TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W200 2201839-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2201839-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer über die Beschwerde von Mag. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 14.06.2018, OB:

28616595000054, mit dem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei war im Besitz eines bis 31.01.2018 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% und stellte am 15.11.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, welcher vom Sozialministeriumservice als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet wurde. Dem Antrag angeschlossen war ein Konvolut an medizinischen Unterlagen.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte orthopädische Gutachten vom 26.03.2018 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. und gestaltete sich wie folgt:

"Anamnese:

Letzte Begutachtung im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 21.9.2015, Gesamtgrad der Behinderung 70 % (degenerative Veränderung des linken Hüftgelenks bei Zustand nach Hüftgelenksersatzes rechts 70 %, Entlastungsbedarf, Varikositas beidseits 20 %)

Nachuntersuchung für 10/2017 geplant, da Besserung von Leiden 1 zu erwarten ist.

Zwischenanamnese:

H-TEP Iinks bei Hüftkopfnekrose am 29.10.2015

Rehabilitationsaufenthalt 01/2016 und 06/2016, jeweils RZ Engelsbad

01/2018 stationäre Aufnahme für 5 Tage bei Zustand nach Lungenembolie, seit 2014 einmal im Jahr Infektazerbation, bekanntes allergisches Asthma bronchiale

Derzeitige Beschwerden:

"Die meisten Beschwerden habe ich im Bereich des linken Kniegelenks, Beschwerden auch in Ruhe. Zunehmend Schmerzen auch im rechten Knie und bei Belastung der linken Hüfte und im linken Sprunggelenk, im Bereich der rechten Hüfte habe ich keine Beschwerden. Bin mit Rollator oder 2 Krücken mobil, weitere Strecken schaffe ich gar nicht, kann nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Bis zur U-Bahn benötige ich etwa 20 min statt 5-7 min, komme nicht in die Straßenbahn oder in den Bus hinein, bin auf das Auto angewiesen und fahre mit dem Auto zur Arbeit."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Deflamat 75 mg zweimal, Pantip, Oleovit D3, Ciscutan, Relvar Ellipse, Sultanol bei Bedarf

Allergie: Sulfonamide, braunes Pflaster, Gräser, Roggen, Beifuß, Ragweed

Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1230, regelmäßig bei Facharzt für Orthopädie 1040

Sozialanamnese:

Verheiratet, 2 Kinder (9, 12 Jahre), lebt in Wohnung im 6. Stockwerk mit Lift.

Berufsanamnese: Vertragsbedienstete XXXX Bürotätigkeit

(...)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut, 44a, Ernährungszustand: adipös

Größe: 177,00 cm Gewicht: 190,00 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status - Fachstatus:

(...)

Abdomen: Bauchdecke über Thoraxniveau, klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: Ekzem am Unterbauch unter der Fettschürze

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten: Linkshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich.

Die Beinachse zeigt eine X- Beinstellung. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, Unterschenkelödeme beidseits, Varizen, keine trophischen Störungen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk beidseits: kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Kniegelenk links: Valgusstellung von etwa 20°, Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, Druckschmerz über den medialen Gelenkspalt, Patella verbacken.

Kniegelenk rechts: Valgusstellung von etwa 10°, sonst unauffälliges Gelenk.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/80 (konstitutionsbedingt), Innenrotation/Außenrotation 20/0/30, Knie beidseits 0/0/100 (konstitutionsbedingt), Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, geringgradig Klopfschmerz über der LWS.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen endlagig eingeschränkt

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit Rollator und einer Krücke in Begleitung, das Gangbild barfuß im Untersuchungszimmer ist schwerfällig, ohne Gehhilfe mäßig zügig, insgesamt sicher. Gesamtmobilität verlangsamt, nicht wesentlich eingeschränkt.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

(...)

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Hüfttotalendoprothese beidseits 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da beidseits mäßig eingeschränkte Beweglichkeit ohne Hinweis für Lockerung.

02.05.08

30

2

Valgusgonarthrose beidseits Unterer Rahmensatz, da kein Hinweis für höhergradige Abnützungserscheinungen beidseits.

02.05.19

20

3

Funktionseinschränkung leichten Grades des venösen und lymphatischen Systems, Varikositas 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mäßig ausgeprägte Schwellungsneigung mit Lymphödem ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit und ohne Ekzem oder Ulcus. Berücksichtigt Adipositas permagna.

05.08.01

20

4

Asthma bronchiale Oberer Rahmensatz, da keine Langzeittherapie etabliert.

