschbeckenmontage umbringen wollen.

Befragt, warum er sich vor dem Tod seines Vaters ein Visum für den Iran in Mazar-e Sharif ausstellen lassen wollte, gab der BF2 an, sie seien Schiiten und hätten im Iran und im Irak die heiligen Städte besuchen wollen, also eine Pilgerfahrt machen.

Als die Amerikaner Afghanistan angegriffen haben, sei der BF2 14 oder 15 Jahre alt gewesen und sei zum Militär gegangen und sei "mit seinem Zuhause zerstritten" gewesen. Er sei einfacher Soldat gewesen und habe für die Amerikaner gegen die Taliban gekämpft. Er habe keine Menschen getötet, er habe Wache gehalten und danach sei er geflohen und ins Dorf zurückgekehrt. Es sei lustig gewesen, als er geflohen sei; sie hätten immer Kraftstoff bekommen, den sie schwarz an andere verkauft haben, eines Tages habe ein anderer Soldat das Benzin verkauft und ihm ungültiges Geld gegeben. Er sei mit einem Taxi nach Mazar-e Sharif gefahren und habe den Fahrer mit den ungültigen Noten bezahlt. Er habe ihm gesagt, dass das nicht mehr gültig sei. Der BF2 habe ihm seine amerikanische Jacke gegeben, um die Fahrt zu bezahlen. Befragt, warum er von der Armee geflohen sei, gab er an, ihr Kommandant sei ein guter Mensch gewesen, aber sein Assistent sei ein schlechter Mensch gewesen und habe andere Dinge von ihm verlangt. Der BF2 sei 14 Jahre alt gewesen und er habe ihm gesagt, dass er nachts mit ihm schlafen solle. Der BF2 habe ihn töten wollen, aber habe das nicht gemacht und sei geflohen.

Ein Cousin des BF2 habe für die hinterbliebenen Familien der Märtyrer/Kriegsopfer Gelder verteilt und sei dann in den Iran geflohen. Wenn die Taliban sie erwischt hätten, dann hätten sie sie zerstückelt, weil sein Cousin in der Politik tätig sei. Ihr Auto sei sechs Monate vor seiner Ausreise angehalten worden und ein Taliban habe die Fahrgäste gefragt, ob sie jemanden von ihrer Familie kennen würden. Die Fahrgäste und der BF2 hätten nein gesagt.

Die Taliban hätten seinen Vater umbringen wollen, weil sie Großgrundbesitzer gewesen seien und eine Landwirtschaft betrieben hätten. Die Taliban hätten Geld von ihm gewollt. Der BF2 wisse nicht, wie oft sein Vater bedroht worden sei; er habe ihnen nichts gesagt; er habe ihnen nur gesagt, dass sie vorsichtig sein sollten. Der BF2 habe die Taliban nicht gesehen, als diese seinen Vater bedroht hätten. Die anderen Geschäftsleute hätten die Taliban gesehen, als diese seinen Vater getötet hätten. Die Taliban hätten sich danach weder beim BF2 noch bei Familienangehörigen gemeldet. Sie hätten ihre Sachen gepackt. Die Leute hätten gesagt, dass sie Glück hätten, dass ihr Vater getötet worden sei, ansonsten wäre die ganze Familie getötet worden.

Sie hätten Aufträge über die Gemeinde bekommen, von der Distriktbehörde. Es habe andere Leute gegeben, die keine Arbeit gehabt hätten und diese Leute seien neidisch gewesen und hätten die Taliban benachrichtigt.

Zehn Tage nach dem Tod seines Vaters seien sie von zu Hause abgereist. Persönlich sei der BF2 nicht bedroht worden. Aber wenn sie ihn erwischt hätten, dann wäre er getötet worden.

Der BF2 sei zum Dorfvorsteher gegangen. Die Dorfältesten seien zur Polizei gegangen sie hätten sie aber nicht beschützen können.