06.05.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die Auswirkungen des führenden Leidens Nr. 1 werden durch die anderen Leiden nicht erheblich verstärkt, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 des Vorgutachtens (degenerative Veränderung des linken Hüftgelenks bei Zustand nach Hüftgelenksersatz rechts mit Entlastungsbedarf) wird, gemeinsam mit dem Hüftleiden rechts, neu eingestuft, da keine Entlastung mehr erforderlich ist.

Leiden 2 des Vorgutachtens, wird unverändert eingestuft.

Hinzukommen von Leiden 2 und 4 des aktuellen Gutachtens, da objektivierbar.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Herabsetzung um 4 Stufen, da Besserung von Leiden 1, da eine Entlastung des linken Hüftgelenks nicht mehr erforderlich ist.

Dauerzustand."

Im Zuge des Parteiengehörs zu dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten legte die Beschwerdeführerin ein Attest vom 05.04.2018 sowie Röntgenbilder vor und führte in der Stellungnahme im Wesentlichen aus, dass das ärztliche Sachverständigengutachten an erheblichen Mängeln leide, die mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen in Widerspruch stehen würden. Überdies liege eine erhebliche Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens vor.

Die dazu von der belangten Behörde eingeholte Stellungnahme der Fachärztin für Orthopädie vom 13.06.2018 ergab, dass sämtliche vorgelegten Befunde und Einwendungen zu keiner Änderung der getroffenen Einstufung führen würden, neue Tatsachen und Beweismittel hätten nicht dokumentiert werden können.

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 14.06.2018 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde, welcher abermals medizinische Unterlagen angeschlossen waren, holte das BVwG ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein, welches Folgendes ergab:

"Sozialanamnese: verheiratet, 2 Kinder, beschäftigt im XXXX , dzt. Beruflich tätig mit 20 Wochenstunden.

Medikamentöse Therapie: Relvar 1-2 x/d, Sultanol bei Bedarf (bei feuchtem Wetter), Deflamat, Pantip, Ciscutan, Mometason Nasenspray.

(...)

Status Präsens:

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: Adipositas permagna,

Größe: 177 cm, Gewicht: 195 kg,

Cor: reine Herztöne, rhytmische Herzaktion, Blutdruck: n.f.,

Pulmo: leise V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer.

Abdomen: unauffällig, über Thoraxniveau, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, 2 Schutzpflaster unter der Bauchschürze, Nierenlager bds. frei.

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links endlagig eingeschränkt, Inkl. und Rekl. frei,

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung endlagig eingeschränkt,

Extremitäten:

OE: Schultergelenke, Ellenbogengelenke, Handgelenke und Fingergelenke beidseits frei beweglich, Faustschluss bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits erhalten, Kraft beider oberer Extremitäten unauffällig und gut.

UE: Valgusstellung beider Kniegelenke, links stärker als rechts. Sprunggelenke bds. frei, Zehenbeweglichkeit unauffällig, Fußheben und -senken bds. frei durchführbar. Beide untere Extremitäten können von der Unterlage abgehoben werden, rechts 30° demonstriert, links minimal angedeutet demonstriert. Beim Hinlegen auf die Untersuchungsliege wird die linke untere Extremität im Bereich des Fußes mit der Hose umwickelt und unter Ziehen an der Hose die Extremität geschickt und gut auf die Untersuchungsliege gehoben. Bein- und Fußpulse beidseits tastbar.

Venen: Varikosis beidseits, links stärker als rechts, verdickte untere Extremitäten beidseits bei Adipositas, keine Knöchelödeme.

(...)

Beurteilung und Stellungnahme:

1) Einschätzung des Grades der Behinderung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da beidseits unauffälliger Protheseneinsatz ohne Hinweis auf Lockerung bei konstitutionsbedingt bestehenden insgesamt mäßiggradigen Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke.

02.05.08

30

2

Funktionseinschränkung des venösen und lymphatischen Systems bei Adipositas 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da Schwellungsneigung bei Adipositas bei fehlendem Geschwür und fehlendem Stauungsekzem sowie Fehlen maßgeblicher Beeinträchtigungen der Gelenksbeweglichkeit.

05.08.01

30

3

Asthma bronchiale bei restriktiver Ventilationsstörung Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da reduziertes Lungenvolumen bei Übergewicht, medikamentös kompensierbar bei Fehlen wiederholter stationärer Behandlungen aufgrund von Exazerbationen.

g.z. 06.06.02

30

4

Degenerative Veränderungen beider Kniegelenke Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da konstitutionsbedingt endgradige Einschränkungen der Beugefunktion bei beidseits freier Streckfunktion.