Es wurde die Tazkira des BF2 in Vorlage gebracht und eine Übersetzung eingeholt. Weiters wurde vier Teilnahmebescheinigungen zu Deutschkursen und eine Bestätigung über eine gemeinnützige Tätigkeit seitens des Gemeindeamtes in Vorlage gebracht. Weiters wurde eine Übersetzung des vorgelegten Schreibens eingeholt.

3. Mit Bescheid vom 04.07.2017 wies das BFA jeweils den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).

4. Mit Verfahrensanordnung vom 06.07.2017 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

5. Die BF erhoben gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde, welche am 19.07.2017 beim BFA einlangte und in der Folge an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wurde (eingelangt am 24.07.2017).

6. Am 06.07.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Vollmachtsbekanntgabe des nunmehrigen Rechtsvertreters der BF ein.

7. Mit Schreiben vom 15.02.2019 legte der Verein Menschenrecht Österreich die Niederlegung seiner Vollmacht vor.

8. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 25.01.2019 forderte der Verwaltungsgerichtshof aufgrund des Fristsetzungsantrages des BF2 das Bundesverwaltungsgericht u.a. auf, binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF und ihr Rechtsvertreter teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari beigezogen wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den BF:

1.1.1. Zur Person der BF:

Die BF stammen aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , aus der Provinz Sar-e Pol (u.a. auch: Sar-i-Pul, Sar-e-Pul, Sar-i-Pol) Afghanistan.

Die BF sind afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Sadat (auch: Sayed, Sayyed, Sadaat, Sayyid, Sayid, Sayeed) und bekennen sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari und sie sprechen auch Farsi.

Der BF2 ist der Ehegatte der BF1 und ihr Cousin väterlicherseits. Die BF haben beide keine Kinder.

Die volljährige BF1 führt den Namen XXXX , geb. am XXXX .

Die BF1 besuchte keine Schule in Afghanistan und wurde etwas zuhause unterrichtet.

Die BF1 erlernte von ihrer Nachbarin und ihrem Schwager Arbeiten als Friseurin (bzw. Kosmetikerin) und Schneiderin und erwirtschaftete dadurch auch ein Einkommen, wenngleich der BF2 maßgeblich für den Familienunterhalt sorgte.

Die Eltern, drei Brüder und eine Schwester leben zusammen in einem Mietshaus im Iran. Ihre Brüder XXXX und XXXX sind verheiratet und arbeiten als Bauarbeiter. Ihre Schwester XXXX ist ebenfalls verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Ehemann im Iran. Die BF1 steht in regelmäßigem Kontakt mit ihnen.

Weiters lebte im Heimatdorf ein Onkel väterlicherseits der Mutter der BF1 namens XXXX . Dieser besaß vor seinem Tod ungefähr im Jahr 2018 ein eigenes Haus, landwirtschaftliche Grundstücke, die er teilweise verpachtete und teilweise durch seine Kinder bestellen ließ. Die BF1 stand in Österreich zumindest einmal in Kontakt mit

XXXX .

Der volljährige BF2 führt den Namen XXXX (auch: XXXX ) XXXX , geb. am XXXX .

Der BF2 besuchte keine Schule in Afghanistan.

Er arbeitete bis zu seinem ungefähr 14. Lebensjahr als Schafhirte, später viele Jahre als angelernter Stein- und Fliesenleger und kennt sich auch mit anderen Bauarbeiten aus.

Drei Brüder des BF2 leben im Iran und arbeiten im Baugewerbe. Seine verheiratete Schwester lebt ebenfalls im Iran, manchmal auch in Afghanistan.

Ein Bruder des BF2 lebt in XXXX und ist als Fotograf tätig.

Der BF2 steht in regelmäßigem Kontakt mit seinen Verwandten.