02.05.19

20

5

Akne inversa Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da überwiegend begrenzt, mittels Lokaltherapie behandelbar bei Fehlen anhaltender lokalisationsbedingter funktioneller Beeinträchtigungen.

01.01.02

20

2) Gesamtgrad der Behinderung: 50%

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die Leiden 2 und 3 stellen maßgebliche zusätzliche Leiden dar, welche mit dem führenden Leiden 1 wechselseitig negativ zusammenwirken und erhöhen um eine Stufe. Leiden 4 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammen und erhöht nicht weiter. Leiden 5 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

Nachsatz: Eine Verfettung der Leber (Steatosis Hepatitis) erreicht keinen Behinderungsgrad, da maßgebliche Leberfunktionsstörungen nicht belegt sind.

3) a) Ist eine Veränderung zum Gutachten vom 20. Oktober 2015 objektivierbar? Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sie sich?

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 21. Oktober 2015 ist eine Besserung der Funktion der Hüftgelenke objektivierbar. So ist eine Entlastung des linken Hüftgelenks nicht mehr erforderlich. Die nunmehr dokumentierten degenerativen Veränderungen beider Kniegelenke bei auch konstitutionsbedingt endgradigen funktionellen Einschränkungen werden nunmehr unter Position Nummer 4 berücksichtigt. Ein Lungenleiden ist nunmehr befundmäßig dokumentiert und wird unter Position Nummer 3 eingeschätzt. Auch ist nunmehr eine Akne inversa befundmäßig dokumentiert und klinisch objektivierbar, welche unter Positionsnummer 5 berücksichtigt wird. Im Vergleich zum Vorgutachten ist eine Zunahme des Körpergewichtes bei mäßiger Schwellungsneigung im Rahmen der Funktionseinschränkung des venösen und lymphatischen Systems an den unteren Extremitäten objektivierbar. Insbesondere infolge der Gewichtszunahme bei Adipositas per magna (aktuell 195 Kilo, im Vergleich zum Vorgutachten 170 kg) erfolgt eine Anhebung des Behinderungsgrades hinsichtlich Leiden Nummer 2 im Vergleich zum Vorgutachten vom Oktober 2015.

b) Ist eine Veränderung zum Gutachten vom 26. März 2018 samt Stellungnahme objektivierbar? Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sie sich?

Hinsichtlich der Leiden 1 und 4 ergeben sich keine Änderungen. Es erfolgt eine Neuaufnahme von Leiden Nummer 5, da eine Akne befundmäßig dokumentiert ist und im Rahmen der klinischen Untersuchung nunmehr objektiviert werden kann. Infolge des vorliegenden ärztlichen Abschlussberichtes des Internisten Prof. XXXX vom 30. Januar 2018 und des darin angeführten lungenärztlichen Konsiliarbefundes mit beschriebener reduzierter Vitalkapazität der Lunge bei Übergewicht und der berichteten Beschwerdesymptomatik wird Leiden Nummer 3 im Vergleich zum Sachverständigengutachten vom März 2018 um eine Stufe angehoben. Infolge der bei Adipositas bestehenden Funktionseinschränkungen des venösen und lymphatischen Systems an den unteren Extremitäten mit Schwellungsneigung erfolgt aufgrund der auch im Vergleich zum Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX nunmehr objektivierbaren weiteren Zunahme der Adipositas (aktuell 195 kg Körpergewicht bei einem Körpergewicht von 190 kg laut Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX ) eine Anhebung des Behinderungsgrades um eine Stufe.

4) Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine ärztliche Nachuntersuchung ist im Dezember 2022 angezeigt, da eine Besserung hinsichtlich Leiden Nummer 2 und 3 möglich ist (Reduktion des Körpergewichtes mit Verbesserung der Funktion des venösen und lymphatischen Systems an den unteren Extremitäten sowie Verbesserung der Lungenfunktion bei Gewichtsreduktion).

(...)"

Im Rahmen des gewährten Parteiengehörs gab weder die Beschwerdeführerin noch das Sozialministeriumservice zum übermittelten allgemeinmedizinischen Gutachten eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.: Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 von 100.

1.2.: Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Allgemeinmedizinischer Status:

Ernährungszustand: Adipositas permagna, Größe: 177 cm, Gewicht: 195 kg.

Cor: reine Herztöne, rhytmische Herzaktion, Blutdruck: n.f.

Pulmo: leise V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer.

Abdomen: unauffällig, über Thoraxniveau, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, 2 Schutzpflaster unter der Bauchschürze, Nierenlager bds. frei.