Im Heimatdorf lebt weiters ein Onkel mütterlicherseits namens XXXX . Er ist Geschäftsmann, verfügt über ein eigenes Haus und landwirtschaftliche Grundstücke, seine finanzielle Lage beschrieb der BF2 als sehr gut. Der BF2 stand in Österreich zumindest einmal in Kontakt mit seinem Onkel.

Der BF2 hatte in Afghanistan einen weiten Freundes- und Bekanntenkreis.

Der BF2 lebte zumindest zwei Jahre im Iran und arbeitete dort als Bauarbeiter. Es ist davon auszugehen, dass auch die BF1 vor ihrer Ausreise nach Europa im Jahr 2015 zumindest eine Zeit lang im Iran lebte.

1.1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF stellten am 21.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Die BF persönlich sind in Afghanistan keiner Verfolgung und damit einhergehenden physischen und/oder psychischen Gewalt durch die Taliban, anderer Gruppierungen oder sonstiger Dritter insb. im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters des BF2, der Tätigkeit des Cousins des BF2 für die Regierung bzw. der Tätigkeit des BF2 als Hausmeister in einer staatlichen Schule ausgesetzt.

Der BF2 nannte seine Tätigkeit als einfache Soldat bzw. seine Desertion und die damit im Zusammenhang stehenden Ereignisse vor ungefähr 20 Jahren nicht als fluchtauslösende Ereignisse. Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass die BF persönlich in Afghanistan Verfolgung und damit einhergehender physischer und/oder psychischer Gewalt aufgrund der Tätigkeit des BF2 als einfacher Soldat bzw. seiner Desertion und die damit im Zusammenhang stehenden Ereignisse vor ungefähr 20 Jahren ausgesetzt sind.

Die BF1 ist in ihrem Herkunftsstaat und auch ihrer Herkunftsregion alleine aufgrund ihres Geschlechts keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Bei der BF1 handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, deren persönliche Haltung über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen steht, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Zwar war die BF1 in der mündlichen Verhandlung bemüht, einen selbstbestimmten Eindruck zu hinterlassen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die BF1 eine "westliche" Lebensweise angenommen hat, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, sodass von ihr nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen.

Es konnte auch weder ein Zwang zum Tragen einer Burka, noch die Unmöglichkeit des Schulbesuches, der Ausbildung und Erwerbstätigkeit von Frauen in Afghanistan glaubhaft gemacht werden.

Eine geschlechtsspezifische Verfolgung der BF1 bzw. eine Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur Gruppe "westlich-orientierter Frauen" mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ist nicht anzunehmen.

Konkret der BF2 ist auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa (und im Iran) aufgehalten hat und damit einhergehend "westlicher" orientiert ist, in Afghanistan keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt bzw. hat er (oder jede(r) derartige "RückkehrerIn") eine solche im Falle einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

Es ist nicht davon auszugehen, dass konkret die BF als Angehörige der Volksgruppe der Sadat bzw. wegen einer (unterstellten) Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie wegen ihrer Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bzw. dass jeder Angehöriger der Volksgruppe der Sadat, der Hazara sowie schiitische Moslem in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre(n).

Insgesamt sind die BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

1.1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr der BF:

Im Falle einer Verbringung der BF in ihren Herkunftsstaat droht diesen kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Eine Rückkehr der BF in ihre Heimatprovinz ist nicht möglich.

Den BF steht aber eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung.

Die BF haben bis zu ihrer Ausreise in Herat nicht gelebt. Der BF2 hat die Stadt Mazar-e Sharif bereits besucht.

Die BF können Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug auf Grund der vorhandenen internationalen Flughäfen erreichen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr der BF nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt ausschließen würden, liegen nicht vor. Der BF2 leidet an einer bereits in Afghanistan diagnostizierten XXXX und einer kürzlich diagnostizierten XXXX . Die BF1 ist gesund. Die BF leiden an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Die BF sind mobil, anpassungsfähig und befinden sich im erwerbsfähigen Alter. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit der BF, welche beide bereits in Afghanistan gearbeitet haben.