Obere Extremitäten: Schultergelenke, Ellenbogengelenke, Handgelenke und Fingergelenke beidseits frei beweglich, Faustschluss bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits erhalten, Kraft beider oberer Extremitäten unauffällig und gut.

Untere Extremitäten: Valgusstellung beider Kniegelenke, links stärker als rechts. Sprunggelenke bds. frei, Zehenbeweglichkeit unauffällig, Fußheben und -senken bds. frei durchführbar. Beide untere Extremitäten können von der Unterlage abgehoben werden, rechts 30° demonstriert, links minimal angedeutet demonstriert. Beim Hinlegen auf die Untersuchungsliege wird die linke untere Extremität im Bereich des Fußes mit der Hose umwickelt und unter Ziehen an der Hose die Extremität geschickt und gut auf die Untersuchungsliege gehoben. Bein- und Fußpulse beidseits tastbar.

Venen: Varikosis beidseits, links stärker als rechts, verdickte untere Extremitäten beidseits bei Adipositas, keine Knöchelödeme.

1.3.: Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da beidseits unauffälliger Protheseneinsatz ohne Hinweis auf Lockerung bei konstitutionsbedingt bestehenden insgesamt mäßiggradigen Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke.

02.05.08

30

2

Funktionseinschränkung des venösen und lymphatischen Systems bei Adipositas 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da Schwellungsneigung bei Adipositas bei fehlendem Geschwür und fehlendem Stauungsekzem sowie Fehlen maßgeblicher Beeinträchtigungen der Gelenksbeweglichkeit.

05.08.01

30

3

Asthma bronchiale bei restriktiver Ventilationsstörung Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da reduziertes Lungenvolumen bei Übergewicht, medikamentös kompensierbar bei Fehlen wiederholter stationärer Behandlungen aufgrund von Exazerbationen.

g.z. 06.06.02

30

4

Degenerative Veränderungen beider Kniegelenke Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da konstitutionsbedingt endgradige Einschränkungen der Beugefunktion bei beidseits freier Streckfunktion.

02.05.19

20

5

Akne inversa Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da überwiegend begrenzt, mittels Lokaltherapie behandelbar bei Fehlen anhaltender lokalisationsbedingter funktioneller Beeinträchtigungen.

01.01.02

20

Der Gesamtgrad

der Behinderung beträgt 50 v.H.

Die Leiden 2 und 3 stellen maßgebliche zusätzliche Leiden dar, welche mit dem führenden Leiden 1 wechselseitig negativ zusammenwirken und erhöhen um eine Stufe. Leiden 4 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammen und erhöht nicht weiter. Leiden 5 wirkt mit dem führenden Leiden 1 ebenfalls nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom BVwG eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 26.02.2019 ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Die darin festgestellte Änderung verglichen zu dem vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten vom 26.03.2018 beschreibt der Arzt für Allgemeinmedizin dahingehend, dass eine Neuaufnahme von Leiden Nummer 5 erfolgt, da eine Akne befundmäßig dokumentiert ist und im Rahmen der klinischen Untersuchung nunmehr objektiviert werden kann. Infolge des vorliegenden ärztlichen Abschlussberichtes des Internisten Prof. XXXX vom 30.01.2018 und des darin angeführten lungenärztlichen Konsiliarbefundes mit beschriebener reduzierter Vitalkapazität der Lunge bei Übergewicht und der berichteten Beschwerdesymptomatik wird Leiden Nummer 3 um eine Stufe angehoben. Infolge der bei Adipositas bestehenden Funktionseinschränkung des venösen und lymphatischen Systems an den unteren Extremitäten mit Schwellungsneigung erfolgt aufgrund der auch im Vergleich zum Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX nunmehr objektivierbaren weiteren Zunahme der Adipositas (aktuell 195 kg Körpergewicht bei einem Körpergewicht von 190 kg laut Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX ) eine Anhebung des Behinderungsgrades um eine Stufe.

Zudem führte der befasste Sachverständige schlüssig aus, dass das führenden Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 um eine Stufe erhöht wird, da diese maßgeblichen zusätzlichen Leiden darstellen, welche mit dem führenden Leiden 1 wechselseitig negativ zusammenwirken.

Der Inhalt des Gutachtens wurde im Rahmen des Parteiengehörs von den Parteien unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

In den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % festgestellt. Festgehalten wurde, dass sich in der Gesamtbeurteilung somit eine Erhöhung des Behinderungsgrades der beschwerdeführenden Partei ergibt. Das angeführte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Da ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurde und dieser Feststellung im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes war vom BVwG ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. In diesem Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2201839.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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