Die BF liefen im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt nicht maßgeblich Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die BF sind in der Lage, in Mazar-e Sharif oder in Herat-Stadt eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen.

Die BF sind mit den kulturellen Gepflogenheiten und einer Sprache ihres Herkunftsstaates vertraut.

Die BF haben zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Übrigen ist auch davon auszugehen, dass die Familie bzw. Verwandte der BF sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan beim Aufbau einer Existenzgrundlage in Mazar-e Sharif oder in Herat-Stadt unterstützen würden.

1.1.4. Zum Leben in Österreich

Die BF sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Nach ihren eigenen Angaben sind sie auch in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatten keine Probleme mit den dortigen Behörden. Sie sind keine Mitglieder einer politischen Partei und waren auch sonst nicht politisch aktiv.

Die BF halten sich seit Juli 2015 in Österreich auf. Sie haben keine Familienangehörige bzw. Verwandte in Österreich. Die BF haben in Österreich österreichische und afghanische Freunde bzw. Bekanntschaften.

Der BF2 besuchte zwischenzeitlich Deutschkurse und legte bisher keine Deutschprüfung erfolgreich ab. Er treibt in seiner Freizeit Sport. Der BF2 war von 03.04.2018 bis 28.09.2018 beim Dienstgeber XXXX als Saisonarbeiter in einer XXXX beschäftigt. Für April 2018 bis September 2018 betrugen die gemeldeten Beitragsgrundlagen in Summe XXXX Euro. Der BF2 schloss am 07.02.2019 mit dem Land XXXX einen Vergleich und anerkannte darin den ausstehenden Überbezug an Grundversorgungsleistungen in der Höhe von XXXX Euro, weshalb dieser Betrag vom Verpflegungsgeld von monatlich XXXX Euro ab März 2019 einbehalten wird.

Seit Oktober 2015 bis zumindest März 2017 verrichtete er ehrenamtlich diverse Arbeiten für die Gemeinde XXXX . Der BF2 war im ersten Halbjahr 2018 ehrenamtlich in einem Sozialmarkt tätig, legte jedoch keine Bestätigung darüber vor.

Die BF1 besuchte zwischenzeitlich Deutschkurse und absolvierte Deutschprüfungen (höchstes in Vorlage gebrachtes Zertifikat: Niveau A2, Prüfung vom 31.03.2017) und weist dies durch Teilnahmebestätigungen bzw. Zertifikate nach. Sie hat die Prüfung für das Niveau B1 zweimal nicht bestanden (nach den vorgelegten Zertifikaten zuletzt am 25.01.2018). Der letzte angeführte Deutschkurs der BF1 endete Mitte Dezember 2018.

Der typische Tagesablauf der BF stellt sich nach ihren Angaben derzeit so dar, dass sie um acht oder neun Uhr aufstehen und frühstücken, der BF2 sich sportlich betätigt, die BF1 einkaufen geht. Manchmal bekommt sie Besuch von ihren Freunden. Die BF lernen gemeinsam mit Hilfe von XXXX Deutsch und erledigen ihren Einkauf. Darüber hinaus gehen die BF auch außerhäuslichen Freizeitaktivitäten nach.

Die BF1 war bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Die BF1 lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Die BF1 war ehrenamtlich für den XXXX mit dem Aufgabenbereich XXXX tätig. Weiters besucht die BF1 ein Sprachcafé.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 in der Fassung vom 08.01.2019 (verbliebene Fehler im Original, Nummerierung geändert):

"1.2.1.1. Neuste Ereignisse

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl ...

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul ...

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern ...

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN

21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). ... Die Wahl, die für den

20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

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Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

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KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 ...

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

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Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

...

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

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KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan ...

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; ...

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Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

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Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

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1.2.1.2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018) , von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

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Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

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• Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

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Zivilist/innen

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Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009 -31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